VwGH 30.06.1983, 83/08/0091
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | RAO 1945 §34 Abs1 litd VwGG §23 VwGG §24 VwGG §34 Abs2 |
RS 1 | Durch die Verzichtsleistung eines Rechtsanwaltes nach § 34 Abs 1 lit d der RAO erlischt auch dessen Vollmacht zur Vertretung vor dem VwGH. Es kann ihm daher nicht mehr ein Verbesserungsauftrag nach § 34 Abs 2 VwGG zugestellt werden. |
Normen | RAO 1945 §28 Abs1 lith VwGG §34 Abs2 |
RS 2 | Ein Verbesserungsauftrag nach § 34 Abs 2 VwGG kann nicht einem von der Rechtsanwaltskammer gemäß § 28 Abs 1 lit h RAO bestellten mittlerweiligen Stellvertreter zugestellt werden. |
Normen | VwGG §23 ZustG §9 |
RS 3 | Ist die einem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht erloschen, ist dieser Rechtsanwalt auch nicht mehr Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustellG im Verfahren vor dem VwGH. |
Normen | VwGG §34 Abs2 ZustG §7 |
RS 4 | Ist eine Verfügung gemäß § 34 Abs 2 VwGG an einem nicht mehr bevollmächtigten Anwalt adressiert, sind die Bestimmungen des § 7 ZustellG über die Heilung von Zustellmängel nicht anwendbar (Hinweis B , 2942/79, VwSlg 10327 A/1980). |
Entscheidungstext
Betreff
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Spruch
Begründung
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Zl. B 192/78-12, die Beschwerde des Antragstellers gegen den. Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , Zl. 124.759/3-6/1977, betreffend Herabsetzung des Betrages für einzukaufende Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung gemäß Art. VII Abs. 10 der 32. Novelle zum ASVG abgewiesen und gleichzeitig die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Antragsteller durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom erging gemäß § 34 Abs. 2 VwGG 1965 die Aufforderung, die Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel in drei Punkten zu ergänzen. Zu dieser Mängelbehebung wurde eine Frist von sechs Wochen, vom Tage der Zustellung dieser Verfügung an gerechnet, bestimmt und darauf hingewiesen, daß die Versäumung dieser Frist als Zurückziehung der Beschwerde gilt.
Diese Verfügung wurde an den im verfassungsgerichtlichen Verfahren als Vertreter und Rechtsanwalt (siehe §§ 23 Abs. 1 und 24 VwGG) ausgewiesenen Dr. AB in der C-Straße gerichtet. Nach dem Rückschein wurde diese Sendung jedoch von einer Angestellten des Rechtsanwaltes Dr. DE in der F-Straße am . übernommen.
Am gab der Antragsteller den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mit sechs Wochen bestimmten Frist zur Behebung der Beschwerdemängel zur Post. Gleichzeitig wurde die versäumte Mängelbehebung nachgeholt und ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt. Nach der Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe der Antragsteller im März 1983 erfahren, daß Rechtsanwalt Dr. AB in Pension sei. Vom „Kanzleinachfolger“ Rechtsanwalt Dr. DE habe der Beschwerdeführer die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom bekommen. Da der Antragsteller drei Kriegsverwundungen habe und in ärztlicher Behandlung stehe, habe er die bestimmte Frist nicht „erfaßt“ und erst zu spät gesehen, daß sie bereits verstrichen sei.
Laut Auskunft der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland sei die Berechtigung des Dr. AB zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft. mit durch Verzichtleistung erloschen (§ 34 Abs. 1 lit. d der Rechtsanwaltsordnung RGBl. 1868/96, RAO) und für ihn Rechtsanwalt Dr. DE mit Beschluß des Ausschusses dieser Rechtsanwaltskammer. vom zum mittlerweiligen Stellvertreter bestellt worden (§ 28 Abs. 1 lit. h RAO idF BGBl. 1956/159).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Fünfersenat gemäß § 12 Abs. 3 VwGG 1965, in der Fassung BGBl. Nr. 203/1982, erwogen:
Die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr. DE zum mittlerweiligen Stellvertreter des ehemaligen Rechtsanwaltes Dr. AB durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer gemäß § 28 Abs. 1 lit. h RAO begründete noch kein Vollmachtsverhältnis zwischen dem mittlerweiligen Vertreter und dem Antragsteller als Klienten des vertretenen Rechtsanwaltes, da der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer keine Vollmacht der Partei hat und sie daher auch nicht übertragen kann (vgl. Oberster Gerichtshof u.a. , 1 Ob 725/50, SZ 24/39, und , 1 Ob 84/71, EvBl. 1972/44).
Die dem Dr. AB seinerzeit vom Antragsteller erteilte Vollmacht ist aber, ohne auf den mittlerweiligen Stellvertreter übergegangen zu sein, durch den Verzicht auf die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit , also noch vor der Zustellung der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes. vom am , erloschen. Dies deswegen, weil davon auszugehen ist, daß der Antragsteller dem Dr. AB die Vollmacht seinerzeit in dessen Eigenschaft als Rechtsanwalt erteilt hat, und zwar für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bzw. für ein allfälliges späteres Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (siehe auch Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 177/77, Slg. N. F. Nr. 5102/F). Daher ist es als stillschweigende Geschäftsgrundlage anzusehen, daß diese Vollmacht nur so lange gelten sollte, als der Bevollmächtigte Rechtsanwalt bleibt. Mit dem Verzicht auf die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft fiel diese dem Vollmachtsverhältnis innewohnende Geschäftsgrundlage weg. Diese erloschene Vollmacht enthielt auch die Zustellungsbevollmächtigung. Somit war weder Dr. AB noch der Rechtsanwalt Dr. DE zum Empfang der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom bevollmächtigt. Aus diesem Grund ist § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes vom , BGBl. Nr. 200, nicht anzuwenden. Somit wäre die gegenständliche Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom richtig dem Antragsteller als Empfänger zuzustellen gewesen.
Der Zustellschein, betreffend die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom , enthält lediglich den Namen und die Anschrift des Dr. Josef AB. Damit gab der Gerichtshof zu erkennen, wer der „Empfänger“ dieser Verfügung sein soll. Für den Antragsteller war diese Verfügung nach dem hier allein maßgebenden. Willen des Verwaltungsgerichtshofes nicht bestimmt, so daß ein Zustellmangel nicht vorgelegen war und sohin auch nicht von einem Anwendungsfall des § 7 des Zustellgesetzes die Rede sein kann. Die Weiterleitung des Mängelbehebungsauftrages von Rechtsanwalt Dr. DE an den Antragsteller war demgemäß ohne rechtliche Bedeutung (vgl. in diesem Sinn den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2942/79, Slg. N. F. Nr. 10327).
Da die Übermittlung der Verfügung vom an Dr. AB keine Rechtswirkung hatte, begann die mit sechs Wochen bestimmte Erfüllungsfrist noch nicht zu laufen, weshalb sie der Antragsteller nicht versäumt hat. Aus diesem Grund war der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.
Über den gleichzeitig gestellten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Beschwerdeergänzung kann erst entschieden werden, wenn das diesem Beschluß beiliegende „Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe“ ausgefüllt und unterschrieben rückgesendet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 11112 A/1983 |
Schlagworte | Mängelbehebung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1983:1983080091.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-60576