VwGH 31.01.1984, 83/07/0039
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | VwGG §34 Abs1; VwGG §38 Abs2; |
RS 1 | Das Fehlen von Aktenunterlagen, aus denen sich möglicherweise der Mangel der Beschwerdeberechtigung ableiten ließe, kann sich gemäß § 38 Abs 2 VwGG 1965 nicht zum Nachteil (einer möglichen Zurückweisung) für den Bfr auswirken, sodass eigene Ermittlungen des VwGH in dieser Hinsicht zu unterbleiben haben. |
Normen | AVG §68 Abs3; WRG 1959 §34 Abs1; |
RS 2 | Auf der Grundlage des § 34 Abs 1 WRG 1959 kann nicht die Abtragung bestehender Gebäude verfügt werden (Hinweis auf VfSlg 8832/1980). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde des F, der H und des minderjährigen J K, alle in T, der Drittbeschwerdeführer durch den Erstbeschwerdeführer als gesetzlichen Vertreter, alle Beschwerdeführer vertreten durch Dr. Rudolf Hein, Rechtsanwalt in Linz, Rudigierstraße 8a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 511.271/02-15/82, betreffend Schutzgebietsbestimmung (mitbeteiligte Partei:
Wassergenossenschaft T, vertreten durch Dr. Winfried Mörth, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 119), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 7.584,64 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom , Zl. Wa-220/1-1982/Spe, bestimmte der Landeshauptmann von Oberösterreich aufgrund eines - wegen wiederholt aufgetretener Verschmutzungen der sogenannten "XYquelle" - von der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Wassergenossenschaft Tragwein gestellten Antrages gemäß § 68 Abs. 3 AVG 1950 und §§ 34, 99 sowie 105 WRG 1959 ein mit Bescheid der Landeshauptmannschaft von Oberdonau vom festgelegtes Wasserschutzgebiet in Form eines je näher umschrieben engeren und weiteren Schutzgebietes NEU, bezeichnete die in den beiden Bereichen geltenden Verbote und verpflichtete die mitbeteiligte Partei zur Bereitstellung von jährlich 360 kg Vollkorn gelb als Entschädigung für das auferlegte Verbot der animalischen Düngung an die vom engeren Wasserschutzgebiet betroffenen Grundeigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger (als welche die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer genannt wurden) und zur Auszahlung einer einmaligen Pauschalentschädigung von S 21.125,-- für das verhängte Verbot der Viehweide an die vorgenannten Personen. Der Berufung der Beschwerdeführer gab sodann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom gemäß § 66 AVG 1950 nicht Folge, ergänzte jedoch den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid dahin, daß hinsichtlich der den Beschwerdeführern zugesprochenen Entschädigung gemäß § 117 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 4 WRG 1959 eine Nachprüfung vorbehalten bleiben sollte. In der Begründung des Rechtsmittelbescheides wurde ausgeführt, die Berufungsbehörde müsse nach dem Gutachten ihres wasserbautechnischen und ihres ärztlichen Amtssachverständigen annehmen, daß trotz eines negativ verlaufenen Färbeversuches der ganze Abhang nördlich der Quelle zu deren Einzugsgebiet gehöre und diese in evidenter Weise durch das dort liegende Anwesen der Beschwerdeführer, darüber hinaus durch die gesamte bäuerliche Tätigkeit und Lebensweise, die zahlreiche und nie völlig auszuschließende Möglichkeiten der Beeinträchtigung der Wasserqualität der Quelle mit sich bringe, gefährdet werde. Auch wenn man den Bauernhof abwassertechnisch "nach allen Regeln der Kunst" saniere - was bei dem gegebenen Bauzustand einer Neuerrichtung des Hofes gleichkomme -, werde selbst bei größter Achtsamkeit durch das Ausbringen von Jauche und Gülle auf den Feldern rund um den Hof, das Silierein, die Manipulation mit Treib- und Schmierstoffen, die Anwendung von Kunstdünger und Schädlingsbekämpfungsmitteln usw. die Quelle gefährdet werden. Dazu komme, daß auch neuerrichtete Gebäude alterten und, etwa an unterirdischen Rohrleitungen, unbemerkte Schäden aufträten, sowie schließlich, daß Gefahren von dem oberhalb der Quelle an der Grenze des weiteren Schutzgebietes verlaufenden Güterweg nicht ausgeschlossen werden könnten. Da der landwirtschaftliche Betrieb der Beschwerdeführer zweifellos eine ständige, massive Gefährdung der genannten Quelle verursache, müsse die Bewirtschaftung des Bauernhofes als mit der Nutzung dieser Quelle unvereinbar bezeichnet werden und könne der Betrieb keinesfalls aus dem Schutzgebiet ausgeklammert werden, wie es die Beschwerdeführer wünschten. Das die Entschädigung betreffende, schlüssige erstinstanzliche Schätzungsgutachten hätten diese, die ihm lediglich mit eigenen Behauptungen entgegengetreten seien, nicht erschüttern können; aus Billigkeitsgründen werde ihnen aber nun eine spätere. Nachprüfung ermöglicht.
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft; die Beschwerdeführer erachten sich dabei nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht, nicht mit den neu angeordneten Verboten belastet, andernfalls wegen einer dann notwendigen Absiedlung in dementsprechender, angemessener Weise entschädigt zu werden, verletzt. Sie weisen darauf hin, daß die belangte Behörde selbst davon ausgehe, daß durch den Landwirtschaftsbetrieb zwangsläufig eine Verunreinigung der Quelle eintrete und eine solche nur bei Absiedlung des betroffenen Anwesens vermieden werden könnte; diese würde jedoch einen Millionenaufwand erfordern. Die getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Quelle seien also nicht zielführend, der Entschädigungsbetrag berücksichtige die Interessen der Beschwerdeführer nicht gebührend und ihre Rechte würden entgegen § 68 Abs. 3 AVG 1950 keineswegs möglichst geschont, denn es gebe in der Gemeinde genügend Wasser zur Versorgung sogar der doppelten Einwohnerzahl; auch könnten die Beschwerdeführer eine gleich ergiebige, nicht sosehr gefährdete Quelle zur Verfügung stellen. Davon abgesehen habe eine maßgebende Änderung des Sachverhaltes seit 1939 nicht stattgefunden, so daß die Änderung des seinerzeitigen Bescheides unzulässig gewesen sei. Schließlich liege in der Sache bis heute überhaupt kein richtiges Projekt vor.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten je eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer sind nicht im Recht, wenn sie der belangten Behörde vorwerfen, sie habe eine Neuordnung der Schutzgebietsbestimmungen ohne Prüfung einer maßgeblichen Änderung des Sachverhaltes und ohne entsprechendes Projekt vorgenommen. Die Verfügung wurde nämlich verfahrensrechtlich auf § 68 Abs. 3 AVG 1950 gestützt, eine Vorschrift, zu deren Tatbestand eine solche Änderung nicht gehört, materiellrechtlich auf § 34 WRG 1959, wonach die entsprechenden bescheidmäßigen Anordnungen zum Schutze von Wasserversorgungsanlagen (Abs. 1) aufgrund amtswegiger Ermittlungen im öffentlichen Interesse zu treffen, also an ein vorgegebenes Projekt von Schutzmaßnahmen nicht gebunden sind (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1501/78, und vom , Zl. 545/79, wobei an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert wird).
In Anwendung des § 68 Abs. 3 AVG 1950 durfte die Behörde den Bescheid vom jedoch nur insoweit abändern, als dies zu den dort bezeichneten Zwecken notwendig und unvermeidlich war. Eine Prüfung, ob sich die Behörde dabei im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen hielt, blieb dem Verwaltungsgerichtshof aber bereits deshalb verwehrt, weil der Inhalt des abgeänderten Bescheides aus dem Jahr 1939 weder im angefochtenen Bescheid wiedergegeben wurde noch sonst in den vorgelegten Unterlagen aufscheint, und daher ein Vergleich der beiden Verwaltungsakte, der zeigen hätte können, ob und inwieweit eine Abänderung in Betracht kam, nicht möglich war. Die Beschreibung der vom (engeren und weiteren) Schutzgebiet umfaßten Flächen läßt des weiteren nicht erkennen, welche betroffenen Grundstücke den Beschwerdeführern (gemeinsam oder getrennt) gehören; dies ergibt sich übrigens ebensowenig aus den sonstigen Aktenunterlagen, so daß nicht feststeht, ob jeder der Beschwerdeführer ein durch die verfügten Schutzmaßnahmen betroffener Liegenschaftseigentümer und damit beschwerdeberechtigt ist; dieser Mangel konnte sich indessen gemäß § 38 Abs. 2 VwGG 1965 für keinen der Beschwerdeführer zum Nachteil (einer möglichen Zurückweisung) auswirken, so daß eigene Ermittlungen des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Hinsicht zu unterbleiben hatten.
Was die auf sachverständiger Grundlage vorgenommene Beurteilung der belangten Behörde betrifft, wird in der Beschwerde zu Recht die Unsicherheit hinsichtlich des Ausmaßes der Wirksamkeit der für geboten erachteten Maßnahmen hervorgehoben. Eine zur Sprache gekommene Absiedlung des Anwesens der Beschwerdeführer wurde von den Wasserrechtsbehörden nicht verfügt; eine Abtragung bestehender Gebäude zum Schutz von Wasserversorgungsanlagen wäre auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 WRG 1959 nicht zulässig gewesen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 473/77, Slg. 8832). Völlig unwirksame, dem Schutz der Wasserversorgung überhaupt nicht dienliche Maßnahmen wurden den Beschwerdeführern andererseits nicht auferlegt, weshalb diese durch das Unterbleiben noch weiter reichender Schutzmaßnahmen in ihren Rechten nicht verletzt wurden. Ob bei der gegebenen Sachlage ein dauerhafter Schutz der betroffenen Quelle in gesetzlich zulässiger Weise überhaupt gewährleistet werden kann, oder ob allenfalls künftig die Quellnutzung selbst eingeschränkt werden muß, und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehen könnte, hatte der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall nicht zu untersuchen.
Aufgrund der oben aufgezeigten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid jedenfalls gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 221/1981, im Rahmen des gestellten Antrages.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1984:1983070039.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-60547