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VwGH 13.06.1985, 82/06/0065

VwGH 13.06.1985, 82/06/0065

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ABGB §431;
BauO Tir 1978 §30 Abs1;
RS 1
Ausführungen zur Frage des "außerbücherlichen Eigentümers" (Hinweis E , 85/06/0046), sowie zur Frage des Eigentumserwerbes (§ 431 ABGB), wonach die tatsächliche physische Übergabe der Liegenschaft sachen-rechtlich bedeutungslos ist (Hinweis Spielbüchler in Rummel, Kommentar zum ABGB, Rz zu § 431).
Norm
BauRallg;
RS 2
Der Nachbar kann nur die Verletzung seiner subjektiven öffentlichen Rechte, nicht aber eine Verletzung der Rechte anderer Nachbarn mit Erfolg geltend machen (Hinweis E , 1771/62).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0587/68 E RS 2
Normen
BauO Tir 1978 §27 Abs2 lita;
BauO Tir 1978 §27 Abs2 litb;
BauO Tir 1978 §30 Abs4;
BauRallg impl;
RS 3
Kein subjektives öffentliches Nachbarrecht auf Nachweis des Eigentums oder der Zustimmung des Grundeigentümers.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 83/06/0028 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der MB in S, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-867/3, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. AS in S Nr. 57, 2. Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gemeinderat der Gemeinde S stimmte am dem Ansuchen der Beschwerdeführerin auf tauschweise Überlassung von rund 120 m2 aus Gp. 17, KG X, gegen Überlassung einer gleichartigen Fläche aus Gp. 13/1 zu und beschloß, das Ansuchen des Erstmitbeteiligten auf Überlassung des Restgrundstückes der Gp. 17 nach Feststellung des genauen Ausmaßes dieser Fläche dem Gemeinderat wieder vorzulegen.

Mit Eingabe vom suchte der Erstmitbeteiligte (Bauwerber) beim Bürgermeister der Gemeinde S als Baubehörde erster Instanz um die baubehördliche Bewilligung für den Ausbau des Wirtschaftsteiles des bestehenden Fremdenheimes in S 57, das sich auf Gp. 58 und Bp. 14 der KG X befindet, an. Anläßlich der mündlichen Verhandlung, verbunden mit Lokalaugenschein vom , erklärte die Beschwerdeführerin durch KN, daß sie dem Bauvorhaben nicht zustimmen könne. Der Bauwerber habe einen Lageplan aus dem Jahre 1963 vorgelegt, der mit dem Grundbuchstand nicht mehr übereinstimme. Laut gültigem Lageplan und Grundbuchstand stehe das Wirtschaftsgebäude nicht ausschließlich auf Eigentum des Bauwerbers, sondern teilweise auf der Gp. 17, KG X, die im Eigentum der Gemeinde S stehe. Ein Gemeinderatsbeschluß, der diese Bauführung auf fremdem Grund zulasse, liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe auf Grund rechtskräftiger Abmachungen mit der Gemeinde S auf einen Teil der Gp. 17 in einem Ausmaß von 82 m2 Anspruch. Das in der Verhandlung stehende Bauvorhaben werde zum Teil unmittelbar an der Grundgrenze und zum Teil auf Gemeindegrund durchgeführt. Auf Grund dieses Anspruches der Beschwerdeführerin sei es unwahrscheinlich, daß genügend Grund erworben werden könne, um den gesetzmäßigen Grenzabstand einhalten zu können. Es werde daher der Antrag gestellt, daß das Bauvorhaben bis zur Erledigung der Grundfrage ausgesetzt werde. Da eine Zustimmung der Gemeinde für die Bauführung auf der Gp. 17, KG X, nicht vorliege, widerspreche das Bauvorhaben der Tiroler Bauordnung.

Der Gemeinderat der Gemeinde S stimmte sodann in seiner Sitzung vom einem Grundstückstausch zu, wonach der Erstmitbeteiligte an die Gemeinde S aus der Gp. 4365/1 eine etwa 700 m2 große Teilfläche überlasse und als Gegenleistung hiefür nach Abtretung von 51 m2 an die Beschwerdeführerin die verbleibende Restfläche aus der Gp. 17 (ca. 200 m2) erhalte. Als Begründung dieser Beschlußfassung wurde festgestellt, daß zwischen der Gemeinde und der Beschwerdeführerin vereinbart worden sei, daß diese u.a. als Entschädigung rund 50 m2 aus den gemeindeeigenen Gp. 17 und 624/2 als Naturalersatz erhalte. Diese Vereinbarung mit der Beschwerdeführerin sei vom Gemeinderat am zustimmend zur Kenntnis genommen worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom wurde dem Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für das beantragte Bauvorhaben nach Maßgabe der genehmigten Pläne unter Einhaltung verschiedener Vorschreibungen erteilt. Die Beschwerdeführerin wurde mit ihren Einwendungen als präkludiert behandelt, nachdem der die Einwendungen anläßlich der mündlichen Verhandlung mit Lokalaugenschein erhebende KN weder bei der mündlichen Verhandlung noch innerhalb der von der Baubehörde gesetzten Nachfrist eine Vollmacht beibringen konnte.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und focht in dieser neben der behaupteten Präklusion den Bescheid auch inhaltlich an. Sie behauptete, daß sie auf Grund des Grundeinlösungsbescheides des Bürgermeisters der Gemeinde S vom bereits Eigentümerin von 181 m2 der Gp. 17, KG X, sei. Durch das geplante Bauvorhaben würde zumindest der gesetzliche Grenzabstand zu dieser 181 m2 großen, der Beschwerdeführerin eigentümlichen Teilfläche aus Gp. 17, KG X, unterschritten, wenn nicht gar bereits auf dieser Grundfläche gebaut. Im übrigen wiederholte sie die bereits anläßlich der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen. Bezüglich der Präklusion führte sie aus, es sei amtsbekannt, daß Herr KN ihr Schwiegersohn sei; ausschließlich dieser habe die Einwendungen zum Bauvorhaben vorgebracht, und zwar, ohne daß ihm ein Auftrag zur Vorlage einer Vollmacht erteilt worden wäre. Dies sei auch richtig gewesen, da gemäß § 10 Abs. 4 AVG die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen könne, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder handle und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde S vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin "als unbegründet zurückgewiesen". Hiezu wurde ausgeführt, die Vertretungsbefugnis des KN sei rechtlich nicht begründet; die Bestimmung des § 10 Abs. 4 AVG sei nämlich so zu verstehen, daß es sich um solche amtsbekannte Familienmitglieder handeln müsse, welche zum engeren Familienkreis des zu Vertretenden gehörten und mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Dies treffe jedoch im gegenständlichen Fall nicht zu, da KN in L seinen Wohnsitz habe und daher nicht als amtsbekanntes Familienmitglied im Sinne dieser Gesetzesstelle zu werten sei. Eine "Parteistellung" sei daher wegen Präklusion nicht gegeben. Auf Grund dieses Sachverhaltes wurde in der Berufungsentscheidung in materieller Hinsicht auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen.

Gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die Tiroler Landesregierung, in der sie im wesentlichen die Ausführungen in der Berufung wiederholte.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Vorstellung der Beschwerdeführerin Folge gegeben, der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der Gemeinde S verwiesen. Begründet wurde dies damit, daß eine Präklusion des KN, wie die Baubehörden erster und zweiter Instanz annahmen, nicht vorgelegen sei, da über seine Vertretungsbefugnis kein Zweifel bestehen konnte. Dadurch, daß die Baubehörde zweiter Instanz zu Unrecht Präklusion angenommen hätte, sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt worden. Dieser Bescheid wurde nicht weiter bekämpft, sodaß die ihm zugrunde liegende Rechtsansicht im weiteren Verfahren nicht nur die Behörden, sondern auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bindet.

In seiner neuerlichen Entscheidung vom wies der Gemeindevorstand der Gemeinde S die Berufung der Einschreiterin vom als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters vom , womit die baubehördliche Bewilligung für einen Anbau beim Haus Nr. 57, KG X, nach Maßgabe der vorgelegten Baupläne erteilt worden war. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß die Baubehörde nur über subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen absprechen könne, Einwendungen privatrechtlicher Natur jedoch auf den Zivilrechtsweg zu verweisen seien. Durch die Inanspruchnahme fremden Grundes, der nicht im Eigentum der Einschreiterin stehe, könne diese in subjektiv-öffentlichen Rechten nicht beschwert sein.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung, in der sie sich vor allem wieder auf die strittigen Eigentumsverhältnisse an der Gp. 17 bezog und ausführte, die Einwendungen des mangelnden gesetzlichen Grenzabstandes seien subjektiv-öffentliche Einwendungen, deshalb müßte über diese von der Baubehörde abgesprochen werden. Der Beschwerdeführerin seien mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom im Zuge des Grundeinlösungsverfahrens aus der Gp. 17, KG X 50, m2 als flächengleicher und wertgleicher Naturalersatz für die Gp. 13/1, KG X, überlassen worden. In Wirklichkeit seien jedoch 161 m2 der Beschwerdeführerin für Straßenzwecke in Anspruch genommen worden. Gehe man davon aus, daß gemäß dem Bescheid vom als Naturalersatz für die Gp. 13/2, KG X, eine Teilfläche von 80 m2 zu leisten gewesen sei, so sei die Vorstellungswerberin bereits Eigentümerin von 181 m2 der Gp. 17,

KG X.

Die belangte Behörde wies die Vorstellung der Beschwerdeführerin mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom ab. Begründend führte sie aus, Nachbarn im Sinne des § 30 Abs. 1 Tiroler Bauordnung seien Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen sei. Der Bauwerber sei Eigentümer der Gp. 58 und der Bp. 14, KG X. Die Beschwerdeführerin wiederum sei Eigentümerin der Gp. 13/1, KG X. Zwischen der Gp. 58, KG X, auf welcher das geplante Bauvorhaben teilweise errichtet werden solle, und der Gp. 13/1, KG X, liege die gemeindeeigene Gp. 17, KG X, die durch das geplante Bauvorhaben teilweise berührt werde. Im Zuge des Grundeinlösungsverfahrens seien der Beschwerdeführerin aus der ihr gehörenden Gp. 13/1, KG X, 130 m2 enteignet worden. Anstelle einer Entschädigung in Geld seien flächengleicher und wertgleicher Naturalersatz durch die Gemeinde S, und zwar 80 m2 aus der eingelösten Restfläche der Gp. 13/2, KG X, und 50 m2 aus der Gp. 17, KG X, geleistet worden. Eine Verbücherung dieser Grundtransaktionen sei bis heute nicht erfolgt. Gemäß § 431 ABGB müsse zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden (Intabulationsprinzip). Dieses Prinzip besage, daß die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung und Aufhebung bücherlicher Rechte nur durch die Eintragung im Grundbuch bewirkt werden könne (§ 4 Grundbuchsgesetz). Die grundbücherliche Eintragung bilde bei Liegenschaften den für den Rechtserwerb erforderlichen Modus, trete also an die Stelle der bei beweglichen Sachen vorgesehenen Übergabe. So sei etwa für den Eigentumserwerb an verbücherten Grundstücken die bloße körperliche Übergabe nicht ausreichend, vielmehr die Einverleibung nötig. Wenngleich das Intabulationsprinzip nicht lückenlos durchgeführt sei - so erwerbe etwa der Ersitzende schon nach dem Ablauf der Ersitzungszeit Eigentum, der Erbe durch die Einantwortung usw. -, so erwerbe im Falle der Enteignung nur der Begünstigte das Eigentum bereits durch den Verwaltungsakt der Enteignung oder den Erlag der Entschädigungssumme. Begünstigter sei derjenige, zu dessen Gunsten eine Enteignung durchgeführt werde. Nicht vom Eintragungsgrundsatz ausgenommen seien aber die Enteigneten, denen anstelle einer Entschädigung in Geld ein Naturalersatz geleistet werde. Dies auf den verfahrensgegenständlichen Fall angewandt, bedeute, daß die Beschwerdeführerin auf Grund des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde S vom zwar einen Rechtsanspruch auf Übertragung des flächen- und wertgleichen Naturalersatzes durch die Gemeinde S besitze, jedoch noch nicht Eigentümer der Ersatzgrundstücke sei. Zwischen der Gemeinde und der Beschwerdeführerin bestehe, nachdem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich ein außerbücherliches Eigentum nicht kenne, lediglich ein Schuldrechtsverhältnis. Dies bedeute, daß die Behörde von den ursprünglichen und derzeit noch bestehenden Grenzen auszugehen hatte. Es sei deshalb für die Baubehörde ohne Belang gewesen, wie groß die der Beschwerdeführerin nun tatsächlich zustehende Teilfläche auf der Gp. 17, KG X, sei. Eine Unterschreitung des Grenzabstandes zu jenem Teil der Gp. 17, KG X, welche die Beschwerdeführerin als ihr eigentümlich behaupte, sei nicht möglich, da, wie bereits dargelegt, die Beschwerdeführerin noch gar nicht Eigentümerin dieser Teilfläche sei und damit auch eine neue Grenze noch nicht bestehe. Damit erübrige sich auch die beantragte Überprüfung des Abstandes zwischen dem geplanten Bauvorhaben und der von der Beschwerdeführerin beanspruchten Teilfläche aus der Gp. 17. Eine Berührung des Eigentums der Beschwerdeführerin durch das geplante Bauvorhaben sei ebenfalls nicht möglich. Unbestritten sei, daß der für den Ausbau bestimmte Wirtschaftsteil des auf Gp. 58 und Bp. 14 stehenden Fremdenheimes teilweise auf der der Gemeinde S eigentümlichen Gp. 17, KG X, stehe. Wenngleich also durch das geplante Bauvorhaben fremder Grund in Anspruch genommen werde, so könne die Vorstellungswerberin dadurch jedoch nicht in ihren subjektivöffentlichen Nachbarrechten verletzt sein. Die durch das Bauvorhaben berührte Gp. 17, KG X, stehe im Eigentum der Gemeinde S und die Beschwerdeführerin werde durch die Bauführung auf Gemeindegrund überhaupt nicht berührt. Selbst für den Fall, daß die Bauführung auf dieser Parzelle in rechtswidriger Weise erfolgen sollte, könne die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten nicht beschwert sein. Für die Beurteilung des Grenzabstandes seien also jene Grenzen heranzuziehen gewesen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Grundeinlösungsbescheides vom bestanden hätten und noch bis zur Verbücherung der vereinbarten Grundtransaktionen Bestand haben würden. Ausgehend von diesen, für die Beurteilung des geplanten Bauvorhabens durch die Baubehörde rechtlich relevanten Grenzen könne an Hand der vorgelegten Pläne unschwer und zweifelsfrei festgestellt werden, daß durch das geplante Bauvorhaben die gesetzlich geforderten Grenzabstände bei weitem eingehalten werden. Dies würde auch von der Beschwerdeführerin nicht angezweifelt. Die Frage, ob die erforderlichen Grenzabstände den übrigen Nachbargrundstücken gegenüber gewahrt seien, könne unberücksichtigt bleiben, da der jeweilige Nachbar immer nur die Einhaltung der dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften seinem Grundstück gegenüber geltend machen könne. Auf Grund dieser Ausführungen würde sich ergeben, daß die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Entscheidung in keinem subjektiv-öffentlichen Recht, das in der Tiroler Bauordnung begründet sei, verletzt worden sei und eine derartige Verletzung auch im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtbewilligung des Bauvorhabens des Erstmitbeteiligten auf Ausbau seines Fremdenheimes, insbesondere in ihrem Nachbarrecht nach § 30 TBO und ihrem Recht nach § 5 TBO auf Einhaltung des Grenzabstandes, verletzt.

Die zweitmitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Stellungnahme ebenso wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO) hat folgenden Wortlaut:

"Nachbarn sind Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist."

Die Beschwerdeführerin läßt in ihrer Beschwerde unbestritten, daß eine grundbücherliche Eintragung der mit Grundeinlösungsbescheid vom geänderten Eigentumsverhältnisses noch nicht vorgenommen wurde, sie also bezüglich der von ihr beanspruchten Grundflächen der Gp. 17, KG X, nur "außerbücherliche Eigentümerin" ist. Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, daß dem Begriff des sogenannten "außerbücherlichen Eigentums" in der Rechtsordnung eine bestimmte Bedeutung zukommt, so ist ihr insofern beizupflichten, als die Tradition ohne Bucheintrag im inneren Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber eine dem Eigentum stark angenäherte Stellung des Erwerbers bewirkt (vgl. Klang in Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Band, S. 358). Die Bestimmung des § 30 Abs. 1 TBO verlangt aber ausdrücklich Eigentum an Grundstücken und nicht bloß eine dem Eigentum stark angenäherte Stellung.

Als Eigentümer kann im Baurecht nur derjenige angesehen werden, dem zivilrechtliches Eigentum zusteht. Gemäß § 431 ABGB bedarf es zur Übertragung des Eigentums an verbücherten Sachen der Einverleibung im Grundbuch. Die tatsächliche physische Übergabe der Liegenschaft ist sachenrechtlich bedeutungslos (vgl. Spielbüchler in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Rz. 11 zu § 431, sowie das zur Tiroler Bauordnung ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/06/0046, 0047).

Vom Eintragungsgrundsatz ist nur der Erwerb durch die Enteignung selbst ausgenommen, keinesfalls aber der Erwerb durch die Enteigneten, denen anstelle einer Entschädigung in Geld Naturalersatz geleistet wird, zumal es sich dabei rechtlich nur um die Beurkundung eines zivilrechtlichen Vertrages handeln kann. Die Beschwerdeführerin irrt daher, wenn sie davon ausgeht, daß ihr hinsichtlich jener Grundstücke, bezüglich derer sie "außerbücherliche Eigentümerin zu sein behauptet, Nachbarstellung zukommt. Hinsichtlich jener Grundstücke, die in ihrem Eigentum stehen, hat sie eine Verletzung von Nachbarrechten nicht geltend gemacht.

Der belangten Behörde ist deshalb beizupflichten, wenn sie bei der Beurteilung des Bauvorhabens von den ursprünglichen und im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch bestehenden Grenzen ausging und die auf Grund des Grundeinlösungsbescheides vom zu ändernden Eigentumsverhältnisse noch nicht berücksichtigte. Wie die belangte Behörde weiters richtig erkannt und dargelegt hat, erübrigte sich bei der bestehenden Rechtslage eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie groß die der Beschwerdeführerin nun tatsächlich zustehende Teilfläche der Gp. 17, KG X, ist, sowie eine Auseinandersetzung mit der Frage der Unterschreitung des Grenzabstandes.

Nach der Aktenlage ist unbestritten, daß das geplante Objekt teilweise auf fremdem Grund, nämlich auf der noch im Eigentum der Gemeinde S stehenden Gp. 17, zu stehen kommt. Nun kann die Beschwerdeführerin aber nicht schon dadurch in ihren Rechten verletzt werden, daß das geplante Objekt teilweise auf fremdem Grund errichtet wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, kann der Nachbar nur die Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte, nicht aber die Verletzung der Rechte anderer Nachbarn mit Erfolg geltend machen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 587/68, und vom , Zl. 1771/62). Dem Nachbarn steht kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Vorliegen der Zustimmung des Grundeigentümers zu, ebensowenig darauf, daß der Bauwerber Eigentümer der Bauliegenschaft ist (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 83/06/0090, und vom , Zl. 83/06/0028, 0029).

Ebenso kann - wie die belangte Behörde richtig erkannte - die Frage unberücksichtigt bleiben, ob die erforderlichen Grenzabstände den übrigen Nachbargrundstücken gegenüber gewahrt sind, da die Beschwerdeführerin nur die Einhaltung der dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften ihrem Grundstück gegenüber geltend machen kann. Die Beschwerdeführerin behauptet keine Abstandsverletzung zwischen den Objekten des Bauwerbers und ihrer ursprünglichen, im gegenständlichen Fall einzig relevanten Grundstücksgrenze.

Die belangte Behörde hat daher ihren Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, wenn sie die gegen den Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin abgewiesen und keine Verletzung subjektivöffentlicher Rechte der Beschwerdeführerin angenommen hat. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am

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Normen
ABGB §431;
BauO Tir 1978 §27 Abs2 lita;
BauO Tir 1978 §27 Abs2 litb;
BauO Tir 1978 §30 Abs1;
BauO Tir 1978 §30 Abs4;
BauRallg impl;
BauRallg;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1985:1982060065.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-59950