VwGH 22.09.1954, 3274/52
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Ein Schreiben, in dem ein Rechtsanwalt als Machthaber einer Vertragspartei der anderen Vertragspartei oder deren Machthaber gegenüber den Inhalt des Vertrages festlegt, löst die Pflicht zur Entrichtung der für das betreffende Rechtsgeschäft vorgesehenen Gebühr aus. (Hinweis auf E , 2257/52, VwSlg 725 F/1953) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer-Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Naderer als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der prot. Firma FG in W gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 929/I - 1952, betreffend Vergleichsgebühr, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Josef Jelinek, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine offene Handelsgesellschaft (OHG), an der bis zu ihrem Ableben () auch IS, geb. G, als Gesellschafterin beteiligt war. Deren Ehegatte trat teils als unmittelbarer Erbe, teils als Erbeserbe nach der Erblasserin auf. Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung stellte die Beschwerdeführerin eine Zwischenbilanz auf den für Zwecke der Auseinandersetzung mit dem Erben auf. Diese Bilanz wurde von einem vereidigten Buchprüfer überprüft, der darüber Bericht erstattete, in dem er das Guthaben der Erblasserin für den mit rund 152.700 S ermittelte. Er fügte jedoch bei, daß in dieser Summe allfällige stille Reserven bei den Anlagegütern nicht enthalten, daß aber diese Reserven voraussichtlich nur geringfügig seien. Andererseits könne nicht mit Verläßlichkeit bestätigt werden, daß sämtliche bestehende Schuldverpflichtungen im Hinblick auf die ungeklärten Haftungsverhältnisse erfaßt werden konnten. Es sei ohne weiters möglich, daß die Firma zur Übernahme größerer Verpflichtungen herangezogen werde, als bisher in den Firmenbilanzen ausgewiesen seien. Namentlich ergebe sich aus den internationalen Verflechtungen der Firma eine gewisse Unübersichtlichkeit ihrer Vermögenslage. Als Gesellschafterin der "K", einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, die ihrerseits der ehemaligen Reichsstelle für Getreide namhafte Beträge schulde, sei die Firma durch Schulden der letztgenannten Gesellschaft, deren rechtliches Schicksal ungeklärt sei, gefährdet. In der Folge wurden, wie aus einem im Verlassenschaftsakt erliegenden Briefwechsel der Beschwerdeführerin mit dem Gerichtskommissär hervorgeht, zwischen der Beschwerdeführerin und deren Anwalt einerseits und dem Witwer der IS und dessen Rechtsanwalt andererseits längere Verhandlungen geführt, die die endgültige Entfertigung der Verlassenschaft nach IS und ihr Ausscheiden aus der Gesellschaft zum Gegenstande hatten. Der Rechtsanwalt Dr. Otto Reimer, der in diesen Verhandlungen die Beschwerdeführerin vertrat, richtete am an den Witwer - noch bevor derselbe eine Erbserklärung abgegeben hatte - ein Schreiben, in dem er diesem gegenüber die mit seinem Rechtsanwalt Dr. Eduard Windt getroffenen Vereinbarungen bestätigte. Danach sollte der Witwer bzw. die Verlassenschaft sofort aus der OHG gegen Bezahlung eines Betrages von 100.000 S und eines weiteren Kostenbetrages von 1.000 S ausscheiden, ferner auf alle wie immer gearteten Rechtsanspüche gegen die Beschwerdeführerin und ihre öffentlichen Gesellschafter einschließlich des Anteils an dem Steuerguthaben der Erblasserin verzichten. Dieses Steuerguthaben sollte an die Gesellschafter der Beschwerdeführerin übertragen werden. Dagegen sollten die Gesellschafter der Beschwerdeführerin die Einkommensteuer und Vermögensteuer der Erblasserin, die auf die Zeit bis zur Unterfertigung der Registereingabe über das Ausscheiden der Verlassenschaft aus der Firma entfielen, aus eigenem bezahlen. In demselben Schreiben wird auch erwähnt, daß seit dem Tode der Erblasserin monatlich 1.500 S an den Witwer ausbezahlt wurden. Nach der Unterfertigung der Eingabe an das Handelsregister, betreffend die Löschung der Gesellschafterin IS werde sofort die Überweisung des "Vergleichsbetrages" von 100.000 S veranlaßt werden.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Innsbruck hat anläßlich der Bemessung der Erbschaftsteuer nach IS über dieses Schreiben einen amtlichen Befund aufgenommen und der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 33 TP. 20 Z. 2 lit. b des Gebührengesetzes (BGBL.Nr. 184/1946, GG) aus dem Betrag von 130.434 S eine 2 %ige Vergleichsgebühr in der Höhe von 2.609 S und gemäß § 9 GG eine Gebührensteigerung in der Höhe von 5.218 S vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Vorschreibung Beschwerde (richtig: Berufung) und führte aus, die von ihr nicht bestrittene Vereinbarung sei kein Vergleich, denn ein solcher setze immer ein streitiges Verfahren voraus, das entweder vor Gericht oder außergerichtlich durch eine vergleichsweise Regelung bereinigt werden müsse. Im vorliegenden Falle habe kein streitiges Verfahren stattgefunden. Sicherlich müsse beim Ausscheiden eines Gesellschafters das Auseinandersetzungsguthaben einvernehmlich festgesetzt werden. Aber nur wenn eine Einigung nicht erzielt wird, das Verfahren dadurch ein streitiges geworden und dieses schließlich durch Vergleich geregelt worden ist, könne man von einem Vergleich sprechen. Ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 15 Abs. 1 GG liege also überhaupt nicht vor. Selbst wenn ein solches vorliegen würde, sei es aber nicht beurkundet worden. Der Brief des Anwaltes der Beschwerdeführerin sei an den anderen Vertragsteil nur auf besonderes Ersuchen des Rechtsanwaltes dieses anderen Vertragsteiles abgefertigt worden, weil der Rechtsanwalt des anderen Vertragsteiles die Vereinbarungen unmittelbar vor Antritt seines Urlaubes getroffen und nicht mehr die Zeit gehabt habe, seinen Machtgeber entsprechend zu verständigen. Es handle sich also nur um eine anwaltliche Korrespondenz. Diese Korrespondenz sei nicht die Beurkundung eines Rechtsgeschäftes, sondern lediglich die Mitteilung über die mündlich erzielte Einigung. Das Schreiben sei aber auch nicht als ein Anbot über ein abzuschließendes Rechtsgeschäft anzusehen, das durch Austausch von Briefen oder durch sonstige schriftliche Mitteilungen zustande kommen sollte. Der Wortlaut des Briefes spreche eindeutig dafür, daß eine Einigung erzielt worden und lediglich über ihr Ergebnis berichtet worden sei. Das Finanzamt erließ zunächst einen abweisenden Einspruchsbescheid und die Beschwerdeführerin begehrte darauf die Entscheidung der Finanzlandesdirektion. Die Beschwerdeführerin führte noch aus, der Gebrauch des Wortes "Vergleichsbetrag" in dem streitigen Schreiben beweise noch nicht, daß es sich tatsächlich um einen Vergleich gehandelt habe. In Wirklichkeit sei nur eine Einigung über einen in keiner Weise strittigen Anspruch getroffen worden. Es sei nur erforderlich gewesen, über die Höhe des Ausscheidungsguthabens eine Einigung zu erzielen.
Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung mit Bescheid vom ab. In der Begründung führte sie aus, "Vergleich" sei im Sinne des § 1380 ABGB und auch des Gebührenrechtes "ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifeilhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben zu tun oder zu unterlassen verbindet". Aus dem Inhalt des Schreibens gehe nun hervor, daß Ansprüche des AS bestanden und - wenn schon nicht dem Grunde so doch ihrer Höhe nach - zweifelhaft oder streitig waren. Dies sei bereits aus dem Verzicht auf alle wie immer gearteten Ansprüche ersichtlich. Auch wenn diese Umstände aus dem Schreiben selbst nicht deutlich ersichtlich wären, habe die Behörde bis zum Gegenbeweis gemäß § 17 Abs. 2 GG das Vorliegen eines Vergleiches annehmen könnend. Ein Gegenbeweis sei aber nicht angeboten, geschweige denn erbracht worden. Selbst im Rechtsmittelverfahren sei wiederholt von einer Einigung über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens gesprochen und die Notwendigkeit einer solchen Einigung betont worden. Der auszuzahlende Betrag werde im Schreiben überdies ausdrücklich als "Vergleichsbetrag" bezeichnet. Wenn diese Bezeichnung auch an sich für die gebührenrechtliche Beurteilung nicht maßgebend sei, so sei sie umgekehrt auch nur darin zu vernachlässigen, wenn sie mit dem Inhalt des Vertrages in Widerspruch stehe; dies sei aber nicht der Fall. Ein Vergleich setze kein streitiges Verfahren voraus. Dies verlange weder § 1380 ABGB noch § 33 TP. 20 GG. Die letztgenannte Gesetzesstelle unterscheide sogar ausdrücklich zwischen Vergleichen über anhängige Rechtsstreitigkeiten und anderen Vergleichen. Das Schreiben vom stelle nach seinem Inhalte eine Bestätigung des vorher mündlich erfolgten Vergleichsabschlusses dar und führe auch den wesentlichen Inhalt des Vergleiches an. Es sei somit als Beweisstück geeignet und sei auch zum Beweiszweck dem anderen Vertragspartner übersendet worden. Das Schriftstück müsse also als Urkunde angesehen werden. Für die Gebührenpflicht sei es aber unerheblich, ob durch die Beurkundung ein Rechtsgeschäft erst entsteht oder ob der frühere mündliche Abschluß eines Rechtsgeschäftes zu Beweiszwecken bloß bestätigt wird.
In der gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin vor, es habe sich nicht um einen "Neuerungsvertrag", sondern bloß um eine Verrechnung gehandelt und die Erklärung des Verzichtes der Verlassenschaft auf alle wie immer gearteten Ansprüche gehen die Beschwerdeführerin und ihre Gesellschafter einschließlich des Anteiles an den Steuerguthaben habe nur zum Ausdruck bringen wollen, daß eben diese Ansprüche im Zuge der gepflogenen Einigung über die Verrechnung bereits erfaßt seien. Eine ordnungsmäßig gepflogene Abrechnung könne nicht einen Vergleich im Sinne des Neuerungsvertrages abgehen. Wenn das Verständigungsschreiben vom Anwalt des Vertragspartners an diesen selbst gerichtet wurden wäre, würde kein Zweifel daran bestehen, daß es der Gebühr nicht unterliege; dadurch, daß die Verständigung nun durch den Anwalt der Beschwerdeführerin vorgenommen wurde, könne nicht eine Änderung in der Gebührenpflicht eintreten. In dem einen wie in dem anderen Falle handle es sich um eine anwaltliche Korrespondenz, nicht um die Beurkundung eines Rechtsgeschäftes. In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin noch vorgebrachte mit dem strittigen Übereinkommen sei nur das festgelegt worden, was für den Fall des Ablebens eines Gesellschafters unter der Voraussetzung, daß die übrigen Gesellschafter untereinander die Gesellschaft fortsetzen wollen, nach Inhalt des Gesellschaftsvertrages rechtens sein sollte. Es habe sich um die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsvertrag, also um einen Vertrag eigener Art, einen sogenannten Innominatvertrag gehandelt, im besonderen Falle um einen Auflösungsvertrag, nicht aber um einen Vergleich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 15 Abs. 1 GG (in der Fassung vor der Gebührennovelle BGBl. Nr. 107/1952) unterliegen den Gebühren nach den folgenden Bestimmungen Rechtsgeschäfte, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird. Die Beschwerdeführerin bestreitet einmal, daß der Vorgang, der den Gegenstand der vorliegenden Gebührenbemessung bildet, ein Rechtsgeschäft "nach den folgenden Bestimmungen", d.h., eines der im Tarif des § 33 GG aufgezählten Rechtsgeschäfte sei, zum anderen, daß dieser Vorgang beurkundet sei.
Die belangte Behörde stützt die Gebührenpflicht auf § 33 TP. 20 Z. 2 Iit. b GG. Nach dieser Gesetzesbestimmung unterliegen der Gebühr außergerichtliche Vergleiche, wenn sie nicht über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen werden, nach einem Gebührensatz von 2 % vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Daß der Begriff des Vergleiches in dieser Gesetzesstelle kein anderer ist als nach § 1380 ABGB, hat die belangte Behörde richtig ausgeführt und sie hat auch die gesetzliche Begriffsbestimmung des Vergleiches in ihrer Begründung richtig wiedergegeben. Schon aus dem Wortlaut der Urkunde alleine in der von einer "Vergleichssumme" gesprochen wird, aus der Höhe der Summe, die mit einem runden Pauschalbetrag - mit 100.000 S - ausgemessen ist, aus der Erklärung des Verzichtes auf Steuerguthaben der Erblasserin und aus der anderseits wieder von der Beschwerdeführerin übernommenen Verpflichtung, die Einkommensteuer und die Vermögensteuer der Erblasserin, die auf die Zeit bis zu einem bestimmten Stichtag entfällt, zu zahlen, konnte die Behörde schließen, daß hier eine Anzahl wechselseitiger Ansprüche in Frage stand und daß diese im Wege gegenseitiger Zugeständnisse bereinigt und auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt wurden. Dies konnte die belangte Behörde umso eher tun, als das maßgebliche Schriftstück von einem Rechtsanwalt, also von einer rechtskundigen Person verfaßt war. Eine Einsicht in den Abhandlungsakt war bei dieser Sachlage für die Verwaltungsbehörde nicht erforderlich. Die Behörde konnte vielmehr gemäß § 17 Abs. 2 GG der Beschwerdeführerin die Erbringung eines Gegenbeweises überlassen. Gegenstand eines solchen Gegenbeweises hätte aber nur sein können, daß die Ansprüche der Erblasserin bzw. ihres Erben von Anfang an nicht streitig oder zweifelhaft waren. Die Beschwerdeführerin hat aber nur behauptet, es sei bloß die Höhe der dem Grunde nach nicht bestrittenen Ansprüche noch offen geblieben. Aber auch dann, wenn über die Höhe eine Einigung vorerst nicht erzielt wird, ist der Anspruch streitig und kann er also vergleichsweise bereinigt werden. Wenn die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens von der Bewertung schwer zu schätzender und ungewisser Verpflichtungen der Gesellschaft abhängt, ist das Recht des Auseinandersetzungsgläubigers außerdem zweifelhaft, auch in diesem Falle ist, solange die strittigen Bewertungsfragen nicht geklärt sind, für eine verläßliche Verrechnung keine genügende Grundlage geboten, sodaß für eine Bereinigung der Auseinandersetzung vor der Gewinnung völliger Gewißheit über die Bewertungsfragen nur der Weg eines Vergleiches in Betracht kommt. Daß auch im vorliegenden Falle die Festsetzung des Auseinandersetzungsguthabens von der Bewertung schwer zu schätzender und unsicherer Schulden der Gesellschaft abhing, geht nicht bloß aus dem Verlassenschaftsakt hervor, es hat dies auch der Vertreter der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich zugegeben. Es gehen also die in der vorliegenden Vereinbarung getroffenen Abmachungen über den Rahmen einer bloßen Verrechnung hinaus. Aus demselben Grund erweist sich aber auch der Einwand der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung als hinfällig, das streitige Geschäft sei ein bloßer Auflösungsvertrag und kein Vergleich. Ist die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens und die Art seiner Entrichtung auf Grund einer etwa im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Bestimmung über dessen Ermittlung und die dabei einzuhaltenden Bewertungsregeln eindeutig festgelegt oder sind sich die Parteien über den einzuschlagenden Bewertungsvorgang einig, dann kann allerdings ein Auseinandersetzungsvertrag nicht als Vergleich aufgefaßt werden. Daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben gewesen seien, hatte aber die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht. Sie hat vielmehr immer die Notwendigkeit betont, daß im Wege gegenseitiger Vereinbarungen erst die Höhe des Entfertigungsbetrages habe festgestellt werden müssen. Daraus und aus dem weiteren Umstand, daß auch über private Steuerguthaben der verstorbenen Gesellschafterin und über die Tragung der Einkommensteuer und Vermögensteuer für diese Gesellschafterin - die an sich nicht Sache der Beschwerdeführerin gewesen wäre - gesonderte Abmachungen getroffen wurden, konnte bei der gegebenen Sach- und Beweislage die Verwaltungsbehörde mit Recht schließen, daß ein einheitliches als Vergleich zu wertendes Rechtsgeschäft vorlag, dessen einzelne Teile gegenseitig zusammenhängende Bestandteile des Hauptgeschäftes sind und von diesem gemäß § 19 Abs. 2 GG auch in gebührenrechtlicher Hinsicht nicht getrennt werden können. Die Feststellung der belangten Behörde, daß ein Vergleich zustande gekommen ist, erweist sich somit als schlüssig und von Mängeln frei.
Die belangte Behörde hat aber auch nicht geirrt, wenn sie in dem Schreiben vom die Beurkundung eines Vergleiches erblickt hat. Denn dieses Schriftstück ist, wie nicht bestritten wird, von dem Rechtsanwalt des einen Vergleichsteiles ausgestellt und dem anderen Vergleichsteil übersendet worden. Dieser kann also das Schriftstück als eine schriftliche Erklärung seines Vertragsgegners (bzw. dessen Machthabers) über den Abschluß und den Inhalt des Vergleiches zu Beweiszwecken verwenden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat - vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 725 (F) -, lösen nicht bloß sogenannte rechtserzeugende, sondern auch rechtsbezeugende Urkunden, also solche Urkunden, die nur den Inhalt eines bereits vorher mündlich abgeschlossenen Rechtsgeschäftes wiedergeben, die Gebührenpflicht aus. Wird eine Urkunde über ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft - ein solches ist der Vergleich - von einem Vertragsteil unterzeichnet und dem anderen Vertragsteil übersendet oder ausgehändigt, so entsteht gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. b GG im Zeitpunkt der Übersendung oder Aushändigung die Gebührenschuld. Die Tatsache der Übersendung ist im vorliegenden Fall unbestritten. Ob die Urkunde von einem Vertragsteile selbst oder von dessen Bevollmächtigtem unterzeichnet wird, macht für die Frage der Gebührenpflicht keinen Unterschied aus. Die Erklärung des Vertreters ist in gebührenrechtlicher Hinsicht der Erklärung des Vertretenen gleichzustellen. Ebenso ist es belanglos, ob der auf der Urkunde unterzeichnete Machthaber ein Rechtsanwalt ist oder nicht. Von einer bloßen "Anwaltskorrespondenz" könnte dann gesprochen werden, wenn der Rechtsanwalt die von ihm selbst vertretene Partei schriftlich von dem Abschluß eines Rechtsgeschäftes unterrichtet. Ein Schreiben aber, in dem er der anderen Vertragspartei oder deren Bevollmächtigten gegenüber den Inhalt eines Vertrages festlegt, muß als beweiswirkende Wiedergabe des von seiner Partei der anderen Partei gegenüber erklärten rechtsgeschäftlichen Willens beurteilt werden und löst so die Pflicht zur Entrichtung der für das betreffende Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Gebühr aus.
Die Beschwerde erweist sich aus den vorstehenden Erwägungen als unbegründet und mußte sohin abgewiesen werden.
Wien, am
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1954:1952003274.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-59287