VwGH 16.12.1981, 2900/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Die Inanspruchnahme der Wertpapierbegünstigung des § 107 EStG 1972 setzt voraus, daß die Wertpapiere im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben werden. Diese Voraussetzung ist jedenfalls nicht gegeben, wenn der Wille, Wertpapiere anzuschaffen, fehlt (Hinweis E , 81/13/0037). |
Normen | |
RS 2 | Die Angabe eines Datums in einem Bescheid ist entbehrlich, weil dieser ohnedies erst durch seine Bekanntgabe Wirksamkeit erlangt (Hinweis E , 636/47, VwSlg 484 A/1948). |
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RS 3 | |
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RS 4 | Die Überweisung des Erstattungsbetrages gem § 107 Abs 3 EStG 1972 stellt keinen Bescheid dar. Eine Rückforderung des Erstattungsbetrages ist daher keine Maßnahme nach § 294 BAO. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde der HS in W, vertreten durch Dr. Otto Schubert sen. und Dr. Otto Schubert jun., Rechtsanwälte in Wien VII, Lerchenfelderstraße 15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 4-6515/2/80, betreffend Rückforderung von Erstattungsbeträgen gemäß § 107 EStG 1972, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter Bezugnahme darauf, daß die Beschwerdeführerin im Jahre 1976 Investitionsanleihe 1976/A mit einem Nennbetrag von S 100.000,-- erworben und dafür die Steuerbegünstigung gemäß § 107 EStG 1972 in Anspruch genommen habe, forderte die Creditanstalt-Bankverein den gemäß der zitierten Bestimmung zu erstattenden Steuerbetrag in Höhe von S 15.000,-- bei der belangten Behörde an, welche den Betrag zugunsten der Beschwerdeführerin überwies und dem Wohnsitzfinanzamt der Beschwerdeführerin eine Kontrollmitteilung über den Erwerb der Wertpapiere zukommen ließ.
Am nahm der Leiter der Strafsachenstelle des Finanzamtes mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten folgende Niederschrift auf:
"Wenn wir daraufhin angesprochen werden, ob wir Wertpapiere besitzen, so verneinen wir dies. Wenn uns vorgehalten wird, daß wir im Jahre 1976 je S 100.000,-- steuerbegünstigt gezeichnet hätten, so geben wir an:
An uns ist eine Frau W herangetreten, die sich als Anlagenberaterin ausgegeben hat. Wir haben ihr erklärt, für solche Dinge kein Geld zu haben. Sie hat dann gesagt, wir könnten ihr helfen und dafür S 1.000,-- erhalten. Sie hat dann uns eine Unmenge von Papieren zur Unterschrift vorgelegt, die wir unterschrieben haben. Sie war immer in Eile. Wir haben dann tatsächlich die S 1.000,-- bekommen. Sollten wir uns durch unsere Vorgangsweise irgendwie strafbar gemacht haben, so bitten wir jetzt schon um eine milde Beurteilung."
Im Zuge des daraufhin gegen die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten eingeleiteten Strafverfahrens wurde vom Finanzamt an die Österreichische Postsparkasse ein Ansuchen um Auskunftserteilung gerichtet. Dieses Ansuchen wurde damit beantwortet, daß bei der Österreichischen Postsparkasse ein Wertpapierdepot mit der Bezeichnung des Namens der Beschwerdeführerin geführt werde, über das nur die Depotinhaberin zeichnungsberechtigt sei. Die Post werde auch an Herrn Dkfm. JN abgefertigt. Abreifende Erträgnisse würden der zum Depot geführten laufenden Rechnung gutgeschrieben. Über den Saldo dieses Kontos, der jeweils nach Abzug der Spesen bestehe, könne die Beschwerdeführerin frei verfügen, sofern das zum Depot bestehende Darlehen nicht unterdeckt sei. Die Wertpapiere seien zu Lasten eines zum Depot bestehenden Lombarddarlehens samt Zinsen verpfändet.
Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin vom Finanzamt erneut vorgeladen und mit ihr am eine weitere Niederschrift - nunmehr im Beisein ihres Rechtsanwaltes - aufgenommen. Die Beschwerdeführerin gab dazu folgendes an:
"Ich berichtige mein Vorbringen vom dahingehend, daß ich in den vergangenen Jahren von der PSK mehrmals Auszüge über (das) Wertpapierdepot erhalten habe. Ich weise unter einem ein noch ungeöffnetes Kuvert vor, aus dem nach Eröffnung die Zinsengutschrift ……. zum entnommen wird. Ich verweise darauf, daß mich zufolge Umzuges im Jahre 1977 möglicherweise nicht die gesamte Post erreicht hat. Hinsichtlich der einlangenden Post glaube ich mich zu erinnern, daß Frau W sagte, man solle sie ihr schicken oder wegwerfen. Die gesamten Besprechungen mit Frau W hat mein Gatte geführt. Ich kenne Frau W nicht persönlich, sondern nur telefonisch. Die obige Äußerung wegen der Post bezieht sich auf eine Mitteilung meines Gatten. Die Unterschriften habe ich über Rat meines Gatten abgegeben."
Auf ein diesbezügliches Auskunftsersuchen des Finanzamtes teilte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin - diesmal in seiner Eigenschaft als rechtsfreundlicher Vertreter des Dkfm. JN - schriftlich mit, daß von seinem Mandanten "in sämtlichen Angelegenheiten" die Zwischenfinanzierung bis zur Vermittlung eines Kreditgebers als Provisorium persönlich erfolgt sei. Die Zustellung der Kontoauszüge und sonstigen Mitteilungen durch die Postsparkasse sei teils sowohl an Dkfm. S als auch an die Beschwerdeführerin, teils nur an eine dieser beiden Personen vorgenommen worden. Die jährliche Mahnung zur notwendigen Verlängerung des Lombardkredites sei von der Postsparkasse auf jeden Fall der Depotinhaberin, also der Beschwerdeführerin zugestellt worden.
Dem Auskunftsschreiben waren u.a. die Ablichtung eines Darlehensanbotes der Dr. BP an die Beschwerdeführerin sowie die Ablichtung der Anbotannahme durch die Beschwerdeführerin angeschlossen. Demzufolge gewährte Dr. BP der Beschwerdeführerin einen Kredit in Höhe von S 23.752,-- mit einer kontokorrentmäßig zu berechnenden 13%igen Verzinsung p.a. zuzüglich eines Betrages von S 3.000,-- für die Bereitstellung. Der Kredit war mit befristet.
Das Finanzamt forderte hierauf von der Beschwerdeführerin den gemäß § 107 EStG 1972 gutgeschriebenen Steuererstattungsbetrag in Höhe von S 15.000,-- bescheidmäßig zurück und führte dazu in der Begründung aus, der im § 107 EStG 1972 geregelte steuerbegünstigte Erwerb von Wertpapieren setze voraus, daß die Wertpapiere "wirtschaftlich" auf eigene Rechnung erworben würden. Diese Voraussetzung liege bei der Beschwerdeführerin, die ausdrücklich erklärt habe, keine steuerbegünstigt angeschafften Wertpapiere zu besitzen, sondern lediglich bereit gewesen zu sein, gegen ein Entgelt von S 1.000,-- eine Reihe von Unterschriften zu leisten, nicht vor. Die Beschwerdeführerin habe zwar mit ihrer Unterschrift die Steuerbegünstigung formal in Anspruch genommen, der wirtschaftliche Nutzen der Begünstigung sollte jedoch dem Büro N zugute kommen. Der nachträglichen Aussage der Beschwerdeführerin, daß sie von der Postsparkasse vereinzelt Poststücke erhalten habe, komme keine wesentliche Bedeutung zu, da die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben der Meinung gewesen sei, diese Post entweder wegwerfen oder Frau W zusenden zu können.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung. Sie führte darin im wesentlichen aus, der Rückforderungsbescheid entspreche nicht den Bestimmungen des § 198 Abs. 2 BAO, weil nach dieser Bestimmung im Spruch des Bescheides die Fälligkeit angeführt sein müsse. Im konkreten Bescheid werde hinsichtlich der Fälligkeit auf die gesondert zugestellte Lastschriftanzeige verwiesen. Weiters trage der Bescheid weder ein Amtssiegel noch sei er datiert. Auch der Bestimmung des § 183 Abs. 4 BAO, wonach der Partei vor Erlassung eines Sachbescheides Gelegenheit zu geben sei, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern, sei nicht entsprochen worden. Die tatsächliche Gewährung der Steuerbegünstigung auf Grund des gestellten Antrages stelle "implicite die Erlassung eines Bescheides dar"; eine Abänderung oder Zurücknahme des Bescheides sei aber nur unter den Voraussetzungen des § 294 BAO zulässig. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen werde ausdrücklich bestritten.
Bei Akteneinsicht habe der Vertreter der Beschwerdeführerin festgestellt, daß der gegenständliche Bescheid nicht vom Finanzamt stamme, sondern zur GZ. GA 4-3031/71 von der Finanzlandesdirektion verfaßt und der Erstbehörde lediglich "zur Abfertigung und Approbierung" übermittelt worden sei. Es erscheine zweifelhaft, ob eine solche Vorgangsweise im Hinblick auf die unzulässige Verkürzung des Instanzenweges den gesetzlichen und den verfassungsrechtlichen Bestimmungen entspreche.
Zum Bescheidinhalt sei zu sagen, daß die gegenständlichen Wertpapiere im Namen der Beschwerdeführerin angeschafft und auf einem auf ihren Namen lautenden Depot hinterlegt worden seien. Die Beschwerdeführerin sei daher über dieses Wertpapierdepot voll verfügungsberechtigt, wenn man von der Beschränkung für die Depotbank im Rahmen des Lombardkredites absehe. Die Wertpapiere seien "mit geliehenem Geld, sohin aus eigenen Mitteln" angeschafft worden, "und zwar einerseits durch den Gegenwert des
Lombardkredites, andererseits aus Mitteln eines .... vom Büro N
vermittelten Privatkredites .... gewährt von Dr. BP .... und letztlich aus dem Gegenwert der Steuererstattung". Es bedürfe lediglich eines, wenn auch größere Sachkenntnis voraussetzenden und mühevollen Rechenexempels, um festzustellen, daß "sowohl der Lombardkredit als auch der Privatkredit zuzüglich der auflaufenden Zinsen durch die Verlosung der Wertpapiere und die Zinsenerträgnisse sich selbst abdeckt, wenn nach Ablauf von sieben Jahren, sohin vorausgeplant nur unter teilweiser Ausnützung der Steuererstattung, ein Verkauf der restlichen Papiere erfolgt".
Eine solche Vorgangsweise verstoße nicht gegen die Bestimmung des § 107 EStG 1972. Die im Bescheid genannte "Entschädigung" von S 1.000,-- sei jener Betrag, der nach der Vorausberechnung vom gewährten Privatdarlehen zur Abwicklung des Wertpapierkaufes nicht notwendig sei. Die Vor- und Nachteile des Wertpapierbesitzes stünden der Beschwerdeführerin zu, sicher aber nicht dem Büro N, das für seine Tätigkeit nur ein Fixum erhalte. Zu den "andersartigen Angaben vor dem Strafreferenten" sei zu sagen, daß die Beschwerdeführerin die gesamte Abwicklung ihrem Gatten überlassen habe. Von diesem sei ihr auch geraten worden, "den Plan ebenfalls zu machen". Schließlich wird in der Berufung noch betont, daß zwischen der Beschwerdeführerin und dem Büro N auch kein Treuhandverhältnis bestanden habe.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. In der Begründung der Berufungsentscheidung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Begünstigung des § 107 EStG 1972 stehe einem Steuerpflichtigen nur dann zu, wenn er die Wertpapiere wirtschaftlich auf seine Rechnung erwerbe und ihm die Wertpapiere daher auch steuerlich zuzurechnen seien. Für Wertpapiere, die auf Grund eines Treuhandvertrages einer anderen Person zuzurechnen seien, könne vom Treuhänder keine Steuererstattung in Anspruch genommen werden. Die belangte Behörde habe Dr. BP als Zeugin vernommen. Die Aussage habe ergeben, daß die Zeugin die Beschwerdeführerin persönlich nicht kenne und daß die Darlehensgewährung über Vermittlung des Mag. N zustandegekommen sei. Der ersten Aussage der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten vor dem Leiter der Strafsachenstelle, wonach der Besitz von Wertpapieren klar verneint worden sei, komme mehr Glaubwürdigkeit zu als der später im Beisein ihres Rechtsanwaltes abgegebenen Erklärung der Beschwerdeführerin, für die sie offensichtlich vor ihrer Einvernahme entsprechend instruiert worden sei.
Für die Fragwürdigkeit der zweiten Erklärung spreche auch, daß der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin gleichzeitig Mag. JN vertrete. Die Beschwerdeführerin könne die Verantwortung auch nicht zur Gänze auf ihren Ehegatten abwälzen. Beide Ehegatten hätten nämlich ursprünglich übereinstimmend erklärt, keine Wertpapiere zu besitzen. An beide sei Frau W herangetreten, "beide hätten ihr erklärt, für solche Dinge kein Geld zu haben und beiden sei eine Unmenge von Papieren zur Unterschrift vorgelegt worden". Bezeichnend sei auch, daß beide Ehegatten den Unrechtsgehalt ihrer Handlungsweise eingesehen hätten, weil sie im voraus bereits um eine "milde Beurteilung" gebeten hätten. Der Fall der Beschwerdeführerin erscheine in einem ganz anderen Licht, wenn man wisse, daß es sich hiebei nicht um einen Einzelfall handle. In drei weiteren überprüften Fällen hätten die betreffenden Personen bei ihrer Einvernahme nichts von einem Wertpapiererwerb gewußt.
Zum übrigen Vorbringen in der Berufung sei zu sagen, daß die Fälligkeit einer Abgabe zulässigerweise auch aus einer dem Abgabenbescheid angeschlossenen Lastschriftanzeige hervorgehen könne, und daß das Fehlen des Amtssiegels und des Datums auf dem Bescheid diesem nicht die Bescheideigenschaft nehme. Gegen die Vorschrift des § 183 Abs. 4 BAO (Wahrung des Parteiengehörs) sei nicht verstoßen worden, weil das Finanzamt nur Beweismaterial verwendet habe, das der Beschwerdeführerin bekannt gewesen sei. Die Behauptung, daß die Rückgängigmachung der Steuererstattung nur unter den Voraussetzungen des § 294 BAO erfolgen dürfe, gehe ebenfalls ins Leere. Doch selbst für den Fall, daß man die Rückforderung der Steuererstattung unter diese Bestimmung subsumieren wollte, wären hiefür die Voraussetzungen des § 294 Abs. 1 lit. b BAO - gegeben. Schließlich sei auch der Vorwurf der Abkürzung des Instanzenzuges völlig unberechtigt, weil der Rückforderungsbescheid eindeutig vom Finanzamt erlassen worden sei. Wenn der Bescheidinhalt dem Finanzamt vorgegeben worden sein sollte, so entspreche dies völlig der Weisungsbefugnis der vorgesetzten Behörde.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Ergänzend zum Berufungsvorbringen wird in der Beschwerde im wesentlichen ausgeführt, daß auch im zweitinstanzlichen Verfahren gegen die Bestimmung des § 183 Abs. 4 BAO verstoßen worden sei. So sei der Beschwerdeführerin die Zeugenaussage der Dr. BP nicht zur Kenntnis gebracht worden. Gleiches gelte für den Inhalt anderer Akten, den die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung herangezogen habe. Als weiterer Beschwerdegrund wird geltend gemacht, die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wem die strittigen Wertpapiere zuzurechnen seien. Auch die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang beantragte Einvernahme des Zeugen Mag. JN sei unterlassen worden. Die in der Berufung aufgezeigten Mängel des erstinstanzlichen Bescheides (Fehlen der Angaben über die Fälligkeit, Fehlen des Amtssiegels und des Datums, mangelnde Überprüfung der Voraussetzungen des § 294 BAO) seien durch die angefochtene Entscheidung nicht saniert worden. Es übersteige das gesetzlich zulässige Weisungsrecht der belangten Behörde, wenn ein von der Oberbehörde fertiggestellter Bescheid "der Erstbehörde lediglich zur Unterfertigung und Ausfertigung zugeleitet wird, ohne daß das Organ der Erstbehörde Möglichkeiten besitzt, die Gesetzmäßigkeit der Weisung zu überprüfen, da im Zeitpunkt der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides sich der Akteninhalt des gegenständlichen Aktes in der Weisung der Oberbehörde erschöpfte".
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 107 Abs. 1 EStG 1972 wird unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 EStG 1972 auf Antrag Einkommensteuer (Lohnsteuer) bei Erwerb von auf Inhaber lautenden Teilschuldverschreibungen inländischer Schuldner pauschal erstattet. Das Ausmaß der Erstattung betrug im Streitjahr 15 v.H. des Nennbetrages der erworbenen Wertpapiere, soweit dieser im Kalenderjahr S 100.000,-- nicht übersteigt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 81/13/0037, entschieden hat, ist ein Wertpapiererwerb im Sinne der vorstehenden Bestimmung einem Steuerpflichtigen nur dann zurechenbar, wenn die Wertpapiere in seinem Namen und auf seine Rechnung erworben wurden. Der dem eben zitierten Erkenntnis zugrundeliegende Beschwerdefall unterscheidet sich - was die Frage des steuerbegünstigten Erwerbes von Wertpapieren betrifft - vom vorliegenden im wesentlichen nur dadurch, daß der seinerzeitige Beschwerdeführer entgegen seinen Behauptungen im Verwaltungsverfahren erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - und damit im Hinblick auf das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG 1965 unbeachtlich - vorgebracht hat, Wertpapiere im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben zu haben, während im streitgegenständlichen Fall bereits im Verwaltungsverfahren die ursprüngliche Erklärung der Beschwerdeführerin, keine Wertpapiere erworben zu haben, widerrufen wurde. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die belangte Behörde auf Grund der ihr gemäß § 167 Abs. 2 BAO zustehenden freien Beweiswürdigung die Tatsache als erwiesen annehmen konnte, daß die Beschwerdeführerin im Jahr 1976 keine Wertpapiere erworben hat. Die belangte Behörde stützt sich auf die übereinstimmende Erklärung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten vom , aus der eindeutig hervorgeht, daß weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehegatte Wertpapiere erwerben wollten -
sie erklärten, "für solche Dinge kein Geld zu haben" -, sondern lediglich bereit waren, der "Anlagenberaterin" W zu "helfen", wofür sie S 1.000,-- bekamen. Die Hilfe bestand darin, "eine Unmenge von Papieren" zu unterschreiben. Besonders bezeichnend an dieser Aussage ist, daß die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte für den Fall, daß sie sich durch ihre Vorgangsweise irgendwie strafbar gemacht hätten, um eine "milde Beurteilung" baten.
Die belangte Behörde konnte diese Aussage unbedenklich in der Weise würdigen, daß sie die Unterschriften der Beschwerdeführerin als bloße "Gefälligkeitsunterschriften" wertete, zumal letztere offensichtlich den Unrechtsgehalt ihrer Vorgangsweise erkannte, indem sie "um eine milde Beurteilung" bat. Bezeichnend ist weiters, daß die Beschwerdeführerin auch bei ihrer zweiten Einvernahme nicht behauptete, Wertpapiere im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben zu haben, sondern lediglich den fallweisen Empfang von Poststücken, betreffend ein Wertpapierdepot, zugestellt von der Postsparkasse, bestätigte. Hinsichtlich dieser Post sei sie der Meinung gewesen, sie entweder wegwerfen oder Frau W schicken zu sollen.
Erstmals in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Rückforderungsbescheid nahm die Beschwerdeführerin zu ihrer ursprünglichen dezidierten Erklärung, keine Wertpapiere zu besitzen - und daher auch keine Wertpapiere steuerbegünstigt erworben zu haben -, Stellung. Das diesbezügliche Vorbringen lautet:
"Wenn der angefochtene Bescheid sich auf meine andersartigen Angaben vor dem Strafreferenten bezieht, so berücksichtigt er in keiner Weise die Tatsache, daß ich angegeben habe, daß ich die gesamte Abwicklung meinem Gatten überließ, der sich Detailfragen anhörte und mir dann den Rat gab, den Plan ebenfalls zu machen. ..... Es ist verständlich, wenn ich mich mit der Angelegenheit nicht näher seinerzeit befaßt habe, daß ich auch dem vernehmenden Referenten gegenüber Einzelheiten anzugeben nicht in der Lage war".
Diese Darstellung bietet keinerlei Erklärung dafür, warum die Beschwerdeführerin ursprünglich den steuerbegünstigten Erwerb von Wertpapieren bestritten hat. Die Behauptung, ihr Ehegatte habe ihr den Rat gegeben, "den Plan ebenfalls zu machen", geht schon deswegen ins Leere, weil die Erklärung darüber, keine Wertpapiere erworben zu haben, von beiden Ehegatten gemeinsam abgegeben worden war. Von der Befragung über "Einzelheiten" bei der ersten Einvernahme, zu deren Beantwortung die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, weil sie sich "mit der Angelegenheit nicht näher seinerzeit befaßt habe", kann keine Rede sein. Die Aussage der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten war völlig klar:
Beide haben sich bereit erklärt, der Anlagenberaterin W durch Abgabe diverser Unterschriften, deren Bedeutung sie offensichtlich nicht erkannten, zu "helfen", und haben dafür S 1.000,-- erhalten. Da sohin die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht hat, was geeignet gewesen wäre, die Glaubwürdigkeit ihrer ersten Aussage in Zweifel zu ziehen, konnte die belangte Behörde zu Recht als erwiesen annehmen, daß die erste Aussage der Wahrheit entsprach. An diese Feststellung knüpft sich die gleiche rechtliche Beurteilung, die der Verwaltungsgerichtshof im vorzitierten Erkenntnis vom getroffen hat, nämlich jene, daß die Beschwerdeführerin die Begünstigung des § 107 EStG 1972 zu Unrecht in Anspruch genommen hat, weil sie die betreffenden Wertpapiere nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben hatte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen.
Was die übrigen geltend gemachten Beschwerdegründe anbelangt, so ist folgendes zu sagen:
Da der angefochtene Bescheid ausschließlich von der ersten Aussage der Beschwerdeführerin getragen wird, sie habe keine Wertpapiere erworben, und die Frage, welcher anderen Person die betreffenden Wertpapiere steuerlich zuzurechnen sind, nicht entscheidungsrelevant ist, liegen die diesbezüglich gerügten Verfahrensmängel (Verletzung des Parteiengehörs und Unterlassung der Einvernahme des Mag. JN) nicht vor.
Dem Fehlen von Amtssiegel und Datum auf dem erstinstanzlichen Bescheid kommt ebenfalls keine rechtliche Bedeutung zu. Das Anbringen eines Amtssiegels ist in der Bundesabgabenordnung generell nicht vorgesehen. Vielmehr genügt gemäß § 96 BAO die Bezeichnung der bescheiderlassenden Behörde. Die Angabe eines Datums ist entbehrlich, weil ein Bescheid ohnedies erst durch seine Bekanntgabe Wirksamkeit erlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 636/47, Slg. Nr. 484/A). Auch dem Umstand, daß der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides keine Angaben über die Fälligkeit des Rückforderungsbetrages enthielt, kommt keine Bedeutung zu. Weder aus der allgemeinen Vorschrift des § 93 BAO noch aus § 198 leg. cit. ergibt sich nämlich ein Anhaltspunkt dafür, daß ein Bescheid, dessen Spruch keine Angaben über die Fälligkeit einer Abgabe enthält, nicht jene Rechtswirkungen erzeugen sollte, die die Behörde an seine Erlassung zu knüpfen beabsichtigt. Denn die Fälligkeit einer Abgabenschuld ergibt sich schon aus § 210 BAO selbst, wonach Abgaben, unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen, mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2198/63, Slg. Nr. 3054/F).
Zum Beschwerdevorbringen betreffend den "Mangel der Überprüfung der Voraussetzungen des § 294 BAO durch die Berufungsentscheidung" genügt es darauf hinzuweisen, daß die Überweisung des Erstattungsbetrages gemäß § 107 Abs. 3 EStG 1972 keinen Bescheid darstellt, sodaß auch die Vorschriften des § 294 BAO über eine Änderung oder Zurücknahme eines Bescheides nicht anwendbar sind.
Schließlich ist auch die Rüge unberechtigt, daß dem Finanzamt ein von der Oberbehörde fertiggestellter Bescheid "lediglich zur Unterfertigung und Ausfertigung" zugeleitet worden sei, und daß "im Zeitpunkt der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides sich der Akteninhalt des gegenständlichen Aktes in der Weisung der Oberbehörde erschöpfte". Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß das gesamte Ermittlungsverfahren, insbesondere die Vernehmung der Beschwerdeführerin zu der allein entscheidungsrelevanten Frage, ob sie Wertpapiere im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben hat, vom Finanzamt durchgeführt wurde. Der Vorwurf, daß sich der Akteninhalt in einer Weisung der Oberbehörde erschöpfte, ist daher aktenwidrig.
Da sohin der angefochtene Bescheid nicht mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtswidrigkeit belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1980002900.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-59044