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VwGH 25.02.1981, 2680/80

VwGH 25.02.1981, 2680/80

Entscheidungsart: BeschlussVS

Rechtssätze


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Norm
VwGG §30 Abs2 idF 1976/316;
RS 1
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs 2 VwGG 1965 können auch auf einen Bescheid zutreffen, mit dem ein Rechtsmittel als verspätet zurückgewiesen wird.
Norm
VwGG §30 Abs2 idF 1976/316;
RS 2
Betrifft der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einen Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer zu Geldleistungen verpflichtet wurde, so genügt der Antragsteller dem nach § 30 Abs 2 VwGG 1965 bestehenden Gebot zur Konkretisierung des Antrages nur dann, wenn er, sofern es sich um eine physische Person handelt, einerseits seine gesetzlichen Sorgepflichten und andererseits die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie seine Vermögensverhältnisse (unter Einschluss seiner Schulden, jeweils nach Art und Ausmaß) durch konkrete - tunlichst ziffernmäßige - Angaben glaubhaft dartut. Begründungen von Aufschiebungsanträgen, die die Beurteilung solcher Relationen nicht gestatten, wie etwa die Wendung, "der Vollzug würde eine Existenzgefährdung bedeuten", erfüllen dieses Konkretisierungsgebot nicht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Straßmann, Mag. Onder, Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Müller, über den Antrag des PP in W, vertreten durch Dr. Joachim Meixner, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 17/2/15, der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 70-IX /p 33/79/Str., betreffend Zurückweisung einer gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 erhobenen Berufung, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem sich auf den angefochtenen Bescheid in Verbindung mit dem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom in Ansehung der dort verhängten Geldstrafe beziehenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem durch die vorliegende Beschwerde angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen ein Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit dem gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- verhängt und zugleich die Ersatzarreststrafe mit drei Wochen festgesetzt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen.

Mit der vorliegenden Beschwerde ist der Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Antrag ist wie folgt begründet:

"Ich habe derzeit mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und bedeutet die sofortige Bezahlung eines Betrages von S 15.000,--

für mich eine große finanzielle Härte. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen und nach Abwägung aller berührten Interessen wäre durch den Vollzug dieser Geldstrafe für mich ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden."

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976, hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Während der Verwaltungsgerichtshof in seinen Beschlüssen vom , Zl. 154/76, vom , Zl. 1600/76, und vom , Zl. 2889/78, von der Rechtsauffassung ausging, die Zurückweisung eines verspäteten Rechtsmittels sei ein verfahrensrechtlicher Bescheid und daher einer Vollstreckung oder sonst einem "Vollzug" nicht zugänglich, wurde ein solcher Bescheid zurückweisenden Inhaltes vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , Zl. 1018/76, als einer "Vollstreckung" zugänglich erachtet.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in einem gemäß § 13 Z. 2 VwGG 1965 verstärkten Senat nunmehr folgende Auffassung:

Im Rahmen des Rechtsschutzsystems, innerhalb dessen der Verwaltungsgerichtshof u. a. zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden berufen ist, ist die Bestimmung des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 (in der Fassung der Novelle Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 316, und der Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 444/1979) als ein die Funktionsfähigkeit dieses Rechtsschutzsystems stützendes Element anzusehen. Die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt werden. Die Regelung des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 ist in diesem Licht zu sehen. Die Gefahr einer Aushöhlung der erwähnten Rechtsschutzfunktion droht nun aber eben von den Folgen einer Umsetzung des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit (dies sowohl im Sinne der Herstellung der dem Bescheidinhalt entsprechenden materiellen Rechtslage als auch - was im vorliegenden Fall rechtlich nicht in Frage kommt - im Sinne der Herstellung des dieser Rechtslage entsprechenden faktischen Zustandes) während der Dauer des Beschwerdeverfahrens. Insoweit nach § 30 Abs. 2 VwGG 1965 eine Beurteilung dahin gehend vorzunehmen ist, ob für den Beschwerdeführer durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil zu gewärtigen ist, ist somit eine Rücksichtnahme auf jene Folgen notwendig, die den Beschwerdeführer bei einer Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit treffen würden. Bedenkt man dieses normative Gefüge, so ergibt sich, daß unter "Vollzug" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 die Umsetzung eines Bescheides in die Wirklichkeit (im angeführten Sinn) zu verstehen ist. (Vgl. hiezu die Ausführungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit das das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1965 geändert wird, Nr. 79 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIV. GP.)

Mit dem im vorliegenden Fall angefochtenen Bescheid wurde in bindender Weise darüber abgesprochen, daß die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom erhobene Berufung verspätet war. Hiedurch wurde auch in bindender Weise ausgesprochen, daß dieses Straferkenntnis mit dem ungenützten Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig geworden und vollstreckbar ist. In der - von dem mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen bindenden Abspruch ausgehenden - Vollstreckung dieses Straferkenntnisses würde somit auch eine Umsetzung des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit im oben dargestellten Sinn zu erblicken sein. Der im vorliegenden Fall angefochtene Bescheid ist somit einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 zugänglich.

Aus den dargelegten Gründen vermag der Verwaltungsgerichtshof an der entgegenstehenden Rechtsprechung, soweit sie seit dem Inkrafttreten der im Jahre 1976 erlassenen Novelle zum Verwaltungsgerichtshofgesetz 1956 ergangen ist und wie sie in den zitierten hg. Beschlüssen vom , Zl. 154/76, vom , Zl. 1600/76, und vom , Zl. 2889/78, zum Ausdruck kommt, nicht mehr festzuhalten.

Angesichts des vorstehend wiedergegebenen Wortlautes des Aufschiebungsantrages ist davon auszugehen, daß sich dieser vermittels des angefochtenen Bescheides auf das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom nur in Ansehung der dort verhängten Geldstrafe, nicht jedoch in Ansehung der dort festgesetzten Ersatzarreststrafe bezieht.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist es, um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, erforderlich, daß der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, daß sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen, wie z. B. bei Aufschiebungsanträgen, die sich auf Bescheide beziehen, mit denen Primärarreststrafen verhängt wurden. Betrifft der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einen Bescheid, mit dem der Beschwerdeführer zu Geldleistungen verpflichtet wurde, so genügt der Antragsteller dem genannten Konkretisierungsgebot nur dann, wenn er einerseits seine, im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie seine Vermögensverhältnisse (unter Einschluß seiner Schulden, jeweils nach Art und Ausmaß) und andererseits, sofern es sich um eine physische Person handelt, seine gesetzlichen Sorgepflichten durch konkrete - tunlichst ziffernmäßige - Angaben glaubhaft dartut. Denn nur so wird der Verwaltungsgerichtshof überhaupt in die Lage versetzt zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides, d. h. die zwangsweise Hereinbringung der auferlegten Geldleistungen, für den Beschwerdeführer einen angesichts des glaubhaft gemachten Sachverhaltes unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte. Begründungen von Aufschiebungsanträgen, die die Beurteilung solcher Relationen nicht gestatten, wie die im vorliegenden Beschwerdefall gebrauchten Wendungen, daß der Antragsteller "derzeit mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen habe und die Zahlung eines bestimmten Betrages für ihn eine große finanzielle Härte bedeute", oder Wendungen wie "der Vollzug würde eine Existenzgefährdung bedeuten", "an den Rand der Insolvenz führen", durch ihn "träte eine Beeinträchtigung des bisherigen Lebensstandards ein", mit ihm seien "nachhaltige wirtschaftliche Nachteile verbunden", er bedeute eine "erhebliche Einbuße", "eine erhebliche Belastung" und ähnliche Wendungen erfüllen das dargelegte Konkretisierungsgebot nicht.

In Ansehung der im angeführten Straferkenntnis verhängten Geldstrafe enthält der vorliegende Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, wie sich aus seinem eingangs wiedergegebenen Wortlaut ergibt, kein konkretes Tatsachenvorbringen, welches erkennen ließe, inwiefern der Tatbestand der Unverhältnismäßigkeit des dem Beschwerdeführer drohenden Nachteiles, der im Hinblick auf den Vollzug des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit dem im Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom enthaltenen Ausspruch über die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von S 15.000,-- zu gewärtigen ist, im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG 1965 erfüllt sei,

Dem vorliegenden Antrag war daher nicht stattzugeben.

Soweit vorstehend auf in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte hg. Entscheidungen verwiesen wurde, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VwGG §30 Abs2 idF 1976/316;
Sammlungsnummer
VwSlg 10381 A/1981
Schlagworte
Vollzug
Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung
Begründungspflicht
Verfahrensrecht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1980002680.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-58875