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VwGH 11.03.1953, 2257/52

VwGH 11.03.1953, 2257/52

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Gegenstand der Rechtsgeschäftsgebühr ist das Rechtsgeschäft, die Errichtung der Urkunde ist nur die Bedingung, bei deren Eintritt das Rechtsgeschäft gebührenpflichtig wird.
Normen
RS 2
Die Sonderbehandlung eines Rechtsgeschäftes nach § 15 Abs 2 GebG und § 16 Abs 4 GebG gilt nur für Fälle, in denen die einzelnen Schriftstücke noch keine vollständig ausgefertigte Urkunde über das Rechtsgeschäft darstellen.
Norm
RS 3
Nicht nur rechtserzeugende, sondern rechtsbezeugende Urkunden lösen die Gebührenpflicht aus.
Norm
RS 4
Daß die Urkunde über ein Darlehensgeschäft nur vom Schuldner unterzeichnet worden ist, ändert nichts an der Gebührenpflicht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer-Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Naderer als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. HP in H gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Gv 21-268-III/52, betreffend Gebühr von einem Darlehensvertrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Ing. SL in M hatte am an den Beschwerdeführer ein Schreiben gerichtet, in dem er ihm bestätigte, dass bei der an diesem Tage durchgeführten gegenseitigen Verrechnung eine Forderung des Beschwerdeführers, die sich aus Bardarlehen und offenen Vertretungskosten zusammen setzte, mit einem Betrag von insgesamt 30.000 S festgestellt worden sei und dass dieser Betrag nunmehr als Darlehen gelte, das der Beschwerdeführer dem Ing. L auf unbestimmte Zeit gegen dreiwöchige Aufkündigung und 6 %ige jährliche Verzinsung gewähre. Dieses Schreiben ist von Ing. L gezeichnet und befand sich im Besitz des Beschwerdeführers, wo es von der Steuerfahndungsstelle bei der Steuerstrafbehörde erster Instanz für Steiermark anlässlich einer Untersuchung vorgefunden wurde. Das Schreiben war zur Gebührenbemessung nicht angezeigt worden.

Das Finanzamt hat hierauf dem Beschwerdeführer eine Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 Tarifpost 8 des Gebührengesetzes, BGBl. Nr. 184/1946 (GG) in der Höhe von 300 S und nach § 9 dieses Gesetzes eine Gebührensteigerung in der gleichen Höhe vorgeschrieben. Bestandzins wurde wieder mit 2 S pro Quadratmeter und Monat, also mit monatlich 2.977 S vereinbart. Es wurde festgehalten, dass die in der Punktation vereinbarte Bestanddauer am endige. Von diesem Vertrag schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin abermals eine 1 %ige Gebühr aus dem Betrage von (3 x 12 x 2.977 =) 107.172 S vor.

Die Beschwerdeführerin berief. Gegenstand der Gebühr sei nicht die Urkunde, sondern das Rechtsgeschäft. Das Rechtsgeschäft sei aber dasselbe, das bereits der Punktation zugrunde gelegen sei. Die Gebühr könne also nicht zweifach vorgeschrieben werden. Der Vorschrift des § 25 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 184/1946, GG) sei dadurch gerügt, dass im Bestandvertrag auf die seinerzeitige Punktation und auf deren Gebührenanzeige hingewiesen wurde.

Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung ab. Gegenstand der Gebühr sei zwar nur ein gültig beurkundetes Rechtsgeschäft. Sei aber ein Rechtsgeschäft zustandegekommen, dann sei die Gebührenpflicht von der Beurkundung abhängig, wobei jede Beurkundung grundsätzlich gebührenpflichtig sein müsse. Nach § 25 GG unterliege sogar jede Gleichschrift einer Urkunde - abgesehen von den Ausnahmsbestimmungen nach den Absätzen 2 und 3 dieser Gesetzesstelle - für sich den festen und den Hundertsatzgebühren. Umsomehr müsse von mehreren verschiedenen Beurkundungen eines Rechtsgeschäftes jedes für sich der Beurkundung unterliegen. Mit Recht habe daher das Finanzamt sowohl die seinerzeitige Punktation als auch die förmliche Urkunde der Gebühr unterworfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, die gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion bei ihm erhoben wurde, erwogen:

Der Rechtsgeschäftsgebühr unterliegen nach § 15 Abs. 1 GG (in der Fassung nach der Novelle BGBl. Nr. 107/1952) Rechtsgeschäfte, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird, es sei denn, dass diesem Bundesgesetz etwas Abweichendes bestimmt wird. Da § 33 Tarifpost 5 GG, der die Gebühren von Bestandverträgen regelt, für diese Gattung von Rechtsgeschäften keine abweichende Vorschrift enthält, ist also auch ein Bestandvertrag nur dann gebührenpflichtig, wenn darüber eine Urkunde errichtet wird. Die Gebührenpflicht eines Rechtsgeschäftes wird aber nicht nur durch rechtserzeugende, sondern auch durch rechtsbezeugende Urkunden ausgelöst, wie der Verwa1tungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 725 (F) , dargelegt hat. So kann es kommen, dass ein und dasselbe Rechtsgeschäft. Weil die Urkunde die Grundlage der Gebührenvorschreibung bilde, sei eine vorangegangene mündliche Vereinbarung ohne Einfluss auf die Gebührenpflicht. Es sei auch nicht richtig, dass eine Schuldurkunde erst dann vorliege, wenn in einem Gegenbrief der Inhalt der einseitigen schriftlichen Erklärung bestätigt wird. Vielmehr bestimme im Gegenteil § 15 Abs. 2 Gebührengesetz, dass Rechtsgeschäfte, die durch den Austausch von Briefen oder durch sonstige schriftliche Mitteilungen zustande kommen, nur unter bestimmten Voraussetzungen, die in diesem Fall nicht gegeben seien, der Gebühr unterliegen. Diese Vorschrift gelte aber nicht, wenn nur ein Brief über das Geschäft vorliege, ein Austausch von Briefen also nicht stattgefunden habe. Da das beurkundete Rechtsgeschäft gemäss § 31 Abs. l Gebührengesetz zur Gebührenbemessung hätte angezeigt werden sollen, die Anzeige aber unterlassen worden sei, sei eine Gebührensteigerung gemäss § 9 Abs. 1 Zif. 2 Gebührengesetz zu verhängen gewesen.

In der dagegen beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Berufungsverfahren. Er führt noch aus, dass ein Rechtsgeschäft, das durch den Austausch von Briefen oder durch sonstige schriftliche Mitteilungen zustande kommt, nur dann gebührenpflichtig sei, wenn von den Schriftstücken ein amtlicher Gebrauch gemacht werde. Ein amtlicher Gebrauch sei aber nicht gemacht worden. Im übrigen sei auch der Darlehensvertrag nicht durch die Beurkundung, sondern bereits durch die mündlichen Vereinbarungen zustande gekommen. Endlich bekämpft der Beschwerdeführer seine Heranziehung zur Gebührenpflicht. Eine solche Gebührenpflicht könne nur den Verfasser des Briefes, nicht aber den Empfänger treffen. Andernfalls könnte jemand an eine andere Person Briefs richten, in denen Schuldbeträge erwähnt werden, ohne dass in Wirklichkeit solche Schulden bestehen. Der Empfänger müsste dann in solchen Fällen immer Gebühren bezahlen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäss § 15 Abs. 1 Gebührengesetz unterliegen den Gebühren Rechtsgeschäfte, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird. Gegenstand der Gebühr ist also das Rechtsgeschäft, nicht die Urkunde. Die Errichtung einer Urkunde ist nur die vom Gesetz vorgesehene Bedingung, bei deren Eintritt ein Rechtsgeschäft gebührenpflichtig wird. Es ist aber nicht richtig, dass nur solche Rechtsgeschäfte gebührenpflichtig sind, die erst durch die Errichtung einer Urkunde zustande kommen. Gerade die Mehrzahl der im Tarif des § 33 Gebührengesetz angeführten Rechtsgeschäfte sind Geschäfte, zu deren Gültigkeit die Errichtung einer Urkunde nicht erforderlich ist. Wird aber eine Urkunde errichtet, die über den Abschluss eines Rechtsgeschäftes Beweis zu machen im Stande ist, dann wird das Rechtsgeschäft nach Massgabe des Inhaltes der darüber errichteten Urkunde gebührenpflichtig. Die Errichtung der Urkunde kann auch dem Rechtsgeschäft nachfolgen. Nicht nur rechtserzeugende, sondern auch rechtsbezeugende Urkunden lösen die Gebührenpflicht aus. Im vorliegenden Fall haben nach Inhalt des Schreibens vom die beiden Parteien Forderungen, die dem Beschwerdeführer gegen den Schuldner zustanden und die auf verschiedenen Rechtsgründen beruhten, nämlich zum Teil auf Darlehensgewährungen, zum Teil auf Leistung anwaltlicher Tätigkeit, einheitlich in eine einzige Darlehensforderung umgewandelt, die nunmehr auch den gesetzlichen Vorschriften über Darlehensforderungen unterliegen sollte. Diese Umwandlung der früheren Rechtsgeschäfte in ein einheitliches Darlehensgeschäft (Neuerungsvertrag) unterliegt gemäss § 24 Gebührengesetz der Gebühr für das Rechtsgeschäft, in das die früheren Geschäfte umgewandelt wurden, also der Gebühr von einem Darlehensvertrag.

Dass im vorliegenden Fall die Urkunde, die über den Abschluss dieses Neuerungsvertrages Beweis macht, nur vom Schuldner unterschrieben wurde, ändert an ihrer Gebührenpflicht nichts. Das Gebührengesetz verlangt zur Entstehung der Gebührenpflicht nicht, dass die Urkunde über ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, also einen Vertrag von beiden Vertragsteilen unterfertigt sein müsse. Es bestimmt vielmehr im § 16 Abs. 1 ausdrücklich, wann eine Gebührenschuld entsteht, wenn die Urkunde auch nur von einem Vertragsteil unterzeichnet wird. Nach § 16 Abs. 1 Zif. 2 lit. a entsteht bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften (dazu gehört der Darlehensvertrag) die Gebührenschuld, wenn die Urkunde nur von dem unterzeichnet wird, der sich verbindet, im Zeitpunkt der Aushändigung der Urkunde an den Berechtigten oder dessen Vertreter. Da im vorliegenden Fall unbestritten ist, dass dem Beschwerdeführer das gegenständliche Schreiben vom Schuldner ausgehändigt wurde, ist mit der Aushändigung die Gebührenschuld entstanden.

Der Beschwerdeführer vermeint allerdings, eine Gebührenpflicht sei im vorliegenden Falle nicht entstanden, weil von dem Schreiben vom kein amtlicher Gebrauch gemacht worden sei. Der Beschwerdeführer hat dabei die Bestimmung des § 15 Abs. 2 Gebührengesetz im Auge, wonach ein Rechtsgeschäft, das durch den Austausch von Briefen oder durch sonstige schriftliche Mitteilungen zustande kommt, nicht gebührenpflichtig ist, es sei denn, dass in den Tarifbestimmungen das Gegenteil verfügt oder von den Schriftstücken ein amtlicher Gebrauch gemacht wird. In diesen Fällen entsteht die Gebührenschuld gemäss § 16 Abs. 3 Gebührengesetz, wenn von den Schriftstücken ein amtlicher Gebrauch gemacht wird oder, falls nach den Tarifbestimmungen das Rechtsgeschäft auch bei Einhaltung der Formvorschriften des § 15 Abs. 2 Gebührengesetz gebührenpflichtig ist, wenn das Schriftstück, das die Annahmeerklärung enthält, ausgehändigt wird. Wie der Wortlaut dieser Gesetzesbestimmungen zeigt, tritt die Sonderbehandlung eines Rechtsgeschäftes nach § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 3 Gebührengesetz nur in den Fällen ein, in denen die einzelnen Schriftstücke für sich allein noch keine vollständig ausgefertigte Urkunde über das Rechtsgeschäft darstellen, wenn also aus den Schriftstücken selbst zu ersehen ist, dass sie lediglich ein erst der Annahme bedürfendes Vertragsanbot oder die Annahme eines solchen Anbotes enthalten. Da aber im vorliegenden Fall, wie bereits ausgeführt wurde, das gegenständliche Schreiben seinem Inhalte nach voll geeignet ist, über den endgültigen Abschluss eines Darlehensvertrages Beweis zu machen, sind die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers unbegründet.

Wer die Gebühr für ein gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft zu entrichten hat, bestimmt § 28 Gebührengesetz. Nach dessen Absatz 1 Zif. 2 ist bei einseitig verbindlichen Rechtsgeschäften der, in dessen Interesse die Urkunde ausgestellt ist, zur Entrichtung der Gebühr verpflichtet. Dies ist aber die Person, der die Urkunde zum Beweise des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes übergeben wird. Im übrigen haftet gemäss § 30 Zif. 1 Gebührengesetz für die Gebühr jedenfalls derjenige, der im eigenen Namen oder im Namen eines anderen eine Urkunde über ein Rechtsgeschäft annimmt. Der Haftende kann aber nach dieser Gesetzesstelle zu ungeteilter Hand mit dem Gebührenschuldner zur Zahlung der Gebühr herangezogen werden. Durch seine Heranziehung zur Gebührenpflicht ist also der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht verletzt worden. Wenn er vermeint, es habe ein Böswilliger es jederzeit in der Hand, eine andere Person dadurch zur Entrichtung von Gebühren zu zwingen, dass er dieser Schulderklärungen über erdichtete Beträge zusendet, so übersieht er, dass Gegenstand der Gebühr nur ein gültiges beurkundetes Rechtsgeschäft sein kann, nicht aber eine "Urkunde" über ein nichtbestehendes Rechtsgeschäft.

Da die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes, das der vorliegenden Urkunde zugrunde liegt, vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurde, die übrigen Voraussetzungen der Gebührenpflicht sich aber aus der Urkunde selbst ergeben, bedurfte es weiterer Ermittlungen durch die Finanzbehörden nicht. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Umstände, über die er seiner Ansicht nach zu vernehmen gewesen wäre, sind für die Gebührenpflicht ohne Belang. Der behauptete Verfahrensmangel liegt also nicht vor. Da auch nicht bestritten wurde, dass die gegenständliche Urkunde zur Gebührenbemessung nicht angezeigt worden ist, war auch die Verhängung einer Gebührensteigerung gemäss § 9 Gebührengesetz im Gesetze begründet.

Aus all diesen Gründen musste der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 725 F/1953
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1953:1952002257.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-58357