VwGH 13.09.1972, 2218/71
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
RS 1 | Wenn im Verwaltungsverfahren vorgebracht wird, daß der im Haftungswege der Lohnsteuer unterworfene Betrag bereits im Veranlagungswege beim Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen wurde, hat die Behörde zu prüfen, ob eine Inanspruchnahme des Haftenden nicht wegen Abstattung der Steuer durch den Steuerpflichtigen unzulässig ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der Fa. A, vertreten durch Dr. Dietrich Roessler, Rechtsanwalt in Wien I, Schwedenplatz 3-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 34/3-II/71, betreffend Lohnsteuer, nach durchgeführter Verhandlung und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Walter Riedl für Rechtsanwalt Dr. Dietrich Roessler, und des Vertreters der belangten Behörde, Wirkl. Hofrat Dr. RH, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.396,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hatte nach der Aktenlage ihren Betrieb von Frau M erworben. Im Kaufvertrag war unter Pkt. 4 angeführt:
Mit Frau Kommerzialrat M schließt die Firma "A" einen separaten Angestelltenvertrag. Mit Schreiben vom machte die Beschwerdeführerin der Frau M den Vorschlag: "1) Das mit Ihnen bestehende Dienstverhältnis wird einverständlich mit aufgelöst, 2) Ihre Schuld im Betrag von zur Zeit S 91.334,99 gilt mit Annahme unseres Vorschlages als getilgt. 3)
Die uns für Sie vorgeschriebene restliche Lohnsteuer, die daraus resultiert, daß Sie die Lohnsteuerkarte nicht vorgelegt haben, im Betrag von S 12.707,84 wird von Ihnen in monatlichen Teilbeträgen von je S 1.000,-- in der Weise an uns rückvergütete daß wir diese Beträge von Ihren laufenden Rechnungen in Abzug zu bringen berechtigt sind. 4) Sollte durch den Nachlaß Ihrer Schuld aus dem Titel der Lohnsteuer- und Sozialversicherungshaftung an uns eine Lohnsteuer bzw. Sozialversicherung zur Vorschreibung gelangen, so wird dies in analoger Weise wie zu Z. 3 von Ihnen rückvergütet und mit Ihnen verrechnet. 5) Sie erklären, daß Sie keine wie immer gearteten Ansprüche aus Ihrem Dienstverhältnis und dessen Beendigung uns und unseren Gesellschaftern gegenüber haben bzw. auf allenfalls bestehende Ansprüche, mögen diese bisher geltend gemacht sein oder nicht, ausdrücklich verzichten."
Frau M. beantwortete dieses Schreiben am , in dem sie unter anderem ausführte: "Sie haben im Jahre 1968 Vorschüsse auf meine für Sie geleistete Lohnarbeit gewährt. Meine Schuld aus diesen Vorschüssen an Sie hat am S 91.334,99 betragen. Durch die einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses per haben Sie sich bereit erklärt, auf diese Forderung zu verzichten. ich habe diesen Forderungsverzicht in meiner Bilanz 1969 als aktive Rechnungsabgrenzungspost und außerordentlichen Ertrag ausgewiesen. Mein Steuerberater Dr. JK ist der Ansicht, daß dieser Forderungsverzicht keine Abfertigung im Sinne des Angestelltengesetzes ist, da er nicht mit dem Dienstverhältnis zusammenhängt. Wenn Sie trotzdem für diesen Forderungsverzicht eine Lohnsteuer abführen, können Sie dafür keine Regreßansprüche an mich stellen." Im Zuge des Verfahrens wurde des weiteren darauf darauf hingewiesen, daß das Finanzamt G den Betrag von S 91.334,99 bei der Einkommensteuerveranlagung der ausgeschiedenen Frau M als sonstigen Ertrag behandelt habe.
In der gegen den Lohnsteuerfestsetzungsbescheid des Finanzamtes H. eingebrachten Berufung wurde die Auffassung vetreten, daß keine Abfertigung vorliege, die mit dem Dienstverhältnis in Zusammenhang stehen würde, sondern eine Schuld aus dem bestehenden Kaufvertrag. Es sei daher der Rechtsgrund der Schuld zu untersuchen, der mit dem Zeitpunkt der Abfertigung nicht zusammenfalle. Zur Bereinigung aller wie immer gearteten Ansprüche bei Lösung des Dienstverhältnisses sei wie allgemein üblich beim Austritt eines Angestellten auf diese Darlehensrückzahlung verzichtet worden, jedoch nicht aus dem Grunde der Dienstleistung, da gerade diese nicht nur mangelhaft gewesen sei und auch zu großen Beanstandungen geführt habe, sondern insbesondere deshalb, weil seinerzeit der Betrieb von Frau M. preisgünstig erworben worden sei, der Kaufpreis nachträglich von Frau M. bekrittelt worden sei und von ihr der Vorwurf gekommen sei, daß ihre Zwangslage des drohenden Konkurses ausgenützt und nunmehr auch das Dienstverhältnis gekündigt worden bei, welches ursprünglich auf längere Zeit eingehalten werden sollte. Auf Grund des Einwandes, daß der seinerzeitige Kaufpreis zu niedrig und die Ablöse für die Mietrechte zu gering gewesen sei, habe der Betrieb die Schulden von Frau M. übernommen, die er sowieso hätte bezahlen müssen, weil dieselben bei Frau. M. uneinbringlich gewesen wären. Frau M. habe den Schuldnachlaß im Jahre 1969 als außerordentlichen Ertrag ausgewiesen und das Finanzamt G. habe diesem Standpunkt Rechnung getragen und den Betrag als außerordentlichen Erlös im Jahre 1969 versteuert. Es könne nicht ein und derselbe Tatbestand einerseits mit Einkommensteuer und anderseits auch mit Lohnsteuer. belastet werden.
Über Vorhalt der belangten Behörde teilte Frau M. mit, daß ihre Anstellung bei der Beschwerdeführerin Bestandteil des Kaufvertrages gewesen sei. Mit sei ihre Anstellung durch die Beschwerdeführerin für beendet erklärt und somit der Pkt. 4 des Kaufvertrages gebrochen worden. Um zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, sei schließlich vereinbart worden, die Schuld von S 91.334,99 für die Durchbrechung des Kaufvertrages durch die Beschwerdeführerin nachzulassen.
Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Vorhaltsbeantwortung noch vor, Frau M. habe Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände nur deshalb zu einem niedrigeren Preis verkauft, weil sie sich aus ihrem gehobenen Dienstverhältnis als Geschäftsführerin eine Altersversorgung erhofft habe. Nach Bruch des Kaufvertrages Pkt. 4 sei sie nun nicht mehr gewillt, ihr Unternehmen so preisgünstig zu verkaufen, wie das seinerzeit unter der Auflage des Dienstverhältnisses geschehen sei. Der Schuldnachlaß sei daher ordnungsgemäß von Frau M. als außerordentlicher Ertrag erfaßt und somit der Einkommensteuer unterzogen worden und sei bei der Beschwerdeführerin keinesfalls der Lohnsteuer zu unterwerfen.
Die belangte Behörde setzte mit der Berufungsentscheidung die Lohnsteuerfestsetzung von S 85.981,-- auf S 66.320,-- herab, hinsichtlich des Mehrbegehrens wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Frau M. sei durch den Schuldnachlaß anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses zweifellos ein Vorteil entstanden. Die Beschwerdeführerin bestreitet den Zusammenhang des Vorteiles mit dem Dienstverhältnis und versucht, den Schulderlaß als nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises hinzustellen, zudem sie von Frau M. den Betrieb seinerzeit käuflich erworben habe. Der Aufforderung der belangten Behörde, diese Behauptung zu beweisen, hätten beide Abgabepflichtigen nicht entsprochen. Beide hätten lediglich auf den Kaufvertrag hingewiesen, in dem unter Pkt. 4 angekündigt sei, daß die Beschwerdeführerin mit Frau M. einen separaten Angestelltenvertrag abschließen werde. Diese Ankündigung sei durch die Beschäftigung der früheren Betriebsinhaberin als Angestellte auch erfüllt worden. Keineswegs sei damit jedoch bewiesen daß es sich bei dem Schulderlaß um die Abstattung eines Teiles des Kaufpreises handle. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch Frau M. sähen die Lösung des Dienstverhältnisses als einen Bruch des Kaufvertrages an, weil der Arbeitnehmerin dadurch Einnahmen entgingen, mit denen sie gerechnet habe. Bei den entgehenden Einnahmen handle es sich um Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG im Zusammenhang mit § 24 Z 1 EStG. Damit gehöre jedoch auch der Ersatz der entgehenden Einnahmen zu den Einkünften des § 19 Abs. 1 EStG, von denen der Arbeitgeber Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Auf Grund des § 24 Z. 1 EStG gehören zu den Einkünften auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt werden.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht kein Streit darüber, daß durch den Schulderlaß ein Vorteil für die ausgeschiedene Angestellte Frau M. entstanden ist. Strittig ist lediglich, ob dieser Vorteil im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses steht oder ob er eine Auswirkung des seinerzeitigen Kaufvertrages zwischen der Beschwerdeführerin und Frau M. darstellt. Die Beschwerdeführerin und Frau M. haben im Verwaltungsverfahren die Auffassung vertreten, daß es sich um eine nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises für den von der Beschwerdeführerin erworbenen Betrieb handle. Insbesondere hat der Vertreter der Beschwerdeführerin im Schreiben vom an das Finanzamt H. die Auffassung vertreten, daß der Schuldnachlaß deshalb mit dem Dienstverhältnis nichts zu tun habe, weil zur Zeit der Schuldentstehung Frau M. gar nicht Dienstnehmer, sondern Unternehmerin gewesen sei. Das Verhalten der Frau M. als Geschäftsführerin habe zu enormen Schäden geführt, das jegliche Lohnansprüche kompensiert hätte, sodaß eine einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses ohne weitere Ansprüche entstanden sei. Um weitere enorme Prozeßkosten zu sparen, sei eine schon früher bestehende Schuld von S 91.334,99 erlassen worden, die jedoch mit dem Dienstverhältnis nicht das geringste zu tun habe, sondern auf den Kaufpreis des Betriebes aufgerechnet worden sei.
Im Hinblick auf dieses Vorbringen hätte sich die belangte Behörde nicht darauf beschränken dürfen, bloß den vorliegenden Auszug aus dem Kaufvertrag ihrer Entscheidung zugrunde zu legen sondern hätte darüber hinaus auch den Dienstvertrag, die Höhe des monatlichen Entgeltes sowie die näheren Umstände und Voraussetzungen für die Berechnung der Abfertigung prüfen müssen, um zuverlässig beurteilen zu können, ob der von der Beschwerdeführerin ausgesprochene Forderungsverzicht als dienstrechtliche Abfertigung oder nachträgliche Kaufpreiserhöhung anzusehen sei. Schon in diesem Punkt erweist sich somit das Verfahren der belangten Behörde als ergänzungsbedürftig.
In der Beschwerde wird aber außerdem eingewendet, die belangte Behörde habe den Umstand, daß der Betrag von S 91.334,99 bei Frau M. in der Einkommensteuererklärung 1969 als außerordentlicher Ertrag erfaßt und durch rechtskräftigen Bescheid des Finanzamtes G. der Einkommensbesteuerung unterzogen worden sei, nicht in die rechtliche Würdigung einbezogen.
Die von der Behörde für die Geltendmachung der Haftung in Anspruch genommene Bestimmung des § 72 EStG 1967 stellt in ihrem Absatz 1 klar, daß der Arbeitnehmer Steuerschuldner ist und der Arbeitgeber nur für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer haftet. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO tritt durch die Geltendmachung der Haftung Gesamtschuldnerschaft ein. Die Entrichtung der Abgabe durch den einen Schuldner befreit den anderen Gesamtschuldner. Wenn im Verwaltungsverfahren behauptet wurde, daß der strittige Betrag bereits der Einkommensbesteuerung unterzogen worden ist, hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob in diesem Sinn überhaupt noch eine Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin aus dem Titel der Haftung zulässig war. Da sie dies unterlassen hat, war der Bescheid auch aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 und auf der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4422 F/1972 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1972:1971002218.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-58278