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VwGH 21.02.1979, 2193/78

VwGH 21.02.1979, 2193/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Krnt 1969 §13;
BauRallg impl;
RS 1
Die Rechtskraft eines Baubewilligungsbescheides steht grundsätzlich einem ergänzenden Bauvorhaben nicht entgegen. Der Nachbar ist nach den baurechtlichen Bestimmungen in Kärnten berechtigt, das Vorliegen einer entscheidenden Sache einzuwenden.
Normen
BauRallg impl;
GdPlanungsG Krnt 1970 §2;
RS 2
Der Nachbar besitzt nach der Kärntner BauO einen Rechtsanspruch darauf, daß für ein im Hinblick auf die damit verbundenen Immissionen in einer bestimmten Widmungskategorie unzulässiges Bauvorhaben eine baubehördliche Bewilligung nicht erteilt wird. Nach § 2 Abs 6 Krnt GemeindeplanungsG ist im gemischten Baugebiet ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht zulässig.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär im Verwaltungsgerichtshof Dr. Forster, über die Beschwerde des JF in B und der GH in V, beide vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Rechtsanwalt in Villach, Hauptplatz 10, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR1-175/2/1978, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) EM in B, 2) Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 3.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird ab- bzw. zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom hatte der Bürgermeister der Gemeinde B dem Erstmitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Baubewilligung zur Errichtung eines Wirtschaftsgebäudes auf den Grundstücken Nr. 546/2 und 300, der KG. B erteilt. In Auflage Punkt 11 dieses Bescheides war vorgeschrieben worden, im Gebäude für den Mist einen entsprechenden Platz vorzusehen, und zwar müsse der Mistleger in der Südostecke des Gebäudes eingebaut werden. Unter dem Mistleger müsse eine Jauchengrube so angelegt werden, daß sie auch von Zeit zu Zeit ausgeführt werden könne. Die Beschwerdeführer hatten als Nachbarn gegen das damalige Bauvorhaben keine Einwendungen erhoben.

Am beantragte der Erstmitbeteiligte bei der Gemeinde B die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Düngerstätte auf dem Grundstück 546/2 der KG. B. Diese Düngerstätte soll nördlich des 1967 bewilligten Wirtschaftsgebäudes in geringer Entfernung von den Liegenschaften der Beschwerdeführer errichtet werden. Nach der Baubeschreibung ist eine Überdeckung der durchschnittlich 4 m breiten und 10 m langen baulichen Anlage mit Holzbohlen vorgesehen. Anläßlich der von der Baubehörde erster Instanz durchgeführten Bauverhandlung erhob der Erstbeschwerdeführer unter Hinweis auf Punkt 11 des erwähnten Baubewilligungsbescheides, der dem neuen Bauvorhaben entgegenstünde, Einwendungen wegen Geruch- und Fliegenbelästigungen, die infolge ungesetzlicher Lagerung des Düngers schon seit einem halben Jahr gegeben seien. Der Vertreter der Zweitbeschwerdeführerin schloß sich diesen Ausführungen an und brachte noch vor, auf dem Nachbargrundstück sei ein Bäckerei- und Konditoreibetrieb vorhanden, für den besondere sanitäre Vorschriften bestünden, die durch die geplante Düngerablage nicht einzuhalten seien. Der medizinische Amtssachverständige erklärte, daß dann, wenn die Dichtheit der Düngerstätte absolut gewährleistet sei und durch Abdeckung die Geruchsbelästigung und Fliegenplage weitgehend vermieden werde, aus sanitätspolizeilicher Sicht gegen die Errichtung der Düngerstätte kein Einwand bestehe.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der Gemeinde B die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen. Begründend nahm die Baubehörde erster Instanz den Standpunkt ein, nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde sei die Bauführung im gemischten Baugebiet gelegen, in der der Bau von Anlagen für landwirtschaftliche Betriebe widmungsmäßig möglich sei. Das auf dem Nachbargrundstück angrenzende Gebäude sei als Nebengebäude (Tenne) zu betrachten und nicht als gewerbliche Betriebsstätte, da die Betriebsstätte (Bäckereibetrieb) im Hauptgebäude untergebracht sei und zwischen der geplanten Düngerstätte und dem Gewerbebetrieb sich dieses verhältnismäßig hohe Nebengebäude befinde. Diese zusätzliche Düngerstätte sei durch vermehrten Anfall von Dünger erforderlich geworden und sei zwischen zwei Wirtschaftsgebäuden durchaus landläufig und üblich.

In den dagegen erhobenen Berufungen erachteten die Beschwerdeführer die Errichtung der Düngerstätte als der Widmung und der Baubewilligung aus dem Jahre 1967 widersprechend. Das Nebengebäude auf ihrer Liegenschaft hätte nicht die Funktion einer Tenne, sondern diene der Lagerung von Rohmaterial für die Backwarenerzeugung. Zu diesem letzteren Vorbringen wurde in einem Aktenvermerk vom festgestellt, daß in diesem Objekt Brennholz, Motorrad- und Autobestandteile sowie Gerümpel gelagert werde.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der Gemeinde B die Berufungen als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde stellte begründend fest, die Baubewilligung des Jahres 1967 schlösse die Errichtung einer neuen Düngerstätte nicht aus. Seit vielen Jahren sei schon ein Mistleger vorhanden, dem jedoch Umfassungsmauern und dergleichen gefehlt hätten, sodaß die nunmehrige Anlage dem Schutz der Nachbarschaft, dem Ortsbild und der Gesundheit der Bewohner und Passanten mehr Rechnung trage. Der Bauwerber betreibe mit 6 Kühen und 3 Kälbern eine Landwirtschaft und ferner besitze er 250 Stück Pelztiere, sodaß diese Betriebsform eindeutig unter einen gewerblichen Kleinbetrieb zu subsumieren sei. Die Düngerstätte als integrierender Bestandteil eines solchen Betriebes entspreche der Widmung gemischtes Baugebiet.

Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wies die Kärntner Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet ab.

Die Aufsichtsbehörde ging davon aus, daß dann, wenn im Dorfgebiet, das vornehmlich für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe bestimmt sei, auch die Errichtung gewerblicher Kleinbetriebe und von Wohnhäusern zugelassen sei, auch die Zulässigkeit der Errichtung von landwirtschaftlichen Objekten im gemischten Baugebiet nicht ausgeschlossen werden könne. Im übrigen teilte die Aufsichtsbehörde die Ansicht der Gemeindebehörden und verwies darauf, daß die Kärntner Bauordnung über den Schutz vor Immissionen keine Bestimmungen enthalte, sodaß ein Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden könne.

In ihrer Beschwerde machen die Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachten sich in ihren Rechten durch den angefochtenen Bescheid deswegen verletzt, weil das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten der Widmung gemischtes Baugebiet und sohin der Bestimmung des § 2 Abs. 2 des Kärntner Gemeindeplanungsgesetzes widerspreche.

Weiter habe die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, die Einwendung der entschiedenen Sache stehe dem nunmehrigen Bauvorhaben nicht entgegen. Auch in ihren Rechten auf Durchführung eines dem Gesetz entsprechenden Ermittlungsverfahrens seien die Beschwerdeführer verletzt worden, weil das Ermittlungsverfahren ergeben hätte müssen, daß die bisherige Lagerung von Mist im Freien untersagt gewesen sei und die Gefahr einer Geruch- und Fliegenbelästigung gegeben sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu dem Beschwerdevorbringen ist zunächst festzustellen, daß der Nachbar nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigt ist, das Vorliegen einer entschiedenen Sache im baubehördlichen Bewilligungsverfahren einzuwenden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 4966/A). Gegenstand der Rechtskraft ist der Spruch und die maßgebende Begründung des Bescheides. Der Sinn der materiellen Rechtskraft eines Bescheides ist darin gelegen, daß eine Angelegenheit bei unverändertem Sachverhalt nicht neuerlich aufgerollt werden kann. Von der Identität einer Sache kann allerdings nur dann gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt. Das im Jahre 1967 bewilligte Bauvorhaben sah nun im Gebäude einen Mistleger vor, sodaß über die Frage, ob eine zusätzliche Düngerstätte im Freien angelegt werden dürfe, gar nicht entschieden wurde; die Auflage Punkt 11 des Baubewilligungsbescheides ließe zwar eine solche Auslegung zu; sie wäre dann als eine das Projekt ändernde Auflage zu qualifizieren, was aber im Zweifel wegen der grundsätzlichen Bindung der Baubehörde an das Bauansuchen nicht angenommen werden kann. Die Rechtskraft des damals erteilten Baubewilligungsbescheides steht daher dem nunmehrigen Bauvorhaben nicht entgegen, wie die belangte Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides zutreffend ausführte.

Die Beschwerdeführer behaupten weiter, das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten widerspreche der Widmung gemischtes Baugebiet. Unbestritten ist, wie sich auch aus dem von der zweitmitbeteiligten Partei vorgelegten Auszug des Flächenwidmungsplanes ergibt, daß nach dem rechtswirksamen, mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom genehmigten Flächenwidmungsplan die zu verbauende, im Ortszentrum gelegene Grundfläche als gemischtes Baugebiet gewidmet ist. Die belangte Behörde erachtete die zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörige Düngerstätte der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge im gemischten Baugebiet deshalb als zulässig, weil in einem Dorfgebiet, das vornehmlich für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe bestimmt sei, die Errichtung gewerblicher Kleinbetriebe und Wohnhäuser zulässig sei. Dieser Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof aus nachstehenden Erwägungen nicht beizupflichten: Nach § 2 Abs. 2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1970, LGBl. Nr. 1, ist das Bauland entsprechend den örtlichen Erfordernissen in Baugebiete zu gliedern. Als Baugebiete kommen in Betracht: Dorfgebiete, Wohngebäude, Kurgebiete, gemischte Baugebiete, Geschäftsgebiete, Leichtindustriegebiete, Schwerindustriegebiete. Nach Absatz 3 des genannten Paragraphen sind als Dorfgebiete jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, im übrigen aber für Gebäude bestimmt sind, die den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Einwohner des Dorfgebietes und dem Fremdenverkehr dienen, wie Wohngebäude, Gebäude für gewerbliche Kleinbetriebe, Kirchen, Gebäude für die Gemeindeverwaltung, Schulgebäude, Dorfgemeinschaftshäuser. Nach § 2 Abs. 6 des Gesetzes sind als gemischte Baugebiete jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Gebäude gewerblicher Klein- und Mittelbetriebe, im übrigen aber für Wohngebäude bestimmt sind. Nach § 13 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, darf die Baubewilligung für die Errichtung von baulichen Anlagen nur dann erteilt werden, wenn kein Grund nach § 9 Abs. 2 entgegensteht. Nach § 9 Abs. 2 hat die Behörde unter anderem zu prüfen, ob dem Vorhaben der Flächenwidmungsplan (lit. d) entgegensteht. Im Zusammenhang mit den Bestimmungen des § 2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1970 bedeutet diese Regelung, daß nur jene Bauvorhaben in den ausdrücklich festgelegten Baugebieten baubehördlich bewilligt werden dürfen, die der festgelegten Widmung entsprechen, also im gemischten Baugebiet nur Bauvorhaben betreffend gewerblicher Klein- und Mittelbetriebe und Wohngebäude. Nach der Normierung des § 2 Abs. 6 Gemeindeplanungsgesetz 1970 ist daher ein landwirtschaftlicher Betrieb im gemischten Baugebiet nicht zulässig. Der Umstand, daß gewerbliche Kleinbetriebe im Dorfgebiet, welches vornehmlich für Gebäude land- und forstwirtschaftlicher Betriebe bestimmt ist, errichtet werden dürfen, rechtfertigt entgegen der Meinung der belangten Behörde nicht den Schluß, daß landwirtschaftliche Betriebe auch im gemischten Baugebiet errichtet werden dürfen; vielmehr hat der Kärntner Landesgesetzgeber klar zu erkennen gegeben, daß im Dorfgebiet auch Gebäude für gewerbliche Kleinbetriebe zulässig sind, dagegen im gemischten Baugebiet, wie auch im Wohngebiet, keine landwirtschaftlichen Betriebe errichtet werden dürfen. Hätte die Gemeinde B in dem ursprünglichen Ortszentrum auch die Errichtung von landwirtschaftlichen Betrieben als den örtlichen Erfordernissen entsprechend angesehen, hätte sie die Widmung Dorfgebiet und nicht die Widmung gemischtes Baugebiet festlegen müssen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die nunmehrige Bauführung der Pelztierzucht diene, könnte damit nicht dargetan werden, daß ein Gewerbebetrieb gegeben ist, weil eine solche Haltung von Tieren nach § 2 Abs. 3 Z. Z der GewO 1973 nicht als Gewerbetrieb zu beurteilen ist. Die beabsichtigte Erweiterung des bestehenden Landwirtschaftsbetriebes ist aber mit der festgelegten Widmung nicht vereinbar. Bei der gegebenen Rechtslage machten die Beschwerdeführer zu Recht geltend, daß die Widmung gemischtes Baugebiet der Erteilung einer Baubewilligung für das Bauvorhaben des Erstmitbeteiligten entgegensteht. Darauf, daß im gemischten Baugebiet nur solche Bauvorhaben genehmigt werden, die dieser Widmung entsprechen, steht den Nachbarn auch nach den Bestimmungen der Kärntner Bauordnung ein Rechtsanspruch zu (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 8481/A). Da schon auf Grund der dargelegten Erwägungen der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet ist, erübrigte es sich auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen; vielmehr war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft eine zusätzlich zum Schriftsatzaufwand begehrte Umsatzsteuer, die Zurückweisung den nach § 59 Abs. 2 VwGG 1965 verspätet gestellten Antrag auf Zuerkennung von Stempelgebühren.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO Krnt 1969 §13;
BauRallg impl;
GdPlanungsG Krnt 1970 §2;
Sammlungsnummer
VwSlg 9775 A/1979
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1979:1978002193.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-58234