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VwGH 12.12.1978, 2090/78

VwGH 12.12.1978, 2090/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1972 §19 Abs1;
RS 1
Darlehenszinsen sind auch dann nicht schlechthin am Fälligkeitstag zugeflossen, wenn das Darlehen und der Zinsenanspruch grundbücherlich besichert sind. Eine Vereinnahmung (Zufließen) liegt nicht vor, wenn die Zinsen nur im Wege der Exekution in das unbewegliche Vermögen des Schuldners hereingebracht werden könnten; sie liegt auch dann nicht vor, wenn der Steuerpflichtige (= Gläubiger) eine

wirtschaftlich begründete Stundung der Zinsen gewährt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Mag. Papp, über die Beschwerde des Mr. pharm. WF in L, vertreten durch Dr. Wolfgang Brandhofer, Rechtsanwalt in Leibnitz, Hauptplatz 16/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat 1, vom , Zl. B 28-2/1978, betreffend Einkommensteuer 1976, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Erich P. bestätigte in der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom , am gleichen Tag vom Beschwerdeführer ein Darlehen in der Höhe von S 352.657,33 erhalten zu haben. Er verpflichtete sich, dieses Darlehen spätestens bis zur Gänze zurückzuzahlen und bis dahin den Darlehensbetrag mit jährlich 10 % im vorhinein zu verzinsen. Erich P. erklärte in der Urkunde weiters seine ausdrückliche Einwilligung, daß zur Sicherstellung der Darlehensforderung samt 10 % Zinsen seit und einer Nebengebührenkaution von S 70.000,-- auf einer ihm gehörigen Liegenschaft das Pfandrecht einverleibt werde. Die grundbücherliche Einverleibung fand in der Folge statt.

Im Einkommensteuerbescheid 1976 vertrat das Finanzamt den Standpunkt, die Zinsen per in Höhe von S 35.266,-

- seien dem Beschwerdeführer bereits 1976 zugeflossen und in diesem Jahr als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern.

Der Beschwerdeführer berief. Der Schuldner des Beschwerdeführers sei sein Schwager, der durch wirtschaftliche Rückschläge in Bedrängnis geraten sei. Da dieser auch noch andere laufende Schulden abzudecken habe und als Arbeitnehmer monatlich über S 4.500,-- verfüge, sei es vorläufig wirtschaftlich nicht möglich, die Zinsen zu verlangen. Der Beschwerdeführer sei nicht verpflichtet, "alle nur erdenklichen Mittel anzuwenden, um die …….. festgelegten Termine auszuschöpfen". Es sei ohne weiters möglich, daß der Schuldner nach "Rückerstattung" seiner anderen Verbindlichkeiten mit der Zahlung der dem Beschwerdeführer geschuldeten Zinsen beginne. Hiezu bedürfe es keiner zusätzlichen Vereinbarung. Abgesehen davon bedürfte es "wieder wesentlicher Anwalts- und Gerichtskosten", um die Beträge, wenn überhaupt, in Raten, die das Existenzminimum berücksichtigen, hereinzubringen. In dem Schriftsatz vom , mit dem der Beschwerdeführer eine abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes außer Wirksamkeit setzte, hob er hervor, daß die Einbringung der Zinsen aus sittlichen, moralischen und wirtschaftlichen Gründen derzeit nicht möglich sei.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

Unter Bezugnahme auf § 19 Abs. 1 EStG 1972 und hg. Rechtsprechung führte die belangte Behörde aus, daß ein Betrag in dem Augenblick zugeflossen gelte, in dem der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber erhalte. Es genüge, daß die Verwirklichung des Zinsenanspruches derart nahegerückt und so gesichert sei, daß er wirtschaftlich dem tatsächlichen Eingang der Leistung gleichzustellen sei. Das sei durch die pfandrechtliche Sicherstellung der Darlehenszinsen auch geschehen. Gemäß § 447 ABGB sei ein Pfandrecht das dingliche Recht, welches dem Gläubiger eingeräumt werde, aus einer Sache, wenn die Verbindlichkeit unabhängig von etwaigen Gründen, zur bestimmten Zeit nicht erfüllt werde, die wirtschaftliche Befriedigung zu erlangen. Mit der "pfandrechtlichen Maßnahme seitens des Steuerpflichtigen" seien die gegenständlichen Darlehenszinsen auch schon deshalb dem Beschwerdeführer zugeflossen, weil sich dies wirtschaftlich in einer Vermehrung des Vermögens ausgewirkt und dieser Umstand bereits eine objektive Verfügungsmöglichkeit herbeigeführt habe. Die Fälligkeit der Darlehenszinsen sei mit eingetreten, und da wäre es dem Beschwerdeführer rechtlich jederzeit möglich gewesen, über sein Pfandrecht auch wirtschaftlich zu verfügen, wie z.B. durch etwaige Fahrnisexekution, Verpfändung an einen Dritten usw. Bei der hier gegebenen Rechts- und Sachlage, nämlich durch die grundbücherliche Einverleibung der bereits fälligen Zinsen, seien diese dem Beschwerdeführer wirtschaftlich zugeflossen und als für ihn verfügbar anzusehen. Daß der Beschwerdeführer aus sittlichen, moralischen oder ähnlichen Gründen die fälligen Zinsen bei seinem Schwager nicht eintreiben habe wollen - was jedweden kaufmännischen Usancen widerspreche -, sei für den Zufließenstatbestand irrelevant, denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom , Zl. 1768/72) sei nicht die subjektive, sondern vielmehr die objektive Verfügungsmöglichkeit maßgebend, und gerade die sei hier eindeutig gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz EStG 1972 sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Zufluß muß sich wirtschaftlich in der Vermehrung des Vermögens des Steuerpflichtigen auswirken, was bedeutet, daß von einem steuerlich beachtlichen Zufluß nur dann gesprochen werden kann, wenn der Steuerpflichtige rechtlich und wirtschaftlich über die Einnahme verfügen kann (siehe Hofstätter-Reichel, Tz. 3 zu § 19). Maßgebend für das Zufließen von Einnahmen ist nicht die subjektive Kenntnis des Steuerpflichtigen vom Geldeingang, sondern die objektive Verfügungsmöglichkeit. Das Geld muß nicht in das bürgerlich-rechtliche Eigentum des Steuerpflichtigen übergegangen sein, sofern wirtschaftlich bereits eine Vermögensvermehrung eingetreten oder die Verwirklichung eines Anspruches bereits derart nahegerückt und gesichert ist, daß dies wirtschaftlich der tatsächlichen Realisierung des Anspruches gleichkommt (siehe Schubert-Pokorny-Schuch, Anm. 4 zu § 19, und die dort und bei Reichel-Hofstätter, a. a. O., angegebene hg. Rechtsprechung). Auch bei Zinsen ist der "Zufluß" in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Steuerpflichtige die Verfügungsmacht darüber erhält, wobei es gleichgültig ist, ob das Zufließen in Bargeld oder durch Gutschrift bewirkt wird (Hofstätter-Reichel, Tz 32 zu § 27). Ist der Schuldner illiquid, bewirkt eine Gutschrift kein Zufließen im hier maßgeblichen Sinn (Schubert-Pokorny-Schuch, a. a. O.)

Diese allgemeinen Rechtssätze, auf die sich die belangte Behörde im wesentlichen stützt, müssen jedoch zu den Verhältnissen des konkreten Sachverhaltes in bezug gebracht werden, damit im Einzelfall ein richtiges Ergebnis erzielt wird. Dabei kann die Aussage über die Maßgeblichkeit der beim Steuerpflichtigen eingetretenen Vermögensvermehrung nur mit Einschränkung für die Lösung herangezogen werden. Der § 19 Abs. 1 EStG 1972 gilt nämlich - abgesehen von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1972 - nur für die Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 EStG 1972, bei denen das Ergebnis der Geldbewegung (der Bewegung geldwerter Vorteile) für die Besteuerung maßgebend ist (arg.: "Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten" in § 2 Abs. 4 Z. 2 leg. cit.). Demgegenüber ist bei den ersten drei Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 EStG 1972) der Gewinn Gegenstand der Besteuerung (§ 2 Abs. 4 Z. 1 leg. cit.), welcher grundsätzlich durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG 1972) zu ermitteln ist. Nur bei dieser Ermittlungsart der Einkünfte stehen Vermehrungen und Verminderungen des Vermögens des Steuerpflichtigen im Vordergrund, während bei der sogenannten Überschußrechnung im gegebenen Zusammenhang der Vermögensvermehrung nur insofern Bedeutung zukommt, als sie als Indiz für die wirtschaftliche und rechtliche Verfügungsmöglichkeit über bereits zugeflossene Einnahmen Gewicht hat.

Diese Betrachtung läßt die belangte Behörde unbeachtet. Sie geht davon aus, daß der Beschwerdeführer bereits am "bereichert" worden ist und diese Bereicherung durch grundbücherliche Pfandbestellung gesichert ist. Tatsächlich mag eine Bereicherung des Beschwerdeführers gegeben sein - vorausgesetzt, daß die gegenständliche Vereinbarung tatsächlich die Fälligkeit des Zinsenanspruches für das erste Jahr der Laufzeit des Darlehens bereits am zum Inhalt hat. Aber auch eine Bereicherung im Sinne der Vorstellungen der belangten Behörde läge bloß im Entstehen eines obligatorischen Anspruches, der im gegebenen Fall nur bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich auch steuerliche Auswirkung hätte. Eine Vereinnahmung im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG 1972 liegt darin allein nicht. Sie könnte nur dann bejaht werden, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich noch im Laufe des Kalenderjahres 1976 in der Lage gewesen wäre, über den strittigen Zinsenbetrag so frei zu verfügen, wie das bei einem Bargeldbetrag, einem Guthaben oder etwa einer jederzeit leicht verwertbaren Forderung der Fall ist. Daß dem so wäre, stellte die belangte Behörde nicht fest, weil sie der irrigen Meinung war, bereits ein obligatorischer Anspruch auf Zinsen bewirke schlechthin ein Zufließen im abgabenrechtlichen Sinn jedenfalls dann, wenn der Anspruch entsprechend pfandrechtlich gesichert ist.

Soweit sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1197/47, Slg. Nr. 264/F, vom , Zl. 920/55, vom , Zl. 2484/56, vom , Zl. 1495/58, Slg. Nr. 2466/F, vom , Zl. 1866/67, Slg. Nr. 3869/F, und vom , Zl. 1768/72, Slg. Nr. 4536/F, beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß in allen diesen Fällen der Sachverhalt von dem hier zu beurteilenden jeweils in wesentlichen Punkten abwich.

Aus Vorstehendem folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat, was gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zu seiner Aufhebung führen mußte.

Für das fortzusetzende Berufungsverfahren verweist der Verwaltungsgerichtshof auf folgendes: Wenn es - wie die Beschwerde behauptet - zutrifft, daß der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf die Zinsen nur im Wege einer Exekution in das verpfändete unbewegliche Vermögen des Schuldners realisieren könnte, ist seine Verfügungsmöglichkeit an dem fällig gewordenen Zinsenbetrag in einem Maß wirtschaftlich beschränkt, daß von einer Vereinnahmung im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG 1972 nicht die Rede sein kann. Ein Zufließen im Sinne dieser Gesetzesstelle wäre aber auch bei einer wirtschaftlich begründeten Stundung zu verneinen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

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Norm
EStG 1972 §19 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1978002090.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-58028