VwGH 28.03.1977, 2015/76
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauO Wr §134 Abs3; BauO Wr §63 Abs1; VwGG §34 Abs1 impl; |
RS 1 | Dem Eigentümer, der nicht zugleich Bauwerber ist, wird durch die Bauordnung für Wien ein Recht auf Erteilung der Baubewilligung nicht eingeräumt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0771/75 B VwSlg 8897 A/1975 RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Das Fehlen des Nachweises der Zustimmung des Grundeigentümers ist gem § 13 Abs 3 AVG 1950 als Formgebrechen behebbar. Eines Auftrages zur Beseitigung des Formgebrechens bedarf es nicht mehr, wenn feststeht, dass der Bauwerber diesen Nachweis nicht zu erbringen vermag. |
Normen | |
RS 3 | Seinem Wesen nach ist das Wohnungseigentum eine qualifizierte Form des Miteigentums. |
Normen | BauO Wr §63 Abs1; BauRallg impl; |
RS 4 | Bei der Anwendung einer Vorschrift, die auch hinsichtlich solcher Objekte, die im Wohnungseigentum stehen, ohne weitere Unterscheidung das Erfordernis der Zustimmung durch den Grundeigentümer aufstellt, darf dieses Erfordernis nur in einem den jeweils geltenden Vorschriften über die Verwaltungsbefugnisse der Wohnungseigentümer entsprechenden Umfang angenommen werden. |
Normen | ABGB §833; ABGB §834; BauO Wr §63 Abs1; BauRallg impl; WEG 1975 §13 Abs2 Z1; WEG 1975 §13 Abs2 Z2; WEG 1975 §13 Abs2 Z3; WEG 1975 §14 Abs1 Z1; |
RS 5 | Bauliche Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung fallen jedenfalls nur dann in die freie Verwaltungsbefugnis des Wohnungseigentümers, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 Z 1 WEG 1975 vorliegen. Im übrigen gelten für bauliche Änderungen die §§ 833 und 834 ABGB mit den aus § 13 Abs 2 Z 2 und 3 sowie § 14 Abs 1 Z 1 WEG 1975 sich ergebenden Abweichungen. |
Normen | BauO Wr §63 Abs1; BauRallg impl; |
RS 6 | In der Frage, ob der Bauwerber die Formerfordernisse des § 63 der BO für Wien erfüllt hat, ist eine Teilung des Vorhabens (nach Punkten) nicht zulässig (Hinweis E , 1263/75). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Onder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerde 1. des TH in W, vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 12/8, und 2. der HS in W, vertreten durch Dr. Rudolf Friedrich Stiehl, Rechtsanwalt in Wien I, Führichgasse 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XVIII-11/76, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. ID und weitere 8 Mitbeteiligte, alle in W alle vertreten durch Dr. Paul Appiano, Rechtsanwalt in Wien I, Bösendorferstraße 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie vom Erstbeschwerdeführer erhoben wurde, als unbegründet abgewiesen, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, zurückgewiesen.
Jeder der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 360,--, insgesamt S 720,--, und den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 1.305,-- insgesamt S 2.610,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Baumeister Ing. Alfons P. beantragte - dem Wortlaut des Ansuchens nach im eigenen Namen - beim Magistrat der Stadt Wien die Erteilung der Baubewilligung für die aus dem beigelegten Bauplan ersichtlichen, die Liegenschaft EZ. nn des Grundbuches der Katastralgemeinde X (Wien, G-gasse Nr. 31) betreffenden baulichen Abänderungen. Das Ansuchen wurde außerdem vom Erstbeschwerdeführer mit dem Zusatz "Der Bauwerber" und von der Zweitbeschwerdeführerin mit dem Zusatz "Der Grundeigentümer" unterfertigt. In dem den Akten des Verwaltungsverfahrens beigeschlossenen Bauplan werden der Erstbeschwerdeführer als "Bauwerber" und die Zweitbeschwerdeführerin als "Lokaleigentümer" bezeichnet.
Mit dem Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien gemäß § 70 der Bauordnung für Wien die Bewilligung, auf der oben angeführten Liegenschaft folgende bauliche Abänderungen durchzuführen: "Der Lagerraum im Erdgeschoß wird in eine Kochnische umgewidmet, wobei die Türe zwischen Garderobe und Lagerraum zugemauert wird. Anstatt der Garderobe werden 2 WC-Anlagen mit mechanischer Entlüftung errichtet und die WC-Anlage wird in einen Vorraum umgewidmet, wobei eine Türe zwischen Gang und Vorraum hergestellt wird." Laut Zustellverfügung wurde der Bescheid dem Erstbeschwerdeführer "als Bauwerber" und der Zweitbeschwerdeführerin "als Grundeigentümer" zugestellt.
Die Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erhoben gegen diesen Bescheid, der ihnen auf ihr Verlangen nachträglich zugestellt wurde, Berufung. Sie beantragten, das Bauansuchen abzuweisen, weil durch das Vorhaben ihre Interessen als Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft beeinträchtigt würden.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die Bauoberbehörde für Wien gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 den Bescheid der Behörde erster Instanz dahin ab, daß die beantragte Baubewilligung versagt wird.
Zur Begründung führte die Behörde im wesentlichen aus: Nach § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien habe der Bauwerber dann, wenn er nicht selbst Eigentümer der Liegenschaft ist, die Zustimmung des Grundeigentümers als Beleg des Gesuches um Baubewilligung nachzuweisen. Bereits in seiner früheren Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. 10110) habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß ein Dritter ein Bauansuchen nur dann stellen könne, wenn er die Zustimmung des Grundeigentümers oder ein vom Eigentümer hiezu erworbenes Recht liquid nachweise. Liquid sei ein Nachweis nur dann, wenn durch den Beleg dargetan werde, daß es keinesfalls mehr fraglich sein könne, ob die Zustimmung erteilt worden sei. Dieser Nachweis sei ein Beleg des Bauansuchens. Wenn sich hingegen im Zuge des Baubewilligungsverfahrens ergebe, daß die Zustimmung zur Bauführung im Zeitpunkt der Einbringung des Bauansuchens nicht vorgelegen oder später weggefallen sei, sei die Zustimmung des Grundeigentümers nicht mehr ein bloßer Beleg, sondern eine Voraussetzung für die aufrechte Erledigung des Bauansuchens (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 151, 152/58, vom , Zl. 1567/60, und vom , Zl. 1631/67). Bestehe an einem Haus Miteigentum, sei die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer nachzuweisen. Die Zustimmung aller Miteigentümer sei dann nicht erforderlich, wenn die Bauführung keine wichtigen Veränderungen im Sinne des § 834 ABGB darstelle (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 5236/A). In einem solchen Fall würde die Zustimmung der Mehrheit der Liegenschaftseigentümer genügen. Die Beurteilung der Frage, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Erteilung der Zustimmung des Grundeigentümers bestehe, komme nicht der Baubehörde, sondern den Gerichten zu (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 2050/A, u.a.). Im Erkenntnis vom , Zl. 723/71, habe der Verwaltungsgerichtshof weiters ausgesprochen, daß nach seiner Auffassung dann, wenn eine bauliche Maßnahme ausschließlich innerhalb jener Räume getroffen werde, an denen Wohnungseigentum bestehe, weder eine Haftung der Miteigentümer des Gebäudes durch einen dadurch etwa geschaffenen bauordnungswidrigen Zustand gegeben, noch auch deren Zustimmung zur Einholung der dafür nötigen baubehördlichen Bewilligung erforderlich sei. Dieses letztgenannte Erkenntnis sei auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, weil bauliche Maßnahmen nicht ausschließlich innerhalb jener Räume vorgesehen seien, an denen Wohnungseigentum lediglich einer Miteigentümerin bestehe. Der Projektsplan sehe nämlich die Herstellung einer WC-Anlage in einem Teil der Nutzungseinheit der Miteigentümerin S vor, "die baulich von der übrigen Nutzungseinheit getrennt werden, in Hinkunft nur mehr vom Hausgang aus zugänglich sein soll". Außerdem sei die Errichtung einer mechanischen Entlüftung der WC-Anlage, die der Aktenlage nach keine natürliche Belüftung und Belichtung aufweise, vorgesehen. Auch die so gestaltete neu vorgesehene WC-Anlage vermag Auswirkungen, die über den Bereich der Nutzungseinheit der Miteigentümerin S hinausgingen, hervorzurufen. Schon aus den vorerwähnten Gründen könne nicht die Rede davon sein, daß bauliche Maßnahmen ausschließlich innerhalb von Räumen getroffen würden, an denen Wohnungseigentum bestehe. Schließlich sei aber auch die Umwidmung eines Lagerraumes in eine Kochnische geeignet, Auswirkungen außerhalb der Nutzungseinheit der Miteigentümerin S herbeizuführen. Eine Küchenanlage in einem Geschäftslokal, die der Aktenlage nach in einem Teil dieses Lokals untergebracht sei, der gleichfalls nicht direkt ins Freie entlüftbar sei, vermöge sicherlich Belästigungen im Bereich des Hausganges und des Stiegenhauses auszulösen. Auch dieser Umstand würde daher gegen die Anwendung der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 723/71, ausgesprochenen Grundgedanken auf den vorliegenden Fall sprechen. Im Hinblick auf die Art der beabsichtigten Bauführung könne auch keine Rede davon sein, daß keine wichtigen Veränderungen im Sinne des § 834 ABGB vorlägen. Dies sei im vorliegenden Fall aber letztlich deshalb nicht entscheidungswesentlich, weil der Aktenlage nach die Mehrheit der Miteigentümer des Hauses dem Bauvorhaben nicht zustimme.
Die Beschwerdeführer bringen in der Beschwerde vor, es sei die Zweitbeschwerdeführerin Miteigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft. Mit dem vorgenannten Miteigentumsanteil sei das Wohnungseigentum an dem Geschäftslokal Tür II (4) im Parterre des Hauses im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes verbunden. Dieses Geschäftslokal sei von der Zweitschwerdeführerin dem Erstbeschwerdeführer zum Betrieb eines Buffets vermietet worden. Die Beschwerdeführer erachten sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß zufolge einer unrichtigen Auslegung des § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien die Baubewilligung versagt worden sei. Das Bauvorhaben sehe ausschließlich Maßnahmen innerhalb jener Räume vor, die im Wohnungseigentum der Zweitbeschwerdeführerin stünden, nämlich die teilweise Änderung der bestehenden Raumwidmung mit entsprechender Abänderung der bestehenden Raumeinteilung. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde erfolge auch die Schaffung der Eingangstür zu den herzustellenden WC-Anlagen ausschließlich im Bereich des bestehenden Objektes, das dadurch in seiner Abgrenzung gegenüber den anderen Teilen des Hauses keine Änderung erfahre. Durch diesen Türdurchbruch würde weder ein der allgemeinen Benützung dienender Teil des Hauses zusätzlich in Anspruch genommen noch würden hiedurch konstruktive Teile des Hauses berührt. Mit dem Hinweis auf mögliche Auswirkungen der vorgesehenen mechanischen Belüftung der WC-Anlage und die Umwidmung des Lagerraumes in eine Kochnische bringe die belangte Behörde unzulässigerweise Erwägungen ins Spiel, die ausschließlich die zivilrechtliche Sphäre der Miteigentümer beträfen; diese seien für die gegenständliche, ausschließlich nach bautechnischen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage bedeutungslos.
Die Beschwerde erweist sich, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, als unzulässig.
Die Baubewilligung ist, wie sich insbesondere aus den §§ 60 und 63 der Bauordnung für Wien - dieses Gesetz ist im vorliegenden Fall zufolge Art. II der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. für Wien Nr. 18, in der Fassung vor dem Inkrafttreten dieser Novelle anzuwenden - ergibt, ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Sie kann nur dem "Bauwerber", nämlich demjenigen erteilt werden, der um die Baubewilligung angesucht hat.
Das vom Planverfasser und Bauführer beim Magistrat der Stadt Wien eingereichte Bauansuchen bringt nicht eindeutig zum Ausdruck, in wessen Namen es gestellt wird. Da aber die Zweitbeschwerdeführerin sowohl im Ansuchen als auch im Bauplan sich ausdrücklich als "Grundeigentümer" bzw. "Lokaleigentümer" deklarierte und auch bei der Bauverhandlung ausschließlich in dieser Eigenschaft auftrat, ist nach der Aktenlage davon auszugehen, daß als Bauwerber im vorliegenden Fall lediglich der Erstbeschwerdeführer eingeschritten ist. Dem entsprechen auch die von den Behörden beider Instanzen den Bescheiden beigegebenen Zustellverfügungen. Nun ist zwar der Eigentümer, der nicht zugleich Bauwerber ist, Partei des Bewilligungsverfahrens, doch ist sein von der Bauordnung für Wien anerkanntes rechtliches Interesse allein darauf gerichtet, daß das im § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien aufgestellte Zustimmungserfordernis eingehalten werde; ein Recht auf Erteilung der Baubewilligung ist ihm hingegen nicht eingeräumt (vgl. den Beschluß des , Zl. 771/75).
Daraus ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid, mit dem die vom Erstbeschwerdeführer beantragte Baubewilligung versagt wurde, über subjektive Rechte der Zweitbeschwerdeführerin nicht abgesprochen hat. Fehlte aber die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre der Zweitbeschwerdeführerin, dann war die Beschwerde, soweit sie von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, mangels der Berechtigung zu deren Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 zurückzuweisen.
Soweit die Beschwerde vom Erstbeschwerdeführer erhoben wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof über sie sowie der Gegenschriften der belangten Behörde und der Mitbeteiligten erwogen:
Auszugehen ist von der im Eingang der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen zutreffend dargestellten Rechtslage. Der vom Bauwerber zu erbringende Nachweis, daß er Grundeigentümer ist bzw., wenn er nicht selbst Eigentümer der Liegenschaft ist, der Grundeigentümer der Bauführung zustimmt (§ 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien), zählt zu den Bewilligungsvoraussetzungen, wobei das Fehlen des Nachweises gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 als Formgebrechen behebbar ist. Eines Auftrages zur Beseitigung des Formgebrechens bedarf es - von dieser Erwägung hat sich offenbar auch die belangte Behörde leiten lassen - nicht mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, auf Grund der im Verwaltungsverfahren abgegebenen Parteierklärungen feststeht, daß der Bauwerber diesen Nachweis nicht zu erbringen vermag. Besteht an einer Liegenschaft Miteigentum, dann ist grundsätzlich die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer nachzuweisen. Da aber ein für die Aufstellung des Zustimmungserfordernisses maßgebendes Motiv des Gesetzgebers darin liegt, daß der vom Grundeigentümer verschiedene Bauwerber nur das aus der Privatrechtsordnung dem Eigentümer zustehende Recht zur Bauführung geltend macht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 4894/A, und vom , Slg. N. F. Nr. 5236/A), hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung niedergelegt, daß dort, wo die Bauführung keine wichtige Veränderung im Sinne der §§ 833 und 834 ABGB darstellt, die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer genügt (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 5236/A, vom , Zl. 126/69, und vom , Zl. 578/71). Desgleichen hat der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , Slg. N. F. Nr. 8327/A, und vom , Zl. 1263/75, ausgesprochen, daß dann, wenn eine bauliche Maßnahme ausschließlich innerhalb jener Räume getroffen wird, an denen Wohnungseigentum besteht - seinem Wesen nach ist das Wohnungseigentum eine qualifizierte Form des Miteigentums (vgl. insbesondere § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes, BGBl. Nr. 149/1948, und § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 417) -, die Zustimmung der übrigen Miteigentümer zur Einholung der dafür nötigen baubehördlichen Bewilligung nicht erforderlich ist. Unter den Gesichtspunkten des vorliegenden Beschwerdefalles - anders als in den beiden zuletzt zitierten Beschwerdefällen war hier schon das Wohnungseigentumsgesetz 1975 anzuwenden - vertritt der Verwaltungsgerichtshof, die angeführte Rechtsprechung fortführend, die Auffassung, daß die Behörde bei der Anwendung einer Vorschrift die auch hinsichtlich solcher Objekte, die im Wohnungseigentum stehen, ohne weitere Unterscheidung das Erfordernis der Zustimmung durch den Grundeigentümer aufstellt, dieses Erfordernis nur in einem den jeweils geltenden Vorschriften über die Verwaltungsbefugnisse der Wohnungseigentümer entsprechenden Umfang annehmen darf. Ist nämlich, wie schon oben dargestellt wurde, das Zustimmungserfordernis als ein Ausdruck des freien Verfügungsrechtes des Eigentümers zu verstehen, dann müssen bei der Auslegung von Vorschriften, die schlechthin die Zustimmung des Grundeigentümers verlangen, die die Verfügungsmacht des Grundeigentümers einschränkenden zivilrechtlichen Normen Berücksichtigung finden.
Im Beschwerdefall war insbesondere auf folgende Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes 1975 Bedacht zu nehmen:
§ 1 (1) Das Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbständige Wohnung oder eine sonstige selbständige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen. Zu den sonstigen Räumlichkeiten gehören besonders selbständige
Geschäftsräume, ......
§ 13 (1) Die Verwaltung der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit kommt dem Wohnungseigentümer zu. (2) Der Wohnungseigentümer ist zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit auf seine Kosten berechtigt; hierbei gilt folgendes:
1. Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben.
2. Werden für eine solche Änderung auch gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muß die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen; die Errichtung von Licht- , Gas-, Kraft-, Wasser- und Fernsprechleitungen sowie von ähnlichen Einrichtungen kann aus diesem Grund jedenfalls nicht untersagt werden; das gleiche gilt für daß Anbringen der nach dem Stand der Technik notwendigen Antennen für den Hörfunk- und Fernsehempfang, sofern der Anschluß an eine bestehende Antenne nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
3. Werden für eine solche Änderung auch Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, die im Wohnungseigentum eines anderen Miteigentümers stehen, so muß der betroffene Wohnungseigentümer die Änderung überdies nur zulassen, wenn sie keine wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentums zur Folge hat und sie ihm bei billiger Abwägung aller Interessen zumutbar ist. Der Wohnungseigentümer, der die Änderung durchführt, hat den Wohnungseigentümer, der hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird, angemessen zu entschädigen.
4. Ist für Änderungen, die die anderen Miteigentümer dulden müssen, eine behördliche Bewilligung erforderlich, so dürfen die anderen Miteigentümer eine allenfalls erforderliche Zustimmung nicht verweigern.
.........
§ 14 (1) Für die Verwaltung der Liegenschaft gilt das 16.
Hauptstück des zweiten Teiles des allgemeinen bürgerlichen
Gesetzbuches mit den in diesem Bundesgesetz bestimmten
Besonderheiten. Zu den Angelegenheiten, in denen die Mehrheit
entscheidet, gehören im Besonderen
1. die ordnungsgemäße Erhaltung der gemeinsamen Teile und
Anlagen der Liegenschaft einschließlich der baulichen Änderungen,
die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, ........
In Verbindung mit dem 16. Hauptstück des zweiten Teiles des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, dessen Vorschriften, soweit nicht im Wohnungseigentumsgesetz 1975 anderes bestimmt wird, auf die Wohnungseigentumsgemeinschaft weiter anzuwenden sind, ergibt sich aus diesen Bestimmungen, daß bauliche Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung jedenfalls nur dann in die freie Verwaltungsbefugnis des Wohnungseigentümers fallen, wenn die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975 vorliegen. Im übrigen gelten für bauliche Änderungen die Vorschriften der §§ 833 und 834 ABGB mit der Maßgabe, daß
a) im Rahmen des § 13 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975 vorgenommene Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen), für die auch gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, unter den im § 13 Abs. 2 Z. 2 WEG 1975 genannten Voraussetzungen nicht untersagt werden dürfen,
b) im Rahmen des § 13 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975 vorgenommene Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen), für die nur Liegenschaftsteile in Anspruch genommen werden, die im Wohnungseigentum eines anderen Miteigentümers oder mehrerer anderer Miteigentümer stehen, die Zustimmung des betroffenen Wohnungseigentümers oder der betroffenen Wohnungseigentümer genügt (§ 13 Abs. 2 Z. 3 WEG 1975) und
c) über die Durchführung baulicher Änderungen an gemeinsamen Liegenschaftsteilen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen (nur) die - nach § 833 ABGB zu berechnende - Mehrheit entscheidet (§ 14 Abs. 1 Z. 1 WEG 1975).
Gegenstand des Vorhabens des Erstbeschwerdeführers ist nach der Aktenlage u. a. die Vergrößerung der bestehenden WC-Anlage durch Hinzunahme des früheren Garderoberaumes, wobei der Zugang zur neuen WC-Anlage durch eine auf den Gang (des Stiegenhauses) führende Tür hergestellt wird. Diese Maßnahmen können schon deshalb nicht innerhalb der Individualbefugnis des Wohnungseigentümers nach § 13 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975 verwirklicht werden, weil durch sie der Zutritt zur neuen WC-Anlage über den zu den gemeinsamen Liegenschaftsteilen gehörenden Gang des Hauses geschaffen wird, wodurch zweifellos - die in Rede stehenden Räumlichkeiten dienen, wie auch aus dem Beschwerdevorbringen hervorgeht, der Ausübung des Gastgewerbes - schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer beeinträchtigt würden. Die baulichen Maßnahmen müssen ferner schon deshalb den "wichtigen Veränderungen" im Sinne des § 834 ABGB zugezählt werden, weil sie über den bloßen Erhaltungszweck hinausgehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1263/75, und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein Fall des § 14 Abs. 1 WEG 1975 liegt hier nicht vor, weil die baulichen Änderungen nicht an gemeinsamen Liegenschaftsanteilen ausgeführt werden sollen.
Unter den im Beschwerdefall maßgebenden Gesichtspunkten war das Bauvorhaben des Erstbeschwerdeführers als Einheit aufzufassen, weil in der Frage, ob der Bauwerber die Formerfordernisse des § 63 der Bauordnung für Wien erfüllt hat, eine Teilung des Vorhabens nicht zulässig wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1263/75). Eine Prüfung der Frage, ob die anderen vom Erstbeschwerdeführer geplanten baulichen Maßnahmen bei einer abgesonderten rechtlichen Beurteilung in Ausübung des Individualrechtes des Wohnungseigentümers nach § 13 Abs. 2 Z. 1 WEG 1975 getroffen werden könnten, war daher entbehrliche.
Die belangte Behörde hat zwar durch die Begründung des angefochtenen Bescheides der dargestellten Rechtslage nicht vollständig Rechnung getragen; der angefochtene Bescheid ist aber deshalb nicht mit einem nach § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wesentlichen Begründungsmangel behaftet, weil der belangten Behörde im Ergebnis darin beizupflichten ist, daß die beantragte Baubewilligung wegen Nichterfüllung des Zustimmungserfordernisses nach § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien zu versagen gewesen sei.
Die Beschwerde erweist sich daher, soweit sie vom Erstbeschwerdeführer erhoben wurde, als unbegründet; sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 und der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | ABGB §833; ABGB §834; AVG §13 Abs3; BauO Wr §134 Abs3; BauO Wr §63 Abs1; BauRallg impl; VwGG §34 Abs1 impl; WEG 1975 §1; WEG 1975 §13 Abs2 Z1; WEG 1975 §13 Abs2 Z2; WEG 1975 §13 Abs2 Z3; WEG 1975 §14 Abs1 Z1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 9284 A/1977 |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Baubewilligung BauRallg6 Baurecht allgemein spezielle Zuordnung offen BauRallg12 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1977:1976002015.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-57817