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VwGH 24.02.1976, 2007/75

VwGH 24.02.1976, 2007/75

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1972 §34 idF 1974/469;
RS 1
Bei Unterhaltsleistungen an geschiedene Ehegatten ist nur zu prüfen, ob die einzelnen Beträge als GESETZLICHER Unterhalt anzusehen sind. Ist dies der Fall, kommt die gesetzliche Fiktion der Zwangsläufigkeit auch beim schuldig geschiedenen Ehegatten zum Zuge. Über die gesetzliche Verpflichtung hinaus erbrachte Leistungen werden von dieser Fiktion nicht erfaßt und können daher beim schuldig geschiedenen Ehegatten mangels Zwangsläufigkeit auf keinen Fall als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Mag. DDr. Heller, Dr. Simon und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzoberkommissär Dr. Feitzinger, über die Beschwerde des DDr. WH in W, vertreten durch Dr. Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 21, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 5 - 1985/75, betreffend Lohnsteuer 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hatte beantragt, die von ihm an seine geschiedene Gattin geleisteten Alimentationszahlungen in der Höhe von S 44,664,-- als außergewöhnliche Belastung für das Kalenderjahr 1975 zu berücksichtigen. Die Ehe des Beschwerdeführers sei im Jahr 1965 aus seinem Verschulden geschieden worden. Auf Grund eines im Ehescheidungsverfahren geschlossenen Vergleiches sei er verpflichtet, monatlich S 3.722,10 an seine geschiedene Gattin zu leisten. Sein eigener Nettobezug betrage laut vorgelegtem Gehaltsstreifen S 12.534,75 monatlich. Das Finanzamt stellte fest, daß die geschiedene Gattin des Beschwerdeführers Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von S 4.694,-- monatlich bezieht und wies den Antrag auf Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung ab.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer gesetzlich verpflichtet sei, an seine geschiedene Gattin Unterhalt zu leisten. Ob die geschiedene Gattin ein Einkommen habe oder nicht, sei daher für die tatsächliche rechtliche oder sittliche Unterhaltspflicht ohne Bedeutung, da sich der Beschwerdeführer dieser ihm zwangsläufig erwachsenden Verpflichtung weder aus tatsächlichen, noch aus rechtlichen, noch aus sittlichen Gründen entziehen könne.

Nachdem eine Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes durch rechtzeitig gestellten Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wirkungslos geworden war, wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die Frage, ob es sich bei den Alimentationsleistungen des Beschwerdeführers an seine geschiedene Ehegattin um einen ihr von Gesetzes wegen zustehenden Unterhalt handle, könne nur nach den Bestimmungen des Ehegesetzes geklärt werden. Zu § 66 Ehegesetz werde im Klang-Kommentar ausgeführt, daß die normierte Unterhaltspflicht des Mannes in erster Linie von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig sei. Aber auch dann, wenn der Mann wirtschaftlich fähig sei, den Unterhalt zu leisten, sei seine Unterhaltspflicht nur subsidiär. Sie werde durch zwei Umstände ausgeschlossen, nämlich durch das Vorhandensein von Erträgnissen aus dem Vermögen der Frau und ferner dadurch, daß die Erträgnisse einer der Frau nach den Umständen zumutbaren Erwerbstätigkeit für ihren angemessenen Unterhalt ausreichen. Da die geschiedene Gattin des Beschwerdeführers nach der Aktenlage keine Erträgnisse aus einem Vermögen beziehe, sei auf diesen Punkt nicht einzugehen. Was die Erwerbstätigkeit der Frau anlange, komme hinsichtlich des Umfanges des Ertrages nur der Nettoverdienst in Betracht. Dieser sei unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob er bei vernünftiger Wirtschaftsführung und vernünftigen Ansprüchen den angemessenen Unterhalt decke. Zu den Erträgnissen der Arbeit sei alles zu zählen, was auf Grund eines ausgeübten Dienstverhältnisses ausgezahlt werde. Auch hier gelte der Grundsatz, daß der Mann bei nur teilweiser Deckung des angemessenen Unterhaltes zur Leistung des Fehlenden verpflichtet sei.

Als angemessener Unterhalt werde der schuldlos geschiedenen Gattin von den Gerichten höchstens 33 % des Nettoeinkommens des schuldig geschiedenen Gatten zuerkannt. Aus diesem Umstand müsse abgeleitet werden, daß als angemessener Unterhalt ein Drittel der Nettobezüge des Mannes angesehen werden könne. Der Beschwerdeführer habe ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.534,75. 33 % hievon seien S 4.136,47. Dieser Betrag könne als angemessener monatlicher Unterhalt angesehen werden. Die geschiedene Gattin des Beschwerdeführers habe ein monatliches Nettoeinkommen von S 4.694,-- das sogar höher sei als 33 % des Nettoeinkommens des Beschwerdeführers. Die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers könne als ihren angemessenen Unterhalt durch die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit selbst decken, sodaß die Zahlungen des Beschwerdeführers keinen gesetzlichen Unterhalt im Sinne des § 34 EStG 1972 darstellten.

Wenn der Beschwerdeführer zusätzlich ausführe, daß ihn die strittigen Aufwendungen zwangsläufig erwachsen seien, weil er sich ihnen nicht entziehen könne, sei ihm zu entgegnen, daß der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dann nicht von zwangsläufig erwachsenen Aufwendungen spreche, wenn der Abgabepflichtige durch sein Verhalten die Verpflichtung zu bestimmten Ausgaben herbeigeführt habe. In den Jahren vor dem Inkrafttreten der Einkommensteuergesetznovelle 1974 seien auch die Unterhaltsleistungen von schuldig geschiedenen Männern nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden, es sei denn, sie seien wieder verheiratet gewesen. Mit der Einkommensteuergesetznovelle 1974 habe der Gesetzgeber nunmehr auf das Merkmal der Wiederverehelichung verzichtet und normiert, daß Leistungen des gesetzlichen Unterhaltes als zwangsläufig erwachsen gelten, auch wenn der Steuerpflichtige durch sein Verhalten die Scheidung herbeigeführt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1972 in der Fassung der EStG-Novelle 1974 werden außergewöhnliche Belastungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, auf Antrag insoweit vor Berechnung der Steuer vom Einkommen abgezogen, als sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Leistungen des gesetzlichen Unterhaltes an geschiedene Ehegatten gelten als zwangsläufig erwachsen.

Gemäß § 66 Abs. 1 Ehegesetz hat der allein oder überwiegend schuldige Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihr den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen.

Der Prozentsatz des Nettoeinkommens des schuldig geschiedenen Ehegatten, der von den Gerichten üblicher Weise als Alimentationsleistung festgesetzt wird, stellt jenen Betrag dar, dessen Leistung dem Unterhaltspflichtigen gemäß § 67 Ehegesetz zumutbar ist. Dieser Betrag kann sich mit dem angemessenen Unterhalt decken, muß es aber nicht. Denn einerseits ist, wie sich aus § 66 Abs. 1 Ehegesetz ergibt, der schuldig geschiedene Ehemann nur verpflichtet, den auf den angemessenen Unterhalt fehlenden Betrag zu leisten, anderseits braucht der geschiedene Ehemann gemäß § 67 Abs. 1 EheG, wenn durch Gewährung des Unterhaltes bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen, der eigene angemessene Unterhalt gefährdet wäre, nur so viel zu leisten, als es mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht. Der Ansicht der belangten Behörde, daß der von den Gerichten üblicherweise der schuldlos geschiedenen Ehegattin zuerkannte Betrag als angemessener Unterhalt anzusehen sei, kann daher nicht beigepflichtet werden.

Grundsätzlich müssen als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachte Aufwendungen zwangsläufig erwachsen sein, um steuerlich berücksichtigt werden zu können. Lediglich bei der Leistung des gesetzlichen Unterhaltes an geschiedene Ehegatten wird die Zwangsläufigkeit von Gesetzes wegen unterstellt. Die Abgabenbehörde hat daher nur zu prüfen, ob die gezahlten Beträge als gesetzlicher Unterhalt anzusehen sind. Ist dies der Fall, kommt die gesetzliche Fiktion der Zwangsläufigkeit auch beim schuldig geschiedenen Ehegatten zum Zug. Über die gesetzliche Verpflichtung hinaus erbrachte Leistungen werden von dieser Fiktion nicht erfaßt und können daher beim schuldig geschiedenen Ehemann mangels Zwangsläufigkeit auf keinen Fall als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall hatte daher die belangte Behörde, da der Beschwerdeführer aus seinem Verschulden geschieden wurde, nur zu prüfen, ob die von ihm auf Grund des gerichtlichen Vergleiches erbrachten Leistungen als gesetzlicher Unterhalt anzusehen sind. Die belangte Behörde hat dies verneint, weil sie ein Drittel des monatlichen Nettoeinkommens des Beschwerdeführers als angemessenen Unterhalt für die geschiedene Gattin angesehen hat und diese selbst über ein monatliches Nettoeinkommen verfügt, das höher ist als der von der belangten Behörde als angemessener Unterhalt angesehene Betrag. Wenngleich, wie oben ausgeführt, der üblicherweise als Unterhaltsleistung zugesprochene Prozentsatz des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen nicht in allen Fällen als angemessener Unterhalt angesehen werden kann, ist aus den Verwaltungsakten kein Umstand ersichtlich, der dafür sprechen würde, daß als angemessener Unterhalt im Beschwerdefall ein höherer Betrag anzunehmen gewesen wäre.

Die belangte Behörde hat außerdem darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht von zwangsläufig erwachsenen Aufwendungen gesprochen werden könne, wenn der Abgabepflichtige durch sein Verhalten die Verpflichtung zu bestimmten Ausgaben herbeigeführt habe. Die Beschwerde schließt aus dieser Formulierung, daß ein solches Verhalten rechtswidrig gewesen sein müsse. Im Vergleichsabschluß, durch den die geschiedene Gattin eine Versorgung erhalten solle, könne aber keine Rechtswidrigkeit gelegen sein, ebensowenig in der Tatsache der "schuldigen Scheidung", weil der Gesetzgeber auf dieses Merkmal nicht mehr abstelle. Dadurch werde von Gesetzes wegen festgestellt, daß auch ein schuldig geschiedener Ehegatte nicht rechtswidrig gehandelt habe.

Hier irrt der Beschwerdeführer. Durch die Neuformulierung des zweiten Satzes des § 34 Abs. 3 EStG 1972 hat der Gesetzgeber nicht zum Ausdruck gebracht, daß ein schuldig geschiedener Ehegatte nicht rechtswidrig gehandelt hat, sondern lediglich, daß die Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen durch die gesetzliche Unterhaltspflicht erwachsen, als außergewöhnliche Belastung bei der Bemessung der Einkommensteuer zu berücksichtigen sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Rechtsprechung zur außergewöhnlichen Belastung im übrigen nicht davon ausgegangen, daß die Zwangsläufigkeit nur durch rechtswidrige Handlungen ausgeschlossen werde. Die erstmals für das Kalenderjahr 1975 anzuwendende Fassung des § 34 Abs. 3 zweiter Satz EStG 1972 fingiert aber - wie oben ausgeführt - die Zwangsläufigkeit lediglich für Leistungen des gesetzlichen Unterhaltes.

Leistungen, die über das gesetzliche Ausmaß hinausgehen zu denen sich der Beschwerdeführer, sei es auch in einem gerichtlichen Vergleich, freiwillig verpflichtet, werden von dieser Fiktion nicht erfaßt.

Da somit die behaupteten Rechtewidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 und auf der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
EStG 1972 §34 idF 1974/469;
Sammlungsnummer
VwSlg 4947 F/1976
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1976:1975002007.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-57739