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VwGH 28.11.1978, 2005/76

VwGH 28.11.1978, 2005/76

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1972 §67 Abs3
RS 1
Es kann nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber in dieser Gesetzesstelle eine auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigung abgeschlossene Betriebsvereinbarung dem Kollektivvertrag gleichstellen wollte.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde der S G m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Gerhard Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, Brockmanngasse 63, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 62/3-3/76, betreffend Lohnsteuernachforderung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Anschluß an eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Lohnsteuerprüfung vertrat der Prüfer unter anderem im Ergebnis den Standpunkt, es wären Abfertigungen nur in der Höhe, die sich aus den im „§ 67 Abs. 3“ - gemeint ist offenbar § 67 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1972 - erschöpfend aufgezählten Rechtsgrundlagen ergebe, nach dieser Gesetzesbestimmung begünstigt zu versteuern. Der diese Höhe übersteigende Teil einer Abfertigung könne - anders als es die Beschwerdeführerin beim Lohnsteuerabzug getan habe - nicht nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 begünstigt behandelt werden, und zwar auch dann nicht, wenn er wie im Beschwerdefall auf Grund einer Betriebsvereinbarung gewährt worden sei, weil eine Betriebsvereinbarung nicht unter die im § 67 Abs. 3 EStG 1972 genannten Rechtsgrundlagen fiele. Dieser Standpunkt des Prüfers führte zu einer entsprechenden Lohnsteuernachforderung welche das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin mittels Bescheid gemäß § 72 Abs. 1 EStG 1967 bzw. § 82 Abs. 1 EStG 1972 geltend machte.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß unter einer Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 EStG 1972 auch eine einmalige Entschädigung zu verstehen sei, die auf Grund eines Kollektivvertrages vom Arbeitgeber zu leisten sei. Nach § 2 Abs. 2 des Kollektivvertragsgesetzes, BGBl. Nr. 76/1947, würden Vereinbarungen, die zwischen einzelnen Dienstgebern und gesetzlichen Betriebsvertretungen in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung in dem Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist, als Teil des Kollektivvertrages gelten. Art. 2 des Kollektivvertrages, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sparkassen und dem österreichischen Gewerkschaftsbund, ermächtige die dort angeführten Institute, bezüglich Anstellung, Pflichten und Rechte der Angestellten, Auflösung des Dienstverhältnisses, Besoldungs-, Pensions-, Prüfungs- und Disziplinarordnung zu diesem Kollektivvertrag durch Betriebsvereinbarungen Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen. Unter den angeführten Kreditinstituten sei ausdrücklich die Beschwerdeführerin genannt. Auf Grund dieses Art. 2 des Kollektivvertrages sei die Betriebsvereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin einerseits und der Betriebsvertretung der Angestellten dieser Bank andererseits mit Zustimmung des österreichischen Gewerkschaftsbundes abgeschlossen worden. In der Betriebsvereinbarung seien auch die Abfertigungen der Angestellten der Beschwerdeführerin geregelt. Da im Kollektivvertrag diese Regelung der Betriebsvereinbarung vorbehalten sei, gelte die Betriebsvereinbarung nach § 2 Abs. 2 des Kollektivvertragsgesetzes als Teil des Kollektivvertrages. Damit seien die Voraussetzungen des § 67 Abs. 3 EStG 1972 für die dort geregelte lohnsteuerliche Behandlung der Abfertigungen gegeben.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Für das Dienstverhältnis der Angestellten der Beschwerdeführerin gelte der Kollektivvertrag vom . § 71 dieses Kollektivvertrages regle den Anspruch auf Abfertigung bei Auflösung des Dienstverhältnisses. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin mit einer Betriebsvereinbarung die Ansprüche auf diese Abfertigung wesentlich erweitert. Einem Angestellten seien aus Anlaß der Beendigung des Dienstverhältnisses in Anwendung der Betriebsvereinbarung nach einer Dienstzeit von 14 Jahren 12/12 seines Jahresbezuges als Abfertigung ausgezahlt und nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 versteuert worden. Nach dem Kollektivvertrag betrage die Abfertigung ab dem vollendeten zehnten Dienstjahr nur 4/12 des Jahresbezuges. Nur die 4/12 des Jahresbezuges seien nach § 67 Abs. 3 EStG 1972 zu versteuern. Zähle doch diese Bestimmung zwar unter den lohngestaltenden Vorschriften auch den Kollektivvertrag, nicht aber die Betriebsvereinbarung auf. Vergleiche man § 67 Abs. 3 mit der Begünstigungsvorschrift des § 68 Abs. 2 und 3 EStG 1972, so ergebe sich, daß dort die Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen seien, ausdrücklich neben dem Kollektivvertrag genannt wären. Die engere Vorschrift des § 67 Abs. 3 EStG 1972 begünstige daher unbeschadet des § 2 Abs. 2 Kollektivvertragsgesetz nur Abfertigungen, soweit diese in den Kollektivverträgen unmittelbar geregelt seien.

Die gegen diese Rechtsauffassung gerichtete und ausschließlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde macht sich weitgehend die Argumentation der Berufung zu eigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auf das Einkommensteuergesetz 1972. In Anbetracht des dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltes - Abfertigungszahlung im Jahre 1970 - wäre jedoch nicht dieses, sondern, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift nunmehr richtig erkennt, das Einkommensteuergesetz 1967 anzuwenden gewesen. Zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führte das - in der Beschwerde auch gar nicht gerügte - Versehen der belangten Behörde deshalb nicht, weil die aus der Sicht der Beschwerdeausführungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Rechtsgrundlagen in beiden Gesetzen im wesentlichen übereinstimmen und der Spruch des angefochtenen Bescheides auch dem Einkommensteuergesetz 1967 gerecht wird.

Der Begünstigung für Abfertigungen gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1972 entspricht die des § 67 Abs. 4 EStG 1967. Nach beiden Bestimmungen ist unter Abfertigung die einmalige Entschädigung zu verstehen, die einem Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund bestimmter rechtlicher Grundlagen, die im folgenden zusammenfassend als „lohngestaltende Vorschriften“ bezeichnet werden, vom Arbeitgeber zu leisten ist. In beiden Fällen findet sich in der erschöpfenden Aufzählung der lohngestaltenden Vorschriften zwar der Kollektivvertrag, nicht aber die Betriebsvereinbarung, obwohl beiden Gesetzen auch der Begriff der Betriebsvereinbarung durchaus geläufig ist. Beide Gesetze knüpfen nämlich andere lohnsteuerliche Begünstigungen - etwa für Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen so wie für Mehrleistungs-(Überstunden-)zuschläge - an das Vorliegen lohngestaltender Vorschriften, die ausdrücklich zwischen Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind (werden), unterscheiden und denen zufolge nicht nur der Kollektivvertrag, sondern auch eine derartige Betriebsvereinbarung Grundlage für diese anderen lohnsteuerlichen Begünstigungen sein kann (so § 3 Abs. 1 Z. 16 ff in Verbindung mit § 3 Abs. 2 EStG 1967, § 68 Abs. 2 und 3 EStG 1972). In Anbetracht dieser ausdrücklichen gesetzlichen Differenzierung zwischen Kollektivvertrag und der auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigung abgeschlossenen Betriebsvereinbarung bei anderen lohnsteuerlichen Begünstigungen kann aber nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber in § 67 Abs. 4 EStG 1967 (§ 67 Abs. 3 EStG 1972) ebenfalls eine auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigung abgeschlossene Betriebsvereinbarung, um die es sich bei der im Beschwerdefall in Rede stehenden Betriebsvereinbarung nach der Aktenlage und auch nach den Beschwerdeausführungen handelt, dem Kollektivvertrag gleichstellen wollte, weil er hier nur vom Kollektivvertrag spricht. Es ist vielmehr bei dieser Gesetzeslage aus dem Blickwinkel der hier zu entscheidenden Rechtsfrage davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die besonderen Begünstigungen für Abfertigungen gemäß § 67 Abs. 4 EStG 1967 bei‚ § 67 Abs. 3 EStG 1972 lediglich nach dem größeren Kreis von Arbeitnehmern, die von Kollektivverträgen umfaßt sind, ausrichten und insbesondere nicht darauf abstellen wollte, ob (wie im Beschwerdefall) ein konkreter Betrieb seinen Arbeitnehmern nach seiner besonderen Finanzkraft höhere Abfertigungen zahlen kann, als sie im Kollektivvertrag zwischen den Kollektivvertragspartnern vereinbart worden sind.

In der Erwähnung der Betriebsvereinbarung im § 68 EStG 1972 (bzw. in den oben angeführten vergleichbaren Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1967) neben dem Kollektivvertrag - siehe z.B. § 68 Abs. 2 lit. b - kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch keine bloße Abgrenzung gegenüber den dort (in lit. c) ebenfalls genannten Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 3 des Kollektivvertragsgesetzes) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden, erblickt werden; denn für diese Abgrenzung von den Kollektivverträge ersetzenden Betriebsvereinbarungen der lit. c hätte es genügt, wenn der Gesetzgeber in der lit. b der eben zitierten Gesetzesstelle allein von Kollektivverträgen gesprochen hätte, insbesondere, wenn man gleich der Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten wollte, die auf Grund kollektivvertraglicher Ermächtigung abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen wären für alle hier in Betracht kommenden lohnsteuerlichen Begünstigungen ohnehin nur als Bestandteile eines Kollektivvertrages anzusehen.

Abfertigungen, die auf Grund von Betriebsvereinbarungen gezahlt werden, bilden ebenso wie freiwillige Abfertigungen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 7 EStG 1967 bzw. des § 67 Abs. 6 EStG 1972, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen, sodaß es durch den Rechtsstandpunkt der belangten Behörde nicht zu der von der Beschwerdeführerin für unhaltbar erachteten unterschiedlichen steuerlichen Behandlung gegenüber freiwilligen Abfertigungen kommt.

Die allein in Zweifel gezogene Rechtsauffassung der belangten Behörde, § 67 Abs. 4 EStG 1967 bzw. § 67 Abs. 3 EStG 1972 begünstige nur Abfertigungsbeträge im Ausmaß des Kollektivvertrages und nicht im Ausmaß der darüber hinausgehenden Betriebsvereinbarung, läßt sohin keinen Rechtsirrtum erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 sowie auf Art. I Z. 4 und 5 und auf Art. III Abs. 2 der Verordnung. des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
EStG 1972 §67 Abs3
Sammlungsnummer
VwSlg 5325 F/1978
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1976002005.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-57675