VwGH 18.12.2003, 2003/12/0135
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Eine gemäß § 8 Abs 1 RAO zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht erfasst auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZustG (Hinweis B , 94/14/0104). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 99/03/0325 E RS 2 |
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RS 2 | Die belangte Behörde hätte ihre Erledigung vom gemäß § 9 ZustellG zu Handen des Beschwerdevertreters zuzustellen gehabt. Da § 7 ZustellG auf die Heilung einer Verletzung des § 9 Abs. 1 erster Satz ZustellG nicht anwendbar ist, bewirkte die Zustellung einer Ausfertigung dieser Erledigung an den Beschwerdeführer persönlich durch Hinterlegung am keine Erlassung des Berufungsbescheides. Ebenso wenig erfolgte durch die postamtliche Behebung dieser Sendung durch den Beschwerdeführer persönlich eine solche Bescheiderlassung. Wird nämlich gegen die Bestimmung des § 9 Abs. 1 erster Satz ZustellG verstoßen, so gilt die Zustellung erst dann als bewirkt, wenn die Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 9 Abs. 1 ZustellG vorliegen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, in der Beschwerdesache des M in H, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Ruhegenusszulage, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 675,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer über seinen Antrag eine Ruhegenusszulage gemäß § 52a der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, in der Höhe von monatlich EUR 102,80 zuerkannt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am (Datum der Postaufgabe) Berufung.
Mit seiner am zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung dieser Berufung geltend.
Mit Verfügung vom trug der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, den versäumten Bescheid binnen drei Monaten zu erlassen und eine Abschrift desselben vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
Mit Note vom teilte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz mit, über die Berufung sei mit einem Bescheid der belangten Behörde vom entschieden worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am durch Hinterlegung zugestellt worden. Der entsprechende, an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Rückschein wurde mit dieser Note vorgelegt.
Über Vorhalt dieser Eingabe brachte der Beschwerdeführer am vor, er habe sich bereits in der Berufung auf das Vorliegen einer Vollmacht gemäß § 8 RAO berufen. Diese Vollmacht umfasse auch eine Zustellvollmacht im Sinne des § 9 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (im Folgenden: ZustellG). Die Zustellung der Erledigung der belangten Behörde vom an den Beschwerdeführer persönlich habe keine Erlassung des Berufungsbescheides bewirkt.
Mit Eingabe vom gab das Präsidialamt der Landeshauptstadt Graz bekannt, dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Berufungserhebung durch den Beschwerdevertreter anwaltlich vertreten gewesen sei. Die an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Erledigung der belangten Behörde vom sei von ihm am persönlich am Postamt behoben worden. Es bleibe der Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten, ob der Zustellmangel durch tatsächliches Zukommen der Erledigung "gemäß § 7 ZustellG" geheilt worden sei.
Mittlerweile sei die Erledigung der belangten Behörde vom am dem Beschwerdevertreter zugestellt worden. Der diese Zustellung beurkundende Rückschein wurde gleichfalls vorgelegt.
Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes äußerte sich der Beschwerdeführer zu dieser Eingabe dahingehend, es treffe zu, dass er am die in Rede stehende Erledigung der belangten Behörde beim Postamt behoben habe. Die solcherart erlangte Ausfertigung habe er jedoch dem Beschwerdevertreter nicht körperlich übergeben. Eine Zustellung der Erledigung an den Beschwerdevertreter sei erstmals am erfolgt.
Zu dieser Stellungnahme äußerte sich die belangte Behörde nicht.
I. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:
§ 9 Abs. 1 ZustellG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 158/1998 lautet:
"§ 9. (1) Ist ein Zustellungsbevollmächtiger bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."
Unstrittig ist, dass sich der Beschwerdevertreter schon im Berufungsverfahren auf eine Bevollmächtigung gemäß § 8 Abs. 1 RAO berufen hat. Eine solche zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht beinhaltet auch eine Zustellvollmacht im Sinne des § 9 ZustellG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/03/0325).
Die belangte Behörde hätte ihre Erledigung vom daher zu Handen des Beschwerdevertreters zuzustellen gehabt. Daraus folgt, dass die Zustellung einer Ausfertigung dieser Erledigung an den Beschwerdeführer persönlich durch Hinterlegung am keine Erlassung des Berufungsbescheides bewirkte. Ebenso wenig erfolgte durch die postamtliche Behebung dieser Sendung durch den Beschwerdeführer persönlich eine solche Bescheiderlassung. § 7 ZustellG ist auf die Heilung einer Verletzung des § 9 Abs. 1 erster Satz ZustellG nämlich nicht anwendbar; wird - wie hier - gegen die zweitgenannte Gesetzesbestimmung verstoßen, so gilt die Zustellung erst dann als bewirkt, wenn die Voraussetzungen des zweiten Satzes des § 9 Abs. 1 ZustellG vorliegen.
Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens bestehen aber keine Hinweise darauf, dass die vom Beschwerdeführer persönlich postamtlich behobene Ausfertigung der Erledigung vom dem Beschwerdevertreter tatsächlich zugekommen wäre.
Daraus folgt, dass die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde den Berufungsbescheid noch nicht erlassen hatte und folglich mit der Erledigung der am erhobenen Berufung länger als sechs Monate säumig war. Die Säumnisbeschwerde erweist sich daher als zulässig.
II. Zur Einstellung des Verfahrens:
Die belangte Behörde hat den versäumten Berufungsbescheid durch Zustellung der Erledigung vom , Zl. Präs. K- 247/2002-1, an den Beschwerdevertreter am erlassen. Auch wurde eine Abschrift derselben dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Das Verfahren über die Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 36 Abs. 2 VwGG einzustellen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Nach dieser Verordnung steht für Äußerungen und Stellungnahmen neben dem Schriftsatzaufwand gemäß § 1 Z. 1 lit. a dieser Verordnung kein weiterer Aufwandersatz zu.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2003:2003120135.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-57349