VwGH 28.04.1967, 1818/66
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Ein unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossener Kaufvertrag ist in der Regel ein sogenanntes "schwebendes Geschäft", bei dem sich die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten wechselseitig ausgleichen, so daß sie buchmäßig und bilanzmäßig nicht zu erfassen sind (Hinweis E , 2255/61; VwSlg 2845 F/1963). * E , 1818/66 #1 VwSlg 3607 F/1967; |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde der Firma X in W, vertreten durch Dr. Franz Petracek, Rechtsanwalt in Wien I, Mölkerbastei 12, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom Zl. VI-2297/1/66, betreffend Gewinnfeststellung und Gewerbesteuer 1964 zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.109,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter die Eheleute Dipl.-Ing. Josef und Therese Sch. sind. Im Jahre 1953 brachte die Gesellschafterin Therese Sch. ein in ihrem grundbücherlichen Eigentum stehendes Grundstück in die Firma ein. Auf diesem Grundstück befand sich bis kurz vor Kriegsende ein Wohngebäude als Vordertrakt und ein Betriebsgebäude, in welchem die von der Beschwerdeführerin betriebene chemische Putzerei untergebracht ist, als Hintertrakt. Im Februar 1945 wurde der Vordertrakt durch einen Fliegerangriff völlig zerstört; als im Jahre 1953 das Grundstück in die Firma eingebracht wurde, befand sich auf ihm bloß das rückwärtige Betriebsgebäude, während der vordere Teil ein ungenützter Baugrund war. In den Bilanzen ab 1953 wurde das Grundstück stets unter der Bezeichnung "Betriebsgrundstück" unter dem Betriebsvermögen angeführt; in den Jahresabschlüssen für 1956 und 1963 wurden Erlöse aus dem Verkauf von Teilen dieses Grundstückes als Betriebseinnahmen behandelt.
Im Jahre 1964 faßte die Gesellschafterin Therese Sch. den Entschluß, an Stelle des im Jahre 1945 zerstörten Vordertraktes ein neues Wohnhaus mit Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds zu errichten. Nach ihrem Plane sollte die Liegenschaft in Wohnungseigentumsanteile zerlegt werden, wobei sie sich einen Anteil vorbehielt, um in dem neuen Haus selbst über eine Eigentumswohnung zu verfügen. Zwecks Durchführung dieses Planes schloß Therese Sch. im Herbst 1964 mit verschiedenen Interessenten für Eigentumswohnungen Kaufverträge ab, die unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen wurden, daß die nach dem Gesetz erforderliche Genehmigung durch den Wohnhauswiederaufbaufonds erteilt und das angesuchte Wohnhauswiederaufbaudarlehen gewährt werde. Die Zustimmung des Wohnhauswiederaufbaufonds zu den abgeschlossenen Kaufverträgen wurde am erteilt, die Bewilligung des Wohnhauswiederaufbaudarlehens erfolgte erst am . Bis dahin fungierte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin als Verwahrer der bei ihm treuhändig erlegten Kaufpreise.
Während die Beschwerdeführerin diese Grundstücksverkäufe im Jahresabschluß für 1964 unberücksichtigt ließ, vertrat im Zug einer Betriebsprüfung der Prüfer den Standpunkt, daß es sich hier um eine bereits im Jahre 1964 erfolgte Entnahme aus dem Betriebsvermögen handle, welche zum Teilwert zu versteuern sei; das treffe sowohl für die verkauften Grundstücksanteile wie auch für den von der Gesellschafterin Therese Sch. für sich vorbehaltenen Wohnungseigentumsanteil zu, dessen Teilwert entsprechend den für die anderen Anteile tatsächlich erzielten Preisen zu errechnen sei. Der Umstand, daß die Kaufverträge unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen worden seien, die erst im Jahre 1965 eingetreten sei, stehe der Versteuerung im Jahre 1964 nicht im Wege, weil die Entnahme der betreffenden Grundstücksanteile schon im Jahre 1964 mit Abschluß der Kaufverträge erfolgt sei. Das Finanzamt schloß sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und erließ für das Jahr 1964 einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid wie auch einen Gewerbesteuerbescheid.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Dabei bestritt sie zunächst, daß es sich hier überhaupt um die Veräußerung von Betriebsvermögen gehandelt habe. Wenn auch die Gesellschafterin Therese Sch. im Jahre 1953 das Grundstück in die Firma eingebracht habe, so habe doch nur jener Teil des Grundstückes Betriebsvermögen werden können, der dem Betriebe diene, nicht aber jener Teil, auf dem das zerstörte Wohnhaus gestanden sei, das jetzt mit den Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds wieder aufgebaut werden soll. Auf keinen Fall könne aber eine Veräußerung von Betriebsvermögen bereits im Jahre 1964 erfolgt sein, wenn die betreffenden Kaufverträge unter aufschiebenden Bedingungen geschlossen wurden, die dann erst im Jahre 1965 eingetreten sind. Auch die Entnahme aus dem Betriebsvermögen könne nicht früher stattgefunden haben, da Verkauf und Entnahme zusammengefallen seien; sei aber der Verkauf unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen worden, so könne auch die Entnahme nicht vor Eintritt der Bedingung erfolgt sein. Dies treffe namentlich auch für den Wohnhauseigentumsanteil der Gesellschafterin Therese Sch. zu, welcher überhaupt nicht verkauft worden und demnach vorläufig noch im Betriebsvermögen verblieben sei. In diesem Falle könne von einer Entnahme erst dann gesprochen werden, wenn die Wohnung fertiggestellt sei und von der Gesellschafterin Therese Sch. als ihre Privatwohnung benützt werde. Schließlich sei es auf alle Fälle unrichtig, die Entnahme oder Veräußerung von Anteilen des der Gesellschafterin Therese Sch. allein gehörigen Grundstückes der Gewerbesteuer zu unterwerfen, weil hiedurch kein "Gewerbeertrag" entstanden sei, der lediglich Erträgnisse umfasse, welche das in einem Gewerbebetrieb arbeitende Kapital abwerfe.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Gesellschafter der Beschwerdeführerin als Vollkaufleute auch solche Wirtschaftsgüter, die nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehören, als sogenanntes gewillkürtes Betriebsvermögen in die Firma einbringen konnten, soweit es sich nicht um notwendiges Privatvermögen handelte. Wenn also die eine Gesellschafterin im Jahre 1953 das gesamte Grundstück ins Betriebsvermögen einbrachte, habe ihr dies nicht verwehrt werden können, da der Hintertrakt tatsächlich betrieblich genutzt worden sei und der Vordertrakt wegen totalen Bombenschadens damals privat nicht habe genutzt werden können. Das Grundstück sei auch in den Folgejahren stets als Betriebsvermögen behandelt worden. Wenn es nun im Streitjahr aus dem Betriebsvermögen durch teilweisen Verkauf bzw. durch teilweise Entnahme ausscheide, so seien beim Vollkaufmann die entsprechenden Gewinne aus dem Verkauf bzw. die Entnahme bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Zum Einwand, daß eine eventuelle Besteuerung des Grundstücksverkaufes erst im Folgejahr erfolgen könnte, sei zu sagen, daß die gegenständlichen Kaufverträge bereits im Streitjahr abgeschlossen worden seien. Kaufgegenstand und Kaufpreis seien bestimmt vereinbart worden, die Bezahlung des Kaufpreises sei noch im Streitjahr an den Rechtsanwalt der Verkäuferin erfolgt. Auch wenn der Kaufpreis noch als Forderung der Verkäuferin anzusehen wäre, so wäre diese Forderung im Endbetriebsvermögen 1964 anzusetzen. Schließlich sei auch die in der Berufungsvorentscheidung enthaltene Feststellung, daß der Anteil des Grundstückes Wohnung Nr. 5 für private Wohnzwecke bestimmt worden sei, unwidersprochen geblieben, sodaß dieser Anteil aus dem Betriebsvermögen durch Entnahme ausgeschieden sei.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:
Nach § 5 EStG ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, das Betriebsvermögen für den Schluß des Wirtschaftsjahres anzusetzen, das nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist. Nach diesen Grundsätzen, die zum Teil auf Bestimmungen des Handelsrechtes fußen, zum Teil durch die Rechtsprechung herausgebildet worden sind oder auf allgemeiner kaufmännischer Übung beruhen, ist zu unterscheiden zwischen Gegenständen, die dem Betriebsvermögen oder dem Privatvermögen des Kaufmannes zugerechnet werden müssen (sogenanntes notwendiges Betriebsvermögen oder notwendiges Privatvermögen), und solchen, bei denen es dem Entschluß des Kaufmannes vorbehalten bleibt, ob er einen Gegenstand als Teil des Betriebsvermögens ansieht (sogenanntes gewillkürtes Betriebsvermögen).
Als notwendiges Privatvermögen werden nach Lehre und Rechtsprechung Wirtschaftsgüter angesehen, die ihrem Wesen nach zur Befriedigung eines privaten Bedürfnisses dienen, und fallen darunter alle Wirtschaftsgüter, die überwiegend die private Lebenssphäre berühren. Bei solchen Wirtschaftsgütern ist dem Steuerpflichtigen keine Möglichkeit gegeben, sie durch besondere Widmung zu gewillkürtem Betriebsvermögen zu machen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 3055/F, und vom , Zlen. 2199/2200/64).
Im vorliegenden Fall wurde das gegenständliche Grundstück im Jahre 1953 von der Gesellschafterin Therese Sch. in die Firma eingebracht, in diesem Zeitpunkt befand sich auf dem rückwärtigen Teil der Liegenschaft ein Gebäude, in welchem der Gewerbetrieb der Beschwerdeführerin untergebracht war, während vorne ein ungenützter Baugrund war. Es diente also damals kein Teil des Grundstückes einem Zwecke, der überwiegend die Privatsphäre eines Gesellschafters berührt hätte. Sohin bestand kein Hindernis, das Grundstück zur Gänze als Betriebsvermögen zu behandeln, wie dies auch tatsächlich geschehen ist. Daraus ergibt sich aber, daß die Ansicht der belangten Behörde grundsätzlich richtig ist, daß ein Verkauf von Teilen dieses Grundstückes oder die Widmung derselben für private Zwecke als ein das Betriebsvermögen betreffender Vorgang steuerlich entsprechend zu berücksichtigen ist. Das gilt übrigens auch für die Gewerbesteuer, da die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß der Gewerbeertrag lediglich die Erträgnisse umfasse, "welche das in einem Gewerbebetrieb arbeitende Kapital abwirft", im Gesetz keine Deckung findet. Gemäß § 6 Abs. 1 GewStG. ist Gewerbeertrag vielmehr der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 7 bis 9 GewStG bezeichneten Beträge. Zu dem nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn gehören aber auch die aus der Veräußerung von Teilen des Betriebsvermögens erzielten Gewinne. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhange darauf verweist, daß ja auch der aus der Veräußerung eines Teilbetriebes bzw. eines Gesellschaftsanteiles erzielte Gewinn nicht der Gewerbesteuer unterliege, weshalb nach dem argumentum a maiori ad minus auch die Veräußerung eines Betriebsgegenstandes nicht gewerbesteuerpflichtig sein könne, so ist ihr Schluß deshalb falsch, weil die Veräußerung eines Gesellschaftsanteiles bzw. eines Teilbetriebes allein aus dem Grund nicht der Gewerbesteuer unterliegt, weil es sich hiebei um Gewinne handelt, die bei Aufgabe eines Teilbetriebes bzw. des Gesellschaftsanteiles erzielt werden, nicht aber um Gewinne aus einem "stehenden Gewerbebetrieb" nach 1 Abs. 1 GewStG. Bei Veräußerung von Teilen des Betriebsvermögens liegen jedoch Gewinne aus einem "stehenden Gewerbebetrieb" vor.
Mag aber auch der bei der Veräußerung von Teilen eines zu einem Betriebsvermögen gehörigen Grundstückes erzielte Gewinn grundsätzlich sowohl der Einkommensteuer wie auch der Gewerbesteuer zu unterwerfen sein, so war im vorliegenden Fall noch zusätzlich zu prüfen, in welchem Jahre dieser Gewinn verwirklicht wurde bzw. zu versteuern war. Nun ist zwar unbestritten, daß die betreffenden Kaufverträge noch im Jahre 1964 abgeschlossen wurden, jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Wohnhauswiederaufbaufonds hiezu die Zustimmung erteile und ein Wohnhauswiederaufbaudarlehen bewilligt werde. Diese Bedingungen wurden aber erst am bzw. am erfüllt, sodaß bis dahin noch ein sogenanntes "schwebendes Geschäft" vorlag, das am Schlusse des Jahres 1964 noch von keiner Seite erfüllt worden war, sodaß sich die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten daraus wechselseitig ausglichen und daher buch- und bilanzmäßig nicht zu berücksichtigen waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2845/F).
Es ist nicht richtig, wenn in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid davon die Rede ist, daß "die Bezahlung des Kaufpreises im Streitjahr an den Rechtsanwalt der Verkäuferin erfolgte", weil es sich nach der Aktenlage bloß um einen treuhändigen Erlag handelte, den der betreffende Anwalt als Treuhänder den Erlegern wiederum hätte zurückstellen müssen, wenn die aufschiebenden Bedingungen nicht eingetreten wären. Auch ist es rechtsirrig, im vorliegenden Fall den Verkauf der Grundstücksteile von der Entnahme derselben aus dem Betriebsvermögen zeitlich trennen zu wollen. Denn es handelte sich ja nicht um zwei Akte, sondern um einen einheitlichen Vorgang:
Durch den Verkauf der Grundstücksteile erfolgte eben zugleich deren Entnahme aus dem Betriebsvermögen; war aber der Verkauf aufschiebend bedingt, so erfolgte auch die Entnahme erst im Zeitpunkt des Eintrittes der letzten aufschiebenden Bedingung. Wäre nämlich der geplante Verkauf nicht verwirklicht worden, so hätte sich überhaupt nichts geändert und die Grundstücksteile wären weiterhin im Betriebsvermögen verblieben. Dasselbe gilt aber auch von dem Grundstücksanteil, den sich die Gesellschafterin Therese Sch. vorbehielt, um über ihn im Rahmen des geplanten Wohnhauswiederaufbaues als persönliches Wohnungseigentum zu verfügen; auch die Verwirklichung dieses Planes war vom Eintritt der oben genannten Bedingungen abhängig, sodaß auch diesbezüglich im Jahre 1964 noch nicht von einer Entnahme gesprochen werden kann.
Da die belangte Behörde dies offenbar verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verwaltungsgerichtshofverfahrens gründet sich auf § 48 Abs. 1 VwGG 1965.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3607 F/1967 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1967:1966001818.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-55994