VwGH 31.10.1979, 1817/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Unterschrift ist ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Es ist nicht zu verlangen, daß die Unterschrift lesbar ist. Es muß aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug sein, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt. Es ist als zulässig anzusehen, daß bei einem im Vervielfältigungsverfahren ausgefertigten Bescheid die Unterschrift oder die Beglaubigung gleichfalls vervielfältigt ist, sofern die Ausfertigungen einwandfrei erkennen lassen, daß der betreffende Namenszug im Original auf dem Vervielfältigungsträger (Matrize) angebracht worden ist. Bei dieser Vorgangsweise kann nämlich davon ausgegangen werden, daß die Abzüge der Matrize von derselben nicht abweichen können und solcherart die schutzwürdigen Belange der Partei nicht beeinträchtigt sind. |
Normen | BAO §20 impl; LAO Wr 1962 §18; |
RS 2 | Die Heranziehung zur Haftung (Geltendmachung) ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensübung iSd § 18 LAO Wr (= § 20 BAO) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu walten hat. Es sind daher nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgabenschuld (Haftungsschuld), sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Haftungspflichtigen in Berücksichtigung zu ziehen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen werden können, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann (Lit Reeger-Stoll-Kommentar zur BAO, S 45, Kopecky. Die Haftung im österreichischen Steuerrecht, S 31). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Mag. Kobzina, Dr. Salcher, Dr. Närr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der FA in W, vertreten durch Dr. Harald Ofner und Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwälte in Wien XVI, Schuhmeierplatz 14, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission für Wien vom , Zlen. MDR-A 6/77 und MDR-T 2/77, betreffend Geltendmachung der Haftung für eine Ausgleichsabgabenschuld nach dem Wiener Garagengesetz, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Rainer Blasbichler für Rechtsanwälte Dr. Harald Ofner und Dr. Peter Schmautzer, und des Vertreters der belangten Behörde, Obermagistratsrat Dr. FS, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den vom Magistrat der Stadt Wien erlassenen Haftungsbescheid vom abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach der Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin der Liegenschaft EZ. 970 der KG X mit Bescheid vom in Anwendung des § 171 der Wiener Abgabenordnung (WAO), LGBl. für Wien Nr. 21/1962, gemäß dem § 41 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1957, und § 5 Abs. 2 WAO für die im Betrage von insgesamt S 51.200,-- (Ausgleichsabgabe S 50.000,--, Säumniszuschlag S 1.000,-- und Mahngebühr S 200,--) aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Bauwerberin, Ann T. - B., haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
Dagegen hatte die Beschwerdeführerin mit der Begründung Berufung erhoben, ein Bauvorhaben auf der genannten Liegenschaft sei seitens des Magistrates der Stadt Wien nie bewilligt worden. Die Abgabenbehörde erste Rechtsstufe stütze sich auf den Baubescheid vom , ihr sei jedoch ein Schriftstück zugestellt worden, welches keinesfalls als Bescheid anzusehen sei, da eine Unterschrift fehle. Es handle sich hiebei um eine hektographierte Schrift, bei welcher die Beglaubigungsklausel und die Unterschrift ebenfalls hektographiert seien, sodaß diese Urkunde nur eine Abschrift darstellen könne und solcherart die Zustellung keine Wirksamkeit habe. Zudem sei ihr auch ein Abgabenbescheid betreffend die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe nie zugestellt worden, so daß die Erlassung des Haftungsbescheides nicht zulässig sei. Aus der Vorschrift des § 41 des Wiener Garagengesetzes ergebe sich eindeutig, daß in erster Linie der Bauwerber für die Ausgleichsabgabe haftungspflichtig sei. Die Abgabenbehörde hätte daher vorerst exekutive Schritte gegen die abgabenpflichtige Bauwerberin unternehmen müssen, bevor sie gegen die Beschwerdeführerin einen Haftungsbescheid erläßt.
Dieser Berufung gab die Abgabenberufungskommission mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gemäß § 224 Abs. 2 WAO keine Folge. Begründend wurde ausgeführt, primär sei die Frage zu lösen, ob die Erledigung der MagAbt. 36 als Baubehörde vom im Hinblick auf die Art der Unterfertigung als Bescheid anzusehen sei, zumal das Fehlen der Unterschrift oder der Beglaubigung nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als wesentlich bei dieser Beurteilung angesehen werde. Die Berufungsbehörde sei zunächst der Ansicht, daß es als zulässig anzusehen sei, wenn - wie im vorliegenden Fall geschehen - bei einem im Vervielfältigungsverfahren ausgefertigten Bescheid die Beglaubigung gleichfalls vielfältig werde, da der betreffende Namenszug im Original auf dem Vervielfältigungsträger (Matrize) angebracht worden sei (vgl. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, Seite 311). Daß aber der den Beglaubigungsvermerk unterfertigende Stellvertreter des Kanzleileiters nicht im Sinne des § 3 Abs. 9 der Beglaubigungsverordnung durch eine besondere schriftliche Verfügung des Vorgesetzten ausdrücklich betraut gewesen sei, könne nicht als wesentlich angesehen werden. § 3 spreche in allen drei Absätzen von einer "Ermächtigung". Das bedeute, daß es sich hiebei lediglich um eine Rechtsfigur im Innenverhältnis der Behörde handle und das Fehlen dieser "Ermächtigung" auf die Rechtswirksamkeit des Bescheides keinen Einfluß haben könne, sofern der Unterfertiger an sich nach seiner Verwendung für eine solche Unterfertigung in Frage komme. Diese Rechtsansicht werde insbesondere durch den § 3 Abs. 2 der Beglaubigungsverordnung gestützt, wonach bei einer Beschränkung der Ermächtigung auf bestimmte Fälle die Rechtswirksamkeit der beglaubigten Ausfertigungen dann nicht berührt werde, wenn die Unterfertigung nicht im Rahmen der Einschränkung erfolge. Zusammenfassend sei daher festzustellen, daß die Erledigung der Baubehörde vom als ein rechtswirksam erlassener Bescheid im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 anzusehen und daher auch einer Vorschreibung der Ausgleichsabgabe gemäß dem Wiener Garagengesetz zugrundezulegen sei. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin besage § 41 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes keineswegs, daß gegen die abgabepflichtige Bauwerberin vorerst exekutive Schritte hätten unternommen werden müssen, bevor ein Haftungsbescheid gegen die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin hätte erlassen werden dürfen. Da auch eine andere gesetzliche Bestimmung solche Schritte vor Erlassung des Haftungsbescheides nicht gebiete, komme diesem Berufungsvorbringen Berechtigung nicht zu.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat nach Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, nach dem § 41 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes zur Haftung nicht herangezogen zu werden. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit "infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren vor, ihr sei als "Baubescheid" ein Schriftstück zugestellt worden, das aber nicht als Bescheid anzusehen sei, da eine Unterschrift auf diesem fehle. Es handle sich hiebei um eine hektographierte Schrift, bei welcher die Beglaubigungsklausel und die Unterschrift ebenfalls hektographiert seien, sodaß diese Urkunde nur eine Abschrift darstellen könne.
Dieses Vorbringen erweist sich als unbegründet. Gemäß § 36 Abs. 1 und 2 des Wiener Garagengesetzes (WGG), Gesetz vom , LGBl. für Wien Nr. 22/1957, in der Fassung LGBl. Nr. 40/1969 und 7/1975, sind unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen bei Neu- und Zubauten sowie bei Widmungsänderungen auf dem Bauplatz Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen in Ansehung des künftigen Bedarfes für die Benützer und Besucher dieser Bauten zu schaffen. Wird eine Baubewilligung erteilt, ohne daß diese Verpflichtung überhaupt oder voll erfüllt werden kann, so ist dies im Bescheid festzustellen und auszusprechen, um wieviel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt (§ 40 Abs. 1 leg. cit.). In diesem Fall ist gemäß §§ 41 ff des angeführten Gesetzes an die Stadt Wien eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, die mit gesondertem Bescheid bemessen wird (§ 43 leg. cit.).
Als rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Vorschreibung und Einhebung der Ausgleichsabgabe gilt in Ansehung der oben wiedergegebenen Rechtslage der Ausspruch in der Baubewilligung, um wieviel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt. Darüber, ob die belangte Behörde die sich auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 WGG stellende Rechtsfrage des Vorliegens dieser tatbestandsbezogenen, im anhängigen Verfahren relevanten Voraussetzung, dem Gesetz gemäß beantwortete, geht zunächst der vorliegende Rechtsstreit.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950, dessen Vorschriften nach der Anordnung des § 58 Abs. 3 leg. cit. auch für Bescheide gelten, müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Der nähere Vorgang der Beglaubigung schriftlicher Ausfertigungen durch die Kanzlei ist in der - auf Grund des § 18 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen - Verordnung der Bundesregierung vom , BGBl. Nr. 445, über die Beglaubigung der schriftlichen Ausfertigungen der Verwaltungsbehörden durch die Kanzlei (Beglaubigungsverordnung), geregelt. Im Grunde des § 2 Abs. 1 der zitierten Verordnung kommt die Beglaubigung durch die Kanzlei nur bei solchen schriftlichen Ausfertigungen in Betracht, denen ein Geschäftsstück der Behörde zugrunde liegt, das die betreffende, von dem hiezu berufenen Amtsorgan eigenhändig gefertigte Erledigung enthält. Sie ist in der Weise vorzunehmen, daß am Schlusse der schriftlichen Ausfertigung der Name desjenigen, der die Erledigung genehmigt hat, wiedergegeben und sodann die Klausel "Für die Richtigkeit der Ausfertigung" beigesetzt und vom (ermächtigten) Angestellten mit seinem Namen eigenhändig unterschrieben wird (§ 4 leg. cit.).
Wie aus den Verwaltungsakten der belangten Behörde hervorgeht, enthält der Entwurf (Konzept) der Baubewilligung des Magistrates der Stadt Wien vom die eigenhändige Unterschrift des Organwalters, der die Erledigung genehmigte. Die Beglaubigung in der im Vervielfältigungsverfahren (sog. Ormigverfahren) hergestellten Ausfertigung wurde in der Weise vorgenommen, daß am Schluß neben der maschinengeschriebenen Namenswiedergabe des Approbierenden unter der Beglaubigungsklausel die eigenhändige Unterschrift des stellvertretenden Kanzleileiters bildlich wiedergegeben ist.
Der Sinn der Namenswiedergabe des die Erledigung genehmigenden Organwalters und die eigenhändige Unterschrift des Beglaubigenden ist, den Erlaß des Bescheides mit Wissen und Willen des hiefür nach der internen Organisation der Behörde zuständigen "zeichnungsberechtigten" und damit für die Handlung verantwortlichen Organwalters nachzuweisen, dem Bescheidadressaten Gewißheit über den Verantwortlichen innerhalb der Behörde zu ermöglichen und beim Empfänger sicherzustellen, daß nicht nur ein Entwurf (Konzept) vorliegt. Die Unterschrift ist ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Es ist nicht zu verlangen, daß die Unterschrift lesbar ist. Es muß aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug sein, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt. Ermangelt ein behördliches Schriftstück der Unterschrift oder der Beglaubigung, so kann ihm wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluß vom , Slg. Nr. 2454/A, in anderem Zusammenhang dargetan hat - eine rechtliche Verbindlichkeit nicht zukommen (vgl. auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 8/21, und vom , Slg. Nr. 6069/69). Einem derartigen Schriftstück mangelt der Charakter einer behördlichen Erledigung und damit die Rechtsnatur eines Bescheides.
Die belangte Behörde hat nun ihre Entscheidung auf Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, erster Halbband, 8. Auflage, Seite 311, gestützt, wonach es als zulässig anzusehen sei, wenn - wie im Beschwerdefall - bei einem im Vervielfältigungsverfahren ausgefertigten Bescheid die Unterschrift oder die Beglaubigung gleichfalls vervielfältigt ist, sofern die Ausfertigungen einwandfrei erkennen lassen, daß der betreffende Namenszug im Original auf dem Vervielfältigungsträger (Matrize) angebracht worden ist.
Dieser Meinung ist nach Ansicht des Gerichtshofes zuzustimmen. Wie oben dargestellt, trägt das der Beschwerdeführerin zugestellte Schriftstück des Magistrates der Stadt Wien vom die (auf dem Vervielfältigungsträger) angebrachte eigenhändige Unterschrift des die Beglaubigung durchführenden stellvertretenden Kanzleileiters. Mit Recht verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf, daß durch eine Originalunterschrift auf der Matrize die Übereinstimmung zwischen den vervielfältigten Ausfertigungen und dem Original beglaubigt wird, zumal davon auszugehen ist, daß die Abzüge der Matrize von derselben nicht abweichen können und solcherart die schutzwürdigen Belange der Partei nicht beeinträchtigt sind.
In Hinsicht darauf konnte der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die in Streit gezogene Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom als Bescheid qualifizierte, mit welchem neben der Bewilligung der baulichen Abänderungen die Feststellung getroffen wurde, daß das Bauvorhaben nur einen Kraftfahrzeug-Stellplatz hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt.
Im weiteren Verfolg ihrer Verfahrensrüge wendet die Beschwerdeführerin ein, die schriftliche Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom sei deshalb nichtig, also rechtlich nicht existent, weil - wie sich im Verfahren herausgestellt habe - der stellvertretende Kanzleileiter zur Beglaubigung nicht durch eine besondere schriftliche Verfügung des Amtsvorstandes betraut worden war.
Auch diesem Einwand kommt Berechtigung nicht zu.
Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hat der stellvertretende Kanzleileiter die Beglaubigung durchgeführt. Damit hat aber ein Organwalter der Behörde, welcher der Bescheid zuzurechnen ist, die Beglaubigung vorgenommen, sodaß schon aus diesem Grunde die Berufung auf einen Nichtigkeitsgrund - ungeachtet des Umstandes, daß es nach den in Österreich geltenden Verwaltungsverfahrensvorschriften eine absolute Nichtigkeit nicht gibt - nicht zielführend sein kann. Denn anders als das Fehlen der Unterschrift, ist der Umstand, daß die Unterschrift von einem dazu nicht ermächtigten Kanzleiangestellten geleistet wurde, für Außenstehende nicht ohne weiteres erkennbar; der allfälligen Verletzung interner Organisationsregelungen kann daher im Verhalten zur Partei, die durch den Bescheid in ihren Rechten betroffen wird, keine Außenwirkung zukommen.
Unter Berufung auf das Vorliegen einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit führt die Beschwerdeführerin im Einklang mit ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren aus, ihr hätte zugleich mit dem Haftungsbescheid auch der Bescheid über die Höhe der Ausgleichsabgabe zugestellt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei die Erlassung des Haftungsbescheides nicht zulässig gewesen. Durch dieses Vorgehen sei ihr jede Möglichkeit genommen worden, gegen die Höhe der Ausgleichsabgabe Einwendungen zu erheben.
Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Nach der Anordnung des § 51 Abs. 1 WAO ist Abgabepflichtiger im Sinn dieses Gesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt. § 41 Abs. 2 WGG bestimmt, daß der Bauwerber abgabepflichtig ist. Ist er nicht der Grundeigentümer, so haftet dieser für die Abgabeschuld zur ungeteilten Hand. Die persönliche Haftung wird gemäß § 171 WAO durch Erlassung eines Haftungsbescheides geltend gemacht. In diesem ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten. § 193 WAO bestimmt, daß der Haftungspflichtige außer der allfälligen Einbringung einer Berufung gegen den Haftungsbescheid (§ 171) auch gegen den Abgabenanspruch (Abgabenbescheid, § 146) Berufung erheben kann. Als Frist dafür steht ihm hiebei die in bezug auf den Haftungsbescheid gegebene Rechtsmittelfrist zu. Der Haftungspflichtige kann demnach mit Berufung gegen den Abgabenbescheid, welcher an den Abgabepflichtigen erlassen worden ist, alle diejenigen Rechte geltend machen, die dem Abgabepflichtigen zustehen. Er kann in diesem Zusammenhang also materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich alles vorbringen, was auch der Abgabepflichtige in einem abgabenrechtlichen Verfahren hätte vorbringen können oder vielleicht auch vorgebracht hat. Der Haftungspflichtige kann den Abgabenanspruch demnach dem Grunde und der Höhe nach bekämpfen. Aus diesem, zum Schutze des herangezogenen Haftungspflichtigen normierten Berufungsrecht auch gegen den Abgabenanspruch kann aber nicht das Recht auf Zustellung des allein an den Abgabepflichtigen zu erlassenden, das Leistungsgebot enthaltenden Abgabenbescheides abgeleitet werden.
Berechtigung kommt der Beschwerde jedoch insoweit zu, als die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit ihrem Vorbringen im Berufungsschriftsatz in Hinsicht auf den Haftungstatbestand des § 41 Abs. 2 WGG rügt, vor ihrer Heranziehung zur Haftung hätten vorerst (exekutive) Schritte gegen die abgabenpflichtige Bauwerberin gesetzt werden müssen. Nach der Anordnung des § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 WAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 171) zu Gesamtschuldnern. Nach Lehre (vgl. Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Seite 45; Kopecky, Die Haftung im österreichischen Steuerrecht, Seite 31 ff) und Rechtsprechung (vgl. VfSlg. Nr. 3317/58, 4156/62, 4660/64, 5810/68) ist die Heranziehung zur Haftung (Geltendmachung) in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensübung im Sinne des § 18 WAO unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu walten hat. Es sind daher nicht nur das öffentliche Interesse an einem gesicherten und zeitnahen Abgabenaufkommen und die Einbringlichkeit der Abgaben (Haftungs-)schuld, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen in Berücksichtigung zu ziehen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen werden können, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann (vgl. Reeger-Stoll, a.a.O. Seite 45).
Solcherart ist die Ermessensübung im angefochtenen Bescheid an dem im § 18 WAO unter Bedachtnahme auf Art. 130 Abs. 2 B-VG ausdrücklich normierten Gesetzessinn zu messen. Bei Erlassung des vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides war die belangte Behörde gehalten, dem Gesetzessinn der Entscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu genügen. Die belangte Behörde beschränkte sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Aussage, § 41 Abs. 2 WGG besage keineswegs, daß vorerst gegen die abgabenpflichtige Bauwerberin exekutive Schritte hätten unternommen werden müssen, bevor ein Haftungsbescheid gegen die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin hätte erlassen werden dürfen. Da auch eine andere gesetzliche Bestimmung solche Schritte vor Erlassung des Haftungsbescheides nicht gebiete, komme diesem Berufungsvorbringen Berechtigung nicht zu.
Dieser Ansicht vermag sich der Gerichtshof in Hinsicht auf die im Grunde des § 18 WAO getroffene Ermessensentscheidung nicht anzuschließen. Bei der dargestellten Sach- und Rechtslage wäre es nämlich der belangten Behörde oblegen, sich mit dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin unter den Gesichtspunkten der Billigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidung eingehend auseinanderzusetzen, insbesondere wäre sie verhalten gewesen, darzutun, aus welchen Gründen sie unter den oben aufgezeigten Gesichtspunkten den Erwägungen der "Zweckmäßigkeit", welche vornehmlich auf die Belange der Abgabenverwaltung (z.B. der Sicherung des Abgabenanspruches) abstellt, gegenüber den Erwägungen der "Billigkeit", die Rücksichtsnahme auf die schutzwürdigen Interessen des Haftungspflichtigen erheischt, den Vorzug einräumte.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, verletzte sie Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dieser war daher gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 insoweit aufzuheben, als mit ihm über die Berufung der Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige abgesprochen wurde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 9965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Das Kostenmehrbegehren in Hinsicht auf die Umsatzsteuer war abzuweisen, weil die in der genannten Verordnung vorgesehenen Ersätze des Schriftsatzaufwandes und des Verhandlungsaufwandes Pauschalbeträge darstellen, welche nicht überschritten werden dürfen. Der Ersatz der Stempelgebühren konnte der Beschwerdeführerin nur in dem Ausmaß zuerkannt werden, in dem Stempelgebühren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichten waren.
Wien, am
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5423 F/1979 |
Schlagworte | Formgebrechen behebbare Unterschrift Unterschrift |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1978001817.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-55993