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VwGH 11.03.1960, 1790/59

VwGH 11.03.1960, 1790/59

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
AVG §38;
RS 1
Die nach den Bestimmungen der jeweils in Betracht kommenden Bauordnung vorzunehmende Qualifikation einer Bauführung als bewilligungspflichtig schließt nicht die Entscheidung der Frage in sich, daß diese Bauführung eine wichtige Veränderung iS der § 834 ABGB darstellt. Bei dieser Frage handelt es sich vielmehr um eine privatrechtliche Vorfrage iS des § 38 AVG.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr.Werner und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Magistratskommissärs Dr. Liska als Schriftführer, über die Beschwerde der Firma JF in L gegen den Bescheid des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR - 599/1 - 1959, betreffend die Zurückweisung eines Bauansuchens zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde die vom Magistrat der Stadt Linz aus gesprochene und vom Stadtrat bestätigte Zurückweisung des Ansuchens der Beschwerdeführerin um nachträgliche Genehmigung der Anbringung eines Geschäftsschildes mit der Aufschrift "XY" am Hause Linz, S-straße 70, nächst dem Hauseingang gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufrecht erhalten. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin sei Miteigentümerin des Hauses Linz, Sstraße 70. Auf dieses Gebäude finde das Gesetz vom , BGBl. Nr. 149, betreffend das Eigentum an Wohnungen und Geschäftsräumen, Anwendung. Die Berufungswerberin (Beschwerdeführerin) bringe vor, gemäß § 8 Abs. 3 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 833 ABGB sei allein entscheidend, ob der Bauführung die Miteigentümermehrheit zustimme. Die Mehrheit der Miteigentümer habe auch der Bauführung zugestimmt, lediglich Dr. CV, der nicht einmal zu 1/20 Miteigentümer sei, habe die Zustimmung verweigert. Das Vorliegen der Miteigentümermehrheit habe auch die Baubehörde zu beachten. Der Beschwerdeführerin könne in diesem Punkte nicht beigepflichtet werden. Die Baubehörde sei nicht in der Lage, ohne Zustimmung aller Miteigentümer die Baubewilligung zu erteilen. Sie würde hiebei in unzulässiger Weise in die Privatrechtsverhältnisse der Miteigentümer eingreifen. Wenn die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 566/35 hinweise, in welcher ausgesprochen werde, daß der Hauseigentümer verpflichtet sei, den Mieter ein Geschäftsschild anbringen zu lassen, so liefere sie damit selbst den Beweis dafür, daß zur Entscheidung hierüber nicht die Verwaltungsbehörden berufen, vielmehr Streitigkeiten solcher Art auf dem Rechtsweg auszutragen seien. Die Baubehörde sei auch nicht berechtigt zu prüfen, ob die Anbringung des Schildes lebensnotwendig sei, oder ob daraus für andere Miteigentümer Nachteile zu befürchten seien. Gesichtspunkte der aufgezeigten Art mögen zivilrechtlich von Bedeutung sein, seien aber vom baurechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich. Die Beschwerdeführerin sei der Aufforderung, die mangelnde Zustimmung aller Miteigentümer beizubringen, innerhalb der gestellten Frist nicht nachgekommen, sodaß die Zurückweisung des Bauansuchens nach § 13 Abs. 5 AVG zu bestätigen gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und hiezu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe schon in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf verwiesen, daß das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg.N.F.Nr. 2050/A zu Unrecht herangezogen worden sei, denn im gegenständlichen Falle sei allein die Frage maßgebend, ob bei einer Mehrheit von Miteigentümern die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer notwendig sei, wenn einer der Miteigentümer eine bauliche Änderung beabsichtige. Diese Frage werde in der angeführten Entscheidung überhaupt nicht erörtert. Daß eine von den Miteigentümern verschiedene Person ohne Zustimmung der Grundeigentümer auf deren Grund zu bauen berechtigt sei, hätte die Beschwerdeführerin niemals behauptet. Eine andere Frage sei es, ob das Erfordernis des Nachweises der Zustimmung des Grundeigentümers soweit gehe, daß auch dann, wenn einer der Miteigentümer eine Änderung beabsichtige, die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer nachgewiesen werden müsse. Eine derartige Bestimmung sei weder aus der Linzer Bauordnung noch aus einer anderen Gesetzesstelle zu folgern. Das 16. Hauptstück des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, das von der Gemeinschaft des Eigentums handle, kenne grundsätzlich das Erfordernis der Einstimmigkeit nicht, sondern stehe auf dem Mehrheitsprinzip. Sogar in den Fällen, die wichtige Veränderungen betreffen, gelte nach § 834 ABGB das Mehrheitsprinzip und können die Überstimmten lediglich Sicherstellung für künftigen Schaden oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen. § 835 ABGB setze noch fest, was geschehen soll, wenn sie nicht austreten wollen, oder wenn der Austritt zur Unzeit erfolgen müsse. In keinem Fall gebe es aber einen Zwang gegen einen Miteigentümer, einer ihm aus welchen Gründen immer nicht genehmen Verfügung der anderen Miteigentümer die Zustimmung zu geben. Daraus könne der Schluß abgeleitet werden, daß auch eine Klage gegen einen Miteigentümer auf Erteilung der verweigerten Zustimmung nicht statthabe, sondern daß es im Gegenteil Sache dieses Miteigentümers wäre, wenn er mit der von der Mehrheit geplanten Änderung nicht einverstanden sei, daraus die Folgerungen zu ziehen. Alles dies könne aber nur zutreffen wenn es sich um wichtige Veränderungen handle. Die Anbringung eines Geschäftsschildes sei aber keine wichtige Änderung im Sinne des § 834 ABGB. Bei nichtwesentlichen Änderungen habe der Überstimmte auch nicht das Recht, Sicherstellung für künftigen Schaden oder den Austritt zu verlangen. Für die Verwaltung der allgemeinen Teile eines Hauses hätten zufolge § 8 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz die Vorschriften des 16. Hauptstückes des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zu gelten. Wenn sich die belangte Behörde auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , SLG. XVII 14 beziehe, so müsse darauf hingewiesen werden, daß dort eine vom Eigentümer verschiedene Person, nämlich ein Mieter, die ihm verweigerte Anbringung eines Geschäftsschildes verlangt habe. Diese Entscheidung zeige, daß der Hauseigentümer auch einem Mieter grundsätzlich die Anbringung einer Tafel nicht verweigern dürfe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit der hier zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage ob ein Miteigentümer bei einer bewilligungspflichtigen Bauführung die Zustimmung sämtlicher anderen Miteigentümern nachzuweisen habe, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits zu wiederholten Malen befaßt. Schon in dem Erkenntnis des ehemals bestandenen Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Februar 1888, Zl. 3912/A/II, wurde der Rechtssatz ausgesprochen, daß die Miteigentümer nur im Verein miteinander den Antrag auf Erteilung der Bewilligung zur Verbauung ihres Grundes stellen können. Der gleiche Grundsatz ist in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 3789/A enthalten. In dem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 17.904/A hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 828 und 833 ABGB die Rechtsansicht geäußert, daß im Falle des Miteigentums die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer bei einer bewilligungspflichtigen Bauführung nachzuweisen ist. In dem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 3513/A, findet sich der Rechtssatz, daß ein gemäß § 835 ABGB ergangener Gerichtsbeschluß nach Maßgabe seines Inhaltes die erforderliche Zustimmung des Miteigentümers zur Bauführung ersetzt. Die gleiche Rechtsansicht liegt auch dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 2834 zugrunde.

Die belangte Behörde hat das Ansuchen lediglich aus dem Grunde als für eine Sachentscheidung ungeeignet zurückgewiesen, weil nicht alle Miteigentümer der Bauführung zugestimmt haben. Sie hat sich bei ihrer Entscheidung ebenso wie die Baubehörde der ersten Instanz offensichtlich auf die hg. Rechtsprechung gestützt‚ jedoch übersehen, daß es sich bei den den angeführten Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalten um wichtige Veränderungen im Sinne des § 834 ABGB gehandelt hatte. Die Zurückweisung des gegenständlichen Bauansuchens ist daher nur dann im Gesetz begründet, wenn auch die Anbringung eines Geschäftsschildes als eine wichtige Veränderung anzusehen ist. Daß diese Voraussetzung gegeben ist, hat diebelangte Behörde nicht dargetan. Einer Prüfung dieser Frage war sie auch nicht aus der Erwägung enthoben, daß die Bauführung jedenfalls bewilligungspflichtig ist. Die nach den Bestimmungen der jeweils in Betracht kommenden Bauordnung vorzunehmende Qualifikation einer Bauführung als bewilligungspflichtig schließt nicht die Entscheidung der Frage in sich, daß diese Bauführung eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB darstellt. Bei dieser Frage handelt es sich vielmehr um eine privatrechtliche Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Da im vorliegenden Fall ein gemeinsamer Verwalter nicht bestellt ist, kommen für die Beurteilung dieser Vorfrage die Bestimmungen der §§ 834 ff. ABGB in Betracht. Handelt es sich aber um keine wichtigen Veränderungen im Sinne der angeführten Gesetzesbestimmung, dann sieht das Gesetz vor, daß solche Maßnahmen jeder Miteigentümer auch ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer treffen kann. Der Grund, warum alle österreichischen Bauordnungen für bewilligungspflichtige Bauführungen die Zustimmung des Grundeigentümers fordern, liegt darin, daß jeder vom Eigentümer verschiedene Bauwerber nur das aus der Privatrechtsordnung dem Eigentümer zustehende Recht zur Bauführung geltend macht, andererseits darin, daß mehrfache Verpflichtungen, die mit einer Bauführung verbunden sein können (z.B. die Verpflichtung zur Straßengrundabtretung, zur späteren Gehsteigherstellung), nur vom (jeweiligen) Grundeigentümer erfüllt werden können. Bei baulichen Maßnahmen eines Miteigentümers, bei denen solche Fragen überhaupt nicht auftreten können, besteht auch kein Bedürfnis, die Zustimmung sämtlicher übrigen Miteigentümer zu verlangen. Ergibt sich daher bei einer Bauführung, daß sie der Miteigentümer bereits auf Grund der Bestimmungen über die Gemeinschaft des Eigentums privatrechtlich ohne Zustimmung aller übrigen Miteigentümer durchführen kann, dann darf auch die Verwaltungsbehörde ein solches Bauansuchen nicht deshalb zurückweisen, weil nicht sämtliche Miteigentümer der Bauführung zugestimmt heben.

Da sohin die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, mußte die Behörde gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
AVG §38;
Sammlungsnummer
VwSlg 5236 A/1960
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1960:1959001790.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-55929