VwGH 19.09.1956, 1769/54
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Eine Vereinbarung, in der die Vertragsteile Rechte und Pflichten, über deren Art und Ausmaß kein Streit herrscht, anders regeln als es im Gesetz vorgesehen ist, stellt keinen gebührenpflichtigen Vergleich dar. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Rat Dr. Ondraczek als Vorsitzenden und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Porias, Dr. Schirmer und Dr. Dorazil als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Dolp als Schriftführer, über die Beschwerde des JS in H, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion Salzburg vom , Zl. 28/III/1954, betreffend die Gebühr von einem Vergleich, zu Recht erkannte
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte am mit seiner Gattin in Form eines Notariatsaktes eine Vereinbarung abgeschlossen. Die Ehegatten hatten erklärt, die eheliche Gemeinschaft vorläufig tatsächlich aufzuheben und sich zu trennen. Sie verzichteten dabei gegenseitig auf die ihnen gegeneinander aus dem Ehevertrag zustehenden Rechte, vor allem nach den §§ 44 und 90 - 92 ABGB, "ohne deswegen die eheliche Verbindung aufzuheben, bis geklärt ist, ob sie sich wieder vereinigen oder ob sie eine gerichtliche Scheidung der Ehe vornehmen werden". Während der Zeit der vorläufigen Trennung solle kein Teil gegen den anderen irgendwelche Unterhaltsverpflichtungen oder sonstige vermögensrechtliche Ansprüche haben, vor allem solle während dieser Zeit auch das gesetzliche Erbrecht, das Recht auf das gesetzliche Vorausvermächtnis und auf den mangelnden anständigen Unterhalt aus der Verlassenschaft des vorversterbenden Ehegatten ausgeschlossen sein und die Vereinbarung solle als gegenseitiger Erbverzichtsvertrag gemäß § 551 ABGB angesehen werden. Der ältere (damals noch nicht vierjährige) Sohn solle beim Beschwerdeführer bleiben und dieser übernahm dem Kind gegenüber allein die Unterhaltspflicht. Der jüngere erst 1952 geborene Sohn sollte bei der Ehefrau bleiben, die dem Kind gegenüber die Unterhaltsverpflichtung und alle sonstigen elterlichen Pflichten übernahm. Die gleichen Vereinbarungen wurden zugleich auch für den Fall einer künftigen Scheidung der Ehe getroffen. Der Notariatsakt war nicht gestempelt.
Über diese Urkunde wurde ein amtlicher Gebührenbefund aufgenommen. Das Finanzamt schrieb hierauf dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 33 Tarifpost 20 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 184 ex 1946, GG) eine 2 %ige Gebühr von der Bemessungsgrundlage von 45.000 S und eine gleich hohe Gebührensteigerung vor. Zu dieser Bemessungsgrundlage gelangte es dadurch, daß es den monatlichen Unterhalt für ein Kind mit 150 S schätzte und, entsprechend der Zahl der Kinder, zweimal eine 12,5 fache Jahresleistung der Bemessung zugrunde legte.
Der Beschwerdeführer berief. Ein Vergleich liege nicht vor, weil weder streitige noch zweifelhafte Rechte bereinigt oder festgestellt worden seien. Es sei lediglich vereinbart worden, in welcher Weise die weder streitigen noch zweifelhaften Unterhaltsansprüche der beiden Kinder für die Zeit der vorübergehenden Trennung der Ehegatten erfüllt werden sollten. Nach dem Gesetz habe für eheliche Kinder in erster Linie der Vater und nur, wenn dieser mittellos ist, die Mutter zu sorgen. Abgesehen davon sei es unrichtig, die Unterhaltsleistung für beide Kinder zur Bemessung heranzuziehen, denn ein Kind bleibe nach wie vor beim Vater, der für dieses Kind nach dem Gesetz aufzukommen habe. Es sei auch ungerecht, den 12,5 fachen Jahresbetrag der Bemessung zugrunde zu legen, weil die Vereinbarung erkennen lasse, daß es sich nur um ein kurzes Provisorium von höchstens drei Jahren gemäß § 55 des Ehegesetzes handle. Schließlich bekämpfte der Beschwerdeführer auch die Vorschreibung einer Gebührensteigerung, weil ein gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft nicht vorliege.
Die Finanzlandesdirektion setzte die Gebührensteigerung auf 300 S herab, wies aber im übrigen die Berufung ab. Die Kindeseltern hätten durch den Vertrag eine Änderung der Unterhaltspflicht für die Kinder getroffen. Vor allem übernehme die Mutter ein Kind zum selbständigen Unterhalt und verzichte für sich selbst und das Kind auf eine Unterhaltsleistung durch den Beschwerdeführer. Außerdem werde schon derzeit für den Fall einer Ehescheidung eine Regelung des Unterhaltes getroffen. Diese Regelung erstrecke sich auch auf die Versorgung der Kinder. Soweit sich die Regelung auf die Zeit des Fortbestandes der Ehe beziehe, handle es sich um eine von den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes abweichende Rechtsgestaltung, soweit aber auf den Fall einer späteren Scheidung Bezug genommen werde, um eine Regelung im Sinne des § 80 des Ehegesetzes. Das Finanzamt habe darin einen außergerichtlichen Vergleich erblickt. Die entsprechende Begründung finde sich im Einspruchsbescheid des Finanzamtes. (Dort hatte das Finanzamt ausgeführt, ein Vergleich sei schon dann anzunehmen, wenn durch eine Vereinbarung ein künftiger Rechtsstreit vermieden werden soll. Nach § 33 Tarifpost 20 GG sei die Gebühr bei Vergleichen vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen zu bemessen. Jeder der beiden Vertragsteile habe aber die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung für ein Kind übernommen.)
In der gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:
Die Verwaltungsinstanzen haben das strittige Rechtsgeschäft als einen Vergleich im Sinne des § 33 Tarifpost 20 GG angesehen. Nach dieser Tarifstelle unterliegen außergerichtliche Vergleiche, wenn der Gegenstand schätzbar ist und wenn der Vergleich nicht über anhängige Rechtsstreitigkeiten geschlossen wird, einer Gebühr von 2 % vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Was unter einem Vergleich im Sinne dieser Tarifstelle zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Zur Auslegung ist daher § 1380 ABGB, heranzuziehen und danach ist Vergleich "ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, daß jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet". Der Beschwerdeführer wendet nun ein, es habe über die Rechte und Pflichten der beiden Parteien, von Anfang an kein Streit bestanden. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB, vorliegt, kommt es darauf an, ob die Rechte, die in dem vorliegenden Vertrag neu gestaltet worden sind, streitig oder zweifelhaft waren. Daß nun während des Bestandes einer Ehe der Ehemann seiner Gattin den Unterhalt zu leisten hat, daß ein Ehegatte gegenüber dem anderen ein gesetzliches Erbrecht hat, wenn nicht der andere Ehegatte eine letztwillige Anordnung errichtet hat, daß die Ehefrau, wenn sie nicht zur Erbin eingesetzt ist, den mangelnden anständigen Unterhalt aus der Verlassenschaft begehren kann und daß ihr ein gesetzliches Vorausvermächtnis zusteht, ergibt sich schon aus dem Gesetz, und es kann darüber vernünftigerweise kein Streit bestehen. Daß über diese gegenseitigen Berechtigungen ein Streit bestanden habe, hat die Behörde auch nicht behauptet. Werden aber unbestrittene Rechtsverhältnisse anders gestaltet als dies der gesetzlichen Lage entspricht so liegt darin noch kein Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB. Es ist aber von der belangten Behörde auch nicht behauptet worden, daß diese Ansprüche, die sich schon aus dem Gesetz ergeben, irgendwie zweifelhaft gewesen seien. Allerdings sind die Vereinbarungen auch zugleich für den Fall einer künftigen Ehescheidung getroffen worden und in einem solchen Fall hängt die Unterhaltspflicht wesentlich davon ab, aus wessen Verschulden die Ehe geschieden wurde und in welchen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die geschiedene Ehefrau lebt. Aber auch für den Fall der Scheidung wurden nicht Leistungen zugesagt, sondern es wurde die Freiheit von Leistungen bedungen. Es wurden also Verzichte (auf Erbrecht, Unterhalt, Vorausvermächtnis usw.) abgegeben. Ein Verzicht ist aber - zum Unterschied von der Regelung der Tarifpost 110 des seinerzeitigen Allgemeinen Gebührentarifes, BGBl. Nr. 208/1925 - nach dem derzeitigen Gebührentarif kein Gegenstand einer Gebühr.
Die Verwaltungsinstanzen haben auch im vorliegenden Fall nicht die verschiedenen Verzichte zum Gegenstand der Gebührenbemessung gemacht, sondern sie haben eine Gebühr von einem "Vergleich" über die Unterhaltsgewährung an die Kinder vorgeschrieben. Aber auch hier handelt es sich nicht um einen echten Vergleich. Denn zur Unterhaltsleistung an die Kinder ist, ob nun die Ehe, aus der die Kinder stammen, geschieden wird oder nicht, nach dem Gesetz der Vater und nur im Falle seines Unvermögens zur Unterhaltsleistung die Mutter verpflichtet (§§ 141 und 143 ABGB). Es kann also im Regelfall nicht streitig sein, daß für den Unterhalt der Kinder der Vater zu sorgen hat. Dafür, daß im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer nicht zur Leistung des Unterhaltes an beide Kinder imstande gewesen sei oder daß zwischen den Ehegatten ein Streit oder ein Zweifel darüber bestanden habe, ob und inwieweit der Beschwerdeführer dazu imstande sei, geben weder die Vertragsurkunde noch das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens einen Anhalt. Eine bloß andersartige Gestaltung von Rechten und Pflichten, die weder streitig noch zweifelhaft sind, ist aber kein Vergleich. Somit hätte auch im vorliegenden Falle eine Vergleichsgebühr nach § 33 Tarifpost 20 GG, nicht vorgeschrieben werden dürfen. Da dies die belangte Behörde verkannt hat, mußte ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG, wegen Rechtswidrigkeit des seines Inhaltes aufgehoben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 1471 F/1956 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1956:1954001769.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-55873