Suchen Hilfe
VwGH 18.02.1972, 1504/71

VwGH 18.02.1972, 1504/71

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BAO §212 Abs1 impl;
LAO Wr 1962 §160 Abs1;
RS 1
Wird ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ohne Vorliegen eines entsprechenden Parteiantrages erlassen, so ist er rechtswidrig (Hinweis E , 1345/66, VwSlg 7469 A/1968).
Norm
RS 2
Eine Zahlungserleichterung (Stundung) nach § 212 BAO kann nicht mehr bewilligt werden, wenn die schuldige Abgabe, sei es auch durch zwangsweise Hereinbringung, entrichtet worden ist. *

E , 1823/65 #1
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1823/65 E RS 1

Entscheidungstext

Beachte

Siehe:

0409/71 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter im Beisein des Schriftführers Magistratsoberkommissär Dr. Thumb über die Beschwerde des EG in W, vertreten durch Dr. Ernst Biel, Rechtsanwalt in Wien I, Rauhensteingasse 1, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission für Wien vom , Zl. MDR-A-0 10, 11/70, betreffend Anzeigenabgabe, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde Rechtsanwalt Dr. Ernst Biel sowie des Vertreters der belangten Behörde Obermagistratsrat Dr. WF, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, soweit mit ihm die Berufung gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MA 4/4 - M 103/70, betreffend Zahlungserleichterungen, abgewiesen wurde; im übrigen wird das Beschwerdeverfahren wegen Klaglosstellung des Beschwerdeführers gemäß § 33 VwGG 1965 eingestellt.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die Abgabenberufungskommission gemäß § 224 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung einerseits den vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MA 4/4-M 94/70, in der Fassung des Richtigstellungsbescheides vom , mit dem dem Beschwerdeführer gemäß §§ 1, 3, 4, 5 und 7 des Anzeigenabgabegesetzes, LGBl. für Wien 1946/14, i. d. Fassung LGBl. 1962/21 und 1965/20, in Verbindung mit § 149 Abs. 3 der Wiener Abgabenordnung (WAO), LGBl. für Wien 1962/21, für die Monate Oktober 1969 bis Mai 1970 eine Anzeigenabgabe in Höhe von S 119.656,-- vorgeschrieben worden war, mit der Abänderung, dass der Bescheid auch auf § 148 Abs. 1 WAO gestützt werde. Diese Bestimmung besagt, dass die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen kann, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich, oder wenn die Ungewissheit beseitigt ist, die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, bzw. falls zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung kein Anlass besteht, der vorläufige Abgabenbescheid zum endgültigen zu erklären ist. somit tritt mit der Erlassung des endgültigen Abgabenbescheides der vorläufige Bescheid außer Wirksamkeit.

Wie in der mündlichen Verhandlung von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend erklärt wurde, ist der vorläufige Bescheid über die Festsetzung der Anzeigenabgabe durch den endgültigen Bescheid vom , Zl. MA 4/4-M 94/70, ersetzt worden; dieser Bescheid enthält die Feststellung, dass damit der vorerwähnte Bescheid des Wiener Magistrates vom außer Kraft tritt. Eine dagegen eingebrachte Berufung wurde von der Abgabenberufungskommission für Wien mit Bescheid vom , Zl. MDR-A-0 9/71, abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof konnte die Richtigkeit dieses Vorbringens durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt feststellen. Da somit nach Einbringung der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid insoweit, als er die vorläufige Festsetzung einer Anzeigenabgabe zum Gegenstand hatte, seine Rechtswirkungen verloren hat, war in diesem Umfange der Beschwerdeführer gemäß § 33 VwGG 1965 als klaglos gestellt anzusehen und das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Anderseits enthielt der angefochtene Bescheid den Ausspruch, dass die Berufung gegen die mit Bescheid des Wiener Magistrates vom , Zl. MA 4/4-M 103/70, ausgesprochene Ablehnung von Zahlungserleichterungen im Sinne des § 160 WAO abgewiesen werde. Diesbezüglich war von folgendem Sachverhalt auszugehen: Der Beschwerdeführer beantragte am gemäß § 160 Abs. 1 WAO die Stundung des mit dem Bescheid vom vorgeschriebenen Betrages von S 119.656,-- bis zur Erledigung seiner Berufung, hilfsweise die Abstattung dieses Betrages in sofort beginnenden, aufeinander folgenden gleichen Monatsraten; dies unter Vorwegnahme einer Festsetzung der Abgabe nach § 4 Abs. 2 des Anzeigenabgabegesetzes. Das im Fehlen der Unterschrift gelegene Formgebrechen dieser Eingabe behob der Beschwerdeführer über Aufforderung der Behörde innerhalb der ihm eingeräumten Frist.

Mit Bescheid vom , Zl. MA 4/4-M 103/70, wies der Wiener Magistrat das Ansuchen um Bewilligung einer Zahlungserleichterung für die nachfolgend verzeichneten Abgabeschuldigkeiten per , Konto-Nr.: 690,

Abgabenart: Anz. Abgabe; Fälligkeit: 10/69-5/70, 6/70 (Rest);

Abgabe: S 119.656,-- + S 547,90, zusammen S 120.203,90;

Säumniszuschlag: S 2.393,10 + S 10,90, zusammen S 2.404,--; Summe:

S 122.049,10 + S 558,80, zusammen S 122.607,90" gemäß § 160 WAO ab. In diesem Bescheid findet sich außerdem folgende Redewendung:

"Der umseitig ausgewiesene Rückstand ist sofort nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten." Die Abweisung wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer die Anzeigenabgabe von den Inserenten bereits eingezogen habe, sodass die sofortige Entrichtung keine erhebliche Härte bedeute, und dass das bisherige Verhalten des Abgabepflichtigen die Einbringlichkeit der Abgabe bei Entrichtung in Raten gefährdet erscheinen lasse.

Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer. Er führte im wesentlichen aus, die Fälligkeit des Betrages von S 119,656,-- sei unzutreffend angegeben, die Verhängung eines Säumniszuschlages sei ungesetzlich, für einen "Rest von S 547,90" habe er keinen Antrag gemäß § 160 WAO gestellt und die Forderung nach sofortiger Entrichtung des ausgewiesenen Rückstandes sei gesetzwidrig. Er erhebe zugleich Einwendung gegen die Höhe des ausgewiesenen Rückstandes.

Aus dem Vorlagebericht der Erstinstanz an die Berufungsbehörde vom ging hervor, dass der Beschwerdeführer am einen mit datierten Verrechnungsscheck über S 119.656,-- übermittelt hatte.

Auch diese Berufung wies die belangte Behörde mit dem schon eingangs erwähnten Berufungsbescheid vom ab. Bezüglich des Bescheides vom , Zl. MA 4/4-M 103/70, begründete die belangte Behörde die Abweisung der Berufung damit, dass eine Zahlungserleichterung nur solange in Betracht komme, als die Abgabe, für welche sie gewährt werden solle, noch nicht entrichtet sei. Da der Beschwerdeführer den Abgaberückstand, für den er die Zahlungserleichterung anstrebe, bereits bezahlt habe, sei nicht zu prüfen gewesen, inwieweit die Voraussetzungen für eine Zahlungserleichterung vorlägen, ob die angegebene Fälligkeit sowie die angeführten sonstigen Beträge stimmten und ob die Erstinstanz mit Recht ausgeführt habe, dass der Rückstand sofort beglichen werden müsse.

Den Berufungsbescheid vom focht der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 des Bundes-Verfassungsgesetzes beim Verfassungsgerichtshof an. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom , Zl. B 28/71, ab und trat sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem nicht verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes führte der Beschwerdeführer in Ergänzung der Beschwerde aus, der angefochtene Bescheid sei hinsichtlich seines Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig. Aus dem gesamten Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bezüglich der Bestätigung des Bescheides vom nur eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht und als Beschwerdepunkt die vorschriftswidrige Erledigung seines Antrages auf Zahlungserleichterungen, insbesondere die Einbeziehung eines Verspätungszuschlages bzw. Säumniszuschlages, gewertet wissen will. Im einzelnen führt er noch aus, der "Verspätungszuschlag" von S 2.404,-- sei gesetzlos vorgeschrieben worden; da die Fälligkeit der Abgabe nach dem (am zugestellten) Bescheid vom am (gemeint offenbar: am ) eingetreten und bereits am um Stundung bzw. um Zahlungserleichterung angesucht worden sei, hätte ein Säumniszuschlag dem § 164 Abs. 4 WAO widersprochen.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Sie vertritt bezüglich der Zahlungserleichterungen den Standpunkt, ein Verspätungszuschlag sei weder im Bescheid der ersten Instanz noch in der Berufungsentscheidung erwähnt; mit dem von der Erstinstanz ausgewiesenen Säumniszuschlag aber habe sich die belangte Behörde nicht mehr zu befassen gehabt, da das Stundungsansuchen infolge Bezahlung des Rückstandes bereits gegenstandslos geworden sei.

In der mündlichen Verhandlung räumte der Vertreter der belangten Behörde auf Befragen ein, dass bei der Erledigung des Stundungsansuchens über den gestellten Antrag möglicherweise hinausgegangen worden sei, und führte aus, dass nach Auffassung der belangten Behörde nur die Ablehnung der Zahlungserleichterungen, nicht aber die sonstigen Ausführungen des darüber ergangenen Bescheides konstitutive Wirkung hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Ablehnung der Zahlungserleichterungen erwogen:

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs. 1 WAO ist davon auszugehen, dass die Entscheidung über eine Zahlungserleichterung ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ist. Wird ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ohne Vorliegen eines entsprechenden Parteiantrages erlassen, so ist er, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , S1g. N. F. Nr. 7469/A, ausgesprochen hat, rechtswidrig; dies trifft auch dann zu, wenn die Behörde bei einem antragsbedürftigen Verwaltungsakt über den gestellten Antrag hinausgeht. Da sich im vorliegenden Falle das Stundungs- bzw. Ratenansuchen ausdrücklich auf den im Bescheid vom vorgeschriebenen Betrag von S 119.656,-- bezog, wurde der Beschwerdeführer dadurch, dass die belangte Behörde, der Erstinstanz folgend, im angefochtenen Bescheid auch über - gar nicht beantragte - Zahlungserleichterungen hinsichtlich eines Säumniszuschlages abweislich absprach, in seinen Rechten verletzt. Soweit sich der Beschwerdeführer allerdings auch auf einen Verspätungszuschlag bezieht, hält ihm die belangte Behörde in der Gegenschrift mit Recht entgegen, dass ein solcher Bescheid überhaupt nicht erwähnt ist. Die belangte Behörde befindet sich weiters in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie im angefochtenen Bescheid den Standpunkt vertrat, eine Zahlungserleichterung sei im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil der Betrag - was der Beschwerdeführer nicht bestreitet - bereits bezahlt worden sei (siehe hiezu das Erkenntnis vom , Zl. 1823, 1824/65, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. 1965/45, verwiesen wird). Sie ist hiebei im Sinne des Erkenntnisses vom , Slg. N. F. Nr. 2239/A, richtigerweise von der Sach- und Rechtslage ausgegangen, da die Gewährung einer Zahlungserleichterung ein konstitutiver Verwaltungsakt ist. Schließlich ist der Gerichtshof auch der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift implicite sowie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich vertretenen Auffassung, dass mit dem Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom nicht in einer der Rechtskraft fähigen Weise die Fälligkeit der Abgabe festgesetzt oder die Entrichtung eines Säumniszuschlages vorgeschrieben wurde, sondern dass es sich einerseits bei den Bezeichnungen "Abgabenschuldigkeit" und "Fälligkeit" nur um der Identifizierung des Gegenstandes der Entscheidung dienende Angaben, anderseits aber beim Ausspruch, der ausgewiesene Rückstand sei "sofort zu entrichten", nur um einen Hinweis auf eine von der Behörde als gegeben angenommene, von ihrem Bescheid unabhängige Zahlungspflicht - eben die Pflicht zur Entrichtung eines "Rückstandes" - handelte, sodass in dieser Hinsicht ein bescheidmäßiger Ausspruch gar nicht vorlag und der Beschwerdeführer somit durch diese Ausführungen auch nicht in seinen Rechten verletzt werden konnte. Die Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen für die Zahlung der Abgabe, wie sie der § 164 Abs. 4 in Verbindung mit § 164 Abs. 2 WAO im Falle der Abweisung eines spätestens eine Woche vor dem Fälligkeitstag eingebrachten Ansuchens um Zahlungserleichterung vorsieht, kam schon deswegen nicht in Betracht, weil der Betrag, auf welchen sich das Ansuchen bezog, vor Erlassung des Berufungsbescheides bezahlt worden war.

Da sich aus den vorerwähnten Gründen die Beschwerde als berechtigt erweist, war der angefochtene Bescheid, soweit das Beschwerdeverfahren nicht eingestellt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. 4. Dem Beschwerdeführer konnte nur der Verhandlungsaufwand zuerkannt werden, da der Schriftsatzaufwand nicht anlässlich der Beschwerdeerhebung geltend gemacht wurde und der Ersatz der Umsatzsteuer schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil die in der erwähnten Verordnung vom vorgesehenen Entschädigungen Pauschalaufwände darstellen, die nicht überschritten werden dürfen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BAO §212 Abs1 impl;
BAO §212 Abs1;
LAO Wr 1962 §160 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1972:1971001504.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-55118