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VwGH 08.02.1974, 1353/73

VwGH 08.02.1974, 1353/73

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §38 Abs1;
RS 1
Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 34 WRG 1934 () bereits bestandenen baulichen Anlagen der in dieser Gesetzesstelle (nunmehr § 38 WRG 1959) bezeichneten Art bedürfen keiner nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung nach § 38 WRG 1959. Ihre Beseitigung kann daher nicht unter dem Titel des § 138 Abs 1 lit a WRG 1959 gefordert werden.
Norm
WRG 1959 §142 Abs2;
RS 2
Unter "nach früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenutzungs- oder sonstigen auf Gewässer sich beziehenden Rechten" versteht das Gesetz nach dem klaren Wortlaut des § 142 Abs 2 WRG 1959, welcher der Vorschrift des Art I Z 59 der Wasserrechtsnovelle 1959 entstammt, Berechtigungen, die auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen vor dem Inkrafttreten der Wasserrechtsnovelle 1959 () erworben wurden. Nur in einem solchen Fall bleiben nach der Übergangsbestimmung des § 142 Abs 2 WRG 1959 derartige Rechte aufrecht (Hinweis E , 413/65).
Norm
WRG 1959 §138 Abs1;
RS 3
Als eigenmächtige Neuerung ist eine Herstellung dann zu beurteilen, wenn für sie eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich ist, diese aber nicht erwirkt wurde.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 3434/53 E VwSlg 4211 A/1956 RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Penzinger und die Hofräte Hinterauer, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Schima als Richter im Beisein der Schriftführerin Landesregierungsoberkommissär Dr. Cede, über die Beschwerde der Marktgemeinde Hard, vertreten durch Dr. E. Amann, Rechtsanwalt in Bregenz, Rathausstraße 35 a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 52.678.I/1/73, betreffend Beseitigung einer Bootshütte (mitbeteiligte Partei: WF in H, vertreten durch Dr. Wilhelm Winkler, Rechtsanwalt in Bregenz, Gerberstraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 1.125,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin, es wolle wasserrechtsbehördlich dem WF - der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als Inhaber der Bootshütte im Bodensee auf Grundparzelle n1, Katastralgemeinde X, der behördliche Auftrag zur Beseitigung dieser Bootshütte im Grunde des § 138 WRG erteilt werden, keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß sich die Zuständigkeit zu dieser Entscheidung aus § 99 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ergebe, da es sich um eine Angelegenheit den Bodensee betreffend handle. Die formelle Legitimation zu einer Antragstellung nach § 138 WRG 1959 werde der Marktgemeinde Hard zugstanden, da sie im Hinblick auf ihr Grundeigentum an der Grundparzelle n1 als Betroffene im Sinne des § 138 WRG 1959 anzusehen sei. Betroffener sei jeder Inhaber eines Rechtes, das nach § 12 WRG zu schützen ist. Für die materiellrechtliche Beurteilung der Sache habe sich folgender Sachverhalt ergeben:

Der heutige Zollhafen, welcher jetzt noch mit "Bagger-Loch" bezeichnet werde, verdanke seine Entstehung den vom See her unternommenen Kiesbaggerungen, die seinerzeit zur Gewinnung von Schüttmaterial für den Bau des Fussacher Rheindurchstiches der Internationalen Rheinregulierung notwendig geworden seien. Das entstandene Wasserbecken habe die Marktgemeinde Hard im Jahre 1919 durch eine Mole gegen den bis dahin offenen See abgesichert und in der Folge durch Kaimauern als Hafen ausgestattet. Die in Rede stehende Bootshütte sei damals von dem Voreigentümer S unmittelbar nach Fertigstellung der vorerwähnten Hafenmole in deren Schutz errichtet worden. Die Hütte sei auf der Grundparzelle n1 gelegen, die im Eigentum der Marktgemeinde Hard stehe. Auf Grund welchen privatrechtlichen Rechtstitel der damalige Erbauer der Bootshütte die Grundparzelle der Marktgemeinde benützte, sei nicht bekannt, die unrechtmäßige Benützung sei aber bisher von der Grundeigentümerin nie behauptet worden. Die Bootshütte sei damale zweifelsohne im Gewässer Bodensee errichtet worden. Im Zeitpunkt der Erstellung der Bootshütte sei wasserrechtlich das Gesetz vom 28. August 1870, LGBl. für Vorarlberg Nr. 65, in Geltung gestanden. Dieses Gesetz habe keine Bewilligungspflicht für Einbauten in stehende Gewässer vorgesehen. Erst das Bundeswasserrechtsgesetz 1934 habe diese Bewilligungspflicht eingeführt. Nach § 125 WRG 1934 seien "die nach den früheren Gesetzen erworbenen Gewässerbenutzungs- oder sonstigen auf Gewässer sich beziehenden Rechte sowie die hiemit verbundenen Verpflichtungen" aufrecht geblieben. Eine gleichlautende Bestimmung enthalte § 142 Abs. 2 des derzeit gültigen Wasserrechtsgesetzes. Der seinerzeitige Eigentümer, der beim Bau der Bootshütte offenbar keiner wasserrechtlichen Bewilligung bedurfte, sei durch die nachfolgenden Gesetze in seinem damals vorhandenen Rechtsbestand wasserrechtlich geschützt geblieben. Er habe keine nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die vorhandenen Einbauten in das Gewässer Bodensee einzuholen gehabt. Daraus ergebe sich, daß zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes ein wasserrechtsbehördlicher Auftrag im Grunde des § 138 WRG nicht erteilt werden könne, weil ein gesetzwidriger Zustand nach dem Wasserrechtsgesetz nicht besteht.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 66 AVG 1950 nicht stattgegeben. Nach der beigegebenen Begründung sei unzweifelhaft und unbestritten, daß die gegenständliche Bootshütte, wenn sie erst nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes 1934 gebaut worden wäre, einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 34 WRG 1934 bzw. § 38 WRG 1959 bedurft hätte. Ebenso stehe fest, daß sie schon um 1919, während der Geltung des auf dem Reichsrahmenwasserrechtsgesetz 1869 beruhenden Vorarlbeger Landeswasserrechtsgesetzes vom 28. August 1870, LGBl. Nr. 65, errichtet worden sei. Gemäß § 15 dieses Gesetzes sei in öffentlichen Gewässern der gewöhnliche, ohne besondere Vorrichtungen vorgenommene, die gleiche Benützung durch andere nicht ausschließenden Gebrauch des Wassers zum Baden, Waschen, Tränken, Schwemmen und Schöpfen, ferner zur Gewinnung von Pflanzen, Schlamm, Erde, Sand, Schotter und Steinen und Eis, soweit dadurch weder der Wasserlauf und die Ufer gefährdet noch ein fremdes Recht verletzt, noch jemandem Schaden zugefügt werde, gegen Beobachtung der polizeilichen Vorschriften an den durch dieselben von dieser Benützung oder Gewinnung nicht ausgeschlossenen Plätzen jedermann gestattet gewesen. Nach § 16 sei hingegen für andere als die im § 15 angegebenen Benutzungen der öffentlichen Gewässer sowie für die Errichtung oder Änderung der hiezu erforderlichen Vorrichtungen und Anlagen, welche auf die Beschaffenheit des Wassers, auf den Lauf desselben oder auf die Höhe des Wasserstandes Einfluß nehmen oder die Ufer gefährden konnten, eine vorläufige Bewilligung der dazu berufenen politischen Behörden notwendig gewesen. Die Gemeinde Hard übersehe im vorliegenden Falle, daß es sich bei den §§ 15 f des Vorarlberger Landeswasserrechtsgesetzes lediglich um - mit einem Gebrauch der Wasserwelle in einem unmittelbaren Zusammenhang stehende - ausgesprochene Wassernutzungen handle, die schon seit 1870 wasserrechtlich konsenspflichtig gewesen waren, nicht aber auch um besondere bauliche Herstellungen im heutigen Sinne (§ 38 WRG 1959 bzw. § 34 WRG 1934). Jedoch selbst wenn dem nicht so wäre, müßte nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes auch auf anderen Gebieten des öffentlichen Sachenrechtes aus einem bereits so langen, bisher unbeanstandet gebliebenen, also schon unvordenklichem Anlagenbestand bzw. Betrieb im Zweifel wohl eher der rechtliche Schluß gezogen werden, daß er sich im Einklang mit den zu seinem Beginn maßgebenden Rechtsvorschriften befunden hat. Im übrigen sei der Beschwerdeführerin zwar beizustimmen, daß sich der den wasserrechtlichen Altbestand regelnde § 142 WRG 1959 (§ 125 WRG 1934) im wesentlichen lediglich auf Wasserbenutzungen erstrecke, weil nämlich bloß diese einer Eintragung ins Wasserbuch zugänglich und auch bedürftig seien. Doch lasse die Beschwerdeführerin hiebei außer acht, daß Gesetze, und dazu gehörten auch das Wasserrechtsgesetz 1934 und Wasserrechtsgesetz 1959, grundsätzlich nicht zurückwirkten. Vordem öffentlich-rechtlich erlaubt gewesene bisherige besondere bauliche Herstellungen seien also nicht nachträglich der nunmehrigen Konsenspflicht unterworfen worden. Wenn in den Übergangsbestimmungen des § 125 WRG 1934 und des § 142 WRG 1959 ausdrücklich festgelegt worden sei, daß seinerzeit nicht genehmigungsbedürftige, jetzt aber an sich bewilligungspflichtige ältere Wasserbenutzungen unter der Voraussetzung ihrer rechtzeitigen Aufnahme ins Wasserbuch anerkannt werden sollen, so sei dies eindeutig von dem Gedanken der Richtigkeit und Vollständigkeit des wie das Grundbuch ein öffentliches Buch darstellenden Wasserbuches (im Interesse der Rechtssicherheit) getragen. Besondere bauliche Herstellungen im Sinne des § 38 WRG seien jedoch, mangels direkter Berührung der Wasserwelle, nicht als Wassernutzungen zu werten und unterlägen daher nicht der wasserbücherlichen Eintragung (§§ 124 f WRG in Verbindung mit der Wasserbuchverordnung).

Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat über sie und die hiezu erstatteten Gegenschriften erwogen:

Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist derjenige, der die Bestimmung dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen. Als eigenmächtige Neuerung ist eine Herstellung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 4211/A, und vom , Zl. 158/70) dann zu beurteilen, wenn für sie eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich ist, diese aber nicht erwirkt wurde. Die Annahme der belangten Behörde, daß es sich gegenständlich um eine um das Jahr 1919 errichtete Bootshütte handelt, welche, wenn sie erst nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes 1934 gebaut worden wäre, einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 34 WRG 1934 bzw. § 38 WRG 1959 bedurft hätte, wird von der Beschwerde nicht bestritten. Strittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Auslegung des § 142 Abs. 2 WRG 1959, welcher lautet: "Die nach den früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenutzungs- oder sonstigen auf Gewässer sich beziehenden Rechte sowie die hiemit verbundenen Verpflichtungen bleiben aufrecht. Ausübung und Erlöschen richten sich nach diesem Bundesgesetz."

Während die belangte Behörde die Ansicht vertritt, daß Gesetze (Wasserrechtsgesetz 1934 bzw. Wasserrechtsgesetz 1959) nicht zurückwirken und derartige, vordem erlaubt gewesene bauliche Herstellungen nicht nachträgliche der Konsenspflicht unterworfen worden seien, vertritt die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Seite 176 - 177, die Ansicht, daß bereits im Jahre 1919 zur Errichtung der Bootshütte nach § 16 des Vorarlberger Landeswasserrechtsgesetzes 1870 eine wasserrechtliche Bewilligung notwendig gewesen sei, jedenfalls aber nach dem Inkrafttreten des Wasserrechtsgesetzes 1934 () nachträglich eine wasserrechtliche Bewilligung hätte eingeholt werden müssen.

Der § 142 WRG 1959 enthält schon nach seiner Überschrift Übergangsbestimmungen über den "Fortbestand älterer Rechte". Unter "nach den früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenutzungs- oder sonstigen auf Gewässer sich beziehenden Rechten" versteht das Gesetz nach dem klaren Wortlaut des § 142 Abs. 2 WRG 1959, welcher der Vorschrift des Art. I Z. 59 der Wasserrechtsnovelle 1959, BGBl. Nr. 54, entstammt, Berechtigungen, die auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen vor dem Inkrafttreten der Wasserrechtsnovelle 1959 () erworben wurden (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 413/65). Nur in einem solchen Fall bleiben nach der Übergangsbestimmung des § 142 Abs. 2 WRG 1959 derartige Rechte aufrecht. Nach den Feststellungen der belangten Behörde liegt aber ein solches erworbenes (verliehenes) Wasserrecht der mitbeteiligten Partei nicht vor, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei der Errichtung der Bootshütte im Jahre 1919 um eine nach § 16 des Vorarlberger Landeswasserrechtsgesetzes vom 28. August 1870, LGBl. Nr. 65, bewilligungspflichtige Herstellung gehandelt hat oder nicht.

Von Bedeutung ist aber, ob mit dem Inkrafttreten des § 34 WRG 1934 () schon bestehende bauliche Herstellungen der in dieser Gesetzesstelle bzw. in § 38 WRG 1959 bezeichneten Art der Konsenspflicht unterworfen sind. § 38 Abs. 1 WRG 1959 lautet:

"1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer sowie von Unterführungen unter Wasserläufen schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen ….."

Darnach bedürfen aber nur die nach der Einführung dieser Bestimmung vorgenommenen Herstellungen, wie Errichtung und Abänderung von Brücken usw. Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, nicht aber der in diesem Zeitpunkt bereits gegebene Altbestand einer Bewilligung. Bei diesem Ergebnis hat die belangte Behörde die Voraussetzungen für einen wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 mit Recht als nicht gegeben angenommen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Bund gründet sich auf § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 und Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung BGBl. Nr. 427/1972, der Zuspruch von Aufwandersatz an die mitbeteiligte Partei auf § 48 Abs. 3 lit. a und b VwGG 1965 und Art. I Z. 7 der Verordnung BGBl. Nr. 427/1972.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §142 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
Sammlungsnummer
VwSlg 8551 A/1974
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1974:1973001353.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-54710