VwGH 26.03.1952, 1200/51
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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RS 1 | Der Nachtrag oder Zusatz zu einer Urkunde über ein gebührenpflichtiges Rechtsgeschäft unterliegt, wenn er das ursprüngliche Rechtsgeschäft nicht aufhebt und ersetzt, sondern bloß zusätzliche Rechte und Pflichten begründet, zwar der Art nach der gleichen Gebühr wie das ursprüngliche Geschäft, die Höhe der Gebühr richtet sich aber nicht nach dem Wert der Gesamtleistung, sondern nach dem der zusätzlich bedungenen Leistung. |
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RS 2 | Wenn in einem beurkundeten Zusatz oder Nachtrag zu einer Vertragsurkunde Änderungen des ursprünglichen Vertragsinhaltes vorgenommen wurden, so ist der Zusatz oder Nachtrag gebührenrechtlich nicht in jedem Falle als neuer Vertrag anzusehen, der den gesamten Vertragsinhalt in sich schließt. |
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RS 3 | Inhalt eines Zusatzes oder Nachtrages ist aber bei Änderungen, die nicht als Neuerungsverträge zu werten sind, nur die Begründung der ZUSÄTZLICHEN Rechte und Pflichten, nicht auch der Inhalt des von der Änderung betroffenen ursprünglichen Rechtsgeschäftes. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer-Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Chamrath und Dr. Schirmer als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde des AJ und der FJ in G, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , GV. 21-428-III/1950, betreffend Gebühr vom Nachtrag zu einem Mietvertrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Beschwerdeführer hatten am mit den Ehegatten LS und SS einen schriftlichen Mietvertrag über Maschinen und Geräte eines Steinbruchbetriebes abgeschlossen, in dem der Mietzins mit monatlich 3.000,-- S festgesetzt worden war. Am hatten die Vertragsteile ein schriftliches Zusatzübereinkommen folgenden Wortlautes abgeschlossen: „Im Nachhange zu dem heute zwischen den Unterfertigten abgeschlossenen Mietvertrag wurde zwischen den Partnern vereinbart, daß die Mieter außer der im Vertrag festgesetzten Mietentschädigung von monatlich S 3.000,-- einen weiteren Betrag von S 3.000,-- (in Worten Schillinge dreitausend) zu den gleichen Terminen zu Handen der Vermieter zu leisten haben. „Beide Vertragsurkunden wurden nicht innerhalb der gesetzlichen Anzeigefrist zur Gebührenbemessung angezeigt; erst am erstatteten die Ehegatten S die Gebührenanzeige für beide Verträge.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz hat den beiden Beschwerdeführern gemäß §§ 33 Tarifpost 5 des Gebührengesetzes 1946, BGBl. Nr. 184/1946 (in der Folge kurz als GG bezeichnet) die Rechtsgeschäftsgebühren vorgeschrieben und zwar von dem Mietvertrag vom auf Grundlage eines monatlichen Mietzinses von 3.000,-- S und von dem Zusatzübereinkommen vom auf Grundlage eines monatlichen Mietzinses von 6.000,-- S. Dazu kamen noch feste Stempelgebühren für den 2. und 3. Bogen und eine Gebührensteigerung gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 GG wegen verspäteter Anzeige. Die Beschwerdeführer legten gegen den Gebührenbescheid Berufung ein. Sie wendeten ein, daß das Zusatzübereinkommen gemäß § 21 GG nur „nach Maßgabe seines Inhaltes selbständig gebührenpflichtig“ sei. Es sei darum unrichtig, vom Nachtragsübereinkommen die Gebühr auf der Grundlage eines monatlichen Nachtragsübereinkommens auf der Grundlage eines monatlichen Mietzinses von 6.000,-- S vorzuschreiben. Im Zusatzübereinkommen sei lediglich von einem Mietzins von 3.000,-- S die Rede. Der Gebührenbescheid habe somit, ohne daß dafür ein Anhaltspunkt gegeben sei, den Vertrag vom ein zweites Mal der Gebühr unterzogen. Sie stellten den Antrag, auch vom Zusatzvertrag, wie vom ursprünglichen Mietvertrag bloß eine Gebühr auf Grundlage eines monatlichen Mietzinses von 3.000,-- S vorzuschreiben und demgemäß auch die Gebührensteigerung herabzusetzen. Nachdem zunächst das Finanzamt einen abweislichen Einspruchsbescheid erlassen hatte und die Beschwerdeführer darauf die Entscheidung der Finanzlandesdirektion begehrt hatten, wies diese Behörde die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab. In der Begründung führte sie aus, daß das Zusatzübereinkommen eine selbständige vollständig ausgefertigte Urkunde darstelle und daher gebührenrechtlich für sich zu beurteilen sei, weil gemäß § 17 Abs. 1 GG für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde maßgebend ist. Nach § 21 GG seien Zusätze und Nachträge zu bereits vollständig ausgefertigten Urkunden nach Maßgabe ihres Inhaltes selbständig gebührenpflichtig, wenn die darin enthaltenen Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfange nach geändert werden. Im Zusatzübereinkommen aber werde gegenüber dem ersten Mietvertrag die Höhe des Entgeltes geändert. Es sei nicht richtig, daß das Zusatzübereinkommen nur von einem Mietzins von 3.000,-- S spricht, denn aus seinem Wortlaut gehe hervor, daß die Mieter außerdem im Mietvertrag bedungenen Mietentgelt von 3.000,-- S einen weiteren Betrag von 3.000,-- S zu bezahlen haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung der Finanzlandesdirektion bei ihm eingebrachte Beschwerde erwogen:
Der maßgebende § 21 GG lautet:
„Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits vollständig ausgefertigten Urkunde die darin zum Ausdruck gebrachten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfange nach geändert oder der durch Zeitablauf erlöschende Vertrag verlängert, so ist dieser Zusatz oder Nachtrag nach Maßgabe seines Inhaltes selbständig gebührenpflichtig.“
Daß im vorliegenden Falle durch das Zusatzübereinkommen vom die Verbindlichkeiten der Mieter gegenüber dem Stand nach dem ursprünglichen Vertrag vom ihrem Umfange nach geändert worden sind, ist unbestritten. Die belangte Behörde vermeint jedoch, daß nicht nur die in dem Zusatzübereinkommen zusätzlich vereinbarte Leistung die Bemessungsgrundlage der Rechtsgeschäftsgebühr von dem Zusatzübereinkommen zu bilden habe, sondern daß in diese Bemessungsgrundlage auch die im ursprünglichen Vertrag vom vereinbarten Leistungen einzubeziehen seien. Die Beschwerdeführer hingegen wollen nur die zusätzlich vereinbarten Leistungen als Gegenstand der Gebührenbemessung anerkennen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Sitzung eines verstärkten Senates am den folgenden Rechtssatz beschlossen:
„Wenn in einem beurkundeten Zusatz oder Nachtrag zu einer Vertragsurkunde Änderungen des ursprünglichen Vertragsinhaltes vorgenommen werden, ist der Zusatz oder Nachtrag gebührenrechtlich nicht in jedem Falle als neuer Vertrag anzusehen, der den gesamten Vertragsinhalt in sich schließt.“
Bei der Aufstellung dieses Rechtssatzes hat sich der Verwaltungsgerichtshof von den folgenden Erwägungen leiten lassen:
Die Gebührenpflicht von Rechtsgeschäften nach dem III. Abschnitt des GG setzt zwar die Errichtung einer Urkunde oder Herstellung eines gleichwertigen Beweismittels voraus, allein Gegenstand der Gebühr ist grundsätzlich das Rechtsgeschäft und nicht die Urkunde.
Ein Rechtsgeschäft kann auch in der nachträglichen Änderung eines früheren Rechtsgeschäftes bestehen. Dabei kann der Inhalt eines solchen abändernden Geschäftes ein verschiedener sein: Wird mit dem abändernden Geschäftes der „Rechtsgrund“ oder der „Hauptgegenstand“ des Geschäftes „verwechselt“, dann liegt eine Novation (ein Neuerungsvertrag) im Sinne des § 1376 ABGB vor, dann wird das ursprüngliche Rechtsgeschäft durch Errichtung des neuen Rechtsgeschäftes aufgehoben und ersetzt. Demnach bestimmt § 24 des Gebührengesetzes 1946 durchaus folgerichtig, daß im Falle eines Neuerungsvertrages die Gebühr für jenes Rechtsgeschäft in Anwendung kommt, in das das frühere Rechtsgeschäft umgeändert wurde. Eine Rückwirkung des Neuerungsvertrages auf die Gebührenpflicht des früheren Rechtsgeschäftes ist dabei nicht vorgesehen und zwar mit Recht, weil die Aufhebung eines Rechtsgeschäftes die entstandene Gebührenschuld zufolge § 17 Abs. 5 GG nicht aufhebt. Wenn jedoch das abändernde Geschäft den Rechtsgrund und den Hauptgegenstand des ursprünglichen Geschäftes unberührt läßt, dann bleibt das alte Geschäft bestehen und beschränkt sich der Inhalt des abändernden Geschäftes auf die Begründung zusätzlicher Rechte oder Pflichten (vgl. § 1379 ABGB, letzter Satz, und Wolff in Klangs Kommentar, vierter Band, S. 269). Es ist daher folgerichtig, daß sich das GG bei der Regelung abändernder Geschäfte nicht auf die Regelung des § 24 beschränkt, sondern in seinem § 21 auch für die Behandlung der nicht als Neuerungsverträge zu wertenden Änderungen von Rechtsgeschäften Vorsorge getroffen hat.
Dieser eingangs wörtlich zitierte § 21 lautet dahin, daß Zusätze oder Nachträge zu einer bereits vollständig ausgefertigten Urkunde nach Maßgabe ihres Inhaltes selbständig gebührenpflichtig sind, wenn sie die in der Urkunde zum Ausdruck gebrachten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach ändern oder den durch Zeitablauf erlöschenden Vertrag verlängern. Inhalt eines Zusatzes oder Nachtrages ist aber bei Änderungen, die nicht als Neuerungsverträge zu werten sind, nur die Begründung der zusätzlichen Rechte und Pflichten, nicht auch der Inhalt des von der Änderung betroffenen ursprünglichen Rechtsgeschäftes. Der Wortlaut des § 21 GG bietet also keine Grundlage dafür, nachträgliche Änderungen, die bei Aufrechterhaltung des ursprünglichen Rechtsgeschäftes bloß zusätzliche Rechte oder Pflichten begründen, zum Anlaß zu nehmen, auch die schon ursprünglichen Rechtsgeschäft vorgesehenen Rechte und Pflichten in die Gebührenbemessungsgrundlage einzubeziehen.
Im vorliegenden Falle ist bei einem unbestritten nach § 33 T.P. 5 GebG gebührenpflichtigen Bestandvertrag der anfänglich mit 3.000,-- S monatlich vereinbarte Mietzins durch das am geschlossene Zusatzübereinkommen um weitere 3.000,-- S monatlich erhöht worden. Die Beurkundung im Zusatzübereinkommen erschöpft sich in der Niederlegung der neu übernommenen zusätzlichen Verpflichtung. In einem solchen Falle aber kann die Bestimmung des § 21 GebG, daß derartige Zusätze „nach Maßgabe ihres Inhaltes“ selbständig gebührenpflichtig sind, nach dem Vorhergesagten nur dahin verstanden werden, daß sie zwar der Art nach der gleichen Gebühr unterliegen, wie das ursprüngliche, selbständig gebührenpflichtige Geschäft, die Höhe der Gebühr sich aber nicht nach dem Wert der Gesamtleistung, sondern nur nach dem der zusätzlich bedungenen Leistung, d.i. hier der auf Vertragsdauer vereinbarten 3.000,-- S Mietzinserhöhung, zu richten hat. Wenn die Verwaltungsinstanzen darüber hinaus auch die in dem ursprünglichen Vertrag vereinbarten Mietentgelte in die Bemessungsgrundlage der Vertragsgebühr einbezogen haben, erweist sich dies somit als im Gesetze nicht begründet. Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a des VwGG, StGBl. Nr. 208/1945, wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
Sammlungsnummer | VwSlg 560 F/1952 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1952:1951001200.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-54258