VwGH 01.03.1979, 1127/76
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Im Vorstellungsverfahren kommt neben der Gemeinde auch allen denjenigen Parteistellung zu, denen eine solche Stellung bereits im vorangegangenen gemeindebehördlichen Bauverfahren zugekommen ist (Bauwerber, Anrainer; Hinweis B , 1994/72). |
Normen | BauO NÖ 1976 §120 Abs7; BauO NÖ 1976 §120 Abs8; |
RS 2 | Bei Anwendung des § 120 Abs 7 Z 2 der NÖ Bauordnung hat die Behörde konkret darzutun, von welchem abgegrenzten Ortsbereich sie ausgegangen ist, wenn sie feststellt, dass ein Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht (Hinweis E , 1801/72, E , 1333/73, E , 534/76). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Draxler, Mag. Onder, DDr. Hauer und Dr. Degischer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde 1) der MW, 2) des AN und 3) der JP, alle in Z, sämtliche vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/2-118/4-1976, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1) Ing. WS in Z, und 2) Gemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde Z nach Durchführung einer Bauverhandlung, im Zuge derer die dem Verfahren als Anrainer beigezogenen nunmehrigen Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Bauweisenzulässigkeit Einwendungen erhoben hatten, dem Ansuchen des Ing. WS, der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, betreffend die Herstellung eines Zubaues zum Hause Z, S-straße 24, auf dem Grundstück Z. 487/2 des Grundbuches über die Katastralgemeinde Z, gemäß § 100 Abs. 4 in Verbindung mit § 120 Abs. 7 der NÖ Bauordnung die Erteilung der erforderlichen baubehördlichen Bewilligung versagt. Eine dagegen vom Bauwerber rechtzeitig erhobene Berufung blieb, wie aus dem Rechtsmittelbescheid des Gemeinderates der Gemeinde Z vom hervorgeht, aus den Gründen der §§ 120 Abs. 7 Z. 2 und 21 Abs. 4 der NÖ Bauordnung erfolglos, weil die Ausführung des Bauvorhabens einen krassen Widerspruch zu der im betreffenden Straßenzug bestehenden Bauweise (offene oder gekuppelte) bewirken würde und - so die Begründung der Berufungsentscheidung - überdies der im § 21 der NÖ Bauordnung verlangte Bauwich von mindestens 3 m nicht eingehalten wäre.
Auf Grund einer vom mitbeteiligten Bauwerber gegen den Bescheid des Gemeinderates im Sinne des Art. 119 a Abs. 5 B-VG in Verbindung mit § 61 der NÖ Gemeindeordnung 1973 erhobenen Vorstellung führte die NÖ Landesregierung zunächst unter Beiziehung zweier Sachverständiger, des Bürgermeisters der Gemeinde Z und des Vorstellungswerbers (Bauwerbers) einen Ortsaugenschein durch. In der hierüber am aufgenommenen Niederschrift wurde nach Ausweis der Verwaltungsakten festgestellt, "daß die in der S-straße gelegenen Objekte teilweise gekuppelt, zum geringeren Teil offen, in wenigen Fällen geschlossen, entsprechend der historischen Verbauung bebaut" seien. Die Gebäude seien zum überwiegenden Teil ebenerdig mit ausgebauten Dachgeschossen, fallweise auch zweigeschossig ausgeführt. Infolge der auf die Straßenfluchtlinien spitzwinkelig anlaufenden Grundgrenzen seien seinerzeit schwer bebaubare Parzellen entstanden. Aus diesem Grunde sei die gekuppelte Bebauung bevorzugt worden und hätten fast durchwegs die nach der neuen Bauordnung erforderlichen Gebäudeabstände nicht eingehalten werden können. Die Bauwiche betragen durchwegs 3 m und erreichten nirgends die geforderten 6 m. Eine Sanierung dieses Zustandes oder eine Anpassung an die gegebene Rechtslage werde bei Vermeidung von Abbrüchen vielfach nur durch eine geschlossene Bebauung zu erreichen sein. Diesem Ziel entspreche das vom Bauwerber geplante Vorhaben. Derzeit bestehe weder eine den Bestimmungen der NÖ Bauordnung entsprechende offene oder gekuppelte Bebauung und würde daher durch die Ausführung des Vorhabens kein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung eintreten.
Dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde der Erstbeschwerdeführerin (nicht auch den übrigen, im vorangegangenen gemeindebehördlichen Bauverfahren als Anrainer beigezogen gewesenen) Beschwerdeführern gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit zur Äußerung geboten. In ihrer daraufhin abgegebenen Stellungnahme machte die Erstbeschwerdeführerin geltend, daß in der S-straße in Z entgegen dem mitgeteilten Erhebungsergebnis nur drei gekuppelte Häuser stünden, ansonsten aber offene Bauweise herrsche. Vom Vorliegen einer geschlossenen Bauweise könne für den maßgebenden Ortsbereich (außerhalb des Ortskerns) nicht gesprochen werden.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gab die Landesregierung der Vorstellung des Bauwerbers statt, behob den Bescheid des Gemeinderates und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde II. Instanz. Wie aus der Begründung dieses Vorstellungsbescheides hervorgeht, ging die belangte Behörde zunächst in rechtlicher Hinsicht offensichtlich davon aus, daß für das nach dem vereinfachten Flächenwidmungsplan im Bauland gelegene Grundstück des Bauwerbers bzw. für den Ortsteil von Z, dem es zugehört, weder ein Bebauungsplan noch sonstige Bebauungsvorschriften bestehen und daher an sich ein Anwendungsfall des § 120 Abs. 8 in Verbindung mit Abs. 7 Z. 2 der NÖ Bauordnung (wonach eine Baubewilligung zu versagen ist, wenn innerhalb der geschlossenen Ortschaft das geplante Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht) gegeben sei. Anknüpfend an das oben dargestellte Ergebnis des Ortsaugenscheines vom war die Behörde jedoch ihrer Bescheidbegründung zufolge der Auffassung, daß durch die Verwirklichung des Bauvorhabens des Ing. S zwar eine geschlossene Bebauung erreicht würde, daß hiedurch aber ein auffallender Widerspruch zur bestehenden Bebauung nicht eintrete. Die Sstraße in Z sei entsprechend der historisch gewachsenen Verbauung bebaut, weshalb die Gemeindebehörden im Gegenstand zu Unrecht das Vorliegen eines auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung angenommen hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. In ihrer Ausführung bringen die Beschwerdeführer zunächst unter dem Blickpunkt eines von ihnen als wesentlich erachteten Verfahrensmangels vor, daß die anläßlich der Vornahme des Ortsaugenscheines am getroffenen und in die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde übernommenen Feststellungen darüber, daß im Bereiche der S-straße in Z auch Fälle geschlossener Bauweise nachweisbar seien, auf einem offensichtlichen Irrtum (etwa durch Verwechslung der Straße) beruhen müßten. Zu diesem Irrtum wäre es allerdings nicht gekommen, wären die Beschwerdeführer als Anrainer entsprechend der Regelung des § 99 Abs. 1 der NÖ Bauordnung zur Verhandlung geladen worden. Überdies wären auch der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin und nicht nur die Erstbeschwerdeführerin im Vorstellungsverfahren als Partei zu behandeln gewesen. Als eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende inhaltliche Rechtswidrigkeit wird in der Beschwerde schließlich gerügt, daß die Behörde in ihrer Entscheidung entgegen der Regelung des § 100 Abs. 4 Z. 5 der NÖ Bauordnung die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den Erfordernissen des Orts- und Landschaftsbildschutzes außer acht gelassen habe.
In dem über diese Beschwerde eingeleiteten Vorverfahren legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des mit dem angefochtenen Bescheid erledigten gemeindeaufsichtsbehördlichen Verfahrens war die Frage, ob und allenfalls inwieweit der Vorstellungswerber durch die Versagung der von ihm beantragten baubehördlichen Bewilligung aus dem Grunde des § 120 Abs. 7 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 8 der NÖ Bauordnung durch die Gemeindebehörden beider Instanzen in seinen Rechten verletzt worden ist. In hierüber nach der Gemeindeordnung durchzuführenden Verfahren kommt - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , Zl. 1994/72, ausgesprochen und einläßlich begründet hat - neben der Gemeinde (vgl. hiezu Art. 119 a Abs. 9 B-VG) allen denjenigen Personen Parteistellung zu, denen diese Rechtstellung bereits im vorangegangenen gemeindebehördlichen Bauverfahren zugekommen ist. Da im Beschwerdefall in Ansehung des strittigen Bauvorhabens die Anrainereigenschaft aller Beschwerdeführer im Sinne des § 118 Abs. 8 in Verbindung mit Abs. 9 Z. 4 der NÖ Bauordnung feststeht (sie wurden im gemeindlichen Verfahren auch als Parteien beigezogen), hätten die Beschwerdeführer - entgegen der von ihnen vertretenen Rechtsanschauung - da es sich hiebei nicht um eine Bauverhandlung im Sinne des § 99 der NÖ Bauordnung gehandelt hat, zwar nicht notwendigerweise zu dem dann am von der belangten Behörde vorgenommenen Augenschein gemäß § 54 AVG 1950 geladen werden müssen. Gleichwohl hätte ihnen jedoch, und zwar allen Beschwerdeführern, nach § 45 Abs. 3 AVG 1950 Gelegenheit gegeben werden müssen, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Ebenso wäre der angefochtene Bescheid, wie in der Beschwerde zu Recht gerügt wird, allen Beschwerdeführern zuzustellen gewesen. Durch die Außerachtlassung dieser gesetzlichen Verpflichtungen wurden der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erweist sich der angefochtene Bescheid in einer auch die Parteienrechte der Erstbeschwerdeführerin unmittelbar berührenden Weise darüber hinaus insofern als mangelhaft, als es an für die Anwendung des § 120 Abs. 7 Z. 2 der NÖ Bauordnung unerläßlichen konkreten Feststellungen darüber fehlt, von welchem abgegrenzten Ortsbereich die Behörde bei ihrer Annahme des Fehlens eines auffallenden Widerspruches zur bestehenden Bebauung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle ausgegangen ist und in welchem konkreten Bereich sie das Vorliegen einer geschlossenen Bauweise festgestellt hat (vgl. hiezu u. a. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1747/72, 1801/72, vom , Zl. 1333/73, und vom , Zl. 534/76). Insbesondere aber hätte sich, was allerdings unterblieben ist, die Behörde mit den in der Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin vom zum Ergebnis der Augenscheinsverhandlung vom vorgetragenen Einwendungen, zumindest aber mit der Behauptung, die S-straße in Z weise nur drei gekuppelte Häuser, ansonsten aber nur Baulichkeiten in offener Bauweise auf, im einzelnen auseinandersetzen müssen.
Der hierin gelegene Begründungsmangel und die oben aufgezeigte Außerachtlassung der auch im Vorstellungsverfahren zu berücksichtigenden Parteienrechte des Zweitbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin stellen - abgesehen von der Gewichtigkeit der unterlaufenen Verletzung des Parteiengehörs - Verfahrensfehler dar, von denen nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Behörde bei ihrer Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Schon aus diesem Grund und ohne, daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte, mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung vom , BGBl. Nr. 542, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §8; BauO NÖ 1976 §118 Abs8; BauO NÖ 1976 §118 Abs9; BauO NÖ 1976 §120 Abs7; BauO NÖ 1976 §120 Abs8; GdO NÖ 1973 §61; |
Sammlungsnummer | VwSlg 9785 A/1979 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1976001127.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-53977