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VwGH 28.02.1978, 1103/76

VwGH 28.02.1978, 1103/76

Entscheidungsart: ErkenntnisVS

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Ein "planender Baumeister" der die mit dem Baumeistergewerbe üblicherweise verbundene typische Tätigkeit (Errichtung und Ausbesserung von Bauwerken unter Einsatz von Baufachkräften und Hilfskräften, Maschinen, Fahrzeugen etc) nicht (mehr) ausübt, sondern gleich einem Ziviltechniker in einem Büro Projekte, Pläne, Leistungsverzeichnisse und Voranschläge verfaßt, Kollaudierungen vornimmt und Parteien berufsmäßig vor Baubehörden in bautechnischen Angelegenheiten vertritt, übt einen einem Ziviltechniker ähnlichen Beruf im Sinne des § 18 Abs 1 Z 1 EStG 1967 aus (Abgehen von der Vorjudikatur: 903/71(RS 2); 2157/71; 581/72; 1689/74).
Norm
RS 2
Bei der im Abgabenrecht anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist ein für die Abgabenerhebung entscheidender Unterschied im Gehalt der Tätigkeit eines Zivilrechnikers und eines "planenden Baumeisters" nicht feststellbar.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

1769/76

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Kobzina, Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner, Dr. Seiler, Dr. Iro, Dr. Hoffmann und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Papp, über die Beschwerde des WS in B, vertreten durch Dr. Ludwig Gassner, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg, Berufungssenat, vom , Zl. 460-2/1975, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1972, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.248,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den übereinstimmenden Angaben in der Beschwerde und in der Begründung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, der die Baumeisterkonzession besitzt, seit ausschließlich auf Planungsarbeiten und die Bauleitung, die Rechnungskontrolle, die Massenermittlung sowie die Überprüfung von eingereichten Bauansuchen und deren Kommissionierung. Der Beschwerdeführer führt dazu in seiner Beschwerde ergänzend aus, die letztgenannte Tätigkeit verrichte er als ständig bestellter Bausachverständiger der Gemeinde. Seit der Einstellung seiner Tätigkeit als "ausführender Baumeister" habe er außer den im angefochtenen Bescheid festgestellten Tätigkeiten statische Berechnungen für Hochbauten verfaßt und "an baukünstlerischen Bauplanungswettbewerben" teilgenommen. Er habe in den Jahren 1949 bis 1951 in I. die dreijährige Baufachschule an der Bundesgewerbeschule besucht und erfolgreich abgeschlossen, sein Wissen nach Beendigung dieser Schule durch praktische Arbeiten erweitert und im Jahre 1961 die Baumeisterprüfung in W. abgelegt.

Das Finanzamt qualifizierte im Einkommen- und im Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1972 die Einkünfte des Beschwerdeführers aus der oben umschriebenen Tätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Berufung des Beschwerdeführers dagegen wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit der Begründung ab, der Verwaltungsgerichtshof habe in einer Reihe von Erkenntnissen die Rechtsmeinung vertreten, daß dann, wenn es sich um die Ausübung eines Teilbereiches der Tätigkeit eines Baumeisters handle, zu der der Abgabepflichtige auch gewerberechtlich befugt sei, eine gewerbliche Tätigkeit im abgabenrechtlichen Sinne vorliege. Dies gelte selbst dann, wenn ein Baumeister ausschließlich eine planende Tätigkeit ausübe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 13 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen hat:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG 1967 gehören zu den nicht den gewerblichen Einkünften zuzurechnenden Einkünften aus selbständiger Arbeit (vgl. auch § 1 Abs. 1 GewStG) die Einkünfte aus freien Berufen. Das Gesetz bestimmt, daß dazu neben den Einkünften aus den wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeiten auch Einkünfte aus bestimmten taxativ aufgezählten Berufstätigkeiten und diesen ähnlichen Berufen gehören. Zu den namentlich den freien Berufen zuzuordnenden Tätigkeiten gehört auch die Tätigkeit der Ziviltechniker. Im vorliegenden Fall ist nur die Frage strittig, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers der eines Ziviltechnikers ähnlich ist. Für die Beurteilung dieser Frage wieder ist das Berufsbild eines Ziviltechnikers, wie es vom Gesetz umschrieben ist, von Bedeutung.

Die Berechtigung der Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure für das Bauwesen umfaßt gemäß § 5 Abs. 2, C, lit. a Ziviltechnikergesetz BGBl. Nr. 146/1957 "das gesamte Fachgebiet, insbesondere Straßen-, Brücken-, Tunnel-, Eisenbahn-, Seilbahn- und Tiefbauten, konstruktiver Hochbau und Industriebauten, ferner die mit diesen Bauten in Verbindung stehenden anderweitigen baulichen Herstellungen sowie einfache maschinelle und elektrotechnische Einrichtungen ….".

Rechtsgrundlage für die Ausübung des Baumeistergewerbes war vor dem Inkrafttreten der Gewerbeordnung 1973 das Gesetz vom 26. Dezember 1893, RGBl. Nr. 193, betreffend die Regelung der konzessionierten Baugewerbe (zuletzt novelliert durch BGBl. Nr. 179/1957). Dieses Gesetz unterschied in seinem § 1 (u.a.) das Gewerbe des Baumeisters (Z. 1) vom Gewerbe des Maurermeisters (Z. 2). § 2 leg. cit. berechtigt den Baumeister, Hochbauten und andere verwandte Bauten zu leiten und durchzuführen. § 6 a leg. cit. (Fassung durch BGBl. Nr. 179 im Zusammenhang mit der - Regelung des Ziviltechnikergesetzes BGBl. Nr. 146/1957 in der Fassung BGBl. Nr. 155/1958) bestimmt, daß die im § 1 bezeichneten Baugewerbetreibenden berechtigt sind, im Rahmen ihrer Konzession Bauten zu entwerfen und die hiefür erforderlichen Pläne und Berechnungen zu verfassen. Dabei beschränkte sich die Befugnis der Planverfassung nicht auf Bauten, die der Betreffende selbst ausführt. Vielmehr sind die konzessionierten Baumeister zur selbständigen Planverfassung und daher auch zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen oder Wettbewerben befugt (siehe Mache, Gewerbeordnung, 4. Aufl., S. 336 oben). In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur Baugewerbegesetznovelle 252 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen, VIII. GP. (wiedergegeben bei Mache, a. a. O., S. 336), heißt es hinsichtlich der Verfassung von Plänen weiters:

"Von der Verfassung baureifer Pläne für Hoch- und Tiefbauten, die nach dem vorliegenden Entwurf sonach neben den Ziviltechnikern nur mehr den Baugewerbetreibenden bzw. auf Grund der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 2 und 3 gestattet sein soll, ist die Herstellung der im Zusammenhang mit der Planung technischer Anlagen und Einrichtungen erforderlichen Vorentwürfe von Bauteilen zu unterscheiden, die keineswegs die für die Bauführung und etwaige baupolizeiliche Genehmigung erforderliche endgültige Planung ersetzen kann.

Die aufgezeigte Rechtslage ist nach der Gewerbeordnung 1973 im wesentlichen keine andere. Der Beruf des Maurermeisters entfiel (siehe Anmerkung 3 zu § 156 bei Kobzina-Hrdlicka, Gewerbeordnung 1973); am Planungsrecht des Baumeisters (§ 157 GewO 1973) änderte sich nichts.

Aus dem Gesagten folgt, daß der Beruf des Ziviltechnikers und des Baumeisters in dem hier entscheidenden Umfang sich nur dadurch unterscheiden, daß dem Ziviltechniker die Stellung einer qualifizierten Urkundsperson eingeräumt ist (§ 6 Abs. 1 Ziviltechnikergesetz) und für den Beruf des Ziviltechnikers stets ein erfolgreich abgelegtes Hochschulstudium gefordert wird.

Diesen Unterschieden kommt jedoch nicht die weittragende Bedeutung zu, daß es ausgeschlossen wäre, einen "planenden Baumeister" als einen Abgabepflichtigen anzusehen, dessen Berufstätigkeit der Berufstätigkeit eines Ziviltechnikers ähnlich ist. Dabei ist in diesem Sinn als "planender Baumeister" ein Abgabepflichtiger zu verstehen, der zwar auf Grund seiner Baumeisterkonzession tätig wird, aber die mit dem Beruf des Baumeisters üblicherweise verbundene typische Berufstätigkeit (Errichtung und/oder Ausbesserung von Bauwerken unter Einsatz von Baufach- und Hilfskräften, Maschinen, Fahrzeugen, Haltung eines Vorrates an Baumaterialien etc.) nicht oder nicht mehr ausübt, sondern gleich einem Ziviltechniker in einem Büro Projekte, Pläne, Leistungsverzeichnisse und Voranschläge verfaßt, Kollaudierungen vornimmt und Parteien berufsmäßig vor Behörden in bautechnischen Angelegenheiten vertritt.

Dazu kommt, daß jedenfalls bei der im Abgabenrecht anzuwendenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 21 Abs. 1 BAO) ein für die Abgabenerhebung entscheidender Unterschied im Gehalt der Tätigkeit eines Ziviltechnikers und eines "planenden Baumeisters" nicht feststellbar ist. Daß möglicherweise in manchen Fällen die Planung von großen und technisch sehr schwierigen Anlagen von Ziviltechnikern ausgeführt wird, während bei der Planung und Bauüberwachung kleinerer Projekte Ziviltechniker und Baumeister nebeneinander tätig werden, rechtfertigt in wirtschaftlicher Sicht keine abgabenrechtlich völlig unterschiedliche Behandlung.

Soweit es sich vorliegendenfalls um die Erhebung der Gewerbesteuer handelt, führt auch die teleologische Interpretation zu keinem anderen Ergebnis. Die Gewerbesteuer dient dazu, den Gemeinden jene Lasten tragen zu helfen, die typischerweise durch das Vorhandensein von Gewerbebetrieben entstehen (siehe z. B. Lenski-Steinberg, 5. Aufl., Anmerkung 3 zu § 1, und Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, 7. Aufl., 5 (2) zu § 1). Es ist daher zulässig, in Zweifelsfällen Probleme wie das vorliegende auch von dieser Warte zu betrachten. Dabei ergibt sich, daß ein "planender Baumeister", der seinem Beruf in einem Konstruktionsbüro nachgeht, der Gemeinde nicht mehr und nicht weniger Lasten verursacht als etwa ein Arzt in seiner Ordination oder ein Rechtsanwalt in seiner Kanzlei oder eben ein Ziviltechniker.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Verwaltungsgerichtshof seine in der vorliegenden Rechtsfrage bisher vertretene Rechtsmeinung (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 903/71, Slg. Nr. 4312/F, vom , Zl. 2157/71, vom , Zl. 581/72, vom , Zl. 1689/74, und vom , Zl. 310/77) nicht mehr aufrechterhält, weil es diese vornehmlich darauf gestützt hat, daß der bloß planende Baumeister nur den Teilbereich der Tätigkeit eines Baumeisters ausübe, zu der er auch gewerberechtlich befugt sei. Gerade diesen Umstand hält jedoch der Gerichtshof nach den oben dargelegten Erwägungen für die gewerbesteuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit eines bloß planenden Baumeisters nicht mehr für entscheidend.

Daraus folgt, daß die Beschwerde im Recht ist. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542, insbesondere Art. III Abs. 2 dieser Verordnung. Der begehrte Ersatz der Umsatzsteuer konnte nicht zugesprochen werden, da dieser Betrag mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand abgegolten ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 5234 F/1978
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7
planender Baumeister Ziviltechniker
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1976001103.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-53905