VwGH 14.12.1981, 1065/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BAO §24 Abs1 litc; GewStG §4 Abs1; |
RS 1 | Für die Unternehmer und Gesamtschuldnereigenschaft eines Kommanditisten nach § 4 Abs 1 GewStG 1953 ist nicht maßgebend, ob der Treuhänder oder der Treugeber des Komanditisten in einem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis zur Kommanditgesellschaft stehen; entscheidend ist vielmehr, wem die Kommanditeinlage als Wirtschaftsgut zuzurechen ist (§ 24 Abs 1 lit c BAO). |
Normen | |
RS 2 | Daß nicht ein Erwerb eines bestimmten bestehenden Kommanditanteiles von einem Dritten, sondern eine treuhändige Beteiligung an der Gründung der KG erfolgte, schließt nicht aus, dennoch von einem Erwerb eines Gesellschaftsanteiles für den Treugeber iSd § 24 Abs 1 lit c BAO zu sprechen. |
Normen | BAO §6 Abs1; GewStG §4 Abs1; |
RS 3 | Der Kommanditist kann zur Zahlung der Gewerbesteuer (hier der Lohnsummensteuer) vom Gewerbebetrieb der Kommanditgesellschaft unmittelbar und ohne betragliche Beschränkung als Gesamtschuldner (nicht bloß als Haftender) herangezogen werden (Hinweis: In dem vorliegenden Erkenntnis wird auf die deutsche Rechtslehre und Rechtsprechung zu der Frage dieser bewußten Abkehr von den handelsrechtlichen Grundsätzen hingewiesen). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH Erkenntnis 1959/02/25 2144/57 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Besprechung in:
AnwBl 1982/9, S 509;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Pokorny, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Ratz, über die Beschwerde der Dr. EF in W, vertreten durch Dr. Eva Ogris, Rechtsanwalt in Wien VI, Mariahilferstraße 71, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. MDR-Sch 17/79, betreffend Heranziehung als Gesamtschuldner für rückständige Lohnsummensteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Eva Ogris, sowie des Vertreters der belangten Behörde, Obermagistratsrat Dr. WJ, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.150,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien vom wurde gemäß § 4 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG 1953, BGBl. Nr. 2/1954, in der geltenden Fassung, festgestellt, daß die Beschwerdeführerin Gesamtschuldnerin für den Rückstand an Lohnsummensteuer der prot. Firma Sch Ges.m.b.H. & Co. KG. in Wien in der Höhe von S 13.953,-- für den Zeitraum von Jänner 1978 bis Februar 1979 sei. Dieser Rückstand sei innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten. Die Beschwerdeführerin sei Gesellschafterin der genannten Gesellschaft.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin berufen und geltend gemacht, daß sie sich nicht für eigene Rechnung an der Kommanditgesellschaft beteiligt habe, sondern als Treuhänderin des PSch, der ihr hiezu den Betrag von S 200.000,-- zur Verfügung gestellt habe. Da das Unternehmen nie für ihre Rechnung betrieben worden sei, komme sie nicht als Unternehmer im Sinne des § 4 GewStG 1953 in Betracht. Vorgelegt wurde eine Fotokopie des Notariatsaktes vom über den zwischen PSch und der Beschwerdeführerin errichteten Treuhandvertrag. Im Punkt I dieses Vertrages heißt es, die Beschwerdeführerin sei auf Grund des soeben errichteten Gesellschaftsvertrages Kommanditistin der Firma Sch. Ges. m.b.H. & Co. KG. mit einer Kommanditeinlage von S 200.000,--. Im Punkt II des Treuhandvertrages erklärt die Beschwerdeführerin, sich mit diesem Anteil an der genannten Gesellschaft nicht für eigene Rechnung beteiligt zu haben, sondern als Treuhänderin des Herrn PSch, ihres Ehemannes, der ihr hiezu den Betrag von S 200.000,-- zur Verfügung gestellt habe. Es folgen weitere Bestimmungen über die treuhändige Ausübung der Verfügung über den genannten Geschäftsanteil.
1.2. Mit Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Unbestritten sei, daß die Beschwerdeführerin Kommanditistin der Sch. Ges.m.b.H. & Co. KG. gewesen sei, da selbst der von ihr vorgelegte Treuhandvertrag dies im Punkt I bestätige. Es sei lediglich zu prüfen, ob der Umstand, daß die Beschwerdeführerin sich nur als Treuhänderin ihres Ehegatten an der Gesellschaft als Kommanditistin beteiligt habe, steuerrechtlich relevant sei. Der Treuhänder sei im Besitz des Vollrechtes, er könne darüber wie ein sonstiger Berechtigter wirksam verfügen; er habe sich nur auf Grund einer obligatorischen Bindung zu einer anderen Person zu einer bestimmten Weise der Ausübung des Rechtes verpflichtet. Dementsprechend stehe nach Kastner, Grundriß des Österreichischen Gesellschaftsrechtes, 53, der Treugeber in keinem gesellschaftlichen Verhältnis, sondern nur der Treuhänder. Daher werde bei der Kommanditgesellschaft, möge der Kommanditist nur ein Treuhänder sein, das Gewerbe auch auf Rechnung des Kommanditisten betrieben. Das schuldrechtliche Innenverhältnis zwischen Treuhänder und Treugeber sei für die Beurteilung der Frage, auf wessen Rechnung das Gewerbe betrieben werde, bedeutungslos.
1.3. Diesen Bescheid bekämpft die Beschwerdeführerin mit der vorliegenden Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Als Beschwerdepunkt macht die Beschwerdeführerin die Verletzung des Rechtes geltend, nicht als Gesamtschuldnerin für den Rückstand an Lohnsummensteuer der prot. Firma Sch. Ges.m.b.H. & Co. KG. in Höhe von S 13.953,-- für den Zeitraum Jänner 1978 bis Februar 1979 herangezogen zu werden.
Nach den klaren Bestimmungen des § 24 BAO, der dem Grundgedanken der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Rechnung trage, habe die Zurechnung des Wirtschaftsgutes zum Treugeber zu erfolgen. Aus dem vorgelegten Notariatsakt ergebe sich, daß das Gewerbe niemals auf ihre Rechnung betrieben worden sei. Sei jemand anderer als der formelle Eigentümer wirklicher wirtschaftlicher Eigentümer des Betriebes, so sei der Betrieb ihm zuzurechnen. Im Fall eines Treuhandverhältnisses gelte daher der Treugeber als Steuerschuldner (Philipp, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, zu § 4, Tz. 4.-1). In diesem Sinne habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 5101/F, Mitunternehmerschaft für den Fall ausgeschlossen, daß der zweite Gesellschafter nur als Treuhänder des einzigen anderen Gesellschafters anzusehen sei, und habe für diesen Fall das Vorliegen einer Einzelfirma angenommen.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung erwogen:
2.1. Gemäß § 4 Abs. 1 GewStG 1953 ist Steuerschuldner der Unternehmer. Als Unternehmer gilt der, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Wird das Gewerbe für Rechnung mehrerer Personen betrieben, so sind diese Gesamtschuldner; bei Gesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 1 ist auch die Gesellschaft als solche Gesamtschuldner. Der wiedergegebene letzte Halbsatz wurde durch die Gewerbesteuergesetznovelle 1978, BGBl. Nr. 572, mit Wirkung ab , eingefügt.
2.2. Gemäß § 161 Abs. 1 HGB ist die Kommanditgesellschaft eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist, wenn bei einem oder bei einigen von den Gesellschaftern die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet. Wird ein Gewerbe für Rechnung einer Kommanditgesellschaft betrieben, so wird es also zugleich auf Rechnung des Kommanditisten betrieben. Dieser ist somit gemäß § 4 Abs. 1 GewStG 1953 einer der mehreren Gesamtschuldner der Gewerbesteuer und damit auch der Lohnsummensteuer. § 171 Abs. 1 HGB, wonach der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft nur bis zur Höhe seiner Einlage, soweit er diese noch nicht geleistet hat, unmittelbar haftet, kommt hinsichtlich der Gewerbesteuer nicht zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 1964/F, die Lohnsummensteuer betreffend; siehe ferner die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2415/57, und vom l0. Februar 1961, Zl. 1268/59).
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin Kommanditistin der das Gewerbe betreibenden Kommanditgesellschaft war. Zu prüfen ist hingegen die Frage, ob der Umstand, daß die Beschwerdeführerin sich nur als Treuhänderin ihres Gatten an der Gesellschaft als Kommanditistin beteiligt hat, gewerbesteuerrechtlich von Bedeutung ist.
2.3. Treuhand ist gegeben - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht im Anschluß an Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, I3, 133, darlegt -, wenn jemand (der Treuhänder) Rechte übertragen erhält, die er im eigenen Namen, aber auf Grund einer besonderen obligatorischen Bindung zu einer anderen Person (dem Treugeber) in einer bestimmten Weise ausüben soll. Zu Recht wird auch auf Kastner, Rundriß des Österreichischen Gesellschaftsrechts3, 61, verwiesen, der (bei Behandlung der offenen Handelsgesellschaft, was jedoch nach § 161 Abs. 2 HGB auch auf die Kommanditgesellschaft übertragbar ist) lehrt, daß der Treugeber in keinem gesellschaftlichen Verhältnis stehe, sondern nur der Treuhänder.
Allerdings ist die von der belangten Behörde hieraus für den Bereich des Gewerbesteuergesetzes (die Lohnsummensteuer) gezogene Schlußfolgerung, daß bei der Kommanditgesellschaft, möge der Kommanditist nur ein Treuhänder sein, das Gewerbe auch auf Rechnung des Kommanditisten betrieben werde, unrichtig. Sie wird der abgabenrechtlichen Regelung dieses Sachverhaltes nicht gerecht. Bei der Auslegung des Begriffes "Unternehmer" im Sinne des § 4 Abs. 1 GewStG 1953 und damit der dort normierten
Begriffsumschreibung "als Unternehmer ... gilt der, für dessen
Rechnung das Gewerbe betrieben wird" ist davon auszugehen, daß das Gewerbesteuergesetz sowohl für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital als auch für die Lohnsummensteuer einen einheitlichen Steuerschuldnerbegriff verwendet. Nun ist aber für das Recht der Ertragsteuern zu bedenken, daß ertragsteuerlich heranzuziehen ist, wer am Betriebsvermögen beteiligt und sich der Gewinn - an den das Gewerbesteuergesetz primär anknüpft - nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen auf Grund eines Vermögensvergleiches bestimmt. Es kommt also sehr wohl darauf an, wem das Vermögen zuzurechnen ist. Lege non distinguente ist auch für die Lohnsummensteuer von keinem anderen Begriff des Unternehmers auszugehen.
Für die Zurechnung von Wirtschaftsgütern wiederum gelten bei der Erhebung von Abgaben, soweit nicht in den Abgabenvorschriften anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des § 24 BAO. Besondere, dem § 24 BAO vorgehende Einzelvorschriften, denenzufolge Rechtsfolgen mit Rechtsgeschäften und Rechtsstellungen verbunden wären, die erkennbar bloß formal erfüllt sein müßten, um dem entsprechenden Tatbestand Genüge zu tun, liegen hier nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1080/74). Nur in einem solchen Fall reichen die Treuhandstellung und der treuhändige Erwerb aus, um in der Sphäre des Treuhänders die entsprechenden Rechtswirkungen auszulösen (vgl. dazu auch Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch 1980, 63).
Nach § 24 Abs. 1 lit. b werden Wirtschaftsgüter, die zu treuen Handen übereignet worden sind, dem Treugeber zugerechnet. Nach § 24 Abs. 1 lit. c BAO werden Wirtschaftsgüter, die zu treuen Handen für einen Treugeber erworben worden sind, dem Treugeber zugerechnet. Nach § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin von PSch ein Betrag von S 200.000,-- zu treuen Handen übergeben. Mit diesem Betrag hat sich die Beschwerdeführerin als Kommanditistin an der Kommanditgesellschaft beteiligt und damit den Gesellschaftsanteil für den Treugeber im Sinne des § 24 Abs. l lit. c BAO erworben. Daß nicht ein Erwerb eines bestimmten bestehenden Kommanditanteiles von einem Dritten, sondern eine treuhändige Beteiligung an der Gründung der Kommanditgesellschaft erfolgte, schließt nicht aus, dennoch von einem Erwerb eines Gesellschaftsanteiles für den Treugeber im Sinne der genannten Gesetzesstelle zu sprechen.
Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Rechtsauffassung der belangten Behörde ist somit für die Unterstellung unter § 4 GewStG 1953 nicht maßgebend, ob der Treuhänder oder der Treugeber in einem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis stehen; entscheidend ist vielmehr, wem die Kommanditeinlage als Wirtschaftsgut zuzurechnen ist. Dies war jedoch nach dem - auch der belangten Behörde vorgelegten und auch ihren Erwägungen zugrunde gelegten - Treuhandvertrag nicht die Beschwerdeführerin, sondern ihr Treugeber.
2.4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid zu Unrecht als Steuerschuldnerin herangezogen wurde. Bei diesem Ergebnis brauchte auf den Steuerzeitraum Jänner 1978 nicht mehr gesondert eingegangen zu werden.
Der angefochtene Bescheid war infolge dessen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a, b und d sowie auf § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Stempelgebührenersatz war nicht zuzusprechen, da die Beschwerdeführerin diesen nicht ziffernmäßig verzeichnet hat. Ersatz des Schriftsatz- und Verhandlungsaufwandes war lediglich im begehrten Ausmaß zuzusprechen, da die Beschwerdeführerin einerseits den nach der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977 vorgesehenen Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand nicht ausgeschöpft und andererseits für die Verhandlung vor dem Gerichtshof nur den Betrag von S 3.750,-- begehrt hat.
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5635 F/1981 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1980001065.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-53778