Suchen Hilfe
VwGH 02.05.1960, 1023/57

VwGH 02.05.1960, 1023/57

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Ausführungen zur Frage, ob der Betrieb eines Knabenseminars als Ausübung öffentlicher Gewalt anzusehen ist.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Porias, Dr. Schirmer, Dr. Dorazil und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des X Seminar in G gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. S 29 - 469 - I - 56, betreffend Umsatzsteuer für 1952, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Das X Seminar in G brachte für das Jahr 1952 eine Umsatzsteuererklärung ein, in der es die Verpflegungskostenbeiträge der Zöglinge mit 458.030,-- S angab. Auf Anfrage des Finanzamtes wurde erklärt, daß diese Einnahmen nicht die Hälfte der Internatskosten decken und daß auf jeden Zögling nur ein Jahresbetrag von durchschnittlich 1.526,-- S entfalle. Gegen den vom Finanzamt erlassenen Umsatzsteuerbescheid wurde mit der Begründung Berufung erhoben, daß das Knabenseminar ausschließlich die Heranbildung von Priesterkandidaten bezwecke und daß die Tätigkeit der Seminarleitung keineswegs auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sei, somit eine Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (vom , DRGBl. S. 942 UStG) nicht vorliege. Das Seminar übernehme die Erziehung und den Unterhalt der Zöglinge an Stelle der Eltern und diese seien nur nach Maßgabe ihrer finanziellen Möglichkeiten verpflichtet, Verpflegungskostenbeiträge zu leisten. Es bestehe daher keine Umsatzsteuerpflicht für diese Beiträge. Überdies handle es sich bei der Tätigkeit der Seminarleitung um die Ausübung öffentlicher Gewalt. Formalrechtlich sei zwar das Knabenseminar eine Stiftung und sei auch diese als Eigentümer der Gebäude im Grundbuch eingetragen. Von einer Stiftung im materiell-rechtlichen Sinne könne aber keine Rede sein, da schon seit Jahren keine Stiftungsmittel mehr vorhanden seien. Das Knabenseminar unterstehe auch nicht der Aufsicht der Stiftungsbehörde, sondern ausschließlich der Aufsicht des Diözesanoberen. Im weiteren schilderte die Berufung die finanzielle Lage des Seminars seit seiner Gründung im Jahre 1842 und verwies nochmals, gestützt auf die Bestimmungen der Can. 1352 bis 1373 des Kirchlichen Gesetzbuches (Codex juris Canonici, CJC), darauf, daß das Seminar ausschließlich der Heranbildung von Priesterstudenten diene. Wenn festgestellt werde, das ein Zögling die ernstliche Absicht, Priester zu werden, aufgegeben habe oder daß er für diesen Beruf nicht geeignet sei, werde er sofort ausgeschlossen. Auf Anfrage während des Berufungsverfahrene teilte das Amt der Steiermärkischen Landesregierung mit, daß das Fürstbischöfliche Knabenseminar eine Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit, somit eine selbständige juristische Person öffentlichen Rechtes sei, der Stiftungsbehörde Rechnung legen müsse und tatsächlich im Wege des Fürstbischöflichen S Ordinariates einen Ausweis über die Gebarung im abgelaufenen Rechnungsjahr vorlege. Grundübertragungen (Kauf und Verkauf von Stiftungsliegenschaften) unterlägen der stiftungsbehördlichen Genehmigungspflicht.

Die Berufungskommission wies die Berufung ab. Da das Seminar die Erziehung und Verpflegung der Zöglinge übernehme und die Eltern verpflichtet seien, nach Möglichkeit zu den Kosten beizutragen, sei die Tätigkeit des Seminars zwangsläufig auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet. Ausübung öffentlicher Gewalt könne nur jenen Einrichtungen der katholischen Kirche zugebilligt werden, die der Kirche unmittelbar unterstehen. Im vorliegenden Falle handle es sich aber um eine privatrechtliche Stiftung zum Betrieb eines Knabenseminars für Mittelschüler, die namentlich in den Unterstufen nicht die Gewähr dafür bieten, daß sie tatsächlich zum Priesterberufe geeignet sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ist bei der angefochtenen Entscheidung von dem von der beschwerdeführenden Stiftung im Verwaltungsverfahren dargestellten Sachverhalt ausgegangen und hat die rechtliche Stellung des beschwerdeführenden Seminars durch Einholung einer Auskunft des Amtes der Landesregierung - der Inhalt ist unbestritten - geklärt. Der von der Beschwerde erhobene Vorwurf einer mangelhaften Sachverhaltsfeststellung ist daher nicht gerechtfertigt und der Einwand von Verfahrensmängeln unbegründet. Die belangte Behörde hat aber auch bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes nicht geirrt.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Welche Absicht der Erzielung von Einnahmen zugrunde liegt und zu welchem Zwecke die Einnahmen verwendet werden, ist für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft bedeutungslos (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 688/F). Ebensowenig ist es von Belang, ob die Einnahmen die Selbstkosten decken oder ob nur Teile hievon gedeckt sind. So kann z.B.: auch eine caritative oder gemeinnützige Tätigkeit als gewerblich oder beruflich im Sinne der genannten Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes angesehen werden. Mithin ist der Einwand, die Tätigkeit des Knabenseminars sei ausschließlich auf die Erziehung der anvertrauten Zöglinge gerichtet und die Bezahlung von Verpflegungskostenbeiträgen sei nur eine völlig untergeordnete Angelegenheit, nicht geeignet, darzutun, daß im vorliegenden Falle keine Unternehmertätigkeit im Sinne des Umsatzsteuerrechtes vorliege. Es bleibt daher nur zu prüfen, ob der Betrieb des Seminars als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG und des § 18 der Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen (vom , DRGBl. I S. 1935, UStDB) anzusehen ist, sodaß aus diesem Grund keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit angenommen werden dürfe.

Nach § 18 Abs. 1 UStDB ist die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben (Ausübung der öffentlichen Gewalt) dann keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, wenn sie von Gebietskörperschaften oder sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechtes ausgeübt wird. Eine Erfüllung öffentlich-rechtlicher Abgaben ist „insbesondere dann“ anzunehmen, wenn die Aufgaben auf Leistungen gerichtet sind, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Als Ausübung öffentlicher Gewalt ist also nach dieser Vorschrift - von den hier nicht zutreffenden Ausnahmefällen der Absätze 2 und 3 abgesehen - nur die Betätigung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes anzusehen. Eine Rechtsperson des öffentlichen Rechtes ist aber nur eine solche Körperschaft, Stiftung oder Anstalt, die entweder durch ein Gesetz oder durch eine gesetzesgleiche Rechtsnorm (z.B. einem Staatsvertrag) ausdrücklich als Rechtsperson des öffentlichen Rechtes geschaffen oder anerkannt wird, oder eine solche, die kraft staatlichen Auftrages Aufgaben der öffentlichen staatlichen Verwaltung erfüllt. Da die Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes und der dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen übst die Steuerbefreiungen auf Grund der Ausübung öffentlicher Gewalt Vorschriften des staatlichen Rechtes sind, kann es bei ihrer Anwendung auch nur darauf ankommen, ob ein bestimmtes Rechtsgebilde im Sinne des staatlichen Rechtes Rechtspersönlichkeit des öffentlichen Rechtes besitzt.

Eine ausdrückliche Anerkennung kirchlicher Gemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechtes findet sich soweit die katholische Kirche in Betracht kommt, nur in Artikel II des Konkordates (Bundesgesetzblatt 1934 II Nr. 2), wo der katholischen Kirche als Gesamtheit auch für den Bereich des staatlichen Rechtes öffentlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird. Im vorliegenden Falle kann aber als Rechtsträger, dem die strittigen Umsätze zuzurechnen sind, nicht die katholische Kirche als Gesamtheit in Betracht kommen, sodaß der umstrittenen Rechtsfrage, ob das Konkordat noch dem geltenden staatlichen Recht angehört, in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zukommt. Im übrigen kennt aber das Personenrecht der katholischen Kirche, das auf der sogenannten Institutentheorie beruht, eine Vielzahl einzelner Körperschaften und Anstalten, denen es Rechtspersönlichkeit zuschreibt. Canon 99 CJC zählt unter diesen juristisch Personen ausdrücklich auch die Seminaren auf. Die Rechtspersönlichkeit dieser kirchlichen Einrichtungen wurde auch schon vor Abschluß des erwähnten Konkordates vom staatlichen Recht anerkannt, wie sich aus §§ 38 und ff des Gesetzes vom 7. Mai 1874, RGBl. Nr. 50, ergibt. Öffentlich-rechtliche Rechtspersönlichkeit ist aber diesen kirchlichen Einrichtungen durch staatliche Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich verliehen worden.

Die belangte Behörde hat aber die strittigen Umsätze einer Stiftung im Sinne des staatlichen Rechtes zugerechnet. Nun wurde im Verwaltungsverfahren vorgebracht, diese Stiftung habe außer der Liegenschaft, auf der das Seminar untergebracht ist, kein eigenes Vermögen. Trifft dies zu, dann muß es als fraglich erscheinen, ob die Stiftung als Trägerin der strittigen Umsätze behandelt werden kann. Denn es ist ja auch behauptet worden, daß die Kosten der Erhaltung und des Betriebes des Seminars aus den eingehenden Verpflegungskostenbeiträgen nicht bestritten werden können. Es muß dann aber eine Einrichtung vorhanden sein, die die Gebarungsabgänge des Seminars, sei es auch aus Spenden oder aus Zuschüssen irgendeiner anderen Person trägt, und als solche käme dann eben die besondere kirchliche Rechtsperson des Seminars in Betracht. Aber auch wenn man die seinerzeitige Stiftung des staatlichen Rechtes als Träger der streitigen Umsätze anerkennt, wäre die Freilassung dieser Umsätze von der Steuer aus dem Grunde der Ausübung öffentlicher Gewalt nur dann möglich, wenn diese Stiftung eine Rechtsperson des öffentlichen Rechtes ist. Nun hat zwar das Amt der Steiermärkischen Landesregierung der belangten Behörde auf ihre Anfrage mitgeteilt, daß die bischöfliche Knabenseminarstiftung CA „nach wie vor eine Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit, also eine selbständige juristische Person des öffentlichen Rechtes“ sei. Es hat aber für seine Rechtsansicht, daß das Seminar eine Rechtsperson des öffentlichen Rechtes sei, keine Gründe angegeben und die Anknüpfung dieser Feststellungen die vorhergehende, daß nämlich das Seminar weiterhin eine Stiftung mit eigener Rechtspersönlichkeit sei, durch das Wort „also“ kann nicht als eine nach den Denkgesetzen schlüssige Begründung angesehen werden. Mangels ausdrücklicher Verleihung der öffentlich-rechtlichen Rechtspersönlichkeit an die genannte Stiftung durch eine staatliche Rechtsvorschrift könnte also diese Stiftung, wenn man sie als Träger der strittigen Umsätze ansieht, nur dann als Rechtsperson des öffentlichen Rechtes angesehen werden, wenn sie kraft staatlichen Auftrages Aufgaben der öffentlichen staatlichen Verwaltung erfüllt.

An diesem Merkmal fehlt es nun aber beim beschwerdeführenden Seminar, mag dieses nun als Stiftung nach staatlichem Recht oder als kirchliche Rechtsperson anzusehen sein. Denn eine Mitwirkung an der öffentlichen staatlichen Verwaltung kann zwar bei den eigentlichen Priesterseminarien (seminaria majora, c.1354, § 2 CJC ) als erfüllt angesehen werden, weil diese Anstalten der Heranbildung jener Personen dienen, die nach den staatlichen Gesetzen berufen sind, an öffentlichen Schulen katholischen Religionsunterricht zu erteilen. Dagegen dienen die Knabenseminarien von der Art des beschwerdeführenden (seminaria minora im Sinne des c.1354) nur als Vorstufe zu den eigentlichen Priesterseminarien. Sie vermitteln in der Regel denselben Lehrstoff wie die öffentlichen Mittelschulen. Die Knaben, die sich dem geistlichen Stande widmen wollen, sind auch nicht auf die Benützung der Knabenseminarien angewiesen. Sie können die für die Aufnahme in das Priesterseminar erforderliche Vorbildung auch an anderen öffentlichen oder privaten Mittelschulen erwerben. Mithin sind die kirchlichen Knabenseminarien nicht Rechtspersonen des (staatlichen) öffentlichen Rechtes und ihre Tätigkeit ist auch keine öffentlich-rechtliche im Sinne des staatlichen öffentlichen Rechtes. Sie üben daher auch keine öffentliche Gewalt im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG. bzw. § 18 UStDB aus.

Die belangte Behörde ist somit auch in der Frage, ob die strittigen Umsätze in Ausübung der „öffentlichen Gewalt“ bewirkt wurden, wenngleich mit einer teilweise verfehlten Begründung, zum richtigen Ergebnis gekommen. Der Beschwerde konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Fundstelle(n):
XAAAF-53658