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VwGH 27.11.1979, 0855/79

VwGH 27.11.1979, 0855/79

Entscheidungsart: ErkenntnisVS

Rechtssätze


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Normen
AVG §46
StVO 1960 §5 Abs6
StVO 1960 §5 Abs7
VwGG §13 Z2
VwGG §13 Z3
RS 1
Der im § 46 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) verankerte Grundsatz, dass die Beweismittel nicht taxativ aufgezählt sind, darf bei Beurteilung der Übertretung nach § 5 Abs 1 StVO nicht soweit ausgedehnt werden, dass auch verbotenerweise erlangte Blutproben (vgl § 5 Abs 6 und 7 StVO) zur Herstellung des Schuldbeweises verwendet werden dürften (Hinweis auf = RZ 1977, 109 und die dort zitierte Literatur, wonach die zwangsweise Blutabnahme im gerichtlichen Strafprozess - und auch umsoweniger im Verwaltungsstrafverfahren - nicht zulässig ist sowie auf , wonach die verfassungsgesetzliche Ausnahmebestimmung des § 5 Abs 6 StVO einschränkend zu interpretieren ist).
Norm
StVO 1960 §5 Abs6
RS 2
Der Vorgeführte, der in Verdacht steht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,bei dem zwar keine Person getötet, der Vorgeführte aber allein erheblich verletzt wurde, ist nicht verpflichtet, bei der Untersuchung die Blutabnahme zuzulassen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1839/62 E VS RS 1
Normen
AVG §46
B-VG Art90 Abs2 implizit
MRK Art6 Abs1 implizit
StVO 1960 §5 Abs6
StVO 1960 §5 Abs7
VStG §32 Abs1
VStG §33 Abs2
VStG §40 Abs1
VwGG §13 Z2
VwGG §13 Z3
RS 3
Die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung zur Erbringung des Nachweises der Begehung einer Verwaltungsübertretung gegen einen Verkehrsteilnehmer als Beschuldigten, dem ohne dessen Verlangen oder dessen Zustimmung das Blut abgenommen worden ist, dürfen im Verwaltungsstrafverfahren nur unter der Voraussetzung verwertet werden, dass die Blutabnahme nicht gegen § 5 Abs 6 StVO verstoßen hat.
Normen
AVG §46
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs6
VwGG §13 Z2
VwGG §13 Z3
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
RS 4
Stützt die belangte Behörde einen Schuldspruch (hier: wegen § 5 Abs 1 StVO) auf das Ergebnis der Untersuchung von Blut, das dem Bfr angesichts der Sachlage nicht abgenommen werden durfte, und verletzt somit der angefochtene Bescheid ein Beweisverwertungsverbot (hier sich aus § 5 Abs 6 StVO ergebend), stellt dies eine Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Abs 2 lit c Z 3 VwGG 1965 dar.

Entscheidungstext

Beachte

Abgehen von Vorjudikatur (demonstrative Auflistung):

1021/76 E VwSlg 9468 A/1977;

1061/71 E ;

(RIS: abgv)

Besprechung in:

Verkehrsjurist des ARBÖ Nr 51/52 von Manfred KÖ;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Straßmann, Mag. Onder, Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Würth, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Meg. Novak, über die Beschwerde des FA in S, vertreten durch Dr. Walter Windhager und Dr. Herbert Gollackner, Rechtsanwälte in Salzburg, Griesgasse 17, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 9.01-13.494/1-1979, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Gendarmeriebeamter des Gendarmeriepostenkommandos Elixhausen erstattete am der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Anzeige, der Beschwerdeführer sei am um ca. 2.20 Uhr mit seinem Pkw in alkoholisiertem Zustand auf der Seekirchner Gemeindestraße gefahren. Als er zur Mattseer Landesstraße gekommen sei, habe er vermutlich den dort bestehenden Vorrang nicht beachtet. Er sei gegen den dort von JS gelenkten Pkw (Mitfahrer FM) geprallt. JS und FM seien unverletzt geblieben, der Beschwerdeführer hingegen sei schwer verletzt worden. Er sei durch die Rettung in das Landeskrankenhaus Salzburg eingeliefert worden.

Auf Ersuchen des Meldungslegers wurde dem Beschwerdeführer im Landeskrankenhaus Salzburg Blut abgenommen. Die Blutprobe ging am im Medizinisch-Chemischen Zentrallaboratorium der Landeskrankenanstalten Salzburg ein. Auf Grund der Untersuchung der Blutprobe am ergab sich folgender Blutalkoholbefund:

„a) Gaschromatographische Methode:

Ergebnis: Blutplasma 1,57 %o,

Vollblut 1,25 %o

b) Ferment-Methode:

Ergebnis: Blutplasma 1,53 %o,

Vollblut 1,28 %o.“

Es wurde folgendes Gutachten erstattet:

„In der vorliegenden Blutprobe findet sich zum Zeitpunkt der Untersuchung eine Athylalkoholkonzentration von 1,25 %o

Eine Rückrechnung auf einen früheren Zeitpunkt (z.B. auf die Unfallszeit) wurde nicht vorgenommen.“

Nachdem der Beschwerdeführer am aus dem Landeskrankenhaus entlassen worden war, wurde er vom Meldungsleger am einvernommen. Der Beschwerdeführer gab damals an, er sei am gegen 19.00 zu einer Veranstaltung, welche bis etwa 23.30 Uhr gedauert habe, nach Lamprechtshausen gefahren. Er habe dort lediglich eine Halbe Bier getrunken. Anschließend sei er zum Gasthaus Untermödlham gefahren, wo er Wein getrunken habe. Die genaue Menge sei ihm nicht mehr bekannt. Gegen 2.00 Uhr des darauffolgenden Tages sei er vom Gasthaus weggefahren, um nach Hause zu fahren.

Die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung leitete gegen den Beschwerdeführer mit Beschuldigten-Ladungsbescheid vom ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) ein. Der Beschwerdeführer gab innerhalb der ihm eingeräumten Frist keine Äußerung zu seiner Rechtfertigung ab.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um 2.20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Mattseer Landesstraße gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen, gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO wurde gegen ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 7.000,--(Ersatzarreststrafe 7 Tage) verhängt.

In der Begründung wurde ausgeführt, die Begehung der Verwaltungsübertretung sei durch die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Elixhausen, das Geständnis des Beschwerdeführers und insbesondere durch den festgestellten Blutalkoholwert erwiesen.

In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Verwertung des Blutalkoholbefundes im Verwaltungsstrafverfahren, weil die Blutabnahme einen Verstoß gegen die Verfassungsbestimmung des § 5 Abs. 6 StVO dargestellt habe. Trotz der im § 46 AVG 1950 normierten Unbeschränktheit der Beweismittel könne kein Zweifel bestehen, daß die Verwertung eines Beweismittels, das auf eine mit den Grundsätzen des Rechtsstaates nicht vereinbare Weise zustandegekommen sei, unzulässig sei. Da mit Ausnahme des Blutalkoholbefundes keine Beweismittel dafür vorhanden seien, daß sich der Beschwerdeführer am zum Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, entbehre das angefochtene Straferkenntnis jeder rechtlichen Grundlage. Das in der Begründung des Straferkenntnisses jeder rechtlichen Grundlage. Das in der Begründung des Straferkenntnisses angeführte Geständnis bestehe nicht, da der Beschwerdeführer ein derartiges Geständnis nie abgelegt habe und es auch gar nicht habe ablegen können, da er auf Grund der bei diesem Unfall erlittenen Kopfverletzung an die Vorgänge vor dem Unfall, sohin auch daran, was er vor dem Unfall getrunken habe, keine wie immer geartete Erinnerung habe. Der Beschwerdeführer stellte folgenden Beweisantrag:

„Akt U 77/78 des BG. Neumarkt

FM,

JS,

Dr. FW, Assistenzarzt,

per Adresse Landeskrankenhaus Salzburg,

Einholung eines medizinischen Gutachtens.“

Der Beschwerdeführer stellte ferner den Antrag, der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 5 Abs. 1 StVO in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

In der Begründung wurde ausgeführt, im Landeskrankenhaus Salzburg sei dem Beschwerdeführer Blut zwecks Feststellung seines Alkoholisierungsgrades abgenommen worden. Die Untersuchung des Blutes auf Alkoholgehalt habe einen Blutalkoholwert von 1,15 %o (richtig wohl: „1,25 %o“) ergeben. Daraus sei eindeutig ersichtlich, daß sich der Beschwerdeführer im Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber befunden und sohin eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe. Die Einwendungen des Beschwerdeführers bezüglich der Unzulässigkeit der Blutabnahme aus den Gründen des 5 Abs. 6 StVO seien im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1021/76, nicht zielführend. Auch in diesem Verfahren sei ein Fall vorgelegen, in welchem nach der Aktenlage die Voraussetzungen für eine Blutabnahme nach § 5 Abs. 6 StVO nicht gegeben gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof sei jedoch zum Ergebnis gekommen, daß sich die belangte Behörde zur Begründung ihres Bescheides auf das Ergebnis der unzulässigen Blutabnahme habe stützen dürfen, weil gemäß der Bestimmung des § 46 AVG 1950 (welche auch für das Verwaltungsstrafverfahren gelte) als Beweismittel alles in Betracht komme, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei. Dieser Gesetzesstelle könne aber nicht entnommen werden, daß ein Beweismittel, welches durch eine Rechtsverletzung zustandegekommen sei, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht herangezogen werden dürfe. Bei der gegebenen Beweislage erscheine die dem Beschwerdeführer angelastete Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO durch das abgeführte Ermittlungsverfahren eindeutig erwiesen und seien die Einwendungen des Beschwerdeführers nicht geeignet, einen Strafausschließungsgrund darzutun. Die Einholung des Strafaktes des Bezirksgerichtes Neumarkt U 77/78 sowie die Einvernahme der Zeugen FM, JS und Dr. FW habe als unerheblich Unterbleiben können, weil die dem Beschwerdeführer angelastete Tat bereits durch die nach dem Unfall erfolgte Blutabnahme und den darauf gegründeten Blutalkoholbefund ausreichend geklärt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der „Rechts- und Gesetzwidrigkeit“, den Beschwerdeausführungen nach, denenzufolge die Verwertung eines im Hinblick auf § 5 Abs. 6 StVO unzulässig gewonnenen Beweismittels verboten sei und denenzufolge auch sonst keine Beweise für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat vorlägen, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1021/76, die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 13 Z. 2 und Z. 3 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:

1. § 5 Abs. 6 StVO (Stammfassung) lautet:

„(6) (Verfassungsbestimmung) steht der Vorgeführte im Verdacht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, so hat die Untersuchung, wenn dies erforderlich und ärztlich unbedenklich ist, eine Blutabnahme zu umfassen.“

Die Absätze 7 und 7a des § 5 StVO, in der Fassung des Bundesgesetzes BGB1. Nr. 204/1964, lauten:

„(7) Ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt hat eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes auch vorzunehmen, wenn sie ein Vorgeführter verlangt oder ihr zustimmt oder wenn sonst eine Person, die im Verdacht steht, eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a begangen zu haben,. ... eine solche Blutabnahme verlangt.“

„(7a) Zum Zwecke einer Blutabnahme sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die im Abs. 4 genannten Personen erforderlichenfalls auch einem diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt vorzuführen. Dieser hat in den Fällen der Abs. 6 und 7 eine Blutabnahme zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen.“

2. In der Wendung „Verkehrsunfall ..., bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist“, in § 5 Abs. 6 StVO, ist das Wort Person - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 1839/62, ausführlich dargelegt hat - dahin zu verstehen, daß es sich um eine andere Person als den im Verdacht einer Alkoholisierung stehenden Lenker eines Fahrzeuges handeln muß.

3. Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich an daß dem Beschwerdeführer im Landeskrankenhaus Salzburg „zwecks Feststellung seines Alkohollierungsgrades“ Blut abgenommen wurde. Im übrigen aber nahm die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht etwa als erwiesen an, daß der Beschwerde-führer eine Blutabnahme verlangt oder einer solchen zugestimmt hätte. Sie nahm auch - entsprechend der Aktenlage - nicht als erwiesen an, daß bei dem Verkehrsunfall am 25. Februar I978 außer dem Beschwerdeführer auch noch eine andere Person verletzt worden wäre. Bei dem Sachverhalt, von dem die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausging, durfte dem Beschwerdeführer im Sinne des § 5 Abs. 6 StVO Blut nicht abgenommen werden.

4. Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 1913/67, hatte der Verwaltungsgerichtshof Anlaß zur Feststellung, daß die damalige belangte Behörde sich nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Abnahme des untersuchten Blutes durch eine Krankenschwester und hinsichtlich der Verwechslung der Blutprobe auseinandergesetzt habe und den angefochtenen Bescheid daher nicht auf das Ergebnis der Alkoholuntersuchung hätte stützen dürfen.

Im Anschluß an diese Feststellung führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

„Nicht nur aus den oben angeführten Gründen hätte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf das Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung stützen dürfen. Es war auch unzulässig, dem Beschwerdeführer im Krankenhaus ohne seine Zustimmung Blut zur Alkohol-untersuchung abzunehmen. Eine solche Blutabnahme ist gemäß § 5 Abs. 6 StVO nur dann zulässig, wenn die betreffende Person im Verdacht steht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine vom Untersuchten verschiedene Person getötet oder erheblich verletzt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 1839/62).“

Mit diesen Sätzen wird klar zum Ausdruck gebracht, daß das Ergebnis der Untersuchung von unzulässig abgenommenem Blut im Rahmen der Beweisführung im Verwaltungsstrafverfahren zulasten des Beschuldigten nicht verwertet werden darf.

In den Erkenntnissen vom , Zl. 1061/71, und vom , Slg. Nr. 9468/A/1977, ging der Verwaltungsgerichtshof hingegen von der Rechtsauffassung aus, daß der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel im Sinne des § 46 AVG 1950 durch die Regelung des § 5 Abs. 6 StVO nicht durchbrochen werde.

5. Der Verwaltungsgerichtshof kann diesen letzteren Standpunkt aus folgenden Gründen nicht mehr aufrechterhalten:

Bei der Auslegung des § 5 Abs. 6 StVO kommt es darauf an, die positivrechtliche Wertung, die mit den in dieser Bestimmung verwendeten Worten untrennbar verbunden ist, zu erfassen und die Beziehungen, die zwischen der Verfassungsbestimmung des § 5.Abs. 6 StVO auf der einen Seite und den einfachgesetzlichen Bestimmungen, mit denen § 5 Abs. 6 StVO dem Sinnzusammenhang nach verknüpft ist, nämlich den §§ 5 Abs. 7 StVO und 32 Abs. 1, 33 Abs. 2 und 40 Abs. 1 VStG 1950, auf der anderen Seite zu beachten.

§ 5 Abs. 6 StVO stellt eine ausdrücklich in den Rang einer Verfassungsbestimmung erhobene Ausnahmsbestimmung dar. Nach der zutreffenden Ansicht des Handelsausschusses in seinem Bericht 240 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates IX. GP, S. 3, ist nämlich die zwangsweise Blutabnahme im gerichtlichen Strafprozeß nicht zulässig, umsoweniger im Verwaltungsstrafverfahren (zum gerichtlichen Strafverfahren vgl.  RZ 1977, S. 109 und die dort zitierte Literatur). Die verfassungsgesetzliche Ausnahmebestimmung ist aber streng, das heißt einschränkend, zu interpretieren (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 1839/62 ZVR 1965/52). Dies ergibt, daß der im § 46 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) verankerte Grundsatz, daß die Beweismittel nicht taxativ aufgezählt sind, bei Beurteilung der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO nicht soweit ausgedehnt werden durfte, daß auch verbotenerweise verlangte Blutproben zur Herstellung des Schuldbeweises verwendet werden dürften.

Es ist weiters zu bedenken, daß der Beschuldigte nach § 32 Abs. 1 VStG 1950 Partei im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist, daß er nach § 33 Abs. 2 VStG 1950 zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden kann und daß die Behörde nach § 40 Abs. 1 VStG 1950 dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben hat, sich zu rechtfertigen. Diese Regelungen räumen dem Beschuldigten die Stellung als Partei, d.h. als Rechtssubjekt im Verwaltungsstrafverfahren ein und verlangen von der Behörde die Beachtung der Freiheit seiner Verantwortung. Bei der zwangsweisen Blutabnahme ist der Beschuldigte ein den Beweiszielen der Behörde dienstbares Untersuchungsobjekt. Beachtet man den inhaltlichen Zusammenhang, der zwischen den angeführten einfachgesetzlichen Regelungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 und des § 5 Abs. 7 Straßenverkehrsordnung einerseits und der Verfassungsbestimmung des § 5 Abs. 6 Straßenverkehrsordnung andererseits besteht, so führt das zu dem Schluß, daß die Ergebnisse einer Blutalkoholuntersuchung zur Erbringung des Nachweises der Begehung einer Verwaltungsübertretung gegen einen Verkehrsteilnehmer als Beschuldigten, dem ohne dessen Verlangen oder ohne dessen Zustimmung das Blut abgenommen worden ist, im Verwaltungsstrafverfahren nur unter der Voraussetzung verwertet werden dürfen, daß die Blutabnahme nicht gegen § 5 Abs. 6 StVO verstoßen hat.

6. Die belangte Behörde stützte die Bestätigung des Schuldspruches wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO auf das Ergebnis der Untersuchung von Blut, das dem Beschwerdeführer angesichts der Sachlage, von der der angefochtene Bescheid ausging, nicht abgenommen werden durfte. Der angefochtene Bescheid verletzt somit das sich aus § 5 Abs. 6 StVO für das Verwaltungsstrafverfahren ergebende Beweisverwertungsverbot. Dies stellt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7. Soweit vorstehend nichtveröffentlichte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes angeführt wurden, wird auf die Bestimmung des Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

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Normen
AVG §46
B-VG Art90 Abs2 implizit
MRK Art6 Abs1 implizit
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §5 Abs6
StVO 1960 §5 Abs7
VStG §32 Abs1
VStG §33 Abs2
VStG §40 Abs1
VwGG §13 Z2
VwGG §13 Z3
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
Sammlungsnummer
VwSlg 9975 A/1979
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Beweismittel rechtswidrig gewonnener Beweis Verfahrensbestimmungen Allgemein "zu einem anderen Bescheid"
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1979:1979000855.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-53379