VwGH 15.11.1976, 0849/76
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Da der Landesargrarsenat kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 5 Abs 1 des Agrarbehördengesetzes, beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtet ist und dieses Amt der Tiroler Landesregierung sowohl Agrarbehörde erster Instanz als auch der Hilfsapparat des Landesagrarsenates als Agrarbehörde zweiter Instanz ist, gereicht dem Bfr die Adressierung der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingebrachten Berufung an den Landesagrarsenat nicht zum Nachteil, weil beide Behörden kraft Gesetzes dieselbe Einbringungsstelle haben. (Hinweis auf Entscheidungen des OGH) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hinterauer und die Hofräte Dr. Knoll, Dr. Leibrecht, Dr. Schima, Dr. Hrdlicka, Dr. Kirschner, Öhler, Dr. Hoffmann und DDr. Hauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsoberkommissär Dr. Oswald, über die Beschwerde des P F in O, vertreten durch Dr. Hermann Schöpf, Rechtsanwalt in Landeck, Urichstraße 12, gegen das Erkenntnis (Bescheid) des Obersten Agrarsenates beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 710.100/01-OAS/75, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.190,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz hat am den Zusammenlegungsplan für das Zusammenlegungsgebiet O erlassen. Die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid wurde vom Landesagrarsenat mit Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen, der Behörde erster Instanz jedoch aufgetragen, den untersten Teil des Grabens auf der Abfindung 2169 auf eine Länge von 12 m zu verrohren und das Wasserreservoir auf Go. 2151 soweit zu beseitigen, daß es keine Unfallgefahr bildet. Das Erkenntnis enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß eine allfällige Berufung binnen zwei Wochen beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz in Innsbruck, Altes Landhaus, einzubringen ist. Die dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wurde am zur Post gegeben und ist an den Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung gerichtet. Dieses Rechtsmittel langte laut Einlaufstampiglie am beim Amt der Tiroler Landesregierung ein, wobei zusätzlich zur Einlaufstampiglie „Amt der Tiroler Landesregierung“ das Schriftstück mit der Stampiglie „Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung“ versehen wurde. Im Akt befindet sich sodann der mit datierte Vermerk „Urschriftlich dem Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbeh. I. Instanz zur weiteren Veranlassung im Sinne des § 6 AVG weitergeleitet“. Dieser Aktenvermerk ist mit „Der Vorsitzende des Landesagrarsenates i.V.“ unterfertigt. Auf derselben Seite unterhalb dieses Aktenvermerkes ist handschriftlich mit Datum die Zahl 166/50 Agrarbeh. I. Instanz festgehalten.
Die Erstbehörde legte im Dienstwege der belangten Behörde die Akten zur Entscheidung über das Rechtsmittel vor. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Obersten Agrarsenates wurde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die Berufung trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung nicht an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz, sondern an den Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung adressiert gewesen sei. Von dieser Behörde sei die Berufung unverzüglich an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz als der richtigen Einbringungsstelle weitergeleitet worden, wo sie am , also nach Ablauf der Berufungsfrist, eingelangt sei. Die Weiterleitung einer bei einer unrichtigen Stelle eingebrachten Berufung an die richtige Einbringungsstelle erfolge gemäß § 6 Abs. 1 AVG stets auf die Gefahr des Einschreiters.
Gegen diesen Bescheid des Obersten Agrarsenates richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer behauptet, der Oberste Agrarsenat sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß seine Berufung als nicht rechtzeitig erhoben anzusehen sei. Es wird ausgeführt, nach Meinung des Beschwerdeführers könne aus der Formulierung des § 2 Agrarverfahrensgesetz geschlossen werden, der Landesagrarsenat sei allein Unterbehörde des Obersten Agrarsenates, sodaß Berufungen beim Landesagrarsenat einzubringen seien. Die Rechtzeitigkeit der Berufung ergebe sich auch daraus, daß sowohl der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung als auch die Agrarbehörde erster Instanz in Innsbruck in dem Alten Landhaus untergebracht sei, wobei sie sogar eine gemeinsame Einlaufstelle hätten. Daraus folge, daß eine an den Landesagrarsenat gerichtete Berufung in dieselbe Geschäftsstelle komme, als ein an die Agrarbehörde erster Instanz gerichtetes Rechtsmittel. Schließlich sei darauf hinzuweisen, daß der Oberste Agrarsenat dadurch, daß er eine örtliche Erhebung anberaumt habe, auf die Sache selbst eingegangen sei.
Über die Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 13 Z. 3 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:
Nach § 63 Abs. 5 Satz 1 AVG 1950 ist die Berufung von der Partei schriftlich oder telegraphisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Für die Behördenorganisation und den Instanzenzug in den Angelegenheiten der Bodenreform ergibt sich aus § 1 Abs. 2 des Agrarbehördengesetzes 1950, BGBl. Nr. 1/1951, der durch die Agrarbehördengesetz-Novelle 1974, BGBl. Nr. 476, nicht berührt wurde, daß in erster Instanz Agrarbezirksbehörden, in zweiter Instanz Landesagrarsenate bei den Ämtern der Landesregierungen und in oberster Instanz der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft zuständig sind. Nach § 3 Abs. 2 leg. cit. kann jedoch die Landesgesetzgebung bestimmen, daß von der Einrichtung von Agrarbezirksbehörden abgesehen wird und die Entscheidung in erster Instanz dem Amt der Landesregierung zusteht. Von dieser Möglichkeit hat der Tiroler Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht und gemäß § 1 des Gesetzes vom , LGB1. Nr. 32, die Entscheidung in erster Instanz dem Amt der Tiroler Landesregierung übertragen. Da der Landesagrarsenat kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 5 Abs. 1 des Agrarbehördengesetzes, beim Amt der Tiroler Landesregierung eingerichtet ist und das Amt der Tiroler Landesregierung sowohl Agrarbehörde erster Instanz als auch der Hilfsapparat des Landesagrarsenates als Agrarbehörde zweiter Instanz ist, gereicht dem Beschwerdeführer die Adressierung der beim Amt der Tiroler Landesregierung eingebrachten Berufung an den Landesagrarsenat nicht zum Nachteil, weil beide Behörden kraft Gesetzes dieselbe Einbringungsstelle haben. Die Richtigkeit dieser Erwägung ergibt sich auch daraus, daß der Sinn der Vorschrift des § 63 Abs. 5 Satz 1 AVG 1950 darin gelegen ist, eine Übersendung der Akten, die bei der Behörde erster Instanz erliegen, zu ermöglichen.
Auch eine Auslegung des § 6 Abs. 1 AVG 1950 führt zu demselben Ergebnis. Nach der genannten Gesetzesstelle hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und sie hat dann, wenn bei ihr Anbringen einlangen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen. Ein Weiterleiten des Schriftstückes auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle im Sinne des § 6 Abs. 1 AVG 1950 kommt bei Behörden, die über eine gemeinsame Einbringungsstelle verfügen, nicht in Betracht.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß der Oberste Gerichtshof - allerdings auf Grund anderer Organisationsvorschriften - in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, daß die unrichtige Adressierung eines Rechtsmittels an die zweite Instanz dem Einschreiter nicht schadet, wenn Erstgericht und Rechtsmittelgericht eine gemeinsame Einlaufstelle haben (vgl. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom , Arb. 7958, vom , EvBl. 1959 Nr. 60, vom , EvBl. 1951, Nr. 150 a.u.).
Auf Grund der angeführten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet und war gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975.
Wien,
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | Vwslg 9181 A/1976 |
Schlagworte | Verfahrensbestimmungen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1976:1976000849.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-53368