VwGH 27.10.1972, 0836/72
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Personen, die, ohne Gewerbetreibende zu sein, in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung eines Übersetzungsbüros Übersetzungsarbeiten durchführen, sind nicht Heimarbeiten im Sinne des § 2 Abs 1 lit a des Heimarbeitergesetzes 1960 und daher auch nicht nach § 4 Abs 1 Z 7 ASVG vollversichert. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Härtel, Dr. Raschauer, Dr. Zach und DDr. Heller als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Leberl, über die Beschwerde der prot. Firma S in Wien und AN in W, beide vertreten durch Dr. Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntnerring 3, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , Zl. 121.088/2-11/72 (mitbeteiligte Parteien: Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien I, Wipplingerstraße 28, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Webergasse 2-6, und Landesarbeitsamt Wien in Wien I, Weihburggasse 30), betreffend Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958, nach am durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Hans Pfersmann, des Vertreters der belangten Behörde Ministerialrat OM, sowie des Vertreters der Wiener Gebietskrankenkasse Dr. HN, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 2.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte sprach mit Bescheid vom aus, daß die zweitbeschwerdeführende Partei auf Grund ihrer Beschäftigung als Heimarbeiterin bei der erstbeschwerdeführenden Partei vom bis , vom bis und vom bis gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 ASVG bzw. ab gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG in der Fassung der 20. Novelle, BGBl. Nr. 201/1967, und § 1 Abs. 1 lit. c AlVG 1958 der Voll(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege, daß jedoch vom bis die zweitbeschwerdeführende Partei gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen sei und in weiterer Folge auch keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestehe. Weiters sprach die genannte Krankenkasse mit dem bezeichneten Bescheid aus, daß die erstbeschwerdeführende Partei als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 58 Abs. 2 dieses Gesetzes verpflichtet sei, unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG und § 62 Abs. 2 AlVG 1958 allgemeine Beiträge in der Gesamthöhe von S 7.345,08 an die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beiden beschwerdeführenden Parteien einen Einspruch, dem der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge gab; er änderte den von der Krankenkasse erlassenen Bescheid ab und stellte gemäß §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die zweitbeschwerdeführende Partei hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die erstbeschwerdeführende Partei der Versicherungspflicht in der Voll- und Arbeitslosenversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) auf Grund des § 4 Abs. 1 und 2 ASVG und § 1 Abs. 1 AlVG 1958 in der Zeit vom bis , vom bis und vom bis nicht unterlegen sei; die erstbeschwerdeführende Partei sei daher gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 58 Abs. 2 ASVG nicht verpflichtet, die mit dem Bescheid der Krankenkasse vorgeschriebenen Beiträge in der Höhe von S 7.345,08 an die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zu bezahlen. Der Landeshauptmann von Wien begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Frage der Versicherungspflicht bei der in Rede stehenden Beschäftigung der zweitbeschwerdeführenden Partei als Übersetzerin mangels persönlicher Arbeitspflicht und örtlicher Bindung zu verneinen gewesen sei und daß - entgegen der in der Begründung des Bescheides der Krankenkasse vertretenen Rechtsanschauung - die bezeichnete Beschäftigung schon nach ihrer Art, aber auch wegen des Fehlens einer persönlichen Arbeitspflicht nicht als eine nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz versicherungspflichtige Beschäftigung eines Heimarbeiters im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes 1960, BGBl. Nr. 105/1961, angesehen werden könne.
Gegen diesen Bescheid brachte die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte die Berufung ein, der die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 Folge gab; in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien entschied sie, daß die zweitbeschwerdeführende Partei auf Grund ihrer Beschäftigung als Heimarbeiterin bei der erstbeschwerdeführenden Partei in der Zeit vom 1. Februar bis , vom bis und vom 1. November bis der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und dem Arbeitslosenversichergesetz 1958 unterliege, jedoch vom 1. Jänner bis gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG von der Voll- und damit auch von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommen gewesen sei; die genannte Dienstgeberin - die erstbeschwerdeführende Partei - sei daher zur Entrichtung der für die zweitbeschwerdeführende Partei fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 7,345,08 an die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte verpflichtet.
Die belangte Behörde gab in der Begründung ihres Bescheides vorerst den Gang des Verfahrens wieder. Sodann führte sie aus, es müsse bei der Beurteilung der im vorliegenden Fall zur Entscheidung stehenden Frage, ob die zweitbeschwerdeführende Partei auf Grund der von ihr für die erstbeschwerdeführende Partei während der im Spruch des Bescheides angeführten Zeiträume durchgeführten Übersetzungsarbeiten als Heimarbeiterin im Sinne des Heimarbeitsgesetzes anzusehen sei und als solche gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG und gemäß § 1 Abs 1 lit. c AlVG 1958 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei, davon ausgegangen werden, daß nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes 1960 Heimarbeiter derjenige sei, welcher, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbst gewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergäben mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt gewesen sei. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, betreffend das Heimarbeitsgesetz (21 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VII. GP.), sei der im § 2 des bezeichneten Gesetzes verwendete Begriff "Ware" extensiv auszulegen. Weder aus dem Gesetzestitel "Heimarbeitsgesetz" noch aus den darin enthaltenen Bestimmungen ergäben sich Anhaltspunkte dafür, daß als Heimarbeiten im Sinne des Heimarbeitsgesetzes 1960 nur manuelle Arbeiten angesehen werden könnten. So habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 6957/A, entschieden, daß auch die Herstellung von Adressenlisten - somit die Verarbeitung von schriftlichem Material in neuer Schriftarbeit - unter das Heimarbeitsgesetz 1960 falle. Als Waren seien alle körperlichen Sachen anzusehen, die dazu dienten, an Interessenten entgeltlich veräußert zu werden. Das Gesetz führe nicht nur die Verarbeitung oder Verpackung, sondern ganz allgemein die Herstellung von Waren an. Die Herstellung könne daher für sich allein Gegenstand der Heimarbeit bilden; es sei nicht notwendig, daß die Waren einer Verarbeitung oder Verpackung fähig seien. Der Verwaltungsgerichtshof sei in diesem Erkenntnis insbesondere der Ansicht des damaligen Beschwerdeführers entgegengetreten, daß die Tätigkeit des Zusammenstellens von Adressen in Listen nur auf Grund der oben angeführten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des nachmaligen Heimarbeitsgesetzes - diese besagten ausdrücklich, daß die im § 2 verwendeten Begriffe der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung und Verpackung von Waren weit auszulegen seien und daher u. a. auch die Herstellung von fremdsprachigen Übersetzungen und das Adressenschreiben umfaßten - in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen werden könnten. Die Berufungsbehörde habe daher keine rechtlichen Bedenken gegen die Annahme, daß grundsätzlich Personen, die Übersetzungen in Heimarbeit durchführten, dem Heimarbeitsgesetz 1960 unterstellt werden könnten. Unter Bedachtnahme auf diese Rechtsdarlegungen im Zusammenhalt mit der unbestritten gebliebenen Tatsache, daß die erstbeschwerdeführende Partei Übersetzungsarbeiten von Auftraggebern übernehme, diese den Übersetzern, so auch der zweitbeschwerdeführenden Partei, gegen ein jeweils nach Zeilen berechnetes Entgelt zur Erledigung weitergebe und den Auftraggebern eine Rechnung ausstelle, sei die angerufene Behörde im Gegensatz zu der vom Landeshauptmann von Wien vertretenen Rechtsanschauung zu der Auffassung gelangt, daß die zweitbeschwerdeführende Partei auf Grund der von ihr in eigener Wohnung für die erstbeschwerdeführende Partei durchgeführten Übersetzungsarbeiten als Heimarbeiterin im Sinne des Heimarbeitsgesetzes 1960 anzusehen sei und als solche während der im Spruch angeführten Zeiträume der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG und damit auch der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. c AlVG 1958 unterlegen sowie daß sie vom 1. Jänner bis gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG in Verbindung mit § 11 Abs. 4 des bezeichneten Gesetzes von der Vollversicherungspflicht und damit von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommen gewesen sei. Sohin sei der Berufung stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Heimarbeiter und die diesen nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften über die Heimarbeit arbeitsrechtlich gleichgestellten Personen versichert (vollversichert). Die Zweitbeschwerdeführerin AN wurde im angefochtenen Bescheid in ihrer Tätigkeit als Übersetzerin für die Erstbeschwerdeführerin als Heimarbeiterin angesehen. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz enthält keine Definition des Heimarbeiters. Das Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl. Nr. 105/1961, enthält im § 1 die Festlegung, daß es für Heimarbeiten jeder Art, ausgenommen die Heimarbeit im Rahmen der Land- und forstwirtschaftlichen Produktion, gelte. Im § 2 Abs. 1 lit. a desselben Gesetzes wird der Heimarbeiter wie folgt definiert:
"Heimarbeiter im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer, ohne Gewerbetreibender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbstgewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren beschäftigt ist."
Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend das Heimarbeitsgesetz (21 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VII. GP.) sind die Begriffe der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren "weit auszulegen. So wird zum Beispiel unter der Herstellung von Waren auch die Herstellung von fremdsprachigen Übersetzungen und das Adressenschreiben zu verstehen sein, und das Verpacken von Waren schließt auch das Adjustieren, Sortieren und Abfüllen von Waren ein."
Diese Überlegungen werden in der Literatur übernommen (Weissenberg: Heimarbeitsgesetz, Wien 1967, Seite 2, Hempel-Pigler: Heimarbeitsgesetz, Wien 1962, Seite 7, Dittrich-Veit-Tales: Arbeitsrecht, Wien 1963, Seite 1869).
An dieser Stelle sei auch erwähnt, daß Hermann Haemmerle in dem Werk "Arbeitsvertrag" Wien 1949, S. 74, der Meinung Ausdruck gibt, daß, da die Arbeitsleistung des Heimarbeiters körperlicher oder geistiger Art sein könne (z. B. schriftstellerische, wissenschaftliche, künstlerische Arbeit), die Frage nach einer Unterordnung der höheren Dienstleistungen unter den Begriff der Heimarbeit zusätzlich in den Kreis der juristischen Betrachtungen trete. Wie sich die Gesetzgebung mit dieser Frage abgefunden habe, werde an späterer Stelle erörtert werden. In der Folge findet sich jedoch nur die Anschauung ausgedrückt, daß die von den Heimarbeitern geleistete Arbeit gewerblicher Natur sei. Dagegen findet sich etwa in den Werken von Arthur Nikisch "Arbeitsrecht", Tübigen 1955, und von Alfred Hueck und Hans Carl Nipperdey "Lehrbuch des Arbeitsrechtes", 7. Auflage, Berlin-Frankfurt 1963, kein Hinweis auf das Verhältnis zwischen Heimarbeit und schriftstellerischer oder Übersetzerarbeit.
Von den verschiedenen Gründen, die in der Beschwerde gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides angeführt werden, seien zunächst jene Erwägungen geprüft, die unter Heranziehung der Eigenschaft der Übersetzungstätigkeit als "geistig hochqualifizierter" Arbeit gegen die Anwendbarkeit des Begriffes "Ware" auf die Übersetzung gerichtet sind. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beschwerde dargelegt, daß der Qualifikation der Übersetzung als Ware oder der Ablehnung dieser Qualifikation grundlegende Bedeutung zukomme. Er hat sich ferner darauf berufen, daß bei klarem Wortlaut des Gesetzes nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Höchstgerichte den Materialien keine Bedeutung zukomme.
Da die Voraussehbarkeit der Vollziehungsvorgänge eines der Grundanliegen des Rechtsstaates darstellt, ist in der Tat, sofern vom Gesetzgeber eine vom Sprachsinn abweichende Bedeutung eines Wortes beabsichtigt ist, im Gesetz eine entsprechend erweiternde oder einschränkende Definition zu geben. Nur wenn Zweifel bestehen, kann den Materialien entscheidende Bedeutung zukommen (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 2649/A, vom , Zl. 734/68, ferner das Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 3330/A, sowie die Erkenntnisse vom , Zl. 1401/68, und vom , Zl. 2228/70, ferner die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 4340, und vom , Slg. 4442, und des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 60/72).
Bei der Prüfung der Beziehung zwischen den Worten und Begriffen "Ware" und "Übersetzung" ist zunächst auf die von der belangten Behörde in der Verhandlung vorgetragene Erwägung einzugehen, nach der die Übersetzungsarbeiten einschließende Auslegung des Begriffes "Ware" nach § 2 Abs. 1 lit. a des Heimarbeitsgesetzes 1960 durch § 1 selben Gesetzes gedeckt sei.
§ 1 des Gesetzes trägt der kompetenzrechtlichen Situation Rechnung (Art. 12 Abs. 1 Z. 4 B-VG). Die Worte "Heimarbeiten aller Art" bedeuten nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, daß mit der angeführten Ausnahme jede daheim verrichtete Arbeit dem Gesetz unterliege. Der Begriff "Heimarbeiten" selbst entspricht nämlich schon einer in der wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung hervorgetretenen Arbeitsform; die positiven juristischen Konturen dieser Form aber werden durch die Definition des § 2 umschrieben. Sowohl die Definition des Heimarbeiters wie auch die des Zwischenmeisters und des Auftraggebers enthalten in verschiedener sprachlicher Gestalt die Elemente "Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren".
So ist es notwendig, den Begriff der Ware einer Untersuchung zuzuführen. Als Hilfsmittel bieten sich hiefür zunächst Wörterbücher an.
Ein verhältnismäßig enger Begriff der Ware findet sich in Duden's "Bedeutungswörterbuch 1970". Waren sind darnach Gegenstände, die in großer Zahl zum Kauf angeboten werden und als Sachen des täglichen Lebens häufig gekauft werden. Dieser Begriff erweist sich, auch wenn man von den Materialien absieht, gewiß als zu eng; bei seiner Anwendung könnte beispielsweise die Anwendung auf einen überlieferten Gegenstand der Heimarbeit, nämlich auf die "Büchsenmacherei" (erwähnt im Bereich der Allgemeinen Heimarbeitskommission in der Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 135), fraglich sein. Wie der Vertreter der belangten Behörde in der Verhandlung richtig ausgeführt hat, wird Ware als "Handelsgut" verstanden. Diese Bedeutung findet sich auch als primäre Bedeutung in Grimm's Deutschem Wörterbuch, 13. Band 1922. Der "Große Brockhaus" führt in der 16. Auflage an: "Ware - allgemein das Handelsgut im Unterschied von immateriellen Gütern und Dienstleistungen". In einem weiteren Sinn ist Ware auch der Gegenstand von Werkverträgen mit Handwerkern (vgl. auch hiezu Grimm's Deutsches Wörterbuch). Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, daß damit aufgezeigt ist, ein erweiterter Warenbegriff umfasse Handelsgut und Handwerksgut. Der Vertreter der belangten Behörde hat in der Verhandlung aus dem Werk "ökonomisches Lexikon", Berlin 1967, die Definition der Ware angeführt, nach der sie "Produkt menschlicher Arbeit sei, das für andere gesellschaftlichen Gebrauchswert besitze, dem anderen, dem es als Gebrauchswert diene, durch den Austausch übertragen werde" und über Kauf und Verkauf in die Konsumtion gelange. Der von Karl Marx stammende, durch Anführung hervorgehobene Teil der Definition entspricht der Umgangssprache nicht, wie der Befund der Sprachwörterbücher zeigt. Die Beifügung "und über Kauf und Verkauf in die Konsumtion gelangt" trifft aber auf die Übersetzung, wie noch gezeigt werden wird, nicht zu.
Auch in der Sprache, die die Wissenschaft bei der Auslegung österreichischer Gesetze verwendet, werden ähnliche Begriffe gebildet wie in der Umgangssprache. So bestimmen Franz Reeger und Gerhard Stoll in ihrem Kommentar zur Bundesabgabenordnung, Wien 1966, Seite 444 f, bei Auslegung des § 127 BAO den Begriff der "Ware" wie folgt:
"Jene körperlichen (beweglichen), nicht auch unbeweglichen Gegenstände, die nach der Art des Betriebes üblicherweise zum Zwecke der gewerblichen Weiterveräußerung erworben werden, nicht auch Rechte."
Waren im Sinne des Zollgesetzes 1955, BGBl. Nr. 129 sind nach § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes "bewegliche körperliche Sachen aller Art". Das noch geltende österreichische Umsatzsteuergesetz, BGBl. Nr. 300/1958 in der derzeit geltenden Fassung, unterscheidet im § 3 zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen. Die Leistungen aus Werkverträgen gelten als sonstige Leistungen, nicht als Lieferungen, wenn der Hersteller nicht einen Hauptstoff beistellt.
Der Gegenstand eines Übersetzungsvertrages ist eine individuelle Leistung geistiger Art. Zum Wesen der Übersetzung ist etwa in der vom Institut für Arbeitskunde und Berufseignungsforschung in Wien erarbeiteten Österreichischen Berufskartei im Berufsblatt "Der Dolmetsch und Übersetzer" folgendes enthalten:
Die Übersetzung erfolgt entweder als eine Her- oder Hin-Übersetzung, d. h. aus fremdsprachlichem Text in die Muttersprache oder umgekehrt, wobei wiederum das Her-Übersetzen relativ leichter fällt. Aufgaben bei der Her-Übersetzung: Die wesentliche Leistung liegt nicht in einer wortgetreuen Übersetzung, sondern in der Erfassung der idiomatischen Eigenheiten der Fremdsprache und ihrer sinngemäßen Wiedergabe. In jeder lebenden Sprache gibt es jeweils typische Wendungen, innerhalb der verschiedenen Lebensbereiche werden oft für den gleichen Inhalt verschiedene Wörter verwendet. Die entscheidende Leistung des Übersetzens besteht in der Umwandlung des fremdsprachlichen Stiltypus in den sinngemäß analogen Stil der Muttersprache und umgekehrt. Bei Übersetzung fachlicher Texte ist unbedingt ausgiebige Kenntnis des betreffenden Fachgebietes, Heranziehung von Fachwörterbüchern u. ev. Kontrolle des übersetzten Textes durch einen Fachmann notwendig. Bei der Hin-Übersetzung erhöhen sich die Anforderungen an die richtige Wiedergabe: ein sprachlich richtig übertragener Text kann unter Umständen trotzdem falsch sein oder irreführend wirken, z. B. bei Werbeschriften vollkommen wirkungslos bleiben. Kenntnis der aktuellen Wortbedeutungen, Neubildungen, Schlagworte u. a. sind wichtig. Die gesamte Übersetzungstätigkeit kann nur auf Grund sehr guter Beherrschung schon der Muttersprache, aber auch genaueste Kenntnis der Fremdsprache durchgeführt werden. Feingefühl für Spracheigenheiten, gutes Einfühlungsvermögen und Ausdrucksleichtigkeit sind die Grundlage der oft mühsamen Übersetzertätigkeit. Höchste Anforderungen bei Übersetzung literarischer Werke (Stilgefühl); eine gute Übersetzung in solchen Fällen ist das Ergebnis einer gesamtpersönlichen Leistung, für die oft ein beachtliches Niveau erforderlich ist.
Gegenstand des Übersetzungsvertrages ist also ein geistiges Werk. Bei der Hervorhebung der Geistigkeit wird nicht etwa der geistige Gehalt manueller Arbeit verkannt, oder rein geistige Arbeit unkritisch überbewertet, sondern nur davon ausgegangen, daß dieser Gesichtspunkt in Verbindung mit anderen Merkmalen im Zusammenhang mit dem Begriff "Ware" Bedeutung hat. Beim Abschluß des Vertrages zwischen dem Besteller und dem Übersetzungsbüro liegt keine persönliche Leistungspflicht vor, wohl aber ist das geistige Werk unter persönlicher Verantwortung des Unternehmers auszuführen (§ 1165 ABGB). Diese Verantwortung ändert aber nichts daran, daß die Übersetzung, die der Übersetzer an das Büro liefert, weder Handelsgut noch Handwerksgut ist. Diesem individuellen geistigen Werk fehlt der Charakter einer Ware. Das Übersetzungsbüro verändert die Übersetzung auch nicht zur Ware, wie dies auf Grund des Verlagsvertrages mit dem Manuskript des Autors durch Herstellung des Buches ab dem Zeitpunkt dieser Herstellung der Fall ist.
In dem von der belangten Behörde herangezogenen Fall des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. 6957/A, handelt es sich wohl um Schreibarbeiten, die nicht ohne weiteres als Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Waren aufgefaßt werden; doch hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgestellt, daß die Listen offenbar dazu dienten, an Interessenten entgeltlich veräußert zu werden, und hat sie in diesem Sinn als Gegenstände des Handelsverkehrs angesehen. Der Vertrag zwischen dem Besteller der Übersetzung und dem Übersetzungsbüro ist, wie oben ausgeführt, kein Kaufvertrag, keine entgeltliche Veräußerung, sondern ein Werkvertrag über ein Werk besonderer geistiger Art. Schon deshalb steht das angeführte Erkenntnis mit den vorstehenden Erwägungen, deren Ergebnis es war, daß die Übersetzung keine Ware darstelle, nicht in Widerspruch.
Mit diesen Überlegungen wird zu der Frage, ob es bei dem Begriff "Ware", hierauf die typische Eigenschaft als Handelsgut (Handwerksgut) oder auf diese Eigenschaft in den konkreten Zusammenhängen ankomme, noch nicht Stellung genommen.
Es soll jedoch noch untersucht werden, ob allenfalls eine über den allgemeinen Sprachsinn des Wortes "Ware" hinausgehende berichtigende Auslegung in Erwägung gezogen werden könnte, um einem klar erkennbaren Gesamtsinn des Gesetzes Rechnung zu tragen, weil das erzielte Auslegungsergebnis sonst als "überspitzt" gelten müßte (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 3102/53).
Betrachtet man nun die einzelnen zum Schutz der Heimarbeiter geschaffenen Einrichtungen, die allgemeinen Schutzbestimmungen über die Anzeige bei erstmaliger Vergebung von Heimarbeit, über die Listenführung, über die Bekanntgabe der Arbeits- und Lieferungsbedingungen, über das Abrechnungsbuch, die Ausgabe und Ablieferung der Heimarbeit und den Gefahrenschutz, so scheinen sie zumindest in erster Linie auf die Heimarbeit im überlieferten Sinn, auf eine Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpackung von Handelsgut bzw. Handwerksgut zugeschnitten zu sein. Ähnliches gilt für die Bestimmungen des III. Hauptstückes des Gesetzes.
Der Sinn des Gesetzes liegt in der Erfassung eines besonderen Verhältnisses, das zwar nicht durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit im spezifischen Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gekennzeichnet ist - die vom Gesetzgeber hier verwendeten Begriffe waren vor der Übernahme in den Gesetzestext von der Rechtsprechung ausgeformt worden - , für das aber offenbar, eine bedrohliche Abhängigkeit in einem anderen allgemeiner Sinn typisch ist. Diese Situation könnte aber zumindest für einen sehr beträchtlichen Teil der Übersetzer nicht zutreffen. Eine Abgrenzung zwischen diesen Gruppen durch die Vollziehung scheint aber nicht möglich zu sein. Es darf in diesem Zusammenhang erwähnt werden, daß der Beruf des selbständigen Übersetzers in Österreich durch die Einkommensteuernovelle 1964, BGBl. Nr. 187, in die Aufzählung der freien Berufe im § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG eingefügt wurde, während vorher zwischen solchen Übersetzern, die eine wissenschaftliche oder schriftstellerische Tätigkeit ausüben, und anderen, die dies nicht tun, zu unterscheiden war. Bei der letzteren Gruppe wurde steuerlich eine gewerbliche Tätigkeit angenommen. Auch in der Bundesrepublik Deutschland werden ab alle Übersetzer als freiberuflich angesehen und die Unterscheidungen, die früher vorzunehmen waren, sind aufgegeben worden. Diese Umstände und die vorangegangene Schilderung der Tätigkeit des Übersetzers deuten darauf hin, wie schwierig für die Vollziehung jede Abgrenzung innerhalb des Personenkreises der Übersetzer wäre. Bei dieser Lage kann von einem klar erkennbaren Gesamtsinn des Gesetzes, der gegen die aus dem Wort "Ware" abgeleiteten Erwägungen spräche, nicht die Rede sein. Diese Erwägungen führen dazu, daß eine berichtigende Auslegung des Wortes "Ware" aus Gründen der Erfüllung des Sinnes des Heimarbeitsgesetzes nicht zulässig erscheint.
Da der Begriff "'Ware" auf Übersetzungen nicht anwendbar erscheint, mußte der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufgehoben werden, so daß es sich erübrigt, auf das sonstige Beschwerdevorbringen einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. b und d, 49 Abs. 1 und 53 Abs. 1 VwGG 1965 sowie auf Art. I A Z. 1 und 2 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. 1965/4.
Das Mehrbegehren auf Ersatz der Stempelgebühren war jedoch im Hinblick auf die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG abzuweisen; hiebei sei hervorgehoben, daß die der Beschwerde angeschlossene Vollmacht zwar nicht auf die Vertretung im gegenständlichen Verfahren beschränkt ist, die Vorlage einer Vollmacht mit einer derartigen Beschränkung jedoch genügt hätte.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 8307 A/1972 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1972:1972000836.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-53352