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VwGH 22.11.1968, 0637/67

VwGH 22.11.1968, 0637/67

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
In einem von Amts wegen ohne jede Einschränkung wiederaufgenommenen Abgabenverfahren ist es nicht nur zulässig, sondern unter Umständen im Hinblick auf Art 18 Abs 1 B-VG sogar geboten, auch in anderen Rechtsfragen als denen, die zur Wiederaufnahme des Verfahrens führten, von einer in früheren Entscheidungen - insbesondere auch in dem durch die Wiederaufnahme beseitigten Bescheide - vertretenen Rechtsansicht abzugehen.
Norm
RS 2
Ausgenommen von dem umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz, dass einheitliche Leistungen für die Besteuerung nicht in ihre Teile zerlegt werden dürfen, ist die Steuerbefreiung der Pachtverhältnisse und Mietverhältnisse gem § 4 Abs 1 Z 10 des Umsatzsteuergesetzes. Diese Bestimmung sieht ausdrückliche eine Teilung der Leistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil vor. Bildet somit der Verpachtung oder Vermietung eines Grundstücks nicht allein den Gegenstand einer vertragsmäßigen Unternehmerleistung, dann kann die Befreiungsbestimmung für den Teil des Entgelts, der auf die Verpachtung oder Vermietung des Grundstücks entfällt, in Anspruch genommen werden.
Norm
RS 3
Unterpachtungsverträge und Untermietverträge sind in der Frage der Umsatzsteuerfreiheit den Pachtverträgen und Mietverträgen gleichzuhalten.
Norm
RS 4
Nicht zu den Bestandverträgen zählen Vertragsverhältnisse, bei denen jemand in Wohnung mit Nebenleistungen nur zu dem Zweck aufgenommen wird, um Dienstleistungen oder Werkleistungen des Aufnehmenden zu ermöglichen, wie es bei Aufnahmen in Krankenanstalten, Sanatorien, Erziehungsanstalten und dgl der Fall ist. Hier liegt nirgends ein Mietvertrag vor, sodass die Befreiungsbestimmung des § 4 Abs 1 Z 10 UStG 1959 nicht (auch nicht teilweise) in Anspruch genommen werden kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Frühwald, Hofstätter und Kobzina als Richter im Beisein des Schriftführers prov. Finanzkommissär Dr. Glöckel, über die Beschwerde der S-Kommanditgesellschaft in W, vertreten durch Dr. Johannes Hock, Rechtsanwalt in Wien I, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , Z1. VI- 2148/65, betreffend Umsatzsteuer 1959 bis 1961, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, die in Wien ein Sanatorium und eine Kuranstalt für physikalische Heilmethoden betreibt, hatte in den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1959 und 1960 Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 10 und 11 und in der Umsatzsteuererklärung 1961 auch gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1959 (UStG 1959) geltend gemacht. Das Finanzamt hatte den erklärten steuerpflichtigen Umsatz übernommen. Die Umsatzsteuerbescheide 1959 und 1960 waren in Rechtskraft erwachsen. Anläßlich einer im Jahre 1963 durchgeführten Betriebsprüfung vermerkte der Prüfer, daß der Eigenverbrauch des Unternehmens unrichtig berechnet worden sei. Der geschäftsführende Gesellschafter bewohne im Betriebsgebäude ständig zwei Räume und nehme mit seinen Familienangehörigen auch die Mahlzeiten im Hause ein. Entgegen den Bestimmungen des § 5 Abs. 9 UStG 1959 sei dieser Eigenverbrauch nicht auf Grund täglicher Aufzeichnungen ermittelt, sondern nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen über Sachbezüge für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn und für Zwecke der Sozialversicherung geschätzt und jeweils zum 31. Dezember verbucht worden. Weiters könne dem Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Ziffern 5 (Lieferung von Strom und Wärme) und 10 (Vermietung von Grundstücken) UStG 1959 nicht entsprochen werden, weil die wesentliche Vertragsleistung der Beschwerdeführerin den Patienten und Kurgästen gegenüber nicht in der Vermietung von Zimmern, sondern in der Betreuung, ärztlichen Behandlung und der entsprechenden Verpflegung bestehe. Sogenannte Versorgungsfälle ohne Betreuung oder ärztliche Behandlung seien nicht festgestellt worden. Das Unternehmen sei auch kein Beherbergungsbetrieb auf Grund einer Berechtigung gemäß § 16 Abs. 1 lit. a der Gewerbeordnung. Der Zuschlag für Heizung könne daher gemäß § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 gleichfalls nicht umsatzsteuerfrei gelassen werden und auch nicht unter die in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1961 angezogene Ziffer 5 des § 4 Abs. 1 UStG 1959 fallen. Nur die Mieteinnahmen für ein Lokal wurden von der Betriebsprüfung nach § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 steuerfrei belassen.

Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers, nahm das Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf, berichtigte die Steuerbescheide für die Jahre 1959 und 1960 und beließ auch im Jahre 1961 nur die Entgelte für die Vermietung des Lokales steuerfrei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in welcher unter anderem die Berechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Steuerbefreiung bestritten wurde. Die Berufung wies die belangte Behörde hinsichtlich der Umsatzsteuer nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen führte sie im wesentlichen aus, daß die Berechtigung des Finanzamtes, das Verfahren im Punkte Eigenverbrauch wieder aufzunehmen, unbestritten sei. Sobald aber das Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO aus einem der gesetzlich vorgesehenen Gründe wieder aufgenommen worden sei, könne es - abgesehen von den Fällen des § 307 Abs. 2 BAO, die hier nicht vorlägen - uneingeschränkt und in jeder Richtung fortgeführt und abgeschlossen werden. Der neue Bescheid, der an die Stelle des bisherigen trete, dürfe daher vom früheren auch in solchen Punkten abweichen, bezüglich derer kein Wiederaufnahmegrund vorliege. Die Beschwerdeführerin stelle den Patienten mit Normal- oder Diätverpflegung, Bedienung und Pflege durch diplomierte Krankenschwestern, diagnostische therapeutische Hilfsmittel, ärztliche Betreuung und Behandlung zur Verfügung. Der Patient oder Kurgast begebe sich nicht in dieses Sanatorium, um dort zu wohnen, nur eine gewöhnliche oder eine Diätmahlzeit einzunehmen, sich nur einer ärztlichen Untersuchung oder sich nur einer physikalischen Heilbehandlung zu unterziehen, sondern er ziehe den Sanatoriumsaufenthalt im Betriebe der Beschwerdeführerin deshalb dem Besuche eines Hotels, einer Restauration oder ärztlichen Ordinationen vor, weil er im Sanatorium ein abgestimmtes Zusammenwirken aller für seine Heilung oder Besserung günstigen Faktoren erwarte. Somit handle es sich nach allgemeiner Verkehrsanschauung um eine einheitliche Leistung der Beschwerdeführerin an die Patienten oder Kurgäste. Die Einnahmen der Beschwerdeführerin bildeten daher kein Entgelt für mehrere Leistungen. Wenn in der Berufung selbst begehrt werde, rund 15 v. H. des Umsatzes als Entgelt für Vermietung steuerfrei zu belassen, zeige dies, daß das wirtschaftliche Schwergewicht des Sanatoriumbetriebes nicht in der Vermietung von Grundstücksteilen liege. Dem Einwand, daß die ärztliche Betreuung oder Behandlung zum überwiegenden Teil durch außenstehende von den Sanatoriumsgästen unmittelbar beauftragte Ärzte erfolge, sei entgegenzuhalten, es sei unerheblich, zu welchem Teile die Gesamtkosten der Patienten für ärztliche Dienstleistungen Entgelte der Beschwerdeführerin oder dieser Ärzte bildeten; entscheidend für das wirtschaftliche Gesamtbild sei vielmehr der Umstand, daß von den Gesamteingängen der Beschwerdeführerin, die sie auf eigene Rechnung und im eigenen Namen vereinnahme, der weitaus überwiegende Teil nicht auf Entgelte für die Bereitstellung der Unterkunft entfalle, wie sich aus der Aufgliederung des Bruttoertrages in der Bilanz der Beschwerdeführerin ergebe. Der Betrieb könne daher nicht umsatzsteuerrechtlich einem Beherbergungsbetrieb gleichgestellt werden. Weder behördlich angeordnete Fremdenverkehrsstatistiken, noch der Umstand, daß viele Patienten aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland kämen, vermöchten dem Unternehmen den Charakter eines Beherbergungsbetriebes zu geben. Somit erscheine das Begehren auf Vornahme einer Schätzung, mit deren Zuhilfenahme der Zimmerpreis in einen Anteil für die Bedienung und einen Anteil für reine Raummiete aufzuspalten sei, unbegründet. Wenn die Beschwerdeführerin behaupte, die Rechtsprechung habe in vielen Fällen eine Aufteilung der Entgelte für richtig befunden, so sei dem entgegenzuhalten, daß diese Fälle stets Leistungen auf Grund von Verträgen behandelten, die einem Mietvertrag ähnlich seien. Eine solche Leistung liege jedoch im vorliegenden Falle in ihrer Gesamtheit betrachtet, nicht vor. Der Leistungsumfang im Betriebe des Sanatoriums gleiche viel eher dem eines Krankenhauses, für dessen Leistungen in der Literatur eine Aufteilung im Sinne des Berufungsbegehrens abgelehnt werde. Wenn aber eine Aufspaltung der Leistung in ihre einzelnen Teilleistungen und damit eine Umsatzsteuerbefreiung von Teilen der Einnahmen für die Bereitstellung der Zimmer unzulässig erscheine, müsse dies auch für die von der Beschwerdeführerin als Nebenleistung bezeichnete Beheizung gelten, gleichgültig, ob man die Beheizung im Zusammenhang mit der Zimmerbereitstellung oder losgelöst davon beurteile. Das einheitliche Entgelt der Patienten bzw. Kurgäste für die einheitliche Leistung der Beschwerdeführerin habe aus diesen Gründen weder in Teile zerlegt und einzelne Befreiungsbestimmungen des § 4 Abs. 1 UStG 1959 auf diese angewendet werden können, noch habe das Gesamtentgelt wegen des darin enthaltenen geringen Anteiles, der auf die Vermietung entfalle, zur Gänze als Entgelt für eine Vermietung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 gelten können.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Entscheidung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Sie erachtete sich in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom , Zl. B 159/66, ab und trat sie antragsgemäß zur Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei, an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In einem ergänzenden Schriftsatz führt die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß der Grundsatz der Unteilbarkeit der Leistung für das Umsatzsteuerrecht nur von Judikatur und Literatur entwickelt worden, im Umsatzsteuergesetz selbst aber nicht verankert sei. Es handle sich hier um einen Auslegungsbehelf, dem selbst keine Gesetzeskraft zukomme, der also gesetzliche Bestimmungen weder ersetzen noch inhaltlich verändern könne. Der § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 befreie die Vermietung von Grundstücken, zu denen naturgemäß auch deren Teile gehörten, von der Umsatzsteuer. Zivilrechtlich und wirtschaftlich zählten zu den Grundstücken auch ihre wesentlichen Bestandteile und ihr Zubehör, also die mit der Liegenschaft verbundenen Betriebsanlagen usw., deren Vermietung nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift steuerpflichtig sei. Der Gesetzgeber habe hier eine Ausnahme von der Steuerbefreiung geschaffen, indem er eine Zerlegung vorgeschrieben habe, wo sonst ohne Umsatzsteuergesetz ein unteilbares Ganzes vorliegen würde. Daraus könne kein Argument für den Grundsatz der Unteilbarkeit einer Leistung im Umsatzsteuerrecht abgeleitet werden. Wenn mehrere Leistungen nebeneinander oder eine aus verschiedenen Komponenten bestehende Leistung erbracht würden, könne ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung nicht die Unteilbarkeit und der Ausschluß der Befreiungsbestimmung der Ziffer 10 geltend gemacht werden. Keinesfalls aber könne die Anwendung der Befreiungsbestimmung versagt werden, wenn die Überlassung des Grundstückes oder dessen Teiles nicht gegenüber anderen wesentlichen Vertragsleistungen völlig zurücktrete. Wenn die belangte Behörde annehme, das Schwergewicht der Leistung eines Sanatoriums liege nicht in der Vermietung von Räumlichkeiten, sei dies kein Argument gegen eine Zerlegung, denn selbst der von der belangten Behörde nur mit 15 v. H. festgesetzte Anteil des Gesamtumsatzes könne nicht als unwesentlich bezeichnet werden. Unwesentlich sei im Einklang mit der herrschenden Meinung allenfalls nur ein Anteil von nicht mehr als 10 v. H. des Umsatzes. Der Unterschied des Betriebs der Beschwerdeführerin zu dem eines Kurhotels sei auch kein derartiger, daß er die von der belangten Behörde vorgenommene unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. In einem Kurhotel stehe auch oft ein Hausarzt zur Verfügung, ohne daß deshalb auf das Hotel nicht der Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen über die Umsatzsteuerfreiheit für Beherbergungsbetriebe angewendet werde. Der Gast begebe sich in den Beherbergungsbetrieb eines Kurortes auch nicht, weil ihm um die Unterkunft zu tun sei, sondern weil er Erholung, eine bestimmte ruhige Atmosphäre, Diätverpflegung, Heilbäder und Heilbehandlung usw. suche. Der Umstand, daß bei einem Sanatorium noch andere Leistungen dazukämen oder daß die in einem Kurhotel bestehenden Nebenleistungen im Sanatorium in weiterem Ausmaße angeboten würden, rechtfertige es nicht, das Grundelement der Beistellung der Sanatoriumszimmer für den Erholungsaufenthalt völlig in den Hintergrund zu schieben. Das Hinzukommen weiterer Nebenleistungen hebe die Teilbarkeit selbst nicht auf. Die Beistellung von Wärme an die Sanatoriumsgäste sei entweder steuerfreie Nebenleistung der Zimmervermietung oder gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 UStG 1959 an sich steuerfrei. Es komme nicht auf die frühere Fassung dieser Befreiungsbestimmung an, welche sich nur auf Versorgungsunternehmungen, insbesondere von Gebietskörperschaften, bezogen habe, sondern einzig und allein auf den jetzigen Wortlaut. Die Herausnahme der auf die Zimmervermietung und Wärmebeistellung entfallenden Kostenanteile aus der Umsatzbesteuerung sei dem Finanzamt aus den Steuererklärungen bekannt gewesen. Auf dieser Grundlage seien auch die rechtskräftigen Veranlagungen der Jahre 1959 und 1960 erfolgt. Es seien daher für diese Jahre keine Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden wären. Wenn die belangte Behörde im Sinne der Judikatur die geringfügige Änderung des Wertes des Eigenverbrauches zum Anlaß der Erstellung eines völlig neuen Sachbescheides in anderen Belangen nehme, so sei darauf hinzuweisen, daß gemäß § 307 Abs. 2 BAO eine seit Erlassung des früheren Bescheides eingetretene Änderung der Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf eine allgemeine Weisung des Bundesministeriums für Finanzen stütze, zum Nachteil der Partei nicht berücksichtigt werden dürfe. Kraft Größenschlusses sei aus dieser Gesetzesbestimmung abzuleiten, daß eine reformatio in peius umsomehr dann ausgeschlossen sei, wenn eine Änderung der Rechtsauslegung nur bei der Behörde erster Instanz eingetreten sei.

Über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1.) Zur Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens:

Dem geschäftsführenden Gesellschafter der Beschwerdeführerin und dessen Familienangehörigen steht laut Gesellschaftsvertrag das Recht der freien Wohnung im Betriebsgebäude und der freien Verpflegung in der im Betriebe üblichen Art und Menge ohne Anrechnung auf den Gewinnanteil zu. Es ist unbestritten, daß der Gesellschafter von diesem Recht Gebrauch gemacht hat und darüber hinaus fallweise auch andere Gesellschafter und Familienangehörige im Betriebsgebäude Aufenthalt genommen haben. Die Beschwerdeführerin hat nun jeweils am Jahresende die Privatkonten der betreffenden Gesellschafter mit dem Gegenwert für Unterkunft und Verpflegung belastet und die entsprechenden Erlöskonten mit diesen Beträgen erkannt. Die Bewertung der Verpflegung erfolgte dabei nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen über Sachbezüge für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn. Anläßlich der Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß der in den Umsatzsteuererklärungen der Beschwerdeführerin "ausgewiesene Eigenverbrauch" zu niedrig festgesetzt und außerdem nicht gemäß den Bestimmungen des § 5 Abs. 9 UStG 1959 aufgezeichnet worden sei.

Aus den vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich, daß diese Feststellung unrichtig ist, denn die Beschwerdeführerin hat in keinem der Streitjahre in ihren Umsatzsteuererklärungen einen Eigenverbrauch erklärt. Die fraglichen Beträge sind vielmehr im Gesamtumsatz enthalten, was auch daraus hervorgeht, daß der Betriebsprüfer die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für die Streitjahre immer in der Form berechnet hat, daß er vorerst von dem Gesamtumsatz laut Erklärung den darin enthaltenen Eigenverbrauch abgezogen hat. Dieser Mangel des Betriebsprüfungsberichtes wurde jedoch im Verwaltungsverfahren nicht gerügt. Vielmehr haben die Vertreter der Beschwerdeführerin in der Berufung die Entnahmen der Gesellschafter und ihrer Familienangehörigen selbst als "Eigenverbrauch" bezeichnet und weiters mit Schreiben vom an die belangte Behörde die Berufung gegen die Bewertung des sogenannten Eigenverbrauches zurückgezogen. In der mündlichen Verhandlung wurde sodann, wie sich aus dem vorliegenden Protokoll ergibt, die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens in diesem Punkte ausdrücklich anerkannt, was nichts anderes bedeutet, als daß die Beschwerdeführerin unbestritten gelten läßt, daß - um die Worte des § 303 Abs. 4 BAO zu gebrauchen - neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind, deren Kenntnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Durch die Wiederaufnahme des Verfahrens aber sind die früheren Bescheide aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, sodaß es durchaus zulässig war, im wieder aufgenommenen Verfahren auch die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 auf einen Teil des Umsatzes, abweichend von den durch die Wiederaufnahme beseitigten Bescheiden, zu beurteilen. Daran vermag auch die Bestimmung des § 307 Abs. 2 BAO, auf die sich die Beschwerde stützt, nichts zu ändern. Durch diese Bestimmung soll ausgeschlossen werden, daß ein bereits rechtskräftiger Bescheid im Hinblick auf eine Änderung der Rechtsauslegung, die auf einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder Verwaltungsgerichtshofes oder einer allgemeinen Weisung des Bundesministeriums für Finanzen beruht, geändert wird. Dies hat aber mit der Wiederaufnahme des Verfahrens wegen neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel nichts zu tun. Ein Abgehen von einer Rechtsansicht, die in früheren Entscheidungen vertreten wurde, ist in einem solchen Falle nicht nur zulässig, sondern unter Umständen im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 B-VG sogar geboten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1391/63, von welchem den Parteien gemäß Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, auf Antrag eine Ausfertigung zugestellt werden wird, und Reeger-Stoll, Anmerkung 7 zu § 307).

2.) Zur Frage der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Ziffern 5 und 10 UStG 1959.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1959 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer in Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Gemäß § 4 Abs. 1 Ziffern 5 und 10 des Gesetzes sind von diesen Umsätzen die Umsätze von Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme oder jene Umsätze, die mit dem Betrieb von Wasser-, Gas-, Elektrizitäts- oder Heizwerken regelmäßig verbunden sind, sowie die Verpachtungen und Vermietungen von Grundstücken, von Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzung von Grund und Boden beziehen, steuerfrei. Laut § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Dieser Bestimmung entspringt für das Umsatzsteuerrecht der Grundsatz, daß einheitliche Leistungen für die Besteuerung nicht in ihre Teile zerlegt werden dürfen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 153/65, von welchem den Parteien gemäß Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, auf Antrag eine Ausfertigung übersendet werden wird, und Bundy, Das Umsatzsteuergesetz, Seite 47). Die Beurteilung der Frage, ob eine einheitliche Leistung oder mehrere zusammengehörige Einzelleistungen vorliegen, hat somit nur nach dem Vorgang der Leistung selbst zu erfolgen. Es kommt hier nicht darauf an, ob die Leistung auf ein und demselben Vertrag beruht, in einem Vertrage geteilt wurde und ob das Entgelt für jede einzelne Teilleistung oder für die Gesamtleistung berechnet worden ist. Die Art des Vertrages und die Berechnung des Entgeltes können nur Anhaltspunkte sein, maßgebend ist allein die Leistung selbst. Ausgenommen von diesem Grundsatz ist die Steuerbefreiung der Pacht- und Mietverhältnisse gemäß § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959. Diese Bestimmung sieht ausdrücklich eine Teilung der Leistung in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil vor. Bildet somit die Verpachtung oder Vermietung eines Grundstückes nicht allein den Gegenstand einer vertragsmäßigen Unternehmerleistung, dann kann die Befreiungsbestimmung für den Teil des Entgeltes, der auf die Verpachtung oder Vermietung des Grundstückes entfällt, in Anspruch genommen werden (vgl. Bundy, Das Umsatzsteuergesetz, Seite 291).

Für die Frage, ob ein Bestandvertrag im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 vorliegt, ist nach Lehre und Rechtsprechung das bürgerliche Recht maßgebend. Die Begriffe "Verpachtung" und "Vermietung" sind daher für die Auslegung dieser Befreiungsbestimmung dem bürgerlichen Recht zu entnehmen. Gemäß §§ 1090 ff. ABGB wird ein Bestandvertrag, das heißt ein Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, ein Mietvertrag; wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benutzt werden kann, ein Pachtvertrag genannt. Unterpacht- und Untermietverträge sind in der Frage der Steuerfreiheit den Pacht- und Mietverträgen gleichzuhalten. Nicht zu den Bestandverträgen zählen jedoch nach herrschender Rechtsansicht Vertragsverhältnisse, bei denen jemand in Wohnung mit Nebenleistungen nur zu dem Zwecke aufgenommen wird, um Dienstleistungen oder Werkleistungen des Aufnehmenden zu ermöglichen, wie es bei Aufnahmen in Krankenanstalten, Sanatorien, Erziehungsanstalten u. dgl. der Fall ist. Hier liegt nirgends ein Mietvertrag vor (vgl. Klang's Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, zweite Auflage, fünfter Band, Seiten 16 und 17).

Wird aber bei der Aufnahme in ein Sanatorium kein Bestandvertrag im Sinne des bürgerlichen Rechtes begründet, dann kann auch die Befreiungsbestimmung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 10 UStG 1959 nicht zur Anwendung kommen und die einheitliche Gesamtleistung, nämlich die für die Genesung eines Patienten oder Kurgastes zweckmäßige Betreuung, nicht in steuerfreie und steuerpflichtige Teile aufgespalten werden. Somit kann auch dem Begehren der Beschwerdeführerin, einen Teil des Entgeltes gemäß § 4 Abs. 1 Z. 5 UStG 1959 steuerfrei zu belassen, kein Erfolg beschieden sein.

Da die belangte Behörde sohin durch ihren Bescheid das Gesetz nicht verletzt hat und der Verwaltungsgerichtshof auch keine Verfahrensmängel feststellen konnte, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war die Beschwerde unbegründet und gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen. Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2, § 48 Abs. 2 VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , Art. I Ziffern 4 und 5, BGBl. Nr. 4.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 3814 F/1968;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1968:1967000637.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-53056