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VwGH 15.01.1965, 0583/64

VwGH 15.01.1965, 0583/64

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Auch ein bloß auf dem Gebiete der Belletristik tätiger Schriftsteller übt grundsätzlich eine schriftstellerische Tätigkeit iSd § 18 Abs 1 EStG 1953 und nicht eine bloße "Liebhaberei" aus.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Raschauer als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde des HE in S gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat) vom , Zl. 2/10/3-BK-1963, betreffend Einkommensteuer 1957 bis 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Schriftsteller. Aus dieser Tätigkeit erzielte er unbestrittenermaßen Einnahmen von S 43.845,-- (1957), S 83.437,-- (1958), S 87.816,-- (1959) und S 79.887,-- (1960). Weiters vereinnahmte er noch für veröffentlichte Erzählungen, Romankapitel usw. S 4.899,-- (1957), S 3.181,-- (1958), S 8.043,-- (1959) und S 21.123,-- (1960), denen nach Angabe des Steuerpflichtigen gesonderte Betriebsausgaben von S 584,-- (1957), S 382,-- (1958), S 763,-- (1959) und S 1.897,-- (1960) gegenüberstanden. Hinsichtlich dieser Einnahmen vertrat der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß es sich um Einnahmen aus Liebhaberei handle, weshalb er sie in seiner Steuererklärung nicht zu seinen Einnahmen zählte, allerdings auch die darauf entfallenden Ausgaben nicht als Betriebsausgaben absetzte.

Das Finanzamt behandelte dagegen bei Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 1957 bis 1960 auch die für die Veröffentlichung von Erzählungen und Romanen erzielten Einnahmen nach Abzug der darauf entfallenden Betriebsausgaben als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und unterwarf sie zusammen mit den übrigen aus der Schriftstellertätigkeit des Beschwerdeführers herrührenden Einkünften der Einkommensteuer.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte dabei aus, daß er den Beruf eines "Tagesschriftstellers" betreibe und als solcher eine Korrespondenten-, Journalisten- und Rezensententätigkeit ausübe. Nur diese Tätigkeiten seien auf die Erzielung von Einkünften gerichtet. Dagegen verfasse er in seiner Freizeit Gedichte, Erzählungen, Romane und literarische Essays, ohne dabei die Erzielung von Einkünften im Auge zu haben, zumal eine solche rein dichterische Tätigkeit normalerweise keine Einkünfte einbringe, sondern bestenfalls die damit verbundenen Spesen decke. Die dichterische Tätigkeit müsse daher infolge Fehlens einer Gewinnerzielungsabsicht und des Verzichtes auf die Anwendung betriebswirtschaftlicher Grundsätze als bloße Liebhaberei angesehen und die hiebei allenfalls erzielten Einkünfte als steuerfrei behandelt werden.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß als Schriftsteller derjenige gelte, der auf irgendeinem Gebiet eigene Gedanken in Schriftform der Öffentlichkeit übermittle. Damit falle auch die Belletristik (Unterhaltungsschrifttum) und die Poetik unter den Begriff der schriftstellerischen Tätigkeit, wobei es ohne Belang sei, ob das Schaffen des Schriftstellers auf diesem Gebiet auf materiellen oder auf ideellen Beweggründen fuße oder ob die Honorierung dem Zeitaufwand entspreche oder nicht. Auch im vorliegenden Fall seien die schöngeistigen Werke und die Gedichte des Beschwerdeführers Ausfluß seiner Tätigkeit als Schriftsteller. Es sei weiters unbestritten, daß er aus dieser Tätigkeit regelmäßig jährlich Einkünfte erziele. Die entsprechenden Einnahmen seien daher Betriebseinnahmen. Es sei steuerlich nicht zulässig, einzelne im Rahmen eines Betriebes erzielte Einnahmen mit der Begründung nicht als Betriebsvorgänge zu behandeln, weil diesen Einnahmen eine angeblich nicht betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechende Tätigkeit zugrunde liege. Dies gelte insbesondere bei freien Berufen, bei denen sich einzelne Tätigkeiten im Rahmen der Berufsausübung auch auf weniger ertragreiche Gebiete erstrecken können. Die Rechtsprechung stelle auf eine einheitlich zu beurteilende Tätigkeit, einen Betrieb, ab und nicht auf einzelne in den Rahmen eines solchen Betriebes fallende Tätigkeiten. Im übrigen könne nicht behauptet werden, daß der Beschwerdeführer nicht die Absicht habe, seine Erzeugnisse bei sich bietender Gelegenheit wirtschaftlich zu nutzen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 EStG sind die Einkünfte aus freien Berufen Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Zu den freien Berufen gehört aber u. a. auch die schriftstellerische Tätigkeit.

Was "schriftstellerische Tätigkeit" ist, wird im Gesetze nicht definiert. Da jedoch das Gesetz keinen Hinweis auf eine gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch vorzunehmende Einschränkung enthält, wurde der Begriff des Schriftstellers in Lehre und Rechtsprechung stets im weitesten Sinne gefaßt und darunter jedermann verstanden, der auf irgendeinem Gebiet selbständige Gedanken in Schriftform der Öffentlichkeit übermittelt (vgl. Blümich-Falke Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, S. 1148; Urteil des ehemaligen Reichsfinanzhofes vom , RStBl. S. 415). Auch die Tätigkeit eines bloß auf dem Gebiete der Belletristik tätigen Schriftstellers ist somit - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - grundsätzlich als schriftstellerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Z. 1 EStG anzusehen.

Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber darzulegen versucht, daß die dichterische Tätigkeit und überhaupt jedes künstlerische Streben nicht von Gewinnerzielungsabsicht beherrscht und daher als Liebhaberei anzusehen sei, deren zufällige Erträgnisse nicht der Einkommensteuer unterliegen, so kann dieser Ansicht schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil der Gesetzgeber die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit ausdrücklich zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit zählt und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß er künstlerisches (dichterisches) Schaffen regelmäßig nicht als Liebhaberei ansieht. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf zahlreiche Beispiele aus der Literatur- und Kunstgeschichte nichts zu ändern, wonach auch berühmte Dichter (Künstler) trotz bedeutender Schöpfungen in ärmlichen Verhältnissen leben mußten. Denn diesen Beispielen können ohne weiteres Gegenbeispiele gegenübergestellt werden, welche beweisen, daß nicht wenige Dichter (Künstler) ganz erhebliche Einnahmen zu erzielen wußten. Wenn der Beschwerdeführer beispielsweise auf die geringen materiellen Erfolge Schillers hinweist, könnte man ihn auf Goethe als Gegenbeispiel verweisen, der allein für das an den Buchhändler Cotta verliehene Recht, eine Gesamtausgabe seiner Werke zu veranstalten, die ganz bedeutende Summe von 70,000,-- Talern erhielt. Mit derartigen Beispielen ist daher für die vorliegende Rechtsfrage nichts zu gewinnen; vielmehr ist im Hinblick auf die ausdrückliche Aufzählung der künstlerischen und schriftstellerischen Tätigkeit im § 18 EStG davon auszugehen, daß die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einkünfte grundsätzlich der Einkommensteuer unterliegen. Eine andere rechtliche Beurteilung wäre erst dann angebracht, wenn die schriftstellerische (künstlerische) Tätigkeit für einen objektiven Betrachter auch auf lange Sicht keine Aussicht auf materiellen Erfolg hätte.

Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Denn abgesehen davon, daß die vom Beschwerdeführer vorgenommene Teilung seiner aus schriftstellerischer Tätigkeit erzielten Einkünfte in solche eines "Tagesschriftstellers" und solche eines "Dichters" jeder rechtlichen Grundlage entbehrt, wies der Beschwerdeführer selbst in der Sparte der "dichterischen Einkünfte" Jahr für Jahr Einnahmenüberschüsse aus, sodaß auch aus diesem Grunde für die Annahme einer bloßen Liebhaberei, deren Ausübung keinerlei Aussicht auf materiellen Erfolg erwarten läßt, kein Raum war.

Um dies zu erkennen, bedurfte es bei dem gegebenen Sachverhalt, der in den rechtlich erheblichen Punkten eindeutig geklärt war, auch keiner weiteren Erhebungen.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
Sammlungsnummer
VwSlg 3209 F/1965
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1965:1964000583.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-52972