VwGH 15.10.1975, 0477/75
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Scheidet ein Gesellschafter einer Personengesellschaft, dessen Kapitalkonto negativ ist, aus der Gesellschaft aus, ohne den verbleibenden Gesellschaftern eine Entschädigung leisten zu müssen und ohne von den Gesellschaftsgläubigern in Anspruch genommen zu werden, so ergibt sich ein Veräußerungsgewinn in Höhe des negativen Kapitalkontos. Auch eine Zession des Gesellschaftsanteiles ist ein Veräußerungsvorgang iSd § 16 EStG 1967. |
Norm | |
RS 2 | Der auf einen ausgeschiedenen Gesellschafter entfallende Veräußerungsgewinn ist im Feststellungsbescheid festzustellen. Daß der ausgeschiedene Gesellschafter im Zeitpunkt der Erlassung dieses Feststellungsbescheides nicht mehr der Gesellschaft angehört ist ohne Belang (siehe die zit VJ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerde der K & Co OHG in L, vertreten durch Dr. Hans Maxwald, Rechtsanwalt in Linz, Schmidtorstraße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Z1. 30/2-III/Fe-1975, betreffend Aufhebung eines Bescheides im Aufsichtsweg, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
An der beschwerdeführenden OHG waren bis einschließlich 1971 Hermann T., Horst M. und Heribert K. als Gesellschafter beteiligt. Die die Beschwerdeführerin vertretende Wirtschaftstreuhandgesellschaft teilte dem Finanzamt mit Schreiben vom mit, daß sie ihrerseits von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom davon in Kenntnis gesetzt worden sei, daß mit Hermann T. aus der Firma ausgeschieden sei und Heribert K. mit seinen Anteil nicht offiziell, aber im "Innenverhältnis" an Norbert L. abgetreten habe. Dieser Eingabe war ein Schreiben der Beschwerdeführerin an Norbert L. ebenfalls vom angeschlossen, das folgenden Inhalt hat:
"Zwischen den Gesellschaftern K., T. und M. der Firma K & Co OHG, L wurde am 7. Jänner dieses Jahres, mit Wirkung vom vereinbart, daß Herr Hermann T. aus dem Unternehmen ausscheidet und sein 40 %iger Firmenanteil zur ungeteilten Hand auf die Herren K. & M. übergeht, weshalb nun diese beiden Herren je zu 50 % Gesellschafter der genannten Firma sind. In der weiteren Folge ist die Gründung einer neuen Gesellschaft zwischen Ihnen und Herrn M. im Verhältnis 51 zu 49 % und der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorgesehen. Herr Heribert K. ist mit dieser Lösung einverstanden und erklärt sich bereit, seine ihm aus seinem Geschäftsanteil zustehenden Rechte und Pflichten schon heute mit Wirkung vom zum Fixpreis von S 100.000,-- abzutreten, wofür ihn Sie und Herr M. im Innenverhältnis aus allen Geschäftsrisiken und Eventualobligationen schad- und klaglos halten werden. Er nimmt weder an einem Gewinn noch an einem Verlust, der sich ab ergeben sollte, teil. Um eine Übernahme und ein Hineinwachsen in ein neues Unternehmen nicht zu stören, wird Herr Heribert K. nach außen hin Gesellschafter bleiben, wobei jedoch Sie als von ihm persönlich Bevollmächtigter alle jene Rechte und Pflichten wahrnehmen, die Herrn K. gemäß dem Gesellschaftsvertrag zustehen. Eine entsprechende Spezialvollmacht wird Ihnen in den nächsten Tagen zugehen. Der Gesellschafter M. erklärt ausdrücklich seine Zustimmung, daß Sie als in Linz anwesende Person, die geschäftsführende Funktion des Gesellschafters K. übernehmen und in diesem Zusammenhang als Chef des Unternehmens alle notwendigen Maßnahmen setzen können, um der Firma als Chef allen Mitarbeitern und Kunden gegenüber vorzustehen."
Bei der Erlassung des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1972 stellte das Finanzamt einen Verlust fest, den es auf Horst M. und Norbert L. aufteilte. Für Heribert K. wurde weder ein Verlust- noch ein Gewinnanteil festgestellt.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde - gestützt auf § 299 Abs. 1 lit. b bzw. Abs. 2 BAO - den erwähnten erstinstanzlichen Bescheid im Aufsichtsweg aufgehoben. Zur Aufhebung des Feststellungsbescheides hat die belangte Behörde ausgeführt:
Werde ein überschuldeter Betrieb gegen Übernahme der Schulden übertragen, ohne daß eine Zahlung erfolge, so liege eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 16 EStG 1967 vor, wobei als Veräußerungspreis - neben allfälligen Leistungen des Übernehmers - auch die übernommenen Schulden anzusetzen seien (vgl. z. B. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 546/69, und vom , Zl. 1420/69). Das gleiche gelte für die Übertragung eines Anteiles an einer Personengesellschaft, wenn das Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters einen negativen Stand aufweise. Das Kapitalkonto des Heribert K. habe im Zeitpunkt des Ausscheidens einen negativen Stand aufgewiesen und - unter Berücksichtigung des Betriebsprüfungsergebnisses minus S 911.498,-- betragen. Aus der für das Wirtschaftsjahr 1972 eingereichten Bilanz gehe hervor, daß die Leistungen der verbliebenen Gesellschafter gegenüber Heribert K. als Aufwendungen für den Erwerb eines Firmenwertes behandelt worden seien. Dennoch seien in der Erklärung über den Gewinn des Jahres 1972 ein dem ausgeschiedenen Gesellschafter zuzurechnender Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils nicht ausgewiesen. Da das Finanzamt dieser Erklärung folgend einen solchen Veräußerungsgewinn nicht festgestellt habe, erweise sich der aufgehobene Bescheid als aktenwidrig und inhaltlich rechtswidrig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Vorliegendenfalls ist ein im Aufsichtsweg ergangener Aufhebungsbescheid angefochten. Die Berechtigung zur Aufhebung der erstinstanzlichen Bescheide leitete die belangte Behörde aus § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO her. Daß der Aufhebung die Fristenbestimmung des § 302 Abs. 2 BAO entgegengestanden wäre, wird von der Beschwerde nicht behauptet und trifft auch nicht zu.
Die belangte Behörde ist als Oberbehörde gemäß § 299 Abs. 1 lit. b dann zur Bescheidaufhebung berechtigt, wenn der dem aufzuhebenden Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde (Abs. 1 lit. b leg. cit.). Ferner kann die Oberbehörde den Bescheid einer ihr unterstehenden Abgabenbehörde auch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kassieren (§ 299 Abs. 2 BAO). Im Beschwerdefall ist zu prüfen, ob die belangte Behörde im Grunde dieser Verfahrensvorschriften befugt war, den Bescheid des Finanzamtes über die einheitliche und gesonderte Feststellung -
von Einkünften für 1972 aufzuheben.
In materieller Hinsicht ist zunächst davon auszugehen, daß durch die Veräußerung eines Einzelunternehmens oder eines Gesellschaftsanteiles an einer Personengesellschaft nur gegen Erlaß der Schulden ein Veräußerungsgewinn bloß entstehen kann, wenn das bisherige Kapitalkonto einen negativen Betrag auswies. Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 EStG 1967 ist der Veräußerungsgewinn, der bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebes oder eines Teilbetriebes oder des Anteiles eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, entsteht, der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteiles am Betriebsvermögen übersteigt. Jene einkommensteuerpflichtige Vermögensvermehrung kann, wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , Zl. 1420/69, Slg. Nr. 4223/F, vom , Zl. 546/69, und aus jüngster Zeit im Erkenntnis vom , Zl. 840/73, ausgesprochen hat, darin gelegen sein, daß für ein Geschäft (oder einen Anteil an einem solchen) mit negativem Wert die Befreiung von den Schulden eintritt, die durch diesen negativen Wert ziffernmäßig ausgedrückt sind. Wenn die Beschwerde auf eine handelsrechtlich mögliche Weiterhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters hinweist, so könnte das nur dann zielführend sein, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter tatsächlich in Anspruch genommen worden wäre oder nachgewiesen wäre, daß eine solche Inanspruchnahme zumindest anzunehmen sei. Da in dieser Richtung keine konkreten Behauptungen aufgestellt worden sind, geschweige denn Beweise angeboten wurden, ist dieser Hinweis nicht zielführend (vgl. hiezu insbesondere auch das zitierte hg. Erkenntnis vom ). Als verfehlt erweist sich auch der Beschwerdeeinwand, es habe sich um eine Zession und nicht um eine Veräußerung gehandelt. Es ist nämlich unbeachtliche welcher zivilrechtliche Rechtstitel Grund für das Ausscheiden des Gesellschafters mit negativem Kapitalkonto ohne Nachschußpflicht ist. Maßgebend ist nur die mit diesem Vorgang verbundene Bereicherung.
Wenn die Beschwerde rügt, der Rechtsfall sei von der belangten Behörde nicht von der Sicht eines steuerfreien Sanierungsgewinnes betrachtet worden, so ist dem entgegenzuhalten, daß von einem solchen Sanierungsgewinn nach ständiger Rechtsprechung und Lehre nur dann die Rede sein könnte, wenn die Mehrzahl der Gläubiger des Unternehmers diesem einen Schuldnachlaß wegen Sanierungsbedürfnisses gewähren. Daß im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Heribert K. der einen Geschäftsanteil mit einem negativen Kapitalkonto aufwies und hiefür von Norbert L. überdies S 100.000,- erhielt, irgendwelche Gläubiger der Gesellschaft oder Heribert K. Geschäftsschulden erlassen hätten, wurde in der Beschwerde nicht einmal behauptet.
Die Beschwerde führt weiters aus, daß Aufhebungsgründe gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO deswegen nicht gegeben gewesen seien, weil der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt überhaupt nicht, vor allem aber nicht in seinem wesentlichen Punkt, unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen, worden sei. Die Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht und "die sonstigen Ergebnisse" seien im aufgehobenen Bescheid richtig verwertet worden. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Das Finanzamt hätte sich nämlich bei der vorstehend wiedergegebenen Rechtslage auch mit der Prüfung befassen müssen, ob nicht der Tatbestand des § 16 EStG 1967 verwirklicht wurde. Wenn es das wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterlassen hat, so ist jedenfalls der Aufhebungsgrund des § 299 Abs. 2 BAO gegeben. Wenn es weitere Ermittlungen aber unterließ, weil es sich mit der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage überhaupt nicht auseinandersetzte, so hat es jedenfalls Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können (§ 299 Abs. 1 lit. c BAO). Wenn die belangte Behörde sich in diesem Fall auf § 299 Abs. 1 lit. b statt auf § 299 Abs. 1 lit. c BAO gestützt hat, so hat das deswegen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen, weil es bei einer Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht darauf ankommt, auf welchen Aufhebungstatbestand die Behörde ihren Bescheid stützt sondern darauf, daß eine Aufhebung überhaupt zulässig ist (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 156/73). Der Hinweis auf Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht geht schon deswegen ins Leere, weil sich aus der unter der hg. Zl. 479/75 eingebrachten Beschwerde der Beschwerdeführerin betreffend das Kalenderjahr 1971 und den hiezu vorliegenden Verwaltungsakten ergibt, daß sich diese Prüfung auf die Jahre 1969 bis 1971 erstreckte und dementsprechend Feststellungen über einen Veräußerungsgewinn des Jahres 1972 nicht enthält.
Die Beschwerdeführerin vertritt auch die Rechtsmeinung, daß dann, wenn ein Veräußerungsgewinn für Heribert K. vorgelegen wäre, dieser nicht mehr mit einem Feststellungsbescheid festzustellen gewesen wäre, weil Heribert K. mit Wirkung ab aus der Gemeinschaft ausgetreten sei. Hier verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 353/75, ausgesprochen und näher begründet hat, hat sich die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften auf den Zeitraum zu beziehen, während dem die Gemeinschaft bestanden hat. Daß diese im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht mehr besteht, ist unbeachtlich. Daß auch Veräußerungsgewinne in die Feststellung einzubeziehen sind, ergibt sich übrigens auch aus den hg. Erkenntnissen vom , Zl. 193/64, und vom , Zl. 1206/72, Slg. Nr. 4480/F. Die Beschwerde bringt in diesem Zusammenhang auch vor, daß sich die Frage erhebe, "ob ein Sachverhalt, der unter den " falle, "überhaupt in das Steuerjahr 1972 aufgenommen" werden könne. Nach der Aktenlage ist die maßgebende Vereinbarung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Norbert L. frühestens am (rückwirkend mit ) zustandegekommen. Auch die Beschwerde behauptet nicht, daß schon vor dem zwischen den Beteiligten Leistungen und Gegenleistungen in Bezug auf die Abtretung des Geschäftsanteiles erbracht worden wären, welche allenfalls eine Gewinnrealisierung bereits im Jahr 1971 gegeben erscheinen ließen. Daher ist auch dieser Beschwerdepunkt hinfällig.
Schließlich führt die Beschwerde aus, daß der gesamte Sachverhalt vor Erlassung des Aufhebungsbescheides vor allem auch dadurch hätte überprüft werden müssen, daß der Beschwerdeführerin wie vor allem auch Heribert K. vor Erlassung des Bescheides das rechtliche Gehör hätte eingeräumt werden müssen. In der Unterlassung der Gewährung des Parteiengehörs liegt im vorliegenden Fall aber deswegen kein wesentlicher Verfahrensmangel, weil unter Berücksichtigung der weiter oben dargelegten materiellen Rechtslage und mangels näherer Ausführungen in der Beschwerde nicht erkennbar ist, in welcher Richtung die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Aus Vorstehendem folgt, daß die Beschwerde unbegründet ist, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4901 F/1975 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1975:1975000477.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-52817