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VwGH 29.11.1978, 0473/75

VwGH 29.11.1978, 0473/75

Entscheidungsart: ErkenntnisVS

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Wohl fallen unter den Begriff der "Gesellschaft" iSd § 1 Abs 3 GrEStG 1955 nicht nur Kapitalhandelsgesellschaften, sondern auch Personenhandelsgesellschaften, doch hat die Bestimmung seit dem E des , G 16/64 - von den dort bezeichneten Organschaftverhältnissen abgesehen - keinen PRAKTISCHEN Anwendungsbereich mehr.
Normen
RS 2
Die Vereinigung aller Anteile einer Gesellschaft setzt schon begrifflich das Fortbestehen sowohl der Gesellschaft als auch der Gesellschaftsanteile voraus; dies trifft bei der liquidationslosen Übernahme der OHG durch einen Gesellschafter, sei es auf Grund eines Vertrages oder durch den Erwerb von Todes wegen nicht zu.

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2149/75 E VS

Abgehen von Vorjudikatur (demonstrative Auflistung):

0052/61 E VwSlg 2461 F/1961;;

0663/69 E VwSlg 4095 F/1970;

0855/59 E VwSlg 2082 F/1959;

(RIS: abgv)

Übereinstimmende Rechtsprechung mit einem anderen Tribunal:

, G 16/64, kundgemacht im BGBl. Nr. 175/1964;

Besprechung in:

AnwBl 1979, 1148, S 540 (mit Glosse);

ÖStZ 1984/14, S 170;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Mag. Kobzina, Dr. Reichel, Dr. Straßmann, Dr. Seiler, Dr. Salcher, Mag. Öhler, Dr. Würth und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Ministerialsekretär Mag. Papp, über die Beschwerde der HL in W, vertreten durch DDr. Harold Seidler und Dr. Ernst Pammer, Rechtsanwälte in Wien I, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-675/74, betreffend Grunderwerbsteuer zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die offene Handelsgesellschaft mit der Firma "A. A. L." war Eigentümerin von inländischen Liegenschaften mit dem Einheitswert von S 20,626.000,--. Gesellschafter waren ab Beginn der Gesellschaft am bis zum Tod des Gatten der Beschwerdeführerin, A. L., am dieser mit 40 % und die Beschwerdeführerin mit 60 %. Nach dem Ableben ihres Gatten erwarb die Beschwerdeführerin als Universalerbin neben anderem Vermögen auch dessen Gesellschaftsanteil, wodurch sie Alleineigentümerin des unter der genannten Firma geführten Unternehmens wurde; sie führte es in der Folge als Einzelkaufmann weiter.

Mit Bescheid vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Beschwerdeführerin für diesen Erwerb die Erbschaftssteuer und - gestützt auf die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Z. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, in der für den Beschwerdefall geltenden Fassung (GrEStG) - auch eine Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 1,650.080,-- (das sind 8 % von S 20,626.000,--, also des vollen Einheitswertes der Liegenschaften) zur Entrichtung vor. Während die Beschwerdeführerin die Erbschaftssteuerforderung anerkannte, erhob sie gegen die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer mit der Begründung Berufung, daß zu Unrecht weder die Befreiungsbestimmung nach § 3 Z. 2 GrEStG und die Bestimmung des § 6 Abs. 2 GrEStG noch der begünstigte Steuersatz gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 GrEStG zur Anwendung gelangt seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde jedoch die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, daß gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer jedes Rechtsgeschäft unterliege, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile begründe, wenn zum Vermögen der Gesellschaft eine Liegenschaft gehöre und wenn weiters durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes vereinigt würden. Nach § 1 Abs. 3 Z. 2 GrEStG unterliege weiters auch die Vereinigung aller Anteile an einer solchen Gesellschaft der Steuerpflicht, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Ziffer 1 vorausgegangen sei. Der Tatbestand dieser Rechtsvorschrift sei somit die tatsächliche Vereinigung aller Anteile an einer Gesellschaft. Nun könne aber nicht bestritten werden, daß infolge des Todes des Ehemannes der Beschwerdeführerin und der Annahme der Erbschaft nach dem Verstorbenen durch die Beschwerdeführerin eine Vereinigung aller Anteile an der bisherigen Gesellschaft eingetreten sei. Hiedurch sei aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall (Erkenntnis vom , Zl. 1488/68) festgestellt habe, "der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z. 2 GrEStG völlig unabhängig von dem dem Erbschaftssteuergesetz zu unterwerfenden Erwerb erfüllt worden". Dieser vom Verwaltungsgerichtshof auch schon früher vertretenen Rechtsansicht schließe sich die Berufungsbehörde vollinhaltlich an. Wohl sei es richtig, daß § 3 Z. 2 GrEStG eine Doppelbesteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz einerseits und dem Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz andererseits verhindern wolle, doch stehe dem der klare und jeden Zweifel ausschließende Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG entgegen. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der es verbieten würde, denselben Sachverhalt unter zwei oder mehreren Abgabenvorschriften zu subsumieren, wodurch eine mehrfache Besteuerung bewirkt werde, bestehe nicht (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 1465/F).

Überdies habe die Beschwerdeführerin die Anwendung des § 6 Abs. 2 GrEStG beantragt, offensichtlich in der Absicht, daß ihr die Grunderwerbsteuer nur von dem nach dem Tod des Erblassers neu angefallenen 40 %igen Anteil am Betriebsvermögen bzw. Betriebsliegenschaften vorgeschrieben werde. Auch hiezu habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 663/69, festgestellt, "daß § 6 Abs. 2 GrEStG nur dann angewendet werden könne, wenn bei Übergang eines Grundstückes von einer offenen Handelsgesellschaft oder von einer Kommanditgesellschaft in die Hand eines einzelnen Gesellschafters das betreffende Grundstück aus dem Vermögen des Unternehmens, das bisher in Form einer Gesellschaft geführt wurde, ausscheide". Sinn und Zweck der in Rede stehenden Rechtsvorschrift mache es erforderlich, daß das bisherige Betriebsgrundstück wirtschaftlich aus dem Unternehmen herausgelöst werde, um die Abgabenbegünstigung zu erlangen. Diese Voraussetzung sei aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die Grundstücke in dem von der Beschwerdeführerin weitergeführten Unternehmen geblieben seien.

Wenn die Berufung letztlich die Anwendung des Steuersatzes des § 14 Abs. 1 Z. 1 GrEStG beantrage, könne ihr auch hier nicht gefolgt werden. Die Anteilsvereinigung sei nämlich die objektive Rechtsfolge des Erwerbes des letzten Geschäftsanteiles. Der begünstigte Steuersatz könne nicht zur Anwendung gelangen, da bei dem Vorgang Rechtssubjekte, deren Verwandtschaftsverhältnis steuerlich zu berücksichtigen wären, nicht vorhanden seien.

Gegen diese Berufungsentscheidung erhob die Beschwerdeführerin zunächst eine auf Art. 144 Abs. 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptete. Der Verfassungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit Erkenntnis vom , Zl. B -167/74-13, ab, trat sie jedoch gleichzeitig antragsgemäß gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob die Beschwerdeführerin in einem sonstigen Recht verletzt worden sei. Nach dem Inhalt der Ausführungen der Beschwerde fühlt sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, keine Grunderwerbsteuer entrichten zu müssen. Denn die Erklärung der Beschwerdeführerin in ihrem Ergänzungsschriftsatz, ihre RECHTSMEINUNG, daß die belangte Behörde die Befreiungsbestimmung des § 3 Z. 2 GrEStG und die Begünstigung nach § 14 Abs. 1 Z. 1 GrEStG zu Unrecht nicht angewendet habe, NICHT WEITER AUSZUFÜHREN, kann wohl nicht als Einschränkung des Beschwerdepunktes angesehen werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß dem § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:

Bevor die Frage beantwortet werden kann, ob Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände sowie der begünstigte Steuersatz des § 14 Abs. 1 Z. 1 GrEStG auch im Falle der sogenannten Anteilsvereinigung Anwendung finden könnten, war zu prüfen, ob im vorliegenden Fall der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Z. 2 GrEStG von der belangten Behörde überhaupt zu Recht herangezogen wurde.

Nach § 1 Abs. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer die folgenden Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

1. Ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet,

2. die Erwerbung des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist.

Nach § 1 Abs. 3 GrEStG (unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 14/64, G 16/64, kundgemacht im BGBl. Nr. 175/1964) unterliegen der Steuer "AUSSERDEM", wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört:

1. Ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein oder in der Hand von Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (herrschende und abhängige Unternehmen) vereinigt werden würden,

2. die Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Ziffer vorausgegangen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 2082/F, vom , Slg. Nr. 2461/F, und vom , Slg. Nr. 4095/F) fallen unter den Begriff der "Gesellschaft" im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nur Kapitalhandelsgesellschaften, sondern auch PersonenHANDELSgesellschaften. Dafür spricht nicht nur die historische Auslegung (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2082/F), sondern insbesondere der klare Gesetzestext. Von "Vermögen einer Gesellschaft" kann nämlich nicht nur bei solchen Gesellschaften gesprochen werden, die juristische Personen und als solche Eigentümer dieses Vermögens sind, sondern auch bei Personenhandelsgesellschaften, bei denen dieses im Gesamthandeigentum der Gesellschafter steht. Allerdings dürfen die mit dieser Konstruktion verbundenen Besonderheiten, denen auch der Gesetzgeber des Grunderwerbsteuergesetzes in den §§ 5 und 6 Rechnung getragen hat, nicht übersehen werden. So kommt insbesondere der "Firma" keinerlei eigenständige Bedeutung zu. Wohl werden nicht die einzelnen Gesellschafter im Grundbuch als Eigentümer des Vermögens eingetragen, sondern die Gesellschaft unter ihrer Firma (also ihrem Namen); auch sonst tritt im Rechtsleben unter dieser Firma das gesamthänderische Eigentum als Sondervermögen in Erscheinung, das als Einheit der Gesamtheit der Gesellschafter zusteht. Das Gesamthandeigentum ist aber nur das konstruktive Mittel, mit dem dieses Sondervermögen zusammengehalten und geformt wird; Eigentümer und Unternehmer sind die Gesellschafter (vgl. Kastner, Gesellschaftsrecht2, S. 10). Dies ändert jedoch nichts daran, daß eine Personenhandelsgesellschaft keine juristische Person ist, sondern ihr Vermögen im Gesamthandeigentum der Gesellschafter steht (vgl. Kastner a.a.O.; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht 3, Band II, S. 84; OGH in HS 1266). Gassner weist in seiner Monographie ''Anteilsvereinigung und Übergang aller Anteile an einer Gesellschaft im Grunderwerbsteuerrecht" (erschienen in den Schriften zum österreichischen Abgabenrecht, Band 3, herausgegeben von Gerold Stoll), S. 40, darauf hin, daß, setze man den in § 1 Abs. 3 GrEStG verwendeten Begriff des "Anteils an der Gesellschaft" mit "Anteil am Vermögen der Gesellschaft" gleich, § 1 Abs. 3 GrEStG ohne weiteres bei Personengesellschaften anwendbar sei. Unter dieser Voraussetzung sei die Vereinigung der Anteile als der Anteile am Vermögen einer gleichzeitig untergehenden Offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft in einer Hand, ohne weiteres möglich.

Aus einer Beantwortung der Frage, ob hier rite der Begriff "Anteile an der Gesellschaft" den Begriff "Anteile am Gesellschaftsvermögen" vom normativen Gehalt des § 1 Abs. 3 GrEStG 1955 her erfaßt, kann unabhängig davon, ob diese auf dem Boden der von Gassner vertretenen Auffassung der Gleichsetzung dieser Begriffe gelöst wird, schon deshalb nichts gewonnen werden, weil mit dem Untergang der Gesellschaft naturgemäß die vom Bestand der Gesellschaft abhängigen Anteile an dieser das Schicksal der Gesellschaft teilen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, daß der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. G 14/64, G 16/64, heute auf Personengesellschaften - von den dort bezeichneten Organschaftsverhältnissen abgesehen - keinen PRAKTISCHEN Anwendungsbereich hat.

Eine Vereinigung aller Anteile einer Gesellschaft setzt, wie dies bei der Kapitalgesellschaft als juristischer Person der Fall ist, schon begrifflich das Fortbestehen sowohl der Gesellschaft als auch das Fortbestehen der Gesellschaftsanteile voraus. Die liquidationslose Übernahme der Offenen Handelsgesellschaft durch einen der Gesellschafter bewirkt aber die Beendigung der Gesellschaft und den Untergang der Beteiligung an ihr.

Daraus folgt ganz allgemein:

Es erwirbt bei Vorliegen eines Rechtstitels für den Übergang eines solchen Unternehmens auf den verbleibenden Gesellschafter der Übernehmende nicht einen Anspruch auf Übertragung des Unternehmens oder der einzelnen Unternehmensbestandteile. Gleiches gilt für den Erwerb von Todes wegen. Es liegt in diesen Fällen nicht die Nachfolge in den Anteil des Ausscheidenden vor, auch nicht die Übertragung des Gesellschaftsanteiles, sondern eine Übernahme des Gesellschaftsvermögens, die Überführung des Gesamthandeigentums von der Personenhandelsgesellschaft in das Alleineigentum des übernehmenden Gesellschafters, ohne daß es eines weiteren Übertragungsaktes bedarf.

Da sohin die Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den verbleibenden Gesellschafter von der Fortsetzung der Gesellschaft zu unterscheiden ist, muß im Beschwerdefall eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. zufolge der Beendigung der gegenständlichen Personenhandelsgesellschaft im Zeitpunkt des Ablebens des vormaligen Gesellschafters A. L. schon nach dem normativen Gehalt des § 1 Abs. 3 Z. 2 GrEStG ausgeschlossen werden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Kosten hat die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht verzeichnet.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1975000473.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-52810