VwGH 14.05.1959, 0187/57
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Verwaltungsbehörde ist nicht befugt, ihre Unzuständigkeit durch Bescheid festzustellen. Sie hat, wenn sie sich zur Entscheidung über das bei ihr eingelangte Anbringen für unzuständig hält und von der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit der Weiterleitung oder Weiterverweisung dieses Ansuchens nicht Gebrauch machen will, den gestellten Antrag zurückzuweisen, welche Zurückweisung sodann mit der gefundenen Unzuständigkeit zu begründen ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Magistratskommissärs Dr. Liska als Schriftführer, über die Beschwerde des JS in L, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau von , Zl. 107.481 -
3 - 20/54, betreffend Rückstellung, bzw. Ersatz von
beschlagnahmten Materialien und Werkzeugen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Leoben erklärte mit ihrem Bescheid vom die Gewerbeberechtigung des nunmehrigen Beschwerdeführers für das Maler-, Anstreicher- und Vergolder- (Schriftenmaler-)gewerbe mit dem Standort in Leoben, Hauptplatz Nr. 7, gemäß dem Artikel III, § 10 und 15 des Verbotsgesetzes 1945 für erloschen; mit ihrem Bescheid vom verfügte sie, daß 1) die Gewerbeberechtigung gemäß dem § 15 dieses Gesetzes nach durchgeführtem Verfahren eingezogen werde, und daß 2) die für die Gewerbeausübung vorhandenen Werkzeuge und Materialien sichergestellt werden und der Wirtschaft zuzuführen seien. Der Berufung gegen beide Bescheide gab das Amt der Steiermärkischen Landesregierung mit dem namens des Landeshauptmannes erlassenen Bescheid vom Folge, behob diese und sprach aus, daß die Verkaufserlöse freizugeben seien, soweit dem nicht die Vorschriften des Währungsschutzgesetzes entgegenstehen. Das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau gab mit dem Bescheid vom der Berufung gegen den Bescheid des Amtes der Landesregierung Folge und behob diesen hinsichtlich des erfolgten Freigabeausspruches; insoweit wurde die Sache gemäß dem § 66 Abs. 2 AVG zur Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen, weil es nach der Auffassung des Bundesministeriums zunächst deren Sache sei, die von ihr als Vollstreckungsbehörde gemäß dem § 1 VVG etwa getroffenen Maßnahmen der durch die Aufhebung der erstinstanzlichen Bescheide geschaffenen Rechtslage anzupassen; die Ministerialinstanz wollte, so wurde ausgeführt, einer Entscheidung über Ansprüche des Beschwerdeführers an die Verwaltungsbehörde nicht vorgreifen.
Am stellte der Beschwerdeführer an die Bezirkshauptmannschaft den Antrag, die ihm widerrechtlich entzogenen Materialien und Werkzeuge, soweit sie ihm noch nicht zurückgegeben worden seien, in erster Linie in natura zu ersetzen; sollte dies jedoch unmöglich sein - so lautete sein Antrag des weiteren - so beanspruche er einen äquivalenten Ersatz in Geld. Zugleich gab er eine Aufstellung der nach seiner Ansicht in Betracht kommenden Gegenstände und bewertete diese mit insgesamt rund 107.000 S. Abschließend erklärte er, sich die Geltendmachung des ihm durch den rechtswidrigen Entzug von Materialien und Werkzeugen "infolge Unfähigkeit zur Durchführung der ihm damals (also zur Zeit des Entzuges) bereits erteilten Aufträge" ausdrücklich vorzubehalten.
Mit dem Bescheid vom sprach die Bezirkshauptmannschaft. Leoben aus, daß sie sich gemäß dem § 6 Abs. 1 AVG für unzuständig erkläre. Die Behörde hielt das Begehren des Beschwerdeführers für einen Antrag auf Schadenersatz. Sie stützte sich hiebei einerseits darauf, daß der Beschwerdeführer selbst von Schaden gesprochen hatte, anderseits auf die Bestimmungen der §§ 1294 und 1323 ABGB; nach ihren Ausführungen in der dem Bescheid beigegebenen Begründung werde durch die erstgenannte gesetzliche Bestimmung die auf Grund einer widerrechtlichen Handlung "bewirkte Vermögensverschiebung mißbilligt", während nach der letzteren Bestimmung die Zurückversetzung in den vorigen Stand und, wenn dies nicht tunlich ist, die Vergütung des Schätzwertes verlangt werde, wobei bei vertretbaren Sachen auch auf den Ersatz durch gleichartige erkannt werden könne, was alles auf das Begehren des Beschwerdeführers zutreffe. Die Bezirkshauptmannschaft bezog sich sodann auf den § 1338 ABGB, wonach das Recht zum Schadenersatz ein Privatrecht sei und daher vor dem ordentlichen Richter geltend gemacht werden müsse; mangels einer besonderen (nämlich gegenteiligen) Bestimmung sei der Schadenersatzanspruch selbst bei in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden gehörenden Angelegenheiten vor dem Zivilrichter zu stellen, möge der Anspruch aus einem öffentlichrechtlichen Verhältnis hervorgehen oder nicht, es sei denn, daß eine zivilrechtliche Sache durch eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung der Verwaltungsbehörde zugewiesen sei. Eine solche Bestimmung sei jedoch für Fälle der vorliegenden Art nicht vorgesehen.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer Berufung ein. Dieser gab das Amt der. Steiermärkischen Landesregierung mit dem namens des Landeshauptmannes erlassenen Bescheid vom nicht statt; dargelegt wurde, es gebe die von der Bezirkshauptmannschaft ihrem Bescheid beigegebene Begründung auch die Ansieht der Berufungsbehörde wieder.
Der weiteren Berufung gegen den eben genannten Bescheid des Amtes der Landesregierung gab das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau mit dem nun angefochtenen Bescheid vom gleichfalls nicht Folge, wobei die Begründung der Bescheide der Vorinstanzen als zutreffend übernommen wurde.
In der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Gerichtshof hat darüber erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt zunächst den behördlichen, im Instanzenzug bestätigten Ausspruch als rechtlich unrichtig, mit welchem sich die Bezirkshauptmannschaft Leoben unter Bezugnahme auf den Abs. 1 des § 6 AVG zur Entscheidung über sein Begehren für unzuständig erklärt hatte; er ist mit seiner Auffassung im Recht.
Gemäß der eben angeführten Gesetzesstelle hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; bei ihr einlangende Anbringen, für deren Behandlung sie nicht zuständig ist, hat sie an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Diesen Bestimmungen kann nicht entnommen werden, daß die Behörde ihre Unzuständigkeit bescheidmäßig wie im gegebenen Falle durch eine in den Spruch des Bescheides aufzunehmende Unzuständigkeitserklärung auszusprechen hätte. Sie hat vielmehr, wenn sie sich zur Entscheidung über das bei ihr eingelangte Anbringen für unzuständig hält, soferne sie von der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeit der Weiterleitung oder Weiterverweisung nicht Gebrauch machen will oder kann, ihre Rechtsmeinung bezüglich ihrer Unzuständigkeit dadurch darzutun, daß sie den gestellten Antrag zurückweist; sie hat die Zurückweisung sodann mit der gefundenen Unzuständigkeit zu begründen.
Der angefochtene Bescheid ist daher schon insoweit, als damit die ausdrückliche Unzuständigkeitserklärung der Vorinstanzen bestätigt wurde, seinem Inhalte nach rechtswidrig; dies führte zu seiner Aufhebung gemäß dem § 42 Abs. 1 lit. a VwGG 1952, ohne daß es einer Erörterung der sonstigen Beschwerdeausführungen bedurfte. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wird der Schlußfassung der belangten Behörde nicht vorgegriffen, ob eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit zum sachlichen Abspruch über das Parteibegehren besteht (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes SIg. Nr. 2154).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4974 A/1959 |
Schlagworte | Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Diverses VwRallg10/1/3 Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Feststellungsbescheid |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1959:1957000187.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-52415