VwGH 03.12.1964, 0143/63
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Wird ein Bestandvertag derart auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen, daß beide Vertragsteile - abgesehen von besonders vereinbarten einzelnen Auflösungsgründen - durch die vereinbarte Zeit an den Vertrag gebunden sind, bleibt nach Ablauf dieser bedungenen Vertragsdauer der Vertrag, wenn nicht einer der Teile erklärt, das Vertragsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, durch einen weiteren bestimmten Zeitraum und nach Ablauf dieses Zeitraumes unter denselben Bedingungen wieder durch den gleichen Zeitraum in Kraft und ist die Zahl dieser Verlängerungen von vornherein nicht begrenzt, dann liegt ein Bestandvertrag auf eine bestimmte Zeit, nämlich auf die zunächst bedungene Vertragsdauer und weiterhin auf unbestimmte Zeit vor. Die Gebühr ist in diesem Falle von dem auf die ganze zunächst bedungene Vertragsdauer entfallenden Entgelt und darüber hinaus vom dreifachen Jahresbetrag des Entgeltes zu entrichten. |
Norm | |
RS 2 | Die Abgabenbehörde hat in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen, ob ein Vertrag von bestimmter oder unbestimmter Dauer vorliegt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, sowie den Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Dorazil, Dr. Schimetschek, Dr. Mathis, Dr. Kadecka, Dr. Schmid und Dr. Raschauer als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des DB in P, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII-1412/2/62, betreffend die Gebühr von einem Bestandvertrage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit schriftlichem Vertrag vom hat der Beschwerdeführer eine Wohnung in P. für die Zeit ab auf die Dauer von drei Jahren, also bis , gemietet. In Punkt II. des Mietvertrages wurde bestimmt, „daß dieses Mietverhältnis sich um jeweils ein weiteres Jahr stillschweigend verlängert, falls nicht ein Vertragsteil mindestens drei Monate vorher mittels eingeschriebenen Briefes erklären wird, daß er das Mietverhältnis nicht fortsetzen wolle“. In diesem Zusammenhange wurde auch festgehalten, daß die künftige Eheschließung der minderjährigen Vermieterin als ein Fall dringenden Eigenbedarfes anerkannt und als Auflösungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 6 des Mietengesetzes bestimmt werde. Dieser Eigenbedarf sollte jedoch vor Ablauf von drei Jahren nicht geltend gemacht werden können. Sollte der Mieter während der Vertragsdauer sterben, dann sollte nach Punkt III. des Mietvertrages die Ehegattin des Mieters, nicht aber sonstige Erben und Rechtsnachfolger, mit allen Rechten und Pflichten in das Bestandverhältnis eintreten.
Das zuständige Finanzamt hatte dem Beschwerdeführer für diesen Mietvertrag unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Slg.Nr. 1473(F), eine Rechtsgeschäftsgebühr in Höhe von S 3.024,-- mit der Begründung vorgeschrieben, daß der Gebührenbemessung gemäß § 16 des Bewertungsgesetzes (BGBl.Nr. 148/1955, BewG) der 18fache Jahreswert des Entgeltes zugrunde zu legen sei, weil sich die Bestanddauer jeweils um ein weiteres Jahr verlängere, wenn nicht bis zu einem bestimmten Termin „gekündigt“ werde.
Der Beschwerdeführer hatte gegen diesen Bescheid Berufung erhoben. Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide vom hatte die Finanzlandesdirektion die Berufung als unbegründet abgewiesen und unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, die bedingt vereinbarten einjährigen Zeiträume hätten gemäß § 26 des Gebührengesetzes (BGBl.Nr. 267/1957, GebG) als unbedingt vereinbart zu gelten, sodaß im Ergebnis ein Vertrag auf bestimmte Dauer vorliege, bei dem nur die Zahl der tatsächlichen Verlängerungen ungewiß sei. Gemäß § 15 Abs. 1 BewG sei der Gesamtwert von Leistungen auf bestimmte Zeit der Summe der einzelnen Jahreswerte gleich, wobei der Gesamtwert das 25fache des Jahreswertes nicht übersteigen dürfe. Wenn die Dauer des Rechtes außerdem noch durch das Leben einer oder mehrerer Personen bedingt ist, dann dürfe der nach den Vorschriften des § 16 Abs. 2 BewG nach dem Lebensalter kapitalisierte Jahreswert nicht überschritten werden. Nach dem Vertrage sei ein Übergang der Rechte und Verbindlichkeiten nur auf die Gattin des Beschwerdeführers vereinbart, nicht aber auf die sonstigen Erben und Rechtsnachfolger der Vertragsteile. Für den Wert der Jahresleistungen sei demnach gemäß § 16 Abs. 4 BewG das Lebensalter der ältesten aus dem Vertrage berechtigten Person maßgebend. Da diese Person bei Abschluß des Vertrages im 39. Lebensjahre gestanden sei, bilde das 18fache des Jahreswertes der Leistungen des Beschwerdeführers die Bemessungsgrundlage. Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, daß im Fall einer Eheschließung der Vermieterin der Vertrag als gelöst zu gelten habe, wurde auf § 33 TP. 5 Abs. 3 GebG. hingewiesen, wonach der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung bei bestimmter Dauer des Bestandverhältnisses für die Gebührenbemessung außer Betracht zu bleiben habe.
Die Beschwerde bekämpft diesen Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Der gemäß § 11 Abs. 4 Z. 1 VwGG 1952 verstärkte Senat des Verwaltungsgerichtshofes hat darüber erwogen:
Die Beschwerde führt zunächst aus, nach richtiger und dem Sinne des Gesetzes entsprechender Beurteilung unterliege das strittige Rechtsgeschäft als ein Bestandvertrag auf unbestimmte Zeit einer Gebühr von 1 % des dreifachen Jahreswertes. Der Parteiwille ziele nicht auf einen Abschluß des Vertrages auf Lebenszeit der Vertragsteile, sondern nur auf eine kurzfristige Bindung, was sich nicht nur aus der verhältnismäßig kurzen Dauer von drei Jahren, sondern auch aus der bloß jeweils einjährigen sogenannten Verlängerung ergebe. Dieser Umstand werde überdies noch dadurch unterstrichen, daß auf die bevorstehende Eheschließung der Vermieterin Rücksicht genommen wurde.
Die Beschwerde läßt dabei außer acht, daß nach der ausdrücklichen Bestimmung des Punktes I. des Vertrages die Wohnungsmiete ab „auf die Dauer von drei Jahren, sohin bis zum “ vereinbart worden ist und die Anerkennung der Wiederverehelichung der Vermieterin als Kündigungsgrund - abgesehen davon, daß dieser Kündigungsgrund erst nach Ablauf der vertraglich festgelegten Mindestdauer von drei Jahren geltend gemacht werden kann - gemäß dem zweiten Satze des Abs. 3 des § 33 TP. 5 GebG für die Gebührenbemessung außer Betracht bleiben muß. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, daß jedenfalls zunächst ein Bestandvertrag auf die bestimmte Dauer von drei Jahren vorliegt, von dem die Gebühr nach § 33 TP. 5 GebG. nach den gemäß § 26 GebG für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände geltenden Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955 zu berechnen ist, weil diese Tarifbestimmung keine abweichenden Vorschriften über die Bewertung von Bestandverträgen auf bestimmte Dauer enthält. Nach § 15 Abs. 1 BewG ist demnach die Gebühr zunächst von der Summe der Jahreswerte der auf die bestimmte Zeit von drei Jahren beschränkten Nutzungen oder Leistungen zu berechnen. Im vorliegenden Falle geht der Streit auch nur darum, ob im Sinne des § 15 BewG die bestimmte Zeit, auf die die vertraglichen Nutzungen oder Leistungen beschränkt sind, im Hinblick auf die Vertragsbestimmung, daß das Mietverhältnis sich um jeweils ein weiteres Jahr stillschweigend verlängert, wenn nicht ein Vertragsteil mindestens drei Monate vorher erklären wird, daß er das Mietverhältnis nicht fortsetzen wolle, mit einem längeren als mit diesem dreijährigen Zeitraum anzunehmen sei.
Die belangte Behörde hat nun auch über den dreijährigen Zeitraum hinaus eine bestimmte Dauer des Vertrages angenommen. Sie hat sich dabei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnisse vom , Slg.Nr. 1473(F), berufen. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof eine gleichartige vertragliche Regelung dahin beurteilt, daß der Vertrag zunächst auf eine bestimmte Dauer und dann bedingt auf eine unbestimmte Zahl von jeweils fünfjährigen Zeiträumen geschlossen worden ist. Die Beisetzung der Bedingung sei, so hat der Verwaltungsgerichtshof damals ausgeführt, gemäß § 17 Abs. 4 und § 26 GebG für das Ergebnis der Gebührenbemessung insoweit ohne Bedeutung, als bedingt vereinbarte Zeiträume als unbedingt vereinbarte anzusehen seien. Der Verwaltungsgerichtshof ist in den bisher behandelten Beschwerdefällen zu dem Ergebnisse gelangt, daß, weil der Bestandvertrag zunächst auf einen bestimmten Zeitraum unbedingt und dann bedingt auf eine unbestimmte Anzahl bestimmter Zeiträume abgeschlossen worden ist, der Bemessung der Gebühr kein geringerer und auch kein höherer Betrag als der 25fache Jahresbetrag des Mietentgeltes zugrunde gelegt werden könne.
Die belangte Behörde hat nun im vorliegenden Falle der Bemessung nicht gemäß § 15 Abs. 2 BewG das 25fache des jährlichen Mietentgeltes zugrunde gelegt, sondern mit Rücksicht auf den letzten Satz des § 15 Abs. 1 BewG aus der Feststellung, daß nach dem Vertrag ein Übergang der Rechten und Pflichten nur auf die Ehegattin des Beschwerdeführers, nicht aber auch auf die sonstigen Erben und Rechtsnachfolger der Vertragspartner vereinbart wurde, abgeleitet, daß gemäß § 16 Abs. 2 Z. 4 BewG das 18fache des Jahreswertes der Leistung die Bemessungsgrundlage zu bilden habe.
Die Beschwerde bekämpft diese auf § 26 GebG und auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegründete Gebührenbemessung als gesetzwidrig. Sie erblickt darin eine Fiktion, die dem Vertragswillen der Beteiligten nicht nur nicht entspreche, sondern ihm sogar entgegengesetzt und mit den herkömmlichen Denkvorgängen nicht vereinbar sei. Nach Wortlaut und Inhalt des strittigen Vertrages könne nicht angenommen werden, daß ein Rechtsgeschäft auf Lebensdauer eingegangen worden sei. Nach Ablauf der bestimmt vereinbarten dreijährigen Dauer könne höchstens von einem Vertragsverhältnis unbestimmter Dauer gesprochen werden und daran könne auch die Aufteilung der unbestimmten Zeit in bestimmte einzelne Zeitabschnitte von jeweils einem Jahre begrifflich nichts ändern. Im Endergebnisse liege immer nur ein Vertrag auf unbestimmte Zeit vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 840/62, das von einem verstärkten Senate beschlossen wurde, von der bisherigen Rechtsprechung abweichend, einen Vertrag auf unbestimmte Zeit auch dann als gegeben angesehen, wenn nur ein Vertragsteil für eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden ist, während der andere das Vertragsverhältnis ohne Beschränkung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Gründe durch Kündigung auflösen kann. Denn nicht schon die zeitliche Bindung eines Vertragspartners mache den Bestandvertrag zu einem solchen auf bestimmte Zeit und der zweite Satz des Abs. 3 im § 33 TP. 5 GebG könne, solle seine Auslegung nicht zu einem offenbar unvernünftigen und dem Willen der Parteien widersprechenden Ergebnisse führen nur den Sinn haben, daß nicht jede vorbehaltene schrankenlose Kündigungsmöglichkeit der Behörde erlaubt, dennoch einen Vertrag, in dem auch ein Endzeitpunkt des Vertragsverhältnisses angegeben ist, als einen Vertrag auf bestimmte Zeit zu werten, sondern daß dies nur dann zulässig sein könne, wenn die Möglichkeit der Kündigung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle beschränkt ist. Zu dieser Auslegung des zweiten Satzes im Abs. 3 des § 33 TP. 5 GebG. - nach dieser Gesetzesstelle bleibt der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung eines auf bestimmte Dauer geschlossenen Bestandvertrages für die Gebührenermittlung außer Betracht - ist der Verwaltungsgerichtshof in der Erwägung gekommen, „daß ein Bestandverhältnis, das zwar der Form nach auf eine bestimmte Zeit eingegangen worden ist, aber dennoch vor Ablauf dieser Zeit von jedem der beiden Teile oder auch nur von einem von ihnen beliebig aufgelöst werden kann, in seiner Dauer unbestimmt ist“.
Der Verwaltungsgerichtshof hat also in dem genannten Erkenntnisse das Unterscheidungsmerkmal zwischen einem auf bestimmte Zeit und einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrage darin erblickt, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sind oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht im Wege steht.
Auf Grund dieser Rechtsanschauung, an der der Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Falle festhält, läßt sich aber die von der belangten Behörde im Streitfalle vertretene Auffassung, die allerdings auf eine frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgeht, nicht aufrecht erhalten. Denn, wenn die Vertragsteile einen Vertrag auf bestimmte Dauer unter der Abrede geschlossen haben, daß er auch nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer weiter auf unbestimmte Zeit oder auf eine unbestimmte und daher nicht übersehbare Anzahl von Verlängerungszeiträumen bestimmter Dauer in Kraft bleiben soll, wenn keiner der beiden Vertragsteile innerhalb bestimmter Frist vor Ablauf dieser vereinbarten Vertragsdauer erklärt, das Vertragsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, dann besteht ein Vertrag auf bestimmte Dauer nur für die ursprünglich vereinbarte Zeit, weiterhin aber ein Vertrag von unbestimmter Dauer. Daß die Abgabe dieser Erklärung an die Einhaltung bestimmter Fristen gebunden ist und daß bei Unterbleiben solcher Erklärungen in einem späteren Zeitpunkte wieder eine Bindung der Parteien jeweils auf einen bestimmten Zeitraum (im vorliegenden Fall ein Jahr) eintritt, kann an dieser Betrachtungsweise nichts ändern, weil die Anzahl der allfälligen künftigen Verlängerungen völlig ungewiß ist.
Der vorliegende Vertrag ist somit als zunächst auf bestimmte Zeit (bis zum zunächst vereinbarten Ende der beiderseitigen Bindung) und danach als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen zu werten. Soweit in der Begründung des Erkenntnisses vom , Zl. 840/62, ein abweichender Standpunkt eingenommen wurde, hält der Verwaltungsgerichtshof daran nicht mehr fest. Für die zweite Phase der vertraglichen Regelung kann aber, weil § 33 TP. 5 Abs. 3 GebG. für Verträge von unbestimmter Dauer eine abweichende Bestimmung trifft, § 26 Abs. 1 GebG nicht angewendet werden.
Somit hätten im vorliegenden Falle die Verwaltungsinstanzen der Gebührenbemessung vom strittigen Vertrage zunächst den dreifachen Jahresbetrag und gemäß § 33 TP. 5 Abs. 3 erster Satz GebG, einen weiteren dreifachen Jahresbetrag des Mietentgeltes zugrunde legen müssen, nicht aber, wie sie es getan haben, den 18fachen Jahresbetrag. Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3190 F/1964 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1963000143.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-52350