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VwGH 29.04.1968, 0067/67

VwGH 29.04.1968, 0067/67

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Wr §60a;
BauO Wr §61;
RS 1
Die Fälle des § 60 lit a der Bauordnung für Wien unterscheiden sich kategorisch von den Fällen des § 61 leg cit (Hinweis E , VwSlg 2765 A/1952).
Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1;
BauO Wr §70;
RS 2
Die Frage ob ein Bauwerk vorschriftswidrig errichtet wurde, ist nach dem Zeitpunkt der Errichtung, die Frage ob es nachträglich bewilligt werden kann nach dem Zeitpunkt der Erlassung des Bewilligungs- oder Versagungsbescheides zu beurteilen (BO f Wien).
Norm
BauO Wr §129 Abs10;
RS 3
Die alternative Fassung eines Auftrages nach § 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien ist zwar zulässig aber nicht geboten.
Norm
VwRallg;
RS 4
Von konstitutiven Verwaltungsakten kann dann gesprochen werden, wenn zu deklarativen Elementen konstitutive Elemente hinzutreten (BO f Wien).
Norm
BauO Wr §70 Abs1;
RS 5
Bei Vernachlässigung der Pflicht, um eine Baubewilligung anzusuchen, muss das Risiko einer nachteiligen Änderung der Rechtslage in Kauf genommen werden.
Norm
BauO Wr §71;
RS 6
Eine Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien ist nicht "von Amts wegen" zu erteilen.
Norm
BauO Wr §70 Abs1;
RS 7
Die Baubewilligung ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt.
Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §70 Abs1;
RS 8
Der rechtskräftige Abtragungsauftrag schließt ein Ansuchen um Baubewilligung nicht aus; ein Abtragungsauftrag kann grundsätzlich bei Anhängigkeit eines Bauansuchens nicht vollstreckt werden (Hinweis auf E , 448/65 und E 1490/67).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Magistratskonzipisten Dr. Macho, über die Beschwerde der C und des K W in W, vertreten durch Dr. Otto Heller und Dr. Christa Heller, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom , Zl. MDR-B XI-1/66), betreffend die Erlassung eines Abtragungsauftrages nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Otto Heller, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsoberkommissärs DDr. WH, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von je S 395,-- (zusammen S 790,---) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte mit Bescheid vom den Beschwerdeführern gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien den Auftrag, als Eigentümer der Liegenschaft XY, Orientierungsnummer 52, EZ. 928 des Grundbuches der Katastralgemeinde N, ohne Baubewilligung errichtete Zubauten (Zubau zur Dämpfkammer und Vergrößerung des an das ebenerdige Vordergebäude angebauten Schuppens) abtragen zu lassen. Die Maßnahmen seien binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides in Angriff zu nehmen und sodann ohne unnötige Unterbrechung zu beenden. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, bei der am abgehaltenen Augenscheinsverhandlung sei festgestellt worden, dass die an der linken Grundgrenze befindliche Dämpfkammer um ca. 1,5 m erweitert worden sei. Weiters sei der an das Vordergebäude anschließende Schuppen um etwa 2,5 x 4 m vergrößert worden, Die Zubauten seien ohne Baubewilligung errichtet worden. Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien seien daher die vorschriftswidrigen Bauten zu beseitigen, da eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden könne, weil der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für das gegenständliche Gebiet die Widmung "ÖZ." (öffentliche Zwecke, hier zur Erweiterung des Elektrizitätswerkes) aufweise.

In der Berufung gegen diesen Bescheid ließen die Beschwerdeführer zunächst dahingestellt, ob es sich um "vorschriftswidrige Bauten" handle und bestritten, dass in diesem Fall eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden könne. Sie ließen es ferner dahingestellt, ob eine Widmung für öffentliche Zwecke eine Baubewilligung gemäß § 60 der Bauordnung für Wien für Bauzwecke mit anderer Zielsetzung ausschlösse. Jedenfalls könne und müsse aber eine Baubewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien auf bestimmte Zeit oder auf Widerruf erteilt werden. Ein Ansuchen wurde aber im Schriftsatz nicht gestellt. Vor Erlassung, einer Abtragungsverpflichtung habe die belangte Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob nach irgendeiner Bestimmung der Bauordnung und nicht nur nach den Bestimmungen des § 60 eine nachträgliche Genehmigung möglich sei. Die Beschwerdeführer beriefen sich in dieser Hinsicht auf Schubert, der im Kommentar zur Bauordnung I. Teil, 1958, auf S. 216, zweiter Absatz, ausführe, dass § 71, der Bauordnung für Wien auch dann zur Anwendung komme, wenn das Bauvorhaben zwingenden Vorschriften der Bauordnung nicht entspreche und diese Tatsache somit zu einer Versagung der Baubewilligung nach § 70 der Bauordnung für Wien führen müsste. Das Gesetz ermächtige, so werde vom Kommentator ausgeführt, die Baubehörde, nach ihrem Ermessen zu beurteilen, ob und von welchen Vorschriften der Bauordnung je nach der Lage des Falles Abstand genommen werden könne, dies freilich nur unter der Voraussetzung, dass keine subjektiven öffentlichen Rechte, die durch die Bauordnung gewährleistet seien, verletzt würden, welche Voraussetzung hier gegeben sei.

Selbst wenn man von der Widmung für öffentliche Zwecke ausgehe - so führten die Beschwerdeführer aus -, stehe bereits fest, dass sie über eine Reihe baurechtlich genehmigter Bauten auf der gegenständlichen Liegenschaft verfügten, für die sie sowohl die baubehördliche als auch die gewerbebehördliche Benützungsbewilligung besäßen. Durch die Umwidmung der Liegenschaft könnten ihnen diese wohlerworbenen Rechte nicht genommen werden. Dies bedeute, dass sie "noch jahrelang" berechtigt seien, die gegenständliche Liegenschaft, zumindest in jenem Umfang, zu benützen, wie sie diese bisher benützt hätten. Somit könnten keine öffentliche Rücksichten dagegen sprechen, dass sie die im Jahre 1955 errichteten Zubauten mindestens solange benützten, als sie auch jene Gebäudeteile zu benützen berechtigt seien, die vor diesem Zeitpunkt errichtet worden seien und für die eine unwiderrufliche Bau- und Benützungsbewilligung vorliege. Die Behörde sei somit verpflichtet gewesen, eine Baubewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien zu erteilen oder jedenfalls zu prüfen, ob eine solche Genehmigung möglich sei. Diese Möglichkeit sei gegeben gewesen, weil die Behörde die Bewilligung auf jenen Zeitraum abstellen konnte, für den die Benützungsbewilligung für die früher errichteten Gebäude aufrecht bestehe. In allfälligen Entschädigungsverhandlungen wäre die Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien irrelevant gewesen, weil mit einer solchen Bewilligung errichtete Gebäude als unbebaut zu gelten hätten. Daraus ergebe sich ein Rechtsanspruch auf eine Genehmigung nach § 71 der Bauordnung für Wien. Die Beschwerdeführer machen aber auch geltend, dass es sich um "geringfügige Zubauten" handle, bei denen eine bloße Bauanzeige gemäß § 61 der Bauordnung für Wien genüge. Diese Anzeige werde nun erstattet, ja sie sei schon im Ermittlungsverfahren erstattet worden.

Auch dürfe - so führten die Beschwerdeführer weiter aus - nicht übersehen werden, dass - dies sei auch für die Frage einer Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien wesentlich - die Umwidmung in dem Sinne, dass früheres Industrieland als Bauland für öffentliche Zwecke gewidmet worden sei, erst 1959 erfolgte, während die Zubauten schon 1955 errichtet worden seien. Hätten die Beschwerdeführer schon im Jahre 1955 angesucht, so hätten sie die Baubewilligung erhalten. Dass sie irrtümlicherweise nicht angesucht hatten, könne nicht bewirken, dass sie schlechter gestellt würden, als wenn das Bauansuchen 1955 gestellt worden wäre. Hier zeige sich jedoch der Härtefall, der die Erteilung einer Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien rechtfertigen würde. Ferner wurde von den Beschwerdeführern ausgeführt, es sei unzutreffend, aus § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien abzuleiten, dass auf für öffentliche Zwecke bestimmten Liegenschaften Zubauten nicht errichtet werden könnten, auch wenn sich auf dieser Liegenschaft baubehördlich genehmigte Bauten für private Zwecke befänden und die Zubauten faktisch nur eine Ergänzung der bestehenden Privatbauten darstellten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, es werde von den Beschwerdeführern nicht bestritten, dass sie die von der Behörde erster Instanz beanstandeten Bauführungen durchgeführt hätten. Sie hätten zunächst ausgeführt, dass für derartige geringfügige Zubauten eine Bauanzeige gemäß § 61 der Bauordnung für Wien genüge. Auch behaupteten die Beschwerdeführer, dass ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung gegeben sei. Nach der Aktenlage stehe es eindeutig fest, dass die auf der Liegenschaft befindliche Dämpfkammer und der an das Vordergebäude anschließende Schuppen vergrößert worden seien. Es lägen sohin Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter Richtung vor. Derartige Vergrößerungen definiere § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien als Zubauten. Für solche Bauführungen sei aber gemäß § 60 Abs. 1 der Bauordnung für Wien vor Beginn die Baubewilligung der Behörde zu erwirken. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer seien Bauführungen, die der Genehmigungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien unterlägen, stets bewilligungspflichtig, zumal gemäß § 60 Abs. 1 lit. b lediglich für die Errichtung aller sonstigen baulichen Anlagen, allenfalls eine Anzeige nach § 61 der Bauordnung für Wien genüge. Ähnliches könne für sonstige Ergänzungen oder Abänderungen bewilligter Bauvorhaben und für die Abänderungen bestehender Bauanlagen oder die Instandsetzung beschädigter Baulichkeiten im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien erschlossen werden. Keinesfalls seien aber die vorliegenden Bauführungen bloß anzeigepflichtige Bauherstellungen im Sinne der Verordnung LGBl. für Wien Nr. 43/1930. Die Behörde erster Instanz sei daher zu Recht davon ausgegangen; dass eine Baubewilligung für die Bauführungen erwirkt werden musste. Es sei jedoch nunmehr die Frage zu prüfen gewesen, ob die Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung geltend machen könnten. In dieser Frage übersehen die Beschwerdeführer zunächst, dass für die Frage der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung nicht die Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung der Baulichkeiten, sondern mangels entgegenstehender Normierung die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Baubewilligung maßgeblich sein müsse. Die Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung von Baulichkeiten sei lediglich für die Frage der Bewilligungspflicht der Bauführung maßgebend, die, wie bereits dargelegt worden sei, im vorliegenden Fall zu bejahen sei. Hiebei sei davon auszugehen, dass auf eine Ausnahmebewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien ein Rechtsanspruch nicht bestehe. Im Verfahren nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien sei aber lediglich zu prüfen, ob der Partei ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer nachträglichen Bewilligung im Sinne des § 70 der Bauordnung für Wien zustehe. Die Behörde erster Instanz habe die Frage der Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung deswegen verneint, weil der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für das gegenständliche Gebiet die Widmung "öffentlicher Zwecke" aufweise. Dies bedeute aber, wie die Behörde erster Instanz richtig erkannt habe, dass lediglich für solche Baubewilligungen ein Rechtsanspruch bestehe, deren Gegenstand der Verwirklichung des Bebauungsplanes entspreche. Dies ergebe sich insbesondere aus § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien, wonach die Errichtung nur solcher Baulichkeiten gestattet sei, die der Widmung entsprechen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung nicht geltend machen können. Ausnahmebewilligungen im Sinne des § 71 der Bauordnung für Wien seien in das Ermessen der Behörde gestellt. Ob eine solche Ausnahmebewilligung im vorliegenden Fall im Sinne des Gesetzes gelegen sei, sei im gegenständlichen Berufungsverfahren nicht zu prüfen gewesen und es werde über diese Frage erst in einem allfälligen Baubewilligungsverfahren zu entscheiden sein. Da auch die festgesetzte Erfüllungsfrist der Sachlage nach - in Anbetracht des Vorliegens einer unbefugten Bauführung - angemessen erscheine, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Sie behaupteten, durch den bekämpften Bescheid in ihrem Eigentumsrecht, aber auch in ihren Rechten aus Art. 6 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger und im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein. Der Verfassungsgerichtshof erkannte in seinem Erkenntnis B 253/66 vom zu Recht, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden seien. Die Beschwerde wurde abgewiesen, jedoch zur Entscheidung darüber, ob die Beschwerdeführer in einem sonstigen Recht verletzt worden seien, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Aus den Entscheidungsgründen des Verfassungsgerichtshofes sei hervorgehoben, dass nach Meinung dieses Gerichtshofes keine Bedenken dagegen bestehen, die Vorsorge für die Erweiterung des Elektrizitätswerkes durch die Auszeichnung eines dafür vorgesehenen Bauplatzes als öffentlicher Bauplatz zu treffen. Aus der demonstrativen Aufzählung jener öffentlicher Zwecke, für die Bauplätze vorgesehen seien im § 5 Abs. 2 lit. i der Bauordnung für Wien - es seien dort insbesondere auch Bäder, Markthallen und Schlachthäuser genannt - in Verbindung mit der Vorschrift des § 3 des Zweiten Verstaatlichungsgesetzes, in der u.a. die Aufgabe der Wiener Elektrizitätswerke festgelegt sei, ergebe sich nämlich eindeutig, dass diese Werke für öffentliche Zwecke im Sinne des § 5 der Bauordnung für Wien betrieben würden und daher auch öffentliche Bauplätze für diese Zwecke vorgesehen werden könnten,

Zur Ergänzung ihrer Beschwerde für die Zwecke der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof aufgefordert, führten die Beschwerdeführer zunächst unter Heranziehung des Erkenntnisses vom , Slg. N.F. Nr. 2765/A, aus, dass zwischen den Tatbeständen des "§ 60 und des § 61" der Bauordnung für Wien kein kategorischer, sondern nur ein gradueller Unterschied bestehe. Wenn daher die Behörde vermeine, dass jeder Zubau mit einer Vergrößerung in waagrechter Richtung gemäß § 60 der Bauordnung für Wien bewilligungspflichtig sei, so könne diesem Standpunkt nicht gefolgt werden, weil dann für Fälle des § 61 gar kein Raum mehr bliebe. Eine Einschränkung der Fälle der Anzeigepflicht auf die in der Verordnung vom angeführten Fälle verstoße gegen die Bestimmung des § 61 der Bauordnung für Wien. Es wäre somit zu prüfen gewesen, ob es sich bei den Zubauten nicht um Baulichkeiten geringerer Art handle, die nur anzeigepflichtig seien. Ein Abtragungsauftrag könne bezüglich bloß anzeigepflichtiger Bauten nicht erteilt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst über diesen Teil der Beschwerdeausführungen und die zugehörige Erwiderung in der Gegenschrift das folgende erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 der Bauordnung für Wien ist bei den im folgenden in dieser Gesetzesstelle angeführten Bauführungen vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken. Unter lit. a sind Neu-, Zu- und Umbauten angeführt. Die Begriffe Neubau, Umbau und Zubau sind definiert. Zubauten sind danach alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waag- oder lotrechter Richtung. Unter lit. b ist die Errichtung aller sonstigen "baulichen Anlagen" über und unter der Erde mit Ausnahme jener, für die die Anzeige nach § 61 der Bauordnung für Wien genügt, und mit weiteren Ausnahmen angeführt. In lit. c sind Ergänzungen oder Abänderungen bewilligter Bauvorhaben und Abänderungen bestehender Bauanlagen oder die Instandsetzung beschädigter Baulichkeiten angeführt. Sie bedürfen der Bewilligung, wenn diese Herstellungen von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die Rechte des Nachbarn sind oder durch die das äußere Ansehen der Bauanlage oder die innere Einteilung der Räume oder deren Bestimmung geändert wird

Gemäß § 61 Abs. 1 der Bauordnung für Wien genügt für die Errichtung baulicher Anlagen oder für Bauabänderungen geringerer Art eine schriftliche Anzeige.

Die Rechtsprechung, auf die sich die Beschwerdeführer berufen, hat zu den eben wiedergegebenen Gesetzesstellen keineswegs eine im Sinne der Beschwerdeführer liegende Auffassung ausgesprochen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 2765/A, wohl ausgesprochen, dass zwischen den gemäß § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien genehmigungspflichtigen und den gemäß § 61 dieses Gesetzes bloß anzeigepflichtigen Bauabänderungen kein kategorischer, sondern nur ein gradueller Unterschied, und zwar nach dem Ausmaß, in dem öffentliche Interessen durch das Bauvorhaben berührt werden, bestehe. Er hat hiezu gesagt, dass das Gesetz jede Bauführung, welche unter § 60 Abs. 1 lit. c fällt, von der Genehmigungspflicht befreit, wenn sie geringfügiger Natur ist. Dies ergebe sich daraus, dass § 60 Abs. 1 lit. b für die Errichtung von baulichen Anlagen, "die in lit. a genannten Fällen vonNeu-, Zu- und Umbauten ausgenommen", die Genehmigungspflicht vorschreibe, während nach § 61 für die Errichtung baulicher Anlagen geringerer Art die Erstattung der Bauanzeige genüge. Die Fälle des § 60 lit. a der Bauordnung für Wien unterscheiden sich durch ihre Definition kategorisch von den Fällen des § 61 desselben Gesetzes. Die Rechtsprechung spricht also gegen den Standpunkt der Beschwerdeführer, und der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass die Beschwerdeführer die Richtigkeit der bisher vollzogenen Auslegung widerlegt hätten, da doch lit. a des § 60 keine der Einschränkungen der Genehmigungspflicht enthält, wie sie sich in den späteren literae derselben Gesetzesstelle finden oder ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Meinung, dass die von den Beschwerdeführern errichteten Zubauten trotz der behaupteten Geringfügigkeit der Vergrößerung jedenfalls als einer Bewilligung bedürftig anzusehen waren.

Die Beschwerdeführer machen ferner wie in ihrer Verfassungsgerichtshofbeschwerde Bedenken dagegen geltend, dass die Frage der Bewilligungsfähigkeit der bereits errichteten Zubauten nach dem Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde, nicht aber nach dem Zeitpunkt der Errichtung beurteilt worden sei. Die Beschwerdeführer sehen es als widerspruchsvoll und gesetzwidrig an, dass die Behörde die Frage, ob Gebäude überhaupt einer Bewilligung bedürfen, nach dem Zeitpunkt ihrer Errichtung beurteilen will und die Frage der Bewilligungsmöglichkeit nach der Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung löse. Der Verwaltungsgerichtshof sieht in diesem Verhalten weder einen Widerspruch noch eine Gesetzwidrigkeit. Er hat sich mit der Frage, welche Vorschriften dafür maßgeblich sind, ob ein Bauwerk überhaupt nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien Gegenstand eines Abtragungsauftrages sein kann, schon mehrfach befasst. In seinem Erkenntnis vom , Zl. 1814/57, dessen maßgeblicher Inhalt in dem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 5257/A, wiedergegeben ist, hat er ausgesprochen, dass eine bauliche Änderung nur dann als Konsenswidrigkeit qualifiziert werden darf, wenn für sie nach der jeweils geltenden Bauordnung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war. Abänderungen, die der Baubehörde lediglich anzuzeigen seien, könne der Eigentümer auch dann vornehmen, wenn dadurch der konsensgemäße Zustand verändert werde. Nicht nur aus Gründen des Rechtsschutzes leuchtet es durchaus ein, dass ein Abtragungsauftrag nicht erteilt werden kann, wenn ein Gebäude im Zeitpunkt seiner Errichtung keiner Bewilligung bedurfte; es war dann nämlich kein "vorschriftswidriger" Bau im Sinne des § 129 Abs. 10 der Bauordnung. Anderseits aber ist es eine in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ständig festgehaltene Anschauung, dass, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, für einen Bescheid, sofern er einen konstitutiven Charakter trägt, jene Vorschriften bestimmend sind, die im Zeitpunkt seiner Erlassung gelten. Der Verwaltungsgerichtshof ist sich der Schwierigkeit, die mit der Verwendung der Begriffe "deklarativ" und "konstitutiv" verbunden sind, durchaus bewusst, er hält aber an der Rechtsprechung fest, die diese Unterscheidung so vornimmt, dass von konstitutiven Akten dann gesprochen werden kann, wenn zu deklarativen Elementen hinzutreten. Für die Baubewilligung ist diese Auffassung immer wieder, u. a. in dem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 6086/A, ausgesprochen worden. Während also ein Abtragungsauftrag als rechtswidrig zu betrachten ist, wenn ein Gebäude im Zeitpunkt seiner Errichtung nicht bewilligungspflichtig war, so kann doch ein Bauwerk, das im Zeitpunkt seiner Errichtung einer Bewilligung bedurfte, nicht schon deshalb bewilligt werden müssen, weil es im Zeitpunkt seiner Errichtung bewilligt werden durfte; es ist vielmehr, wenn hinsichtlich der Bewilligungsfähigkeit eine Änderung eingetreten ist, die neue Rechtslage maßgeblich, was auch keineswegs unbillig ist, weil es an den Eigentümern liegt, im Sinne des § 60 Abs. 1 erster Satz der Bauordnung für Wien vor Beginn der Bauführung um die Baubewilligung anzusuchen. Gerade diese Gesetzesstelle stellt nicht, wie die Beschwerdeführer meinen, ein Argument für ihre Auffassung dar, dass die Entscheidung nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Errichtung zu treffen sei, sondern lässt erkennen, dass bei Vernachlässigung der Pflicht, um die Bewilligung anzusuchen, das Risiko einer nachteiligen Änderung der Rechtslage in Kauf genommen werden muss.

Der Verwaltungsgerichtshof ist auch der Meinung, dass bei Bezeichnung einer Fläche im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. i der Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 5 Abs. 2 lit. d desselben Gesetzes eine Bewilligung nach § 70 der Bauordnung für Wien für Zubauten, die den vorgesehenen öffentlichen Zwecken nicht dienen, nicht möglich ist. Nur dann, wenn es keiner Fluchtlinienbekanntgabe bedarf - bei Zubauten bedarf es einer solchen -, könnte eine andere Beurteilung am Platz sein.

Schon im Verwaltungsverfahren, aber auch in der Beschwerde wurde geltend gemacht, dass der Abtragungsauftrag im Hinblick auf § 71 der Bauordnung für Wien rechtswidrig sei. Hiezu ist folgendes auszuführen: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 180/62, ausgesprochen, es könne weder der Bestimmung des § 71 noch des § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien ein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass eine nachträgliche Baubewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien unzulässig sei. § 129 Abs. 10 leg. cit. verlange für die nachträgliche Sanierung nur die nachträgliche Bewilligung. Auch eine in Anwendung der Bestimmungen des § 71 der Bauordnung erteilte Baubewilligung sei eine Baubewilligung mit allen Rechtswirkungen einer solchen. Es ist jedoch schon hier zu bemerken, dass im Falle des eben zitierten Erkenntnisses um eine Baubewilligung angesucht worden war. In Fällen, in denen vorhandene Anlagen in einer Weise erweitert worden waren, die mit neuen Anordnungen in Flächenwidmungsplänen oder Bebauungsplänen unvereinbar waren, hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien etwa für die Zeit des Bestandes der nach § 70 desselben Gesetzes bewilligten Anlagen je nach dem Ausmaß der Zubauten verschieden beurteilt. In diesem Zusammenhang sei einerseits auf das Erkenntnis vom , Zl. 1936/62 und 481/63, anderseits auf das Erkenntnis vom , Zl. 2146/65, hingewiesen. Auch in den eben angeführten Fällen aber war stets die Entscheidung über die Bewilligung Gegenstand der Prüfung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Die Beschwerdeführer vertreten in der Beschwerde den Standpunkt, dass eine Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien "von Amts wegen" zu erteilen gewesen wäre. Diese Anschauung ist unzutreffend. Es findet sich hiefür im Gesetz keinerlei Grundlage. Die Baubewilligung ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Literaturzitat besagt nur, dass, wenn ein Ansuchen nach § 70 der Bauordnung für Wien vorliegt, auch die Frage einer Bewilligung nach § 71 desselben Gesetzes zu prüfen ist, nicht aber, dass ohne Ansuchen eine Bewilligung zu erteilen wäre. Der Standpunkt der Beschwerdeführer könnte nur als vertretbar beurteilt werden, wenn der Anspruch auf die Einräumung einer Alternative im Abtragungsauftrag gegeben wäre. Ältere Rechtsprechung konnte in dem Sinne verstanden werden, dass ein Anspruch auf die ausdrückliche Einräumung der Möglichkeit, um Bewilligung anzusuchen, bestünde. Die neuere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht aber davon aus, dass der rechtskräftige Abtragungsauftrag ein Ansuchen um Bewilligung nicht ausschließt; ein Abtragungsauftrag kann grundsätzlich bei Anhängigkeit eines Bauansuchens nicht vollstreckt werden (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom , Zl. 448/65 und , Zl. 1490/67). Freilich könnte gegen diese Betrachtungsweise eingewendet werden, dass es doch darauf ankomme, durch die Alternative die Vollstreckbarkeit des Abtragungsauftrages bis zur Entscheidung über ein Bauansuchen von vornherein deutlich auszuschließen. Der Wortlaut des Gesetzes "Abweichungen von den Bauvorschriften sind zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen", lässt die Verpflichtung zur alternativen Fassung des Auftrages nicht erkennen. Die alternative Fassung ist zulässig, aber nicht vorgeschrieben. Der Gerichtshof sieht sich nicht veranlasst, seine Rechtsprechung in dem Sinne zu ändern, dass das Fehlen der Alternative in einem Bescheid nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien an sich schon einen Aufhebungsgrund darstellen würde.

Bei der mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht, es sei ein Ansuchen um Baubewilligung eingebracht worden. Der der belangten Behörde vorliegenden Aktenlage war aber kein Hinweis auf dieses Ansuchen zu entnehmen.

Die Beschwerde war aus den angeführten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b, § 48 Abs. 2 lit. a, b und d VwGG 1965 im Zusammenhang mit Art. I Abschnitt B Z. 4, 5 und 6 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.

Wien, am

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Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1;
BauO Wr §60a;
BauO Wr §61;
BauO Wr §70 Abs1;
BauO Wr §70;
BauO Wr §71;
VwRallg;
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Diverses VwRallg9/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1968:1967000067.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-52227