Suchen Hilfe
VwGH 29.03.2012, 2011/15/0165

VwGH 29.03.2012, 2011/15/0165

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
RS 1
In Wiedereinsetzungssachen kommt insbesondere dem Vorgang, eine einen Fristlauf auslösende Zustellung in Gestalt eines Eingangsvermerkes datumsmäßig festzuhalten, besondere Bedeutung zu (Hinweis E , 95/17/0112; B , 96/07/0193).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 97/16/0037 B RS 1
Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
RS 2
Die Gefahr von Irrtümern betreffend den Fristenlauf ist insbesondere dann, wenn Geschäftsstücke nicht sofort bei ihrem Einlangen mit einer Einlaufstampiglie versehen werden, besonders groß (vgl. den hg. Beschluss vom , 97/16/0037, mwN). Der Kanzleibetrieb des bevollmächtigten Rechtsvertreters ist laut Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag so organisiert, dass die Eingangspost lediglich "am selben Tag aus den Kuverts zu vernehmen und mit dem Eingangsstempel des Eingangstages abzustempeln ist". Damit liegt im Kanzleibetrieb des bevollmächtigten Rechtsvertreters von vornherein ein Organisationsmangel vor, der den Grad eines minderen Versehens jedenfalls übersteigt.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/15/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, 1) über den Antrag der H s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Roland Gabl, Dr. Josef Kogler und Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 31a, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0820-L/11, betreffend Körperschaftsteuervorauszahlungen 2010, und 2) über die Beschwerde gegen den angeführten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte am eine Beschwerde ein, die nach dem darin angeführten Zustelldatum des angefochtenen Bescheides () rechtzeitig erhoben erschien. Nach Einleitung des Vorverfahrens stellte sich anhand des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines heraus, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides bereits am erfolgte.

Nach Aufforderung an die Beschwerdeführerin, sich zur bestehenden Diskrepanz zu äußern, brachte diese einen - am zur Post gegebenen - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ein und führte in diesem aus, dass ihr die Fristversäumung erstmals mit Zustellung der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom , zugestellt am , zur Kenntnis gelangt sei, sodass die Antragstellung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen zweiwöchigen Frist erfolgt sei. Zur Diskrepanz zwischen dem in der Beschwerde angeführten Zustelldatum () und dem Datum der tatsächlichen Zustellung () wird im Wiedereinsetzungsantrag folgendes vorgebracht:

"Grundsätzlich wird in der Kanzlei des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin jedes Poststück mit einem Eingangsstempel versehen, dies datiert mit dem Tag des Einlangens. Zuerst wird die Post entgegengenommen und auf den Übernahmescheinen abgestempelt und unterfertigt, die in der Folge dem Postboten wieder ausgehändigt werden. Danach werden die Poststücke auskuvertiert und ebenfalls mit einem Eingangsstempel versehen, der auch das Eingangsdatum darstellt. Hiefür zuständig ist die langjährige und (bisher) stets zuverlässige Sekretärin (Katrin E.), der diesbezüglich bisher noch kein Fehler unterlaufen ist. Der Eingangsstempel auf dem übermittelten Bescheid weist allerdings, im Gegensatz zum übermittelten Übernahmeschein, das Datum des auf, welches vom zuständigen Juristen auch als maßgebliches Fristbeginnlaufdatum herangezogen wurde. Es ist der sonst stets zuverlässigen Sekretärin (Katrin E.) gänzlich unerklärlich, wie ihr ein derartiger Fehler, nämlich dass sie offenbar mit einem anderen Eingangsstempel auf den dem Juristen vorgelegten Bescheid das Datum des gestempelt hat, geschehen konnte. Es besteht auch die ausdrückliche Dienstanweisung, dass die Eingangspost am selben Tag aus den Kuverts zu vernehmen und mit dem Eingangsstempel des Eingangstages abzustempeln ist. Es kann sich die Sekretärin dies nur dadurch erklären, dass sie versehentlich einen anderen Eingangsstempel verwendet hat. Die Frist wurde, ausgehend vom , in der Folge vom zuständigen Juristen im elektronischen Fristenkalender vermerkt. Ein derartiger Fehler ist ihr während der langjährigen, nunmehr über 15-jährigen Beschäftigung bei der ausgewiesenen Rechtsanwaltskanzlei noch nie unterlaufen und ist nicht nachvollziehbar, wie derartiges geschehen konnte.

Da ein derartiger Fehler sich vorher noch nie ereignet hat und die betrieblichen Abläufe bisher immer klaglos funktioniert haben, handelt es sich jedenfalls um einen minderen Grad des Versehens."

Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine eidesstattliche Erklärung von Katrin E. beigelegt, die den dargestellten Ablauf der Ereignisse bestätigt. Zudem lag dem Antrag eine weitere Ablichtung des angefochtenen Bescheides bei, die im Gegensatz zu jener, welche der verspätet eingebrachten Beschwerde beigelegt war, den Stempel "eingelangt am " aufweist.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen innerhalb jenes Rahmens zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 98/03/0188, mwN).

Gleichfalls ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten ist dann ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht dem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Hierbei ist zu beachten, dass der Rechtsanwalt die Aufgaben, die ihm gegenüber seinen Klienten erwachsen, auch insoweit erfüllen muss, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Er muss gegenüber diesem Apparat alle Vorsorgen treffen, welche die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben gewährleisten. Insoweit der Rechtsanwalt diese Vorsorgen nicht in der Art und dem Maß getroffen hat, wie es von ihm je nach der gegebenen Situation zu erwarten war, kommt ein Verschulden an einer späteren Fristversäumung in Betracht. Insbesondere muss der Anwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass auch die richtige Vormerkung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die geeignet sind, im Fall des Versehens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom , 2008/15/0186, 0187).

In der Kanzlei des bevollmächtigten Rechtsvertreters wird laut Wiedereinsetzungsantrag die Post entgegengenommen und auf den Übernahmescheinen, die in der Folge dem Postboten wieder ausgehändigt werden, abgestempelt und unterfertigt. Danach werden die Poststücke auskuvertiert und ebenfalls mit einem Eingangsstempel versehen, der auch das Eingangsdatum darstellt, wobei die ausdrückliche Dienstanweisung besteht, "dass die Eingangspost am selben Tag aus den Kuverts zu vernehmen und mit dem Eingangsstempel des Eingangstages abzustempeln ist". Das auf dem jeweiligen Poststück ausgewiesene Eingangsdatum wird sodann vom zuständigen Juristen "als maßgebliches Fristbeginnlaufdatum herangezogen".

Nach der hg. Rechtsprechung in Wiedereinsetzungssachen kommt insbesondere dem Vorgang, eine einen Fristlauf auslösende Zustellung in Gestalt eines Eingangsvermerkes datumsmäßig festzuhalten, besondere Bedeutung zu (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 97/16/0037, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass die Gefahr von Irrtümern betreffend den Fristenlauf, insbesondere dann, wenn Geschäftsstücke nicht sofort bei ihrem Einlangen mit einer Einlaufstampiglie versehen werden, besonders groß ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , 97/16/0037, mwN). Der Kanzleibetrieb des bevollmächtigten Rechtsvertreters ist laut Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag so organisiert, dass die Eingangspost lediglich "am selben Tag aus den Kuverts zu vernehmen und mit dem Eingangsstempel des Eingangstages abzustempeln ist". Damit liegt im Kanzleibetrieb des bevollmächtigten Rechtsvertreters von vornherein ein Organisationsmangel vor, der den Grad eines minderen Versehens jedenfalls übersteigt.

Abgesehen davon stehen die Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung, wonach in der Kanzlei des bevollmächtigten Rechtsvertreters jedes Poststück mit einem Eingangsstempel versehen wird, der das Datum des Einlangens aufweist, im Widerspruch zu dem Umstand, dass die Kopie des Bescheides, der der verspätet eingebrachten Beschwerde beigelegt war, keinen Eingangsstempel aufweist. Ein solcher scheint vielmehr erst auf jener Ablichtung des Bescheides auf, die dem Antrag auf Wiedereinsetzung beigelegt war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2011150165.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-51834