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VwGH 16.12.2011, 2011/02/0348

VwGH 16.12.2011, 2011/02/0348

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
VwGG §14 Abs2;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §61;
ZPO §66;
RS 1
Die Grundlagen der Entscheidung über die Verfahrenshilfe sind im Gesetz angeführt (§ 61 VwGG iVm § 66 ZPO. Dazu gehören auch entsprechende Belege zur Bescheinigung der Angaben im Vermögensverzeichnis. Die Nichtvorlage (trotz ausdrücklichen Auftrages) führt nicht dazu, dass ausschließlich auf Basis der schon vorhandenen Unterlagen zu entscheiden ist, sondern fließt beweiswürdigend in die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ein. Werden entgegen einem Verbesserungsauftrag Belege nicht beigebracht, kann dies zur gänzlichen Unglaubwürdigkeit nicht belegter Angaben oder dazu führen, dass die Vollständigkeit der Angaben bezweifelt wird. Erst durch die vollständige Dokumentation der Einkommens- und Vermögenslage wird die Behörde in die Lage versetzt zu beurteilen, ob die Angaben glaubwürdig sind und allenfalls die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe vorliegen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, in der Beschwerdesache des K L in W, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 03/P/56/9686/2010-10, betreffend Übertretung des KFG 1967, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

Der Antragsteller stellte am einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/P/56/9686/2010-10, betreffend Übertretung des KFG 1967 (protokolliert zur hg. Zl. VH 2011/02/0037).

Mit Verfügung vom wurde dem Antragsteller unter anderem aufgetragen, binnen zwei Wochen "das zurückgestellte Vermögensbekenntnis unter Beischließung der darin genannten erforderlichen Belege (Einkommens- und Vermögensnachweise, insb. Schulden) wieder vorzulegen" (Punkt 1. des Ergänzungsauftrages).

Mit hg. Beschluss vom , Zl. VH 2011/02/0037- 4, wurde der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Verfahrenshilfe abgewiesen, weil die Belege zum Nachweis "insb. der Schulden", die nach dem Vermögensverzeichnis 15.000,-- EUR betragen sollten, nicht fristgerecht vorgelegt worden sind.

Gegen diesen Beschluss brachte der Antragsteller mit Schriftsatz vom unter anderem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - erkennbar - gegen die Versäumung der mit Verfügung vom gesetzten Verbesserungsfrist zur Vorlage von Belegen zum Vermögensbekenntnis ein. Als für die Wiedereinsetzung von Bedeutung bringt der Antragsteller vor, er habe die Belege nicht vorsätzlich, sondern irrtümlich bzw. ungewollt nicht vorgelegt; sein Verschulden sei gering und vernachlässigbar. Zur Rechtzeitigkeit legt er dar, erst durch den Erhalt des die Verfahrenshilfe abweisenden Beschlusses am von seinem Versäumnis erfahren zu haben. Gleichzeitig legte er die Kopie eines Vergleichstextes vor, nach dem sich ein Beklagter zur Zahlung an eine klagende Partei von rund 34.000,-- EUR verpflichtete, wovon sich der Beklagte durch Zahlung von 15.000,-- EUR in monatlichen Raten von 200,-- EUR ab befreien kann.

Der die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" regelnde § 46 VwGG lautet auszugsweise:

"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) ...

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Absatzes 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses,

... zu stellen, ... . Die versäumte Handlung ist gleichzeitig

nachzuholen.

(4) Über den Antrag ist gemäß § 46 Abs. 4 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden."

Nach der Rechtsprechung ist ein Ereignis dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0081, mwN).

Als "Ereignis" im Sinn der zitierten Vorschrift kommt jegliches Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt in Betracht, weshalb auch ein Rechtsirrtum ein maßgebliches "Ereignis" darstellen kann und es ist, wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/02/0104, mwN).

Im vorliegenden Fall ist das "Ereignis", welches den Antragsteller nach seinem Vorbringen an der Einhaltung der Verbesserungsfrist hinderte, in dem Irrtum gelegen, alle im Ergänzungsauftrag angeführten Punkte rechtzeitig erfüllt zu haben, weil nach Ansicht des Antragstellers schon die Einkommens- und Vermögenslage auch ohne den Nachweis der Schulden zur Bewilligung der Verfahrenshilfe hätte führen müssen; die Nichtvorlage der in Rede stehenden Belege stelle daher einen minderen Grad des Versehens dar.

In dem genannten Ergänzungsauftrag vom wurde dem Antragsteller unter anderem ausdrücklich aufgetragen, binnen zwei Wochen die "erforderlichen Belege (Einkommens- und Vermögensnachweise, insb. Schulden) wieder vorzulegen". Davon ausgehend ist zu der im Wiedereinsetzungsantrag vorgetragenen Rechtsansicht, die Verfahrenshilfe hätte auch ohne den Nachweis der Schulden bewilligt werden müssen, zu bemerken, dass die Grundlagen der Entscheidung über die Verfahrenshilfe im Gesetz angeführt sind (§ 61 VwGG iVm § 66 ZPO) und dazu auch entsprechende Belege zur Bescheinigung der Angaben im Vermögensverzeichnis gehören. Die Nichtvorlage (trotz ausdrücklichen Auftrages) führt nicht dazu, dass - wie der Antragsteller fälschlich meint - ausschließlich auf Basis der schon vorhandenen Unterlagen zu entscheiden ist, sondern fließt beweiswürdigend in die Beurteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ein. Werden entgegen einem Verbesserungsauftrag Belege nicht beigebracht, kann dies zur gänzlichen Unglaubwürdigkeit nicht belegter Angaben oder dazu führen, dass die Vollständigkeit der Angaben bezweifelt wird. Erst durch die vollständige Dokumentation der Einkommens- und Vermögenslage wird die Behörde in die Lage versetzt zu beurteilen, ob die Angaben glaubwürdig sind und allenfalls die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe vorliegen.

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht behauptet, dass der Ergänzungsauftrag vom nicht eindeutig gewesen oder dass er gehindert oder es ihm nicht zumutbar gewesen wäre, die Belege über seine Schulden innerhalb der Ergänzungsfrist vorzulegen. In Anbetracht der Bedeutsamkeit der vollständigen Erfüllung von Verbesserungsaufträgen zur Komplettierung der Entscheidungsgrundlage trifft den Antragsteller sohin bei Zugrundelegung des behaupteten und nicht weiter begründeten Rechtsirrtums ein Verschulden, das den minderen Grad des Versehens übersteigt. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher nicht stattzugeben.

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muss daher bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht bzw. müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2009/02/0108, mwN).

Ein Auftrag an den Antragsteller, den Wiedereinsetzungsantrag, der entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGG nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht wurde, zu verbessern, erübrigt sich, wenn der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keinerlei Anhaltspunkte für die Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Formgebrechens die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2009/02/0003).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VwGG §14 Abs2;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §61;
ZPO §66;
Schlagworte
Mängelbehebung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2011020348.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-51807