VwGH 04.07.2016, Ra 2016/04/0053
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Die Tatumschreibung muss alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale enthalten, um dem Beschuldigten einerseits die Möglichkeit zu geben, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und ihn andererseits vor Doppelbestrafung zu schützen. Welche Tatbestandsmerkmale die Tatumschreibung demnach zu enthalten hat, ist vom betreffenden Tatbestand des zur Anwendung gelangenden Materiengesetzes und den jeweiligen Begleitumständen abhängig (Hinweis B vom , Ra 2016/04/0034, mwN). Ob die Tatumschreibung diesen Anforderungen entsprochen hat, ist einzelfallbezogen vom VwG zu prüfen. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (Hinweis B vom , Ro 2015/04/0010, mwN). |
Norm | GewO 1994 §74 Abs1; |
RS 2 | Der VwGH hat sich in seiner Rechtsprechung wiederholt mit gewerblichen Betriebsanlagen unter Einschluss einer Halle beschäftigt (Hinweis Erkenntnisse vom , 2010/04/0143, oder vom , 2007/04/0168). In dieser Rechtsprechung wurde niemals angezweifelt, dass eine Halle oder vergleichbare Örtlichkeit eine örtlich gebundene Einrichtung darstellt. |
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RS 3 | Als "örtlich gebunden" iSd § 74 Abs. 1 GewO 1994 sind auch bewegliche Einrichtungen, die nach der Absicht des Gewerbetreibenden für längere Zeit in einem bestimmten Standort der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit dienen sollen, anzusehen. Handelt es sich um eine Baustelleneinrichtung, so ergibt sich im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 84 GewO 1994, dass eine solche Einrichtung jedenfalls solange nicht als zu einem Betrieb "für längere Zeit" im Sinne der obigen Definition bestimmt anzusehen ist, als sie im Zusammenhang mit einer konkreten und sohin auf eine bestimmte Zeit beschränkten Bauführung aufgestellt wird, sodass sie nach Beendigung der Bauarbeiten wieder beseitigt wird. Nur dann, wenn eine Baumaschine für eine von vornherein nicht bestimmte Anzahl von Bauführungen, sohin auf unbestimmte Zeit, aufgestellt und betrieben wird, liegt eine - bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 genehmigungspflichtige - Betriebsanlage vor (Hinweis E vom , 97/04/0104, mwN). |
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RS 4 | Eine gewerblichen Betriebsanlage muss dazu bestimmt sein, nicht nur vorübergehend, sondern regelmäßig der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen. Nach der hg. Rechtsprechung ist bei Prüfung der Frage der Regelmäßigkeit der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit in Bezug auf eine Betriebsanlage jedenfalls auch auf deren Art und Zweckbestimmung Bedacht zu nehmen (Hinweis E vom , 90/04/0024). Eine Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 regelmäßig zu dienen bestimmt ist, liegt dann vor, wenn sie in der Absicht, auf diesem Standort längere Zeit der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen, errichtet wurde. Von dieser Rechtsprechung ist das VwG im Ergebnis nicht abgewichen, wenn es - ungeachtet des Umstandes, dass die Tätigkeit in einer Halle und somit in einer örtlich gebundenen Einrichtung ausgeübt wurde - eine nähere Umschreibung der örtlich gebundenen Einrichtung im Hinblick auf deren Art und Zweckbestimmung, der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen, für notwendig erachtet hat. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2016/04/0054
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revisionen der Bezirkshauptmannschaft Tulln, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom , Zlen. LVwG-S-3423/001-2015 und LVwG-S-3425/001- 2015, betreffend Übertretung der GewO 1994 (jeweils mitbeteiligte Partei: S B in T, vertreten durch Hoffmann & Sykora Rechtsanwälte KG in 3430 Tulln, Nußallee 3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
Vorgeschichte
1 Mit zwei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom wurde dem Mitbeteiligten (mit Spruchpunkt 1.) vorgeworfen, er habe in der Zeit vom bis bzw. vom bis bei einer Veranstaltung (Clubbing) am Messegelände T, Getränke ausgeschenkt und dadurch unbefugt das Gastgewerbe ausgeübt.
Mit (dem auf Grund der Amtsrevision relevanten) Spruchpunkt 2. der Straferkenntnisse wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, er habe in der Zeit vom bis bzw. vom bis eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage am Messegelände T, betrieben, ohne im Besitz einer entsprechenden Genehmigung zu sein. Da jedenfalls die Interessen gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 auf Grund der Gefahren großer Menschenansammlungen und nicht auszuschließender Belästigungen der Nachbarn (Lärm, etc.) berührt worden seien, wäre eine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich gewesen und sei eine Verwaltungsübertretung (gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 GewO 1994) begangen worden.
Angefochtene Erkenntnisse
2 Mit den angefochtenen Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wurden diese Straferkenntnisse aufgehoben und (soweit vorliegend relevant) das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich des angeführten Spruchpunktes 2. gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt (I.). Sodann folgte die Kostenentscheidung (II.) sowie die Erklärung, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei
(III.).
Begründend führte das Verwaltungsgericht zur Aufhebung des Spruchpunktes 2. der Straferkenntnisse aus, es sei ausgehend von der Tatanlastung und unter Bezugnahme auf § 74 Abs. 1 GewO 1994, wonach unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen sei, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt sei, festzustellen, dass es die Behörde verabsäumt habe, die für die Qualifizierung als Betriebsanlage erforderliche örtlich gebundene Einrichtung näher zu umschreiben. Der Hinweis, dass die in Rede stehende (genehmigungspflichtige) Betriebsanlage am Messegelände T, situiert sei, vermöge die Umschreibung der konkreten (örtlich gebundenen) Einrichtung nicht zu ersetzen. Auch fehle es in der gegenständlichen Tatanlastung an der Umschreibung jener gewerblichen Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Betriebsanlage entfaltet werde. Da dieser Rechtsmangel auch den in den Verfahren ergangenen Verfolgungshandlungen anhafte, sei Verfolgungsverjährung eingetreten und hätten die Straferkenntnisse nicht mehr erlassen werden dürfen.
Amtsrevisionen
3 Gegen jeweils die Aufhebung des Spruchpunktes 2. der Straferkenntnisse richten sich die außerordentlichen Revisionen der Bezirkshauptmannschaft Tulln (als belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht).
Rechtslage
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Zulässigkeit
Tatumschreibung nach § 44a VStG
5 Die Amtsrevisionswerberin erachtet die vorliegenden Revisionen für zulässig, weil eine Rechtsprechung fehle, "wonach die Beschreibung der belangten Behörde als unzureichend im Sinne des § 44a VStG anzusehen wäre".
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung muss die Tatumschreibung alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale enthalten, um dem Beschuldigten einerseits die Möglichkeit zu geben, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und ihn andererseits vor Doppelbestrafung zu schützen. Welche Tatbestandsmerkmale die Tatumschreibung demnach zu enthalten hat, ist vom betreffenden Tatbestand des zur Anwendung gelangenden Materiengesetzes und den jeweiligen Begleitumständen abhängig (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2016/04/0034, mwN).
Ob die von der Amtsrevisionswerberin (belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht) getroffene Tatumschreibung diesen Anforderungen entsprochen hat, ist einzelfallbezogen vom Verwaltungsgericht zu prüfen. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2015/04/0010, mwN).
Örtlich gebundene Einrichtung und regelmäßige Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nach § 74 Abs. 1 GewO 1994
6 Die Amtsrevisionswerberin erachtet die vorliegenden Revisionen für zulässig, weil zu der vom Verwaltungsgericht für notwendig erachteten Konkretisierung der "örtlich gebundenen Einrichtung" nach § 74 Abs. 1 GewO 1994 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf eine "Halle" oder eine sonstige vergleichbare Örtlichkeit vorliege.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt mit gewerblichen Betriebsanlagen unter Einschluss einer Halle beschäftigt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2010/04/0143, oder vom , 2007/04/0168). In dieser Rechtsprechung wurde niemals angezweifelt, dass eine Halle oder vergleichbare Örtlichkeit eine örtlich gebundene Einrichtung darstellt.
Als "örtlich gebunden" iSd § 74 Abs. 1 GewO sind auch bewegliche Einrichtungen, die nach der Absicht des Gewerbetreibenden für längere Zeit in einem bestimmten Standort der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit dienen sollen, anzusehen. Handelt es sich um eine Baustelleneinrichtung, so ergibt sich im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 84 GewO 1994, dass eine solche Einrichtung jedenfalls solange nicht als zu einem Betrieb "für längere Zeit" im Sinne der obigen Definition bestimmt anzusehen ist, als sie im Zusammenhang mit einer konkreten und sohin auf eine bestimmte Zeit beschränkten Bauführung aufgestellt wird, sodass sie nach Beendigung der Bauarbeiten wieder beseitigt wird. Nur dann, wenn eine Baumaschine für eine von vornherein nicht bestimmte Anzahl von Bauführungen, sohin auf unbestimmte Zeit, aufgestellt und betrieben wird, liegt eine - bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 genehmigungspflichtige - Betriebsanlage vor (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom , 97/04/0104, mwN).
In diesem Sinne muss eine gewerblichen Betriebsanlage dazu bestimmt sein, nicht nur vorübergehend, sondern regelmäßig der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 (2011), Rz 6 zu § 74, mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung). Nach der hg. Rechtsprechung ist bei Prüfung der Frage der Regelmäßigkeit der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit in Bezug auf eine Betriebsanlage jedenfalls auch auf deren Art und Zweckbestimmung Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/04/0024). Eine Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 regelmäßig zu dienen bestimmt ist, liegt dann vor, wenn sie in der Absicht, auf diesem Standort längere Zeit der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen, errichtet wurde (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 1997, 97/04/0104).
Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht abgewichen, wenn es - ungeachtet des Umstandes, dass die Tätigkeit in einer Halle und somit in einer örtlich gebundenen Einrichtung ausgeübt wurde eine nähere Umschreibung der örtlich gebundenen Einrichtung im Hinblick auf deren Art und Zweckbestimmung, der regelmäßigen Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit zu dienen, für notwendig erachtet hat.
Ergebnis
7 In den Revisionen werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016040053.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-50633