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VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0043

VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0043

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §41;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §75 Abs2;
RS 1
Ein Verlust der Parteistellung als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 kann im Fall der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung in Verbindung mit dem Unterlassen der Erhebung von Einwendungen eintreten (Hinweis E vom , Ra 2014/04/0014, mwN).
Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §75 Abs2;
RS 2
Nach der hg. Judikatur zu § 42 Abs. 1 erster Satz AVG (und zur Vorgängerbestimmung des § 356 Abs. 3 GewO 1994 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 88/2000) liegt eine Einwendung im Rechtssinn nur vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend macht, wobei die Erklärungen nicht nur ihrem Wortlaut nach, sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen sind. An die Behörde gerichtete Erinnerungen bzw. Aufforderungen, ihrer amtswegigen Prüfungspflicht nachzukommen, Befürchtungen bzw. Vermutungen, der Genehmigungswerber werde in Überschreitung des Konsenses weitere Tätigkeiten entfalten bzw. sich nicht an die Vereinbarungen halten, sind ebenso wie bloße Hinweise auf die von der Behörde bei Genehmigung zu beachtenden Punkte nicht als geeignete Einwendungen zu werten (vgl. die Zusammenstellung bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung2, S 1186 ff, Rz 9 zu § 356 GewO 1994).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/04/0283 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision 1. der K G, 2. des

L P, 3. des P R, 4. des S S, 5. der M L, 6. der E S, alle in K und vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG- 822-829/11/2015, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee; mitbeteiligte Partei:

L GmbH in G, vertreten durch die HBA Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Theaterplatz 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee vom , mit dem der mitbeteiligten Partei die gewerblichen Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Lebensmittelseinzelhandels in einem näher bezeichneten Standort in Klagenfurt am Wörthersee erteilt wurde, gemäß § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen (I.).

Weiters fasst das Verwaltungsgericht gemäß § 31 Abs. 1 VwGG den Beschluss, den auf § 78 Abs. 1 GewO 1994 gestützten Antrag der Revisionswerber als unzulässig zurückweisen (II.).

Eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidungen wurde für unzulässig erklärt (III.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zu I. im Wesentlichen aus, die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht habe am eine ordnungsgemäß kundgemachte Verhandlung durchgeführt. Bei dieser Verhandlung hätten die Revisionswerber keine Beeinträchtigungen konkreter subjektiver Rechte geltend gemacht und auch nicht dargelegt, in welchem subjektiven Recht sie sich als verletzt bzw. betroffen erachteten, sondern neben einer behaupteten mangelhaften lärmtechnischen Beurteilung und einer behaupteten fehlenden luftreinhaltetechnischen Untersuchung eine mögliche UVP-Pflicht aufgezeigt. Damit hätten die Revisionswerber ihr Vorbringen nach Art einer Legalpartei formuliert und unabhängig von einer persönlichen Betroffenheit Vorhaben und Verfahrensführung einer allgemeinen Kritik unterzogen. Ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stelle schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne einer Einwendung dar. Daher seien die Revisionswerber präkludiert und auf ihr diesbezügliches Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz nicht mehr einzugehen.

Zu II. führte das Verwaltungsgericht aus, als "zur Entscheidung berufene Behörde" im Sinne des § 78 Abs. 1 GewO 1994 sei nunmehr das Verwaltungsgericht zu verstehen. § 78 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 normiere eine Abweichung von § 13 Abs. 1 VwGVG als lex specialis. Im Rahmen des § 78 Abs. 1 GewO 1994 habe die erkennende Behörde von Amts wegen die "Rechtswohltat" des ersten Satzes dieser Bestimmung auszuschließen, womit de facto die Beschwerde gegen einen Betriebsanlagengenehmigungsbescheid mit aufschiebender Wirkung versehen werde. Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber immer dann, wenn er es für nötig halte, anstelle oder neben der amtswegigen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels einen diesbezüglichen Antrag des Rechtsmittelwerbers ausdrücklich vorsehe, im § 78 Abs. 1 GewO 1994 eine solche Antragstellung jedoch nicht normiert sei, sondern die zur Entscheidung berufene Behörde, sohin das Verwaltungsgericht, von Amts wegen tätig zu werden habe, bestehe keine Antragslegitimierung der Revisionswerber. Der entsprechende Antrag sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

3 Gegen dieses Erkenntnis (bzw. den zu II. gefassten Beschluss) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die Revision behauptet zu ihrer Zulässigkeit, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Einwendungen ab.

In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht haben die Revisionswerber vorgebracht, dass kein luftreinhaltetechnisches Gutachten über die Feinstaubbelastung vorliege, deswegen sei das Projekt derzeit nicht genehmigungsfähig. Weiters brachten die Revisionswerber mit näherer Begründung vor, dass die lärmtechnische Beurteilung mangelhaft, jedenfalls nicht repräsentativ sei. Zuletzt brachten sie vor, dass die geplante Ein- und Ausfahrt die Flüssigkeit des Verkehrs und die Verkehrslage als Ganzes erheblich beeinflusse. Aus all diesen Gründen ergebe sich, dass das Projekt derzeit jedenfalls nicht genehmigungsfähig sei.

Ein Verlust der Parteistellung als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 kann im Fall der Durchführung einer ordnungsgemäß kundgemachten Verhandlung in Verbindung mit dem Unterlassen der Erhebung von Einwendungen eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/04/0014, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Einwendung im Rechtssinn nur vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend macht, wobei die Erklärungen nicht nur ihrem Wortlaut nach sondern auch nach ihrem Sinn zu beurteilen sind. An die Behörde gerichtete Erinnerungen bzw. Aufforderungen, ihrer amtswegigen Prüfpflicht nachzukommen, Befürchtungen bzw. Vermutungen, der Genehmigungswerber werde in Überschreitung des Konsenses weitere Tätigkeiten entfalten bzw. sich nicht an die Vereinbarungen halten, sind ebenso wie bloße Hinweise auf die von der Behörde bei Genehmigung zu beachtenden Punkte nicht als geeignete Einwendungen zu werten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2005/04/0059, sowie vom , 2008/04/0118, jeweils mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es die Einwendungen der Revisionswerber fallbezogen in nicht unvertretbarer Weise als Aufforderung an die Behörde, ihrer amtswegigen Prüfpflicht nachzukommen bzw. als Hinweise auf die von der Behörde bei Genehmigung zu beachtenden Punkte beurteilt hat, welche nicht als geeignete Einwendungen zu werten sind. Die behauptete Abweichung von der dargestellten Rechtsprechung liegt demnach nicht vor.

6 Die Revision behauptet weiters, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Antragslegitimation von Nachbarn zur Stellung eines Antrages gemäß § 78 Abs. 1 GewO 1994.

Diese Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht wie dargelegt in vertretbarer Weise davon ausgegangen ist, dass die Revisionswerber ihre Parteistellung als Nachbarn gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 infolge der Unterlassung geeigneter Einwendungen verloren haben.

7 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §41;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §75 Abs2;
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger
Gewerberecht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016040043.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-50630