VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0169
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Im Fall eines gemäß § 66 Abs. 2 AVG ergangenen aufhebenden Bescheides sind die Verwaltungsbehörden wie auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an die die Aufhebung tragenden Gründe und die für die Behebung maßgebliche Rechtsansicht - sofern nicht eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist - gebunden, wobei mit einem solchen Bescheid - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - auch die Zuständigkeitsordnung in dieser Sache festgelegt ist (vgl. E , 2004/07/0010; E , 2007/20/0482; E , 2012/07/0014; E , 2011/03/0216; E , 2013/07/0062). Gleiches gilt für das System des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014. Die Parteien des Verfahrens erwerben einen subjektivöffentlichen Rechtsanspruch darauf, dass die belangte Behörde in Bindung an die rechtliche Beurteilung des VwG ihre Ersatzentscheidung trifft. Im Rahmen dieses Rechtsanspruchs kommt einer Verfahrenspartei schließlich auch die Beschwerdelegitimation vor dem VwG zu, das bei der Prüfung der Rechtsverletzung einer Verfahrenspartei daher ebenfalls an seine rechtliche Beurteilung (im ersten Rechtsgang) gebunden ist. Die Bindungswirkung der rechtlichen Beurteilung des VwG erstreckt sich daher nicht nur auf das folgende Verfahren vor der belangten Behörde, sondern auch auf ein gegebenenfalls daran anschließendes Rechtsmittelverfahren. Somit ist nicht nur die Behörde, sondern auch das VwG an die für die Aufhebung und Zurückverweisung tragenden Gründe eines Zurückverweisungsbeschlusses nach § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 gebunden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/07/0034 E RS 12 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision der G U in W, vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-31/001-2015, betreffend Zurückweisung einer Umweltbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Revisionswerberin erhob im Dezember 2012 eine Umweltbeschwerde nach dem Bundes-Umwelthaftungsgesetz (B-UHG) im Zusammenhang mit Gewässerverunreinigungen durch die K-GmbH. Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (BH) wies diesen Antrag mit Bescheid vom mangels Anwendbarkeit des B-UHG zurück.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) gab der dagegen erhobenen, als Beschwerde anzusehenden Berufung mit Beschluss vom Folge, behob den Bescheid der BH und verwies die Sache gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Entscheidung an die BH zurück. Dies wurde damit begründet, dass die für die Beurteilung der Anwendbarkeit des B-UHG zentrale Frage nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Umweltschadens nicht ausreichend geklärt sei. Es sei (ua) zu klären, ob aufgrund der festgestellten Verunreinigung des Grundwasserkörpers eine Herbeiführung des Umweltschadens im zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG bzw. der Umwelthaftungs-Richtlinie (UHRL) nachzuweisen sei oder sich dies nicht mehr nachweisen lasse. Insoweit erhelle aus § 2 Abs. 2 B-UHG (entspreche Art. 4 Abs. 5 UHRL), dass ein Vorgehen nach dem B-UHG dann nicht in Betracht komme, wenn es am Kausalitätsnachweis fehle (vgl. Köhler, Öffentlichrechtliche Umwelthaftung (2008), 50f). Was in dieser Bestimmung generell auf Umweltschäden bezogen statuiert werde, müsse notwendig auch gelten, wenn fraglich sei, ob ein Umweltschaden im zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG bzw. der UHRL eingetreten sei. Lasse sich daher der Nachweis eines Schadenseintritts im zeitlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht erbringen, komme ein Vorgehen nach dem B-UHG nicht in Betracht.
Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wies die BH die Umweltbeschwerde mit Bescheid vom neuerlich zurück.
Die Revisionswerberin erhob Beschwerde.
Das LVwG führte eine mündliche Verhandlung durch, in der der Sachverständige sein Gutachten ergänzte und erläuterte. Letztlich kam er mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass der Nachweis nicht erbracht werden könne, dass es nach den Stichtagen des B-UHG bzw. der UHRL (Juni 2009 bzw. April 2007) noch zu Schadstoffeinträgen ins Grundwasser gekommen sei.
Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde der Revisionswerberin ab und erklärte die Revision nicht als zulässig.
Begründend wurde nach beweiswürdigenden Überlegungen vor dem Hintergrund des Inhalts des Gutachtens die Ansicht vertreten, dass sich ein Nachweis von Einträgen nach den genannten Stichtagen nicht führen lasse. Lasse sich ein solcher Nachweis aber nicht führen, so könnten weder das B-UHG noch die UHRL zur Anwendung gelangen. Dies erhelle aus § 2 Abs. 2 B-UHG (entspreche Art. 4 Abs. 5 UHRL), wonach ein Vorgehen nach dem B-UHG dann ausscheide, wenn es am Kausalitätsnachweis fehle (vgl. Köhler, Öffentlichrechtliche Umwelthaftung (2008), 50f). Denn was in dieser Bestimmung generell auf Umweltschäden bezogen statuiert werde, müsse notwendig auch gelten, wenn fraglich sei, ob ein Umweltschaden im zeitlichen Anwendungsbereich des B-UHG bzw. der UHRL eingetreten sei. Zumal der Kausalitätsnachweis nicht habe erbracht werden können, scheide eine Anwendbarkeit des B-UHG und der UHRL aus, sodass auch das Rechtsinstitut der Umweltbeschwerde nicht zur Verfügung stehe. Diese sei daher zutreffend zurückgewiesen worden.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei, zumal sich die Entscheidung hinsichtlich des Anwendungsbereiches auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut stützen könne und es im Übrigen nur die Tatsache zu klären gegolten habe, ob ein Nachweis der Verursachung eines Umweltschadens ab einem gewissen Zeitpunkt erbracht werden könne; auch die Beweiswürdigung baue auf den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen auf.
Die Revisionswerberin erhob außerordentliche Revision. Darin führte sie zur Zulässigkeit der Revision aus, das LVwG gehe unzutreffenderweise von der Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 B-UHG aus; auch der daraus abgeleitete und vom LVwG als notwendig erachtete Kausalitätsnachweis sei nicht erforderlich. Es genüge vielmehr zur Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs (zwischen Emission und Schaden) der Anscheinsbeweis. Ein anderes Verständnis widerspreche dem Zweck der UHRL, welche der Umsetzung des Verursacherprinzips diene. Die Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises (im Gegensatz zum Kausalitätsnachweis) sei eine Rechtsfrage, die vom LVwG unzutreffend gelöst worden sei.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Die Revision erweist sich als unzulässig.
Nach § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG ist die Behörde an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss nach § 28 Abs. 3 leg. cit. ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ra 2015/07/0034, die zu § 66 Abs. 2 AVG ergangene Rechtsprechung über die Rechtswirkungen einer Aufhebung und Zurückverweisung an die Erstbehörde auf die Bestimmung des § 28 Abs. 3 VwGG übertragen. Demnach erstreckt sich die Bindungswirkung der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes nicht nur auf das folgende Verfahren vor der belangten Behörde, sondern auch auf ein gegebenenfalls daran anschließendes Rechtsmittelverfahren. Somit ist nicht nur die Behörde, sondern auch das Verwaltungsgericht selbst an die rechtliche Beurteilung des Zurückverweisungsbeschlusses nach § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 gebunden.
Das LVwG verpflichtete mit seinem aufhebenden und zurückverweisenden Beschluss vom die BH zur Führung des Kausalitätsnachweises, den es bereits damals aus § 2 Abs. 2 B-UHG ableitete. Demnach sei der Nachweis eines Schadenseintritts im zeitlichen Anwendungsbereich zu erbringen; könne der Nachweis nicht erbracht werden, käme ein Vorgehen nach dem B-UHG nicht in Betracht. Der BH stand daher die von der Revisionswerberin geforderte Möglichkeit, sich mit einem bloßen Anscheinsbeweis zufrieden zu geben, nicht zur Verfügung; sie war an die durch das Vorerkenntnis des LVwG vorgegebene Art der Beweisführung gebunden.
An diese bindende Rechtsansicht war aber nicht nur die BH sondern auch das LVwG gebunden. Die Zugrundelegung dieser Rechtsansicht stand daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung.
In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015070169.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-50391