VwGH 09.09.2013, AW 2013/07/0025
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Landeshauptmannes von Tirol in Innsbruck, vertreten durch die B G Rechtsanwälte GmbH, der gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2013/K6/1393- 1, betreffend Behebung und Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG i. A. Genehmigung einer Behandlungsanlage (weitere Partei:
Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Partei: I GmbH & Co KG), erhobenen und zur hg. Zl. 2013/07/0137 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (der Erstbehörde) vom wurden der Antrag der mitbeteiligten Partei auf abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf näher bezeichneten Grundstücken in Innsbruck abgewiesen sowie die in diesem Zusammenhang erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung versagt.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückverwiesen.
3. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf § 87b Abs. 2 AWG 2002 gestützte Amtsbeschwerde des Landeshauptmannes von Tirol (also der Erstbehörde). Den damit verbundenen Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründet der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass er - falls die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden sollte - das Ermittlungsverfahren wieder aufnehmen, eine mündliche Verhandlung anberaumen und durchführen sowie schließlich einen neuen Bescheid erlassen müsste.
Aufgrund der Bindungswirkung des angefochtenen Berufungsbescheides könne im konkreten Fall nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer als Erstbehörde dem gegenständlichen Projekt die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung bzw. naturschutzrechtliche Bewilligung "trotz der gegen die vorliegende Entscheidung bestehenden rechtlichen Bedenken erteilen müsste". In diesem Fall könnte die mitbeteiligte Partei die Deponie noch während des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens errichten und betreiben. Auch wenn die Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde schließlich erfolgreich wäre (somit der angefochtene Behebungs- und Zurückverweisungsbescheid aufgehoben würde), wären die durch die zwischenzeitliche Errichtung und Inbetriebnahme der Deponie verursachten Umweltauswirkungen bereits eingetreten und - nach dem im bisherigen Verfahren vom naturkundefachlichen Amtssachverständigen erstatteten Gutachten - "offenbar zumindest teilweise auch nicht mehr restituierbar".
Die belangte Behörde habe durch ihre "in verschiedener Weise deutbaren Begründungsausführungen eine überaus unklare rechtliche Situation für das fortzusetzende Verfahren geschaffen", weil diese Begründung im Sinn einer von der belangten Behörde angenommenen "inhaltlichen Akzessorietät" zwischen abfallrechtlichem und landesrechtlichem Spruchpunkt zu verstehen sein könnte. Der damit eröffnete Interpretationsspielraum und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit stünden einer Fortführung des Verfahrens vor der Erstbehörde "in Bindung an die gesetzlich verankerten Grundsätze der Verfahrensökonomie, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit entgegen". Mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides wären daher "Nachteile für den Beschwerdeführer bzw. Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen verbunden", die einen Erfolg der Beschwerde zumindest teilweise wirkungslos machen würden. Außerdem gingen die Beeinträchtigungen öffentlicher Interessen über jene Nachteile hinaus, die üblicherweise mit vergleichbaren Bescheiden verbunden seien.
4. Die mitbeteiligte Partei erstattete auf Aufforderung durch den Gerichtshof eine Stellungnahme zu diesem Antrag und brachte im Wesentlichen vor, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde den Zeitraum bis zu einer inhaltlichen Erledigung ihres Antrags wesentlich verlängern; weiters wäre dadurch auch "kein wesentlicher Gewinn für eine allfällige Rechtssicherheit" zu erreichen, vielmehr handle es sich hier "ausschließlich um einen Konflikt zwischen zwei Behörden, der am Rücken" der mitbeteiligten Partei "ausgetragen" werde.
Die belangte Behörde äußerte zum Aufschiebungsantrag, dieser sei nicht nachvollziehbar, weil nicht erkennbar sei, worin für den Beschwerdeführer ein im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG vorliegender "unverhältnismäßiger Nachteil" gegeben sein solle.
5. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsbeschwerden zugeschnittenen Formulierung dieser Bestimmung wird in der hg. Rechtsprechung - anders als offenbar die belangte Behörde vermeint - die Zulässigkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Amtsbeschwerde angenommen (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 2002/17/0009, sowie vom , Zl. AW 2006/04/0008, jeweils mwN).
Als "unverhältnismäßiger Nachteil für den Beschwerdeführer" ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit zu verstehen. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Falle einer Amtsbeschwerde bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem "privaten" Beschwerdeführer als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs des angefochtenen Bescheides in die Abwägung einfließt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2011/10/0016, mwN, sowie wiederum den hg. Beschluss vom ).
Der Beschwerdeführer und Antragsteller hat nach der ständigen hg. Rechtsprechung zu Parteibeschwerden in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. dazu etwa den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Zl. 2680/80 = VwSlg. 10.381 A, sowie weiters die hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 2011/17/0049, sowie vom , Zl. AW 2012/01/0028, jeweils mwN).
6. Eine derartige unverhältnismäßige Beeinträchtigung öffentlicher Interessen hat der Beschwerdeführer allerdings mit seinem oben wiedergegebenen Vorbringen nicht auf die - auch im Fall eines mit einer Amtsbeschwerde verbundenen Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - zu verlangende konkrete Weise dargetan; vielmehr hat der Beschwerdeführer lediglich in hypothetischer Form auf möglicherweise eintretende problematische Auswirkungen eines im zweiten Rechtsgang von ihm selbst als Erstbehörde zu erlassenden, allenfalls bewilligenden Bescheides hingewiesen.
Die letztlich auch in der Begründung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verdeutlichte Divergenz der Rechtsauffassungen des Beschwerdeführers (als Erstbehörde) und der belangten Behörde ist - wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme im Kern zu Recht ausführt - jedenfalls nicht geeignet, eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen im Fall der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung darzutun.
7. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung Begründungspflicht Verfahrensrecht Unverhältnismäßiger Nachteil Begriff der aufschiebenden Wirkung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:AW2013070025.A00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-49960