VwGH 30.01.2014, 2013/15/0294
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | § 76 Abs. 1 BAO ist eine Verfahrensvorschrift im Interesse eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens, vermittelt den Abgabepflichtigen jedoch kein subjektives öffentliches Recht auf Ablehnung von einzelnen Organwaltern (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0284). Die Befangenheit ist vielmehr vom Organ selbst wahrzunehmen, das sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten hat. Demgegenüber stand im Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat den Parteien gemäß § 278 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, das mit dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, eingeführte "Recht zu, ein Mitglied des Berufungssenates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt". Die Rechtsmittelbehörde konnte gemäß § 289 Abs. 2 BAO idF vor dem FVwGG 2012 ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz setzen und demgemäß den Bescheid nach jeder Richtung abändern (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0183). Damit war durch den unabhängigen Finanzsenat eine unbefangene Entscheidungsfindung gewährleistet. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, in der Beschwerdesache des A N in L, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0419-F/13, betreffend Zurückweisung von Ablehnungsanträgen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom lehnte der Beschwerdeführer einen namentlich genannten Prüfer der Großbetriebsprüfung Feldkirch als gemäß § 76 Abs. 1 lit. c BAO befangen ab. Gleichzeitig beantragte er, die Vertretung des abgelehnten Prüfers zu veranlassen. Begründend führte er sechs seiner Auffassung nach rechtswidrige Amtshandlungen des Abgelehnten an, weshalb die volle Unbefangenheit des abgelehnten Prüfers in Zweifel gezogen werde.
Mit Schriftsatz vom lehnte der Beschwerdeführer das bereits im Schriftsatz vom abgelehnte Organ der Großbetriebsprüfung Feldkirch nochmals sowie einen weiteren namentlich genannten Prüfer der genannten Organisation als gemäß § 76 BAO befangen ab. Begründend verwies er auf den Entwurf einer dem Ablehnungsantrag angeschlossenen Strafanzeige. Gleichzeitig beantragte er, die Vertretung der Abgelehnten zu veranlassen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Ablehnungsanträge als nicht zulässig zurück. Begründend führte es aus, die Bestimmung des § 76 BAO richte sich an Organwalter. Ein generelles Ablehnungsrecht sehe die BAO - ausgenommen für Sachverständige in § 179 Abs. 2 BAO und für Mitglieder des Berufungssenates in § 278 Abs. 1 BAO - nicht vor. Es bestehe (im gegebenen Zusammenhang) kein subjektives Recht auf Ablehnung eines bestimmten Organwalters.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Begründend führte er aus, eine verfassungskonforme, den Anspruch auf ein faires Verfahren berücksichtigende Interpretation, aber auch eine teleologische Auslegung führten zum Ergebnis, dass die Partei entgegen der Auffassung des Finanzamtes Ablehnungsrechte habe. Die restriktive Auslegung des Finanzamtes habe zur Folge, dass selbst ein in Betriebsräumlichkeiten einbrechender, sich dabei Körperverletzungen schuldig machender Organwalter zuständig sei, solange er die Befangenheit nicht selbst aufgreife.
Ungeachtet des Nichtbestehens eines formellen Ablehnungsrechtes bestehe nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Prüfung des Vorbringens von Befangenheitsgründen. Dies bedeute, dass sich die Behörde in ihrer Entscheidung selbst dann, wenn sie die Auffassung vertrete, dass kein formelles Ablehnungsrecht bestehe, mit dem Inhalt der Ablehnungsanträge auseinanderzusetzen habe. Dies sei nicht geschehen und stelle eine Rechtswidrigkeit dar.
Inhaltlich verweise er auf seine Ablehnungsanträge. Es sei klar, dass angesichts der dort beschriebenen Vorgangsweise der namentlich genannten Prüfer von einer unbefangenen Prüfung nicht mehr die Rede sein könne. Ungeachtet dessen, ob ein formelles Ablehnungsrecht bestehe, habe in solch einem Fall die Behörde alle Schritte zu setzen, um Rechtsunterworfene vor Übergriffen befangener Prüfer zu schützen. Verletze die Behörde die sie treffende Dienstaufsicht, führe dies zu einem erheblichen Verfahrensmangel. Es stelle auch eine Amtspflichtverletzung dar, die je nach Verschulden zu entsprechenden Maßnahmen berechtige.
Prüfer, die in ein Strafverfahren verwickelt seien, das die Prüfung des Geprüften betrifft, seien jedenfalls befangen. Der Inhalt des Strafaktes belege, dass von einer Unbefangenheit der Prüfer nicht mehr die Rede sein könne. Wörtlich führte der Beschwerdeführer weiters aus: "Wenn sich ein Beamter bei der Vorladung unbescholtener Personen auf einen Auftrag der Behörde beruft, den er gar nicht hat, wenn sich der betreffende Beamte diesen Auftrag im Nachhinein (nach Abfertigung der Ladung) beschafft, wenn illegale Erhebungen gepflogen werden, wenn den Anweisungen von Teamleitern Folge geleistet wird, die schon in vorangegangenen Prüfungen selbst zugegeben haben, Bedrohungsmaßnahmen gegen den Geprüften zu setzen, ohne eine sachverhaltsmäßige Abdeckung hiefür zu haben, wenn in Summe diejenigen Gründe, die in den Ablehnungsanträgen und im Strafverfahren geltend gemacht wurden, vorliegen, ist der betreffende Organwalter als befangen von der Abgabenbehörde abzuziehen."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Begründend führte sie aus, § 76 BAO richte sich an die amtshandelnden Organe der Abgabenbehörden. Aus der Vorschrift und dem Normenzusammenhang in Verbindung mit den §§ 178 Abs. 1 und 278 BAO ergebe sich, dass über einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit des Organes nicht gesondert mit Bescheid abzusprechen sei.
Von den Fällen des (nur im Berufungsverfahren geltenden) § 278 BAO abgesehen, stehe den Parteien des Abgabenverfahrens kein Recht zur Ablehnung eines Organs der Abgabenbehörde zu.
Die Mitwirkung eines befangenen Verwaltungsorganes bewirke keine Unzuständigkeit der erkennenden Behörde und ebenso wenig eine Nichtigkeit der Entscheidung, sondern (bloß) eine Verletzung von Verfahrensvorschriften. Diese könne im Verwaltungsverfahren nur mit dem Rechtsmittel gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid und vor dem Verwaltungsgerichtshof dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sich sachliche Bedenken gegen den Bescheid ergeben. Im Hinblick darauf, dass eine (in der Sache getroffene) Berufungsentscheidung zufolge § 289 Abs. 2 BAO an die Stelle des angefochtenen Bescheides trete, sei die Befangenheit von Organen der Abgabenbehörde erster Instanz (isoliert betrachtet) für die Rechtmäßigkeit der (vom Verwaltungsgerichtshof allenfalls zu prüfenden) Berufungsentscheidung sogar unbeachtlich. Jedenfalls seien durch die Mitwirkung befangener Organe bedingte erstinstanzliche Verfahrensmängel im zweitinstanzlichen Verfahren sanierbar.
Das Berufungsvorbringen lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer das Wesen einer Formalentscheidung verkenne: Sei ein formelles Ablehnungsrecht nicht gegeben und müsse deshalb über einen Ablehnungsantrag nicht (gesondert) abgesprochen werden, dann sei es inkonsequent und systemwidrig, von einer gesetzeskonform ergehenden Formalentscheidung wegen Unzulässigkeit eine sachliche Auseinandersetzung mit den nicht gesondert rechtsmittelfähigen Ablehnungsgründen zu verlangen.
Das Abgabenverfahrensrecht sehe (von gegenständlich nicht in Frage kommenden Ausnahmen abgesehen) - so wie das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht - nicht (generell) vor, dass in einem gesonderten Verfahren über allfällige Anträge betreffend die Ablehnung von Organen wegen Befangenheit abzusprechen sei. Die Prüfung solcher Fragen erfolge, offensichtlich um eine Verfahrenszersplitterung zu vermeiden und eine zusammenhängende Gesamtschau - mit Vorrang für die inhaltlich-sachliche Seite - sicherzustellen, in der Sachentscheidung bzw. im "Hauptverfahren".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides und wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
Die Beschwerde erweist sich als unzulässig:
Organe der Abgabenbehörden haben sich gemäß § 76 Abs. 1 BAO u. a. dann der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn es sich um ihre eigenen Abgabenangelegenheiten oder um jene eines ihrer Angehörigen oder Pflegebefohlenen handelt (lit. a), wenn sie als Vertreter einer Partei bestellt sind oder waren (lit. b) oder wenn "sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen" (lit. c).
§ 76 Abs. 1 BAO ist eine Verfahrensvorschrift im Interesse eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens, vermittelt den Abgabepflichtigen jedoch kein subjektives öffentliches Recht auf Ablehnung von einzelnen Organwaltern (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0284). Die Befangenheit ist vielmehr vom Organ selbst wahrzunehmen, das sich der Ausübung seines Amtes zu enthalten hat.
Demgegenüber stand im Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat den Parteien gemäß § 278 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, das mit dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, eingeführte "Recht zu, ein Mitglied des Berufungssenates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt".
Die Rechtsmittelbehörde konnte gemäß § 289 Abs. 2 BAO idF vor dem FVwGG 2012 ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz setzen und demgemäß den Bescheid nach jeder Richtung abändern (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0183). Damit war durch den unabhängigen Finanzsenat eine unbefangene Entscheidungsfindung gewährleistet.
Da nach dem Gesagten § 76 BAO den Abgabepflichtigen kein subjektives Recht darauf einräumt, dass sich Organe ihres Amtes enthalten, konnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem geltend gemachten Recht nicht verletzt werden, weshalb dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde fehlt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2013150294.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-49932