VwGH 16.07.2014, 2013/01/0173
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Mangels Hinweis, dass die Vollmacht nicht den Empfang von Schriftstücken umfasse, hatte die Bevollmächtigung die Wirkung, dass dem Bevollmächtigten alle Schriftstücke bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen sind und dieser als Empfänger zu bezeichnen ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/22/0120 B RS 1 |
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RS 2 | Die Kenntnis des Vertreters vom Bescheidinhalt durch Übermittlung einer Telekopie oder einer Fotokopie stellt kein "tatsächliches Zukommen" des Bescheides gegenüber dem Vertreter dar. Maßgeblich ist für den Tatbestand des "tatsächlichen Zukommens", dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (vgl. E , 2006/05/0080; B , 2011/05/0084, 0085). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/22/0120 B RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, in der Beschwerdesache des M T H in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom , Zl. E1/91231/2013, betreffend erkennungsdienstliche Behandlung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit der angefochtenen, mit datierten, Erledigung ("Bescheid") der Landespolizeidirektion I wurde der Beschwerdeführer gemäß § 65 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 und 3 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) und § 19 AVG aufgefordert, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung beim Landeskriminalamt Tirol zu unterziehen.
In dieser Erledigung ist der Beschwerdeführer als Empfänger genannt; sie wurde dem Beschwerdeführer am persönlich zugestellt.
Die Beschwerde bringt vor, dass die Zustellung nicht an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (den nunmehrigen Beschwerdeführervertreter) und somit nicht rechtswirksam erfolgt sei. Die rechtsfreundliche Vertretung sei der belangten Behörde bereits mit E-Mail vom mitgeteilt worden. Der angefochtene Bescheid liege dem Rechtsvertreter nicht im Original vor; der Umstand, dass dem Rechtsvertreter eine Kopie des Bescheides zukomme, könne den Zustellmangel nicht heilen.
Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG (idF BGBl I Nr. 5/2008) hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Die allgemeine Vertretungsvollmacht schließt im Allgemeinen die Zustellungsbevollmächtigung ein. Bei Berufung eines Rechtsanwaltes auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG ist von der Behörde, sofern kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliegt, davon auszugehen, dass jedenfalls auch eine Zustellungsbevollmächtigung vorliegt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/09/0011, mwN).
Im Fall des Bestehens eines wirksamen Vertretungsverhältnisses sind alle Schriftstücke bei sonstiger Unwirksamkeit dem Bevollmächtigten zuzustellen. Dieser ist als Empfänger der Schriftstücke zu bezeichnen (vgl. auch dazu das zit. hg. Erkenntnis vom , mwN).
Im erwähnten, an die Mailadresse der belangten Behörde gesendeten, E-Mail vom hat der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (zur erfolgten Ladung des Beschwerdeführers zur erkennungsdienstlichen Behandlung) mitgeteilt, dass
"ich rechtsfreundlich Herrn ... (den Beschwerdeführer)
vertrete. ... Auf Wunsch meines Mandanten teile ich Ihnen mit,
dass dieser den gegenständlichen Termin nicht wahrnehmen wird und bitte diesbezüglich um Ausstellung eines Bescheides."
In dieser Mitteilung ist zweifelsfrei eine Berufung des Rechtsvertreters auf eine ihm im Verwaltungsverfahren erteilte Vollmacht gelegen (argum: "rechtsfreundlich ... vertrete", "meines Mandanten"). Dass die belangte Behörde offenkundig ein aufrechtes Vertretungsverhältnis angenommen hat, erhellt - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - im Übrigen auch daraus, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Rechtsvertreter zwei Mal als "Ihr Anwalt" bezeichnet wird.
Mangels Hinweis, dass die Vollmacht nicht den Empfang von Schriftstücken umfasse, hatte die Bevollmächtigung die Wirkung, dass dem Rechtsvertreter alle Schriftstücke bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen sind und dieser als Empfänger zu bezeichnen ist (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/22/0120).
Zwar gilt gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Nach dem Beschwerdevorbringen erhielt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers jedoch nicht das Original der Erledigung. Der belangten Behörde ist es nicht gelungen, dieses Vorbringen zu entkräften; soweit dazu nämlich in der Gegenschrift ausgeführt wird, dass es sich bei der der gegenständlichen Beschwerde beigelegten Erledigung um den "Original"-Bescheid handle, was aus der "zweifelsfrei erkennbaren Original-Unterschrift" des (Genehmigenden) Dr. H. zu ersehen sei, ist dem zu entgegnen, dass der letztgenannte Umstand gerade nicht gegeben ist (weil die dem Verwaltungsgerichtshof mit der Beschwerde vorgelegte Erledigung die Unterschrift lediglich in kopierter Form enthält).
Die Kenntnis des Vertreters vom Bescheidinhalt durch Übermittlung einer Telekopie oder Fotokopie stellt jedoch kein "tatsächliches Zukommen" des Bescheides gegenüber dem Vertreter das. Maßgeblich ist für den Tatbestand des "tatsächlichen Zukommens", dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (vgl. den erwähnten hg. Beschluss vom , mwN).
Mangels rechtswirksamer Zustellung liegt somit kein anfechtbarer Bescheid vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.
In einer solchen Konstellation kommt ungeachtet des Antrages der belangten Behörde ein Kostenersatz nicht in Betracht (vgl. abermals den hg. Beschluss vom , mit Hinweis auf den hg. Beschluss vom , Zl. 98/03/0310).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §10 Abs1; AVG §10 Abs2; VwGG §34 Abs1; VwRallg; ZustG §7; ZustG §9 Abs1; ZustG §9 Abs3 idF 2008/I/005; |
Schlagworte | Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Stellung des Vertretungsbefugten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2013010173.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-49884