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VwGH 28.02.2018, Ra 2018/10/0024

VwGH 28.02.2018, Ra 2018/10/0024

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
VStG §19;
VStG §51;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §42;
VwRallg;
RS 1
Wie der VwGH zu § 51 VStG ausgesprochen hat, verstößt die Berufungsbehörde unter anderem dann nicht gegen das Verschlimmerungsverbot, wenn sie im Rahmen der vorzunehmenden eigenen Bewertung von Milderungs- und Erschwernisgründen trotz Wegfalls eines Erschwerungsgrundes oder Hinzutritts eines Milderungsgrundes begründeter Weise zur gleichen Strafhöhe gelangt wie die erstinstanzliche Behörde (vgl. E , 2006/09/0031). Da in Verwaltungsstrafsachen auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 weiterhin das Verbot der "reformatio in peius" besteht (vgl. E , Ro 2015/03/0032), sind die Grundsätze der zitierten Rechtsprechung auch auf § 42 VwGVG 2014 übertragbar. Es liegt somit kein Verstoß gegen das Verschlimmerungsverbot vor, wenn das VwG bei Verneinung eines von der Verwaltungsstrafbehörde für die Bemessung der Strafe herangezogenen Erschwerungsgrundes die verhängte Strafe nicht herabsetzt, wenn es in der Lage ist zu begründen, dass andere Umstände vorlagen, die es rechtfertigen, das Ausmaß der verhängten Strafe für angemessen zu halten (vgl. E , 90/02/0016; E , 92/02/0211).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/02/0225 E VwSlg 19322 A/2016 RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des E H in G, vertreten durch die Bartl & Partner Rechtsanwälte KG in 8010 Graz, Hauptplatz 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 30.30-3004/2016-11, betreffend Übertretungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom  legte das Landesverwaltungsgericht Steiermark dem nunmehrigen Revisionswerber als Inhaber des Handelsgewerbes und des Gewerbes der Fleischerei - in Übereinstimmung mit dem bekämpften Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom  - folgende an seinem Standort in Graz am festgestellte Umstände zur Last:

"1. Die Dichtungen der Kühlräume waren schadhaft und

teilweise verschimmelt, oberhalb der Abwasch bestanden Putzschäden, an der Decke bei der Eingangstüre in den Betriebsraum befand sich abblätternder, gesprungener Verputz bzw. Anstrich und der Dunstabzug war nicht gereinigt, es waren Fetttropfenbildungen an der Wandseite vorhanden, obwohl Betriebsstätten, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, sauber und instand gehalten sein müssen.

2. Der im Betrieb befindliche Abfallbehälter war ohne

Abdeckung in Verwendung, obwohl Lebensmittelabfälle, ungenießbare Nebenerzeugnisse und andere Abfälle in verschließbaren Behältern zu lagern sind. Diese Behälter müssen angemessen gebaut sein, einwandfrei instand gehalten sowie leicht zu reinigen und erforderlichenfalls leicht zu desinfizieren sein.

3. Die im Betrieb befindliche Spüle verfügte über keine zur

hygienischen Trocknung der Hände notwendigen Mittel, obwohl an geeigneten Standorten genügend Handwaschbecken vorhanden sein müssen, welche über Warm- und Kaltwasserzufuhr verfügen, darüber hinaus müssen Mittel zum Händewaschen und zum hygienischen Händetrocknen vorhanden sein.

4. Die Mitarbeiter waren nicht bzw. nur unzureichend in Hygienefragen geschult, es wurden zahlreiche Hygienemängel festgestellt, obwohl Lebensmittelunternehmer zu gewährleisten haben, dass Betriebsangestellte, die mit Lebensmitteln umgehen, entsprechend ihrer Tätigkeit überwacht und in Fragen der Lebensmittelhygiene unterwiesen und/oder geschult werden.

5. Es war kein ständiges Verfahren, welches auf HACCP-

Grundsätzen beruht, eingerichtet, welches die Gefahren, die für die Lebensmittelsicherheit wesentlich sind, identifiziert, bewertet und beherrscht, es gab daher kein Instrument zur Beherrschung von physikalischen, chemischen und biologischen Gefahren, mit denen Lebensmittel behaftet sein können, obwohl Unternehmer hinsichtlich Lebensmittel im Sinne des Art 17 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die lebensmittelrechtlichen Vorschriften einzuhalten haben, deren Einhaltung durch Eigenkontrolle zu überprüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung zu setzen haben.

6. Nachstehende Waren kein Zutatenverzeichnis enthielten,

obwohl das Zutatenverzeichnis, welchem eine Überschrift oder eine geeignete Bezeichnung voranzustellen ist, in der das Wort ‚Zutaten' erscheint, aus einer Aufzählung sämtlicher Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, bestehen muss:

a.

Schw.Zunge ges.

b.

Schweinsschulter roh

c.

WZ: Lammspieße gewürzt

d.

Stange Wurst

e.

Flugentenbrust geräuchert

f.

Straussenschinken

7. Nachstehende Waren weder mit einer rechtlich

vorgeschriebenen Bezeichnung noch einer verkehrsüblichen Bezeichnung oder beschreibenden Bezeichnung bezeichnet waren, obwohl Lebensmittel, die für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt sind, mit ihrer rechtlich vorgeschriebenen Bezeichnung, fehlt eine solche, mit ihrer verkehrsüblichen Bezeichnung oder, falls es keine verkehrsübliche Bezeichnung gibt oder diese nicht verwendet wird, mit einer beschreibenden Bezeichnung bezeichnet werden müssen:

a.

Schw.Zunge ges.

b.

Schweinsschulter roh

c.

WZ: Lammspieße gewürzt

d.

Stange Wurst

e.

Straussenschinken"

2 Dadurch habe der Revisionswerber gegen folgende Bestimmungen verstoßen:

Zu Punkt 1.: § 90 Abs. 3 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG iVm Art. 3 und 4 Abs. 2 des Kapitels II und Anhang II Kapitel I Z 1 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene (Lebensmittelhygieneverordnung);

zu Punkt 2.: § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 3 und 4 Abs. 2 des Kapitels II und Anhang II Kapitel VI Z 2 der Lebensmittelhygieneverordnung;

zu Punkt 3.: § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 3 und 4 Abs. 2 des Kapitels II und Anhang II Kapitel I Z 4 der Lebensmittelhygieneverordnung;

zu Punkt 4.: § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 3 und 4 Abs. 2 des Kapitels II und Anhang II Kapitel XII Z 1 der Lebensmittelhygieneverordnung;

zu Punkt 5.: § 90 Abs. 4 Z 2 iVm § 21 LMSVG;

zu Punkt 6.: § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 6, Art. 9

Abs. 1 lit. b und Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformationsverordnung);

zu Punkt 7.: § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 6, Art. 9 Abs. 1 lit. a und Art. 17 Abs. 1 der Lebensmittelinformationsverordnung.

3 Über den Revisionswerber wurden folgende Strafen verhängt:

Zu Punkt 1.: Geldstrafe von EUR 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden);

zu Punkt 2.: Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Stunden);

zu Punkt 3.: Geldstrafe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Stunden);

zu Punkt 4. und 5: jeweils Geldstrafe von EUR 100,-- (jeweils Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Stunden);

zu Punkt 6.: Geldstrafe von EUR 90,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden);

zu Punkt 7.: Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden).

4 Das bekämpfte Straferkenntnis änderte das Verwaltungsgericht (u.a.) insofern ab, als die dort unter den Punkten 6. und 7. vorgeworfenen Übertretungen als "jeweils lediglich eine Übertretung" zusammengefasst und mit Geldstrafen von EUR 900,-- (Punkt 6.) bzw. EUR 500,-- (Punkt 7.) geahndet wurden. (Die belangte Behörde hatte 6 x EUR 150,-- bzw. 5 x EUR 100,-- verhängt; insgesamt blieb die Strafhöhe somit unverändert).

5 1.2. In seiner Begründung folgte das Verwaltungsgericht der in der Beschwerde vertretenen Auffassung, die Tatvorwürfe des Straferkenntnisses in den Punkten 1. bis 4. sowie 6. und 7. beträfen "einander essentiell überlagernde Delikttatbestände", nicht: Dazu führte es - näher begründet - aus, dass die Vorwürfe der Punkte 1. bis 4. verschiedene Mängel in hygienischer Hinsicht beträfen; auch könne (mit Blick auf die Punkte 6. und 7.) nicht von den Zutaten (bzw. deren Bezeichnung) auf die Bezeichnung eines Produkts geschlossen werden und auch umgekehrt nicht von der Bezeichnung des Produkts auf die Zutaten; die entsprechenden Normen zielten auf verschiedene Zwecke ab, nämlich einerseits auf den Gesundheitsschutz der Käufer und andererseits auf deren umfassende Information.

6 Bei der von ihm vorgenommenen Strafbemessung wertete das Verwaltungsgericht als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe des Revisionswerbers aus dem Jahr 2012, als mildernd dessen reumütiges Geständnis. Die verhängten Geldstrafen bewegten sich im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens, der (wegen des Wiederholungsfalles) bis zu EUR 100.000,-- reiche.

7 Mit Blick auf die zu den Punkten 6. und 7. (insgesamt) der Höhe nach unveränderten Strafen führte das Verwaltungsgericht aus, die Behörde hätte berücksichtigen können, dass eben sechs bzw. fünf Lebensmittel betroffen gewesen seien. Gegenüber den Strafbemessungsgründen des Straferkenntnisses ist dem angefochtenen Erkenntnis zusätzlich der Hinweis zu entnehmen, der vom Revisionswerber verwirklichte Unrechtsgehalt sei nicht unerheblich, weil dieser einem Gebot, das dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen diene, zuwider gehandelt habe.

8 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 3. In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 3.1. Der darin - wie schon in der Beschwerde - vertretenen Auffassung, die den Tatvorwürfen unter den Punkten 1. bis 4. sowie 6. und 7. zugrunde liegenden Deliktstatbestände überlagerten einander "essentiell", kann der Gerichtshof - abgesehen davon, dass die Zulässigkeitsausführungen in diesem Zusammenhang unzulässigerweise auf den Abschnitt "1. Sachverhalt" verweisen (vgl. etwa (Rz 9), mwN) - angesichts der Verschiedenheit dieser Tatbestände nicht teilen.

13 Mit den in diesem Zusammenhang bloß stichwortartig angesprochenen "Rechtsfragen über die Auslegung der Bestimmungen des § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm der Hygieneverordnung sowie der Lebensmittelinformationsverordnung und einer allfälligen Mehrfachbestrafung bei Begehung mehrerer Übertretungen" wird darüber hinaus eine konkrete Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Revisionswerber nicht aufgeworfen (vgl. die Judikaturnachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) E 114 ff zu § 28 VwGG).

14 3.2. Des Weiteren wird in den Zulässigkeitsausführungen ein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius nach § 42 VwGVG behauptet (Hinweis auf ). Dazu wird (zutreffend) ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe, obwohl es die in den Punkten 6. und 7. des Straferkenntnisses vorgeworfenen Übertretungen zu jeweils einer Übertretung zusammengefasst habe, die Verwaltungsstrafen hinsichtlich dieser Punkte in der gleichen Höhe belassen, wie sie schon die belangte Behörde verhängt habe.

15 In dem angeführten Erkenntnis zur Zl. 2006/09/0031 führte der Gerichtshof zum Verschlechterungsverbot (noch) nach § 51 Abs. 6 VStG aus, dieses werde etwa verletzt, wenn die Berufungsbehörde trotz Wegfalls eines von mehreren Übertretungstatbeständen ohne Zugrundelegung anderer Strafzumessungsgründe die gleiche Strafe verhängte; in diesem Zusammenhang wurde einschränkend dargelegt, die Berufungsbehörde verstoße etwa dann nicht gegen das Verschlimmerungsverbot, wenn sie im Rahmen der von ihr gemäß § 66 Abs. 4 AVG vorzunehmenden eigenen Bewertung von Milderungs- und Erschwerungsgründen trotz Wegfalls eines Erschwerungsgrundes oder Hinzutritts eines Milderungsgrundes begründeter Weise zur gleichen Strafhöhe gelange wie die Behörde erster Instanz. Diese Rechtsprechung wurde für § 42 VwGVG aufrecht erhalten. (vgl. ).

16 Gegenüber den Strafbemessungsgründen des Straferkenntnisses ist dem angefochtenen Erkenntnis - wie bereits ausgeführt (Rz 14) - zusätzlich der Hinweis zu entnehmen, der vom Revisionswerber verwirklichte Unrechtsgehalt sei nicht unerheblich, weil dieser einem Gebot, das dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen diene, zuwider gehandelt habe; außerdem hätte schon die belangte Behörde bei der Strafbemessung berücksichtigen können, dass von den Tatvorwürfen unter den Punkten 6. und 7. sechs bzw. fünf Lebensmittel betroffen gewesen seien.

17 Mit Blick auf diese zusätzlich vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Strafzumessungsgründe hinsichtlich der zu den Spruchpunkten 6. und 7. vorgeworfenen Tathandlungen liegt der vom Revisionswerber behauptete Widerspruch zur hg. Rechtsprechung nicht vor.

18 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
VStG §19;
VStG §51;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §42;
VwRallg;
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100024.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-49538