VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Ein bewusstes Verstreichenlassen der Rechtsmittelfrist wegen Verkennung der materiellen Rechtslage oder wegen - vermeintlich - fehlender Erfolgsaussichten vermag keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen (vgl. B , Ra 2016/19/0124; B , 2011/21/0187; E , 2000/21/0169; E , 95/20/0181; B , 0593/79; E , 0273/49, VwSlg 1196 A/1950). |
Normen | |
RS 2 | Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG 2014 die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG 2014 geregelte Beschwerde handelt (Hinweis E vom , Ro 2016/16/0013). Der VwGH hat allerdings in seiner Rechtsprechung auch bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG 2014 übertragbar sind (vgl. betreffend § 33 Abs. 1 VwGVG 2014 die Beschlüsse vom , Ra 2015/06/0113, und vom , Ra 2015/08/0005, sowie in diesem Sinn auch den Beschluss vom , Ra 2014/01/0134). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/19/0113 E RS 1 |
Normen | AVG §59 Abs1; VwRallg; |
RS 3 | Die Anführung einer unzutreffenden Gesetzesstelle im Spruch stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung des Bescheides führen muss. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine Rechtsgrundlage besteht, die geeignet ist die behördliche Entscheidung zu tragen (Hinweis E vom , 2011/17/0232; E vom , 2010/06/0023). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/03/0112 E RS 11 |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2017/12/0101 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, in der Revisionssache des Mag. J M in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W228 2156431-1/4E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem dem Revisionswerber gegenüber am erlassenen Bescheid vom stellte die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Höhe des diesem ab zustehenden Ruhegenusses fest.
2 Mit Schriftsatz vom beantragte der Revisionswerber, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen diesen Bescheid zu bewilligen, die er unter einem ausführte. Er begründete seinen Wiedereinsetzungsantrag zusammengefasst damit, dass sein Ruhebezug ausgehend von einer Ruhestandsversetzung nach § 236d BDG 1979 bemessen worden sei, während er primär eine solche nach § 236b BDG 1979 angestrebt habe. Er sei davon ausgegangen, dass über die Rechtsgrundlage der Ruhestandsversetzung nur die für die Ruhestandsversetzung zuständige Behörde entscheiden könne. Erst durch den im Ruhestandsversetzungsverfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2016/12/0015, in dem zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Rechtsgrundlage für die Ruhestandsversetzung und die Ruhegenussbemessung nicht durch eine weitere Entscheidung der Pensionierungsbehörde geklärt werden könne, sondern nur im Rahmen einer Anfechtung der Ruhegenussbemessungsentscheidung, sei ihm das Anfechtungserfordernis jenes Bescheids zur Kenntnis gekommen.
3 Mit Bescheid vom wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 1 Abs. 1 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 iVm § 71 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AVG ab.
4 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass der Revisionswerber zunächst keine Anfechtung des Ruhegenussbemessungsbescheids vorgenommen habe, weil er kein dahingehendes Erfordernis gesehen habe. Eine andere Betrachtungsweise habe sich für ihn erst durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ergeben. Zu dieser ganz spezifischen Konstellation gebe es keine höchstgerichtliche Judikatur.
8 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber nicht auf, dass die angefochtene Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach ein bewusstes Verstreichenlassen der Rechtsmittelfrist wegen Verkennung der materiellen Rechtslage oder wegen - vermeintlich - fehlender Erfolgsaussichten keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzustellen vermag (siehe die Beschlüsse vom , Ra 2016/19/0124, und vom , 2011/21/0187, sowie die Erkenntnisse vom , 2000/21/0169, vom , 95/20/0181, den Beschluss vom , 0593/79, und das Erkenntnis vom , 0273/49, VwSlg 1196 A/1950).
9 Auch soweit der Revisionswerber eine "krasse Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses" darin zu erblicken meint, dass das Verwaltungsgericht als Rechtsgrundlage seiner Entscheidung nicht § 33 VwGVG, sondern § 71 AVG, herangezogen hätte, zeigt er eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht auf.
10 Zwar ist dem Revisionswerber zuzugestehen, dass es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entspricht, dass bei einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Beschwerdefrist § 33 VwGVG und nicht § 71 AVG anzuwenden ist (siehe zur näheren Begründung die Erkenntnisse vom , Ra 2017/19/0113, und vom , Ro 2016/16/0013). Die Zulässigkeitsausführungen gehen in diesem Zusammenhang jedoch über die Behauptung des Vorliegens einer "krassen Rechtswidrigkeit" nicht hinaus. Sie zeigen weder auf, noch ist dies zu erkennen, inwiefern der Revisionswerber dadurch in einem subjektiven Recht verletzt worden wäre, hat der Verwaltungsgerichtshof doch weiteres bereits ausgesprochen, dass Rechtsprechung zu § 71 AVG auf § 33 VwGVG übertragen werden kann (siehe auch dazu das Erkenntnis Ra 2017/19/0113, mwN). Es kann also auch in diesem Fall an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs festgehalten werden, dass die Anführung einer unzutreffenden Gesetzesstelle im Spruch keinen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, der zur Aufhebung führen muss. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine Rechtsgrundlage besteht, die geeignet ist, die Entscheidung zu tragen (siehe das Erkenntnis vom , 2012/03/0112; in diesem Sinne auch die Erkenntnisse vom , 2005/05/0028, und vom , 95/19/1913).
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120086.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-49253