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VwGH 16.10.2017, Ra 2017/08/0110

VwGH 16.10.2017, Ra 2017/08/0110

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit;
32009R0987 Koordinierung Soziale Sicherheit DV;
ASVG §73 Abs1;
ASVG §73a Abs1;
RS 1
Der Charakter, die Zielsetzungen und die Vergleichbarkeit einer Rentenleistung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0047) hängen nicht von der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers ab, zB aus rechtspolitischen Erwägungen auch Zeiten, die keine Beschäftigungszeiten sind, als Versicherungszeiten anzuerkennen. Mit den zusätzlich anerkannten Versicherungsmonaten sollen (teilweise) jene Nachteile ausgeglichen werden, die der Betroffenen in der Zeit ihrer politischen Gefangenschaft (auch für ihr späteres Erwerbsleben) erwachsen sind. Die Privilegierung der Betroffenen im Rahmen der Wiedergutmachung begründet keinen eigenen, von einer Rentenleistung zu unterscheidenden Leistungsanspruch, sondern sie bezieht sich auf eine Verbesserung ihrer Position in Bezug auf einen Rechtsanspruch auf eine slowenische Leistung bei Alter, die vom Geltungsbereich der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 erfasst ist, sodass auch von dieser ausländischen Rente ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 ASVG zu entrichten ist (§ 73a Abs. 1 ASVG).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der M P in G, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 17/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. G302 2005346- 1/10E, betreffend Beiträge zur Krankenversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 73a ASVG verpflichtet, an die belangte Behörde für den Zeitraum bis Krankenversicherungsbeiträge von EUR 176,22 zu entrichten (Spruchpunkt 1 des erstinstanzlichen Bescheides). Der Antrag der Revisionswerberin auf Rückerstattung der von September 2012 bis laufend von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) einbehaltenen Beiträge wurde gemäß § 69 Abs. 1 ASVG abgewiesen (Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Bescheides).

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe Anspruch auf Leistungen der (österreichischen) Krankenversicherung und beziehe neben ihrer inländischen Pension eine Rente aus Slowenien iHv (derzeit) EUR 314,05 monatlich. Die Kommission zur Durchführung des Gesetzes über die Wiedergutmachung von Unrecht der Regierung der Republik Slowenien habe ihr mit Beschluss vom den Status einer ehemaligen politischen Gefangenen zuerkannt. Ihr sei eine Entschädigung für die Zeit des Freiheitsentzuges vom bis , die "doppelte Anrechnung der Zeit des Freiheitsentzuges für ihre Pensionszeit" sowie mit Bescheid der Pensions- und Unfallversicherungsanstalt Slowenien vom ab dem eine Alterspension von EUR 276,39 (monatlich) zuerkannt worden.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht ua aus, der Anspruch der Revisionswerberin auf eine (slowenische Teil-)Pension ergebe sich aus § 253 des (slowenischen) Gesetzes über die Pensions- und Unfallversicherung und aus den Art. 45 und 46 "der Verordnung des Europarates 1408/71". Aus dem Gesetz über die Wiedergutmachung von Unrecht sei für ehemalige politische Gefangene lediglich der Anspruch auf Einrechnung des Freiheitsentzuges in die Pensionszeit im doppelten Ausmaß ableitbar, nicht jedoch der Anspruch auf Pension an sich. Die Anrechnung der Dauer des Freiheitsentzuges bei der Ermittlung der Pension ändere nichts daran, dass die Revisionswerberin neben ihrer inländischen Pension eine ausländische Rente aus Slowenien beziehe, die vom Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 erfasst sei. Die Leistungen bei Alter aus Österreich und Slowenien seien vom zwischenstaatlichen Koordinierungsrecht erfasst und gleichartige Leistungen iSd Art. 5 lit a. der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Die Voraussetzungen des § 73a ASVG seien erfüllt.

7 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. 8 Die Revisionswerberin erblickt entgegen diesem Ausspruch

eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Verwaltungsgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe. Es sei nicht festgestellt worden, dass der Revisionswerberin der Status einer ehemaligen politischen Gefangenen zuerkannt worden sei und "die Zeit ihres

Freiheitsentzuges ... doppelt in ihre Pension" eingerechnet worden

sei. Der als (slowenische) "Alterspension" bezeichnete Betrag sei nicht mit einer Rente im herkömmlichen Sinn zu vergleichen. Es handle sich nicht um einen Zweig bzw. um ein System der sozialen Sicherheit für Leistungen bei Alter. Die Leistungen (an die Revisionswerberin) seien nicht als solche aus gesetzlichen Rentensystemen zu werten. Die (slowenischen) Leistungen würden nicht das Ziel verfolgen, ihren Empfängern die Beibehaltung eines Lebensstandards zu gewährleisten, der jenem vor ihrem Ruhestand entsprochen habe. Auch nach § 292 Abs. 4 lit. i ASVG habe (bei Bemessung der Ausgleichzulage) eine nach ausländischen Rechtsvorschriften gewährte Rentenleistung, die aus dem Anlass des Kampfes oder des Einsatzes gegen den Nationalsozialismus gebühre, außer Betracht zu bleiben. Auch in Slowenien sei die "vorliegende ‚Alterspension' krankenversicherungsbefreit".

9 Dem ist zu erwidern, dass der Charakter, die Zielsetzungen und die erwähnte Vergleichbarkeit einer Rentenleistung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0047) nicht von der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers abhängen, zB aus rechtspolitischen Erwägungen auch Zeiten, die keine Beschäftigungszeiten sind, als Versicherungszeiten anzuerkennen. Mit den zusätzlich anerkannten Versicherungsmonaten sollen (teilweise) jene Nachteile ausgeglichen werden, die der Revisionswerberin in der Zeit ihrer politischen Gefangenschaft (auch für ihr späteres Erwerbsleben) erwachsen sind. Die Privilegierung der Revisionswerberin im Rahmen der Wiedergutmachung begründet indes keinen eigenen, von einer Rentenleistung zu unterscheidenden Leistungsanspruch, sondern sie bezieht sich auf eine Verbesserung ihrer Position in Bezug auf einen Rechtsanspruch auf eine slowenische Leistung bei Alter, die vom Geltungsbereich der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 erfasst ist, sodass auch von dieser ausländischen Rente ein Krankenversicherungsbeitrag nach § 73 Abs. 1 ASVG zu entrichten ist (§ 73a Abs. 1 ASVG). Das Verwaltungsgericht ist von der oben zitierten Rechtsprechung nicht abgewichen.

10 Entgegen dem weiteren Vorbringen der Revisionswerberin hat das Verwaltungsgericht auch alle Feststellungen iZm der Zuerkennung der slowenischen Rente getroffen und den politischen Hintergrund der Anrechnung (weiterer) slowenischer Versicherungszeiten mit einbezogen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war geklärt. Die Entscheidung hing einzig von der Lösung rein rechtlicher Fragestellungen ab. Das Vorbringen der Revisionswerberin war nicht geeignet, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätte (vgl. das Urteil des EGMR vom , Zl. 8/1997/792/993, Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41). Da dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, war das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG berechtigt, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
32004R0883 Koordinierung Soziale Sicherheit;
32009R0987 Koordinierung Soziale Sicherheit DV;
ASVG §73 Abs1;
ASVG §73a Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017080110.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-49185