VwGH 02.03.2017, Ra 2017/08/0003
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | MRKZP 07te Art4; StPO 1975 §190; |
RS 1 | Im Fall einer Verfahrenseinstellung nach § 190 StPO ist zum einen zu prüfen, ob sie unwiderruflich geworden ist und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat, und zum anderen ist zu beurteilen, auf welcher inhaltlichen Basis und auf Grund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne weiteres eine im Sinn des Art. 4 7. ZPEMRK einer Bestrafung entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten. Vielmehr kommt es darauf an, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte und auf welcher im Verfahren herangezogenen und geprüften Faktenlage sie basierte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/02/0238). |
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RS 2 | Die Eintragung in die HFU-Gesamtliste (Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen) bewirkt gemäß § 67a Abs. 3 Z 1 ASVG, dass die Haftung des Auftraggebers für vom Auftragnehmer abzuführende Beiträge und Umlagen entfällt. Für eine darüber hinausgehende generelle Berücksichtigung der Eintragung bei der Beurteilung, ob der Auftraggeber die Nichtanmeldung der (nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nicht dem Auftragnehmer, sondern) ihm zuzurechnenden Dienstnehmer verschuldet hat, gibt es keine Grundlage. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofrätin Dr. Julcher sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des Ing. A T in Wien, vertreten durch die Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Amerlingstraße 19, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-041/070/9068/2015-41, betreffend Bestrafung nach dem ASVG, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien) den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber in fünf Fällen gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG mit Geldstrafen von jeweils EUR 1.540,-- bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Z. GmbH zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin es unterlassen habe, fünf näher bezeichnete, mit Fassaden- und Malerarbeiten beschäftigte und nach dem ASVG pflichtversicherte Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 3. In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision bringt der Revisionswerber - entgegen diesem Ausspruch - zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, dass das Verwaltungsgericht gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 4 7. ZPEMRK verstoßen habe. Zur Würdigung der Frage, ob "dieselbe Sache" (gemeint wohl: dieselbe strafbare Handlung) vorliege, sei "im Sinn der gefestigten Rechtsprechung" (des Verwaltungsgerichtshofes) allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben. Eine neuerliche Strafverfolgung sei dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt beziehe. Obwohl der Revisionswerber zum im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren relevanten Sachverhalt durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen worden sei und das (gegen ihn gemäß § 153c StGB geführte) Strafverfahren am eingestellt worden sei, weil "nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Revisionswerber faktischer Dienstgeber der Arbeitnehmer gewesen sei", sei das nunmehr bekämpfte Erkenntnis erlassen worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wäre das Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verbots der Doppelbestrafung einzustellen gewesen. Die Strafverfolgung habe sich nämlich auf denselben Sachverhalt - die Tätigkeit derselben fünf Arbeiter am selben Gebäude - bezogen.
6 Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird mit diesem Vorbringen - unabhängig von der Frage des Verhältnisses zwischen § 111 ASVG und § 153c StGB - schon deswegen nicht aufgezeigt, weil im Fall einer Verfahrenseinstellung nach § 190 StPO zum einen zu prüfen ist, ob sie unwiderruflich geworden ist und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat, und zum anderen zu beurteilen ist, auf welcher inhaltlichen Basis und auf Grund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne weiteres eine im Sinn des Art. 4 7. ZPEMRK einer Bestrafung entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten. Vielmehr kommt es darauf an, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte und auf welcher im Verfahren herangezogenen und geprüften Faktenlage sie basierte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/02/0238). Der Revisionswerber hat nun mit dem bloßen Hinweis, es habe die faktische Dienstgebereigenschaft des Revisionswerbers nicht nachgewiesen werden können, nicht dargelegt, dass bei der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft alle Fakten geprüft wurden, die für die Bestrafung nach § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG relevant sind (vom Verwaltungsgericht wurde dies ausdrücklich verneint: Die Staatsanwaltschaft sei offenkundig von einem "gänzlich anderen Sachverhalt ausgegangen", wenn sie ausführe, dass die kontrollierten Arbeiter als selbständig tätig gemeldet gewesen seien).
7 4. Der Revisionswerber macht weiters geltend, dass die fünfzehnmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 43 VwGVG abgelaufen und das erstinstanzliche Straferkenntnis daher außer Kraft getreten sei. Das trifft jedoch nicht zu: Die Beschwerde langte am bei der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde ein; das angefochtene Erkenntnis wurde am - somit noch innerhalb von 15 Monaten - durch Zustellung an diese Behörde, der nach § 18 VwGVG Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zukam, erlassen. Dadurch wurde die genannte Entscheidungsfrist gewahrt (vgl. zur rechtswirksamen und rechtzeitigen Erlassung des Erkenntnisses durch Zustellung an die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den hg. Beschluss vom , Ra 2015/09/0015, mwN).
8 5. Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wendet sich die Revision gegen die Beurteilung, dass Beschäftigungsverhältnisse in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorgelegen seien. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht nicht den Vertrag zwischen der Z. GmbH und der von dieser beauftragten P. GmbH seiner Beurteilung zugrunde gelegt. Damit lässt die Revision aber außer Acht, dass das Verwaltungsgericht die P. GmbH - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Basis einer schlüssigen Beweiswürdigung - als Scheinunternehmen qualifiziert hat. Schon aus diesem Grund kam der Vertrag als Grundlage für die Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse nicht in Betracht.
9 6. Schließlich macht die Revision geltend, dass noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob die Eintragung eines Subunternehmers in die HFU-Gesamtliste (Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen) das Verschulden an einer Übertretung des § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 ASVG ausschließe. Auch dieses Vorbringen führt nicht zur Zulässigkeit der Revision, weil die Rechtslage insoweit eindeutig ist (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in einem solchen Fall etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2014/07/0053): Die Eintragung in die HFU-Gesamtliste bewirkt gemäß § 67a Abs. 3 Z 1 ASVG, dass die Haftung des Auftraggebers für vom Auftragnehmer abzuführende Beiträge und Umlagen entfällt. Für eine darüber hinausgehende generelle Berücksichtigung der Eintragung bei der Beurteilung, ob der Auftraggeber die Nichtanmeldung der (nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nicht dem Auftragnehmer, sondern) ihm zuzurechnenden Dienstnehmer verschuldet hat, gibt es keine Grundlage.
10 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017080003.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-49162