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VwGH 23.03.2017, Ra 2016/20/0267

VwGH 23.03.2017, Ra 2016/20/0267

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VwGG §26 Abs1;
ZPO §112;
RS 1
Die (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte) "Teilnehmer-Direktzustellung" ist die - technisch eröffnete - Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen von für den elektronischen Rechtsverkehr verwendeten EDV-Programmen zwischen Teilnehmern des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie dient in erster Linie der Übermittlung von für einen Prozessgegner bestimmten Gleichschriften im zivilgerichtlichen Verfahren durch eine Partei des Verfahrens an eine andere Verfahrenspartei. Diesbezüglich findet sich eine Rechtsgrundlage etwa in § 112 ZPO, der eine solche Übersendung auch mittels elektronischer Post ermöglicht.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/19/0109 B RS 1
Normen
GOG §89d Abs2;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §61;
ZustG §37;
ZustG §7;
RS 2
Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung eines Bescheides im Weg der "Teilnehmer-Direktzustellung" ist im Fall der Bestellung eines Verfahrenshelfers durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer nicht ersichtlich. Insbesondere stellt § 89d Abs. 2 GOG eine solche nicht dar. Auch § 37 ZustG kommt als Rechtsgrundlage für einen solchen Zustellvorgang nicht in Betracht, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorliegen. Es liegt daher ein Zustellmangel vor (Hinweis Beschlüsse vom , Ra 2015/19/0155 und vom , Ra 2015/18/0236). Ein solcher Zustellmangel kann jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt werden, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Es kommt im Fall der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver bereitgehaltene Dokument an.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/19/0109 B RS 2
Normen
BVwGG 2014 §19;
BVwGG 2014 §21;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
GO BVwG 2014 §20 Abs7;
VwGG §25a;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
RS 3
Wurde die Revision am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO BVwG 2014 festgesetzten Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht, sodass diese gemäß § 20 Abs. 6 GO BVwG 2014 erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt, ist sie verspätet.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/01/0061 B RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Christl, in der Rechtssache der Revision des A M R in W, vertreten durch Dr. Matthias Trummer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Erdbergstraße 200, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W212 2133635- 1/6E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung der Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Beschluss vom bewilligte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag des Revisionswerbers, ihm die Verfahrenshilfe (ua.) durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das nunmehr bekämpfte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu gewähren.

2 Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien übermittelte dem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt den Bescheid vom über die Bestellung im Weg der sog. "Teilnehmer-Direktzustellung" am (um 15.30 Uhr). Von diesem wurde - entsprechend den Ausführungen des Revisionswerbers in seiner Stellungnahme vom  - der Bescheid vom noch am (um 15.50 Uhr) vom Bereithaltungsserver abgerufen.

3 Die gegenständliche Revision wurde dem Bundesverwaltungsgericht um 17.25 Uhr des im elektronischen Rechtsverkehr übermittelt.

4 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes sechs Wochen. Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen.

5 Die (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte) "Teilnehmer-Direktzustellung" ist die - technisch eröffnete - Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen von für den elektronischen Rechtsverkehr verwendeten EDV-Programmen zwischen Teilnehmern des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie dient in erster Linie der Übermittlung von für einen Prozessgegner bestimmten Gleichschriften im zivilgerichtlichen Verfahren durch eine Partei des Verfahrens an eine andere Verfahrenspartei. Diesbezüglich findet sich eine Rechtsgrundlage etwa in § 112 ZPO, der eine solche Übersendung auch mittels elektronischer Post ermöglicht. Diese Bestimmung wird zuweilen auch für nach anderen Gesetzen zu führende Verfahren für anwendbar erklärt (vgl. § 40 Abs. 4 ASGG und § 24 Abs. 1 AußStrG).

Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung eines Bescheides im Weg der "Teilnehmer-Direktzustellung" ist im (hier vorliegenden) Fall der Bestellung eines Verfahrenshelfers durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer allerdings nicht ersichtlich. Insbesondere stellt § 89d Abs. 2 GOG, auf den sich der Revisionswerber der Sache nach beruft, eine solche nicht dar. Diese Bestimmung stellt - unter ausdrücklichen Verweis auf § 89a Abs. 2 GOG - auf elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben ab, wozu der gegenständliche Bestellungsbescheid zweifellos nicht zu zählen ist. Auch § 37 ZustG kommt als Rechtsgrundlage für einen solchen Zustellvorgang nicht in Betracht, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorliegen. Es liegt daher ein Zustellmangel vor. Ein solcher Zustellmangel kann jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt werden, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Es kommt im Fall der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver bereitgehaltene Dokument an (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom , Ra 2016/19/0109, mwN).

6 Aufgrund dieser Rechtslage trifft die Ansicht des Revisionswerbers, die Frist zur Erhebung der Revision hätte nicht schon am , sondern erst am zu laufen begonnen, nicht zu.

7 Der letzte Tag der gemäß § 26 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG einzuhaltenden Revisionsfrist war daher der . Zwar wurde die Revision an diesem Tag dem Bundesverwaltungsgericht im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs übermittelt. Jedoch erfolgte dies (erst) um 17.25 Uhr und somit nach Ablauf der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts, die nach § 20 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) für die Zeit von 8.00 bis 15.00 Uhr festgesetzt sind. Die Revision gilt sohin gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages, also am Freitag, den , als eingebracht (vgl. zur Frage der Rechtzeitigkeit von außerhalb der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts eingebrachten Revisionen den hg. Beschluss vom , Ra 2014/01/0198, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG verwiesen wird).

8 Nach dem Gesagten erweist sich die Revision als verspätet eingebracht, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BVwGG 2014 §19;
BVwGG 2014 §21;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
GO BVwG 2014 §20 Abs7;
GOG §89d Abs2;
VwGG §25a;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §61;
VwRallg;
ZPO §112;
ZustG §37;
ZustG §7;
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016200267.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-49020