VwGH 09.11.2016, Ra 2016/19/0156
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | VwGG §26 Abs1; ZPO §112; |
RS 1 | Die (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte) "Teilnehmer-Direktzustellung" ist die - technisch eröffnete - Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen von für den elektronischen Rechtsverkehr verwendeten EDV-Programmen zwischen Teilnehmern des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie dient in erster Linie der Übermittlung von für einen Prozessgegner bestimmten Gleichschriften im zivilgerichtlichen Verfahren durch eine Partei des Verfahrens an eine andere Verfahrenspartei. Diesbezüglich findet sich eine Rechtsgrundlage etwa in § 112 ZPO, der eine solche Übersendung auch mittels elektronischer Post ermöglicht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/19/0109 B RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung eines Bescheides im Weg der "Teilnehmer-Direktzustellung" ist im Fall der Bestellung eines Verfahrenshelfers durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer nicht ersichtlich. Insbesondere stellt § 89d Abs. 2 GOG eine solche nicht dar. Auch § 37 ZustG kommt als Rechtsgrundlage für einen solchen Zustellvorgang nicht in Betracht, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorliegen. Es liegt daher ein Zustellmangel vor (Hinweis Beschlüsse vom , Ra 2015/19/0155 und vom , Ra 2015/18/0236). Ein solcher Zustellmangel kann jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt werden, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Es kommt im Fall der elektronischen Zustellung auf den Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver bereitgehaltene Dokument an. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/19/0109 B RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, in der Revisionssache des M A in W, vertreten durch Dr. Evamaria Sluka-Grabner, Rechtsanwältin in 2700 Wiener Neustadt, Herzog Leopold-Straße 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W123 2127460-1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof dem Revisionswerber über seinen - innerhalb der Revisionsfrist gestellten - Antrag die Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom (ua.) durch Beigebung eines Rechtsanwalts bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom wurde die nunmehr einschreitende Rechtsanwältin zur Vertreterin des Revisionswerbers bestellt. Die Übermittlung dieses Bescheides an die Verfahrenshelferin erfolgte am selben Tag mittels der sog. "Teilnehmer-Direktzustellung".
2 Gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes brachte der Revisionswerber, vertreten durch die Verfahrenshelferin, im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs am eine außerordentliche Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein. In der Revision wird zur Rechtzeitigkeit ausdrücklich ausgeführt, dass "(d)as angefochtene Urteil (...) mittels ERV am der Verfahrenshelferin übermittelt (wurde), sodass die sechswöchige Revisionsfrist am beginnt und zum Zeitpunkt der Übermittlung an das Bundesverwaltungsgericht noch offen ist."
3 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom wurde der Revisionswerber aufgefordert darzulegen, aus welchen Gründen die außerordentliche Revision als rechtzeitig eingebracht erachtet werde. Der Revisionswerber nahm mit Schreiben vom dahingehend Stellung, dass der Bestellungsbescheid der Rechtsvertreterin mittels elektronischen Rechtsverkehrs am zugestellt worden sei. Gemäß § 89d Abs. 2 GOG gelte als Zustellzeitpunkt elektronischer gerichtlicher Erledigungen jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei der Samstag nicht als Werktag gelte. Der Bescheid sei am Freitag, dem , "im ERV abgestellt" worden, sodass der sechswöchige Fristenlauf am folgenden Werktag, sohin am Montag, begonnen habe. Die außerordentliche Revision sei sohin fristgerecht eingebracht worden.
4 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes sechs Wochen. Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt für sie gemäß § 26 Abs. 3 erster Satz VwGG die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen (§ 25a Abs. 5 VwGG).
5 Die (im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte) "Teilnehmer-Direktzustellung" ist die - technisch eröffnete - Möglichkeit der direkten Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen von für den elektronischen Rechtsverkehr verwendeten EDV-Programmen zwischen Teilnehmern des elektronischen Rechtsverkehrs. Sie dient in erster Linie der Übermittlung von für einen Prozessgegner bestimmten Gleichschriften im zivilgerichtlichen Verfahren durch eine Partei des Verfahrens an eine andere Verfahrenspartei (vgl. etwa die im Internet zugänglichen Programmbeschreibungen unter http://www.advokat.at/Advokat-Online/Module/Elektronischer-Rechtsverkehr.aspx#1.3.2,
http://test.jurxpert.at/hilfe/weberv_teilnehmerdirektzustellung.htm, https://www.imd.at/news--
450. html). Diesbezüglich findet sich eine Rechtsgrundlage etwa in § 112 ZPO, der eine solche Übersendung auch mittels elektronischer Post ermöglicht (§ 112 ZPO lautet: "Sind beide Parteien durch Rechtsanwälte vertreten, so hat jeder dieser Rechtsanwälte, der einen Schriftsatz einbringt, die für den Gegner bestimmte Gleichschrift dessen Rechtsanwalt durch einen Boten, die Post oder mittels Telefax oder elektronischer Post direkt zu übersenden; diese Übersendung ist auf dem dem Gericht überreichten Stück des Schriftsatzes zu vermerken. Dies gilt nicht für Schriftsätze, die dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellen sind oder durch deren Zustellung eine Notfrist in Lauf gesetzt wird."). Diese Bestimmung wird zuweilen auch für nach anderen Gesetzen zu führende Verfahren (vgl. zB § 40 Abs. 4 ASGG und § 24 Abs. 1 AußStrG) für anwendbar erklärt (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2016/19/0109).
6 Eine Rechtsgrundlage für eine Zustellung eines Bescheides im Weg der "Teilnehmer-Direktzustellung" ist im (hier vorliegenden) Fall der Bestellung einer Verfahrenshelferin durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer allerdings nicht ersichtlich. Insbesondere bildet der vom Revisionswerber ins Treffen geführte § 89d Abs. 2 GOG keine solche. Diese Bestimmung stellt - unter ausdrücklichem Verweis auf § 89a Abs. 2 GOG - auf elektronisch übermittelte gerichtliche Erledigungen und Eingaben ab, wozu der gegenständliche Bestellungsbescheid zweifellos nicht zu zählen ist (vgl. den zitierten Beschluss Ra 2016/19/0109).
7 Auch § 37 ZustG kommt als Rechtsgrundlage für einen solchen Zustellvorgang nicht in Betracht, weil weder Anhaltspunkte für die Mitteilung einer "elektronischen Zustelladresse" durch den Verfahrenshelfer für das gegenständliche Verfahren (vgl. § 2 Z 5 ZustG) noch für die Erteilung eines Auftrages gemäß § 34 Abs. 1 ZustG durch den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer vorliegen. Es liegt daher ein Zustellmangel vor (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Ra 2015/19/0155, und vom , Ra 2015/18/0236).
8 Ein solcher Zustellmangel kann jedoch gemäß § 7 ZustG geheilt werden, wenn das zuzustellende Dokument dem Empfänger tatsächlich zukommt. Es ist daher im Fall der elektronischen Zustellung der Zeitpunkt des Zugriffs auf das am Bereithaltungsserver bereitgehaltene Dokument maßgeblich (vgl. die bereits genannten Beschlüsse Ra 2015/19/0155, Ra 2015/18/0236 und Ra 2016/19/0109).
9 Im vorliegenden Fall wurde der Bestellungsbescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien der Verfahrenshelferin - ausgehend von den Angaben in der Revision, in der Stellungnahme des Revisionswerbers vom sowie in dem auf dem Bestellungsbescheid befindlichen Vermerk - am elektronisch übermittelt. Dass die als Verfahrenshelferin bestellte Rechtsanwältin den ab dieser Zeit am Bereithaltungsserver bereitgehaltenen Bestellungsbescheid nicht sogleich an diesem Tag, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt abgerufen hätte, hat der Revisionswerber zu keiner Zeit behauptet. Vielmehr spricht er in seiner Stellungnahme vom selbst davon, dass der Bestellungsbescheid am "im ERV abgestellt" bzw. der Rechtsvertreterin "mittels ERV am zugestellt" worden sei. Da nach den oben stehenden Ausführungen den rechtlichen Überlegungen des Revisionswerbers zum - sich seiner Ansicht nach aus dem Gesetz ergebenden - Zustellzeitpunkt nicht zu folgen war, ist für die weitere Beurteilung davon auszugehen, dass der hier in Rede stehende Bestellungsbescheid als der Verfahrenshelferin mit - infolge tatsächlichen Zukommens durch Abruf vom Bereithaltungsserver - zugestellt anzusehen war.
10 Ausgehend davon endete die sechswöchige Frist zur Einbringung der Revision mit Ablauf des . Die Revision erweist sich somit wegen Versäumung der nach § 26 Abs. 1 iVm Abs. 3 erster Satz VwGG einzuhaltenden Revisionsfrist als verspätet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tanzer, über den Antrag des M A in W, vertreten durch Dr. Evamaria Sluka-Grabner, Rechtsanwältin in 2700 Wiener Neustadt, Herzog Leopold-Straße 12, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W123 2127460-1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Beschluss vom , Ra 2016/19/0156-11, wies der Verwaltungsgerichtshof eine außerordentliche Revision des Antragstellers gemäß § 26 Abs. 1 iVm Abs. 3 erster Satz VwGG als verspätet zurück.
In der Begründung wurde ausgeführt, die nunmehr einschreitende Rechtsanwältin sei mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom zur Vertreterin des Antragstellers bestellt worden. Die Übermittlung dieses Bescheides an die Verfahrenshelferin sei am selben Tag mittels der sog. "Teilnehmer-Direktzustellung" erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof sah - ausgehend von den Angaben des Antragstellers in seiner über entsprechenden Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichtshofes ergangenen Stellungnahme vom , wonach der Bestellungsbescheid der Verfahrenshelferin "mittels ERV am zugestellt" worden sei - den in Rede stehenden Bescheid als der Verfahrenshelferin mit infolge tatsächlichen Zukommens durch Abruf vom Bereithaltungsserver zugestellt an. Die sechswöchige Revisionsfrist habe daher mit Ablauf des geendet. Die erst am im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Revision sei damit verspätet gewesen.
2 Mit dem nunmehrigen Wiedereinsetzungsantrag macht der Antragsteller geltend, er habe sich in seiner Stellungnahme vom im Wort vergriffen, indem er anstelle von "Bereitstellung am Freitag, den " den Ausdruck "zugestellt" gewählt habe. Im konkreten Fall sei lediglich übersehen worden hinzuzufügen, dass zwar die Bereithaltung am erfolgt sei, die Kanzlei an diesem Tag jedoch nicht besetzt gewesen sei, sodass das bereit gestellte Schriftstück erst am darauffolgenden Montag, dem , "abgeholt" habe werden können. Eine falsche Wortwahl könne nur als minderer Grad des Versehens betrachtet werden, der aber nichts an der Tatsache ändere, dass die tatsächliche Kenntnis von der Zustellung erst am Montag, , erfolgt sei.
3 Mit diesem Vorbringen behauptet der Antragsteller eine Zustellung am Montag, , und damit im Ergebnis die rechtzeitige Einbringung seiner Revision.
Aus § 46 Abs. 1 VwGG ergibt sich, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht kommen kann, wenn die betreffende Frist versäumt wurde. Ginge man nun mit dem Antragsteller davon aus, dass die am im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Revision nicht verspätet war, läge mangels Versäumung der Revisionsfrist - schon ausgehend vom Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - kein Wiedereinsetzungsgrund vor (vgl. den hg. Beschluss vom , 93/14/0184).
4 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016190156.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-49016