VwGH 29.03.2017, Ra 2015/15/0073
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Dass die Revisionswerberin die Prognoserechnung für verfehlt erachtet, vermag für sich nicht zu bewirken, dass die Behandlung der Revision von Fragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge. |
Normen | LiebhabereiV 1993 §1 Abs2 Z3; LiebhabereiV 1993 §6; |
RS 2 | Die verlustträchtige Vermietung von (objektiv) privat nutzbarem Wohnraum iSd § 1 Abs. 2 LVO 1993 ist umsatzsteuerlich als Liebhaberei zu qualifizieren (keine Umsatzsteuerpflicht, kein Vorsteuerabzug), was in richtlinienkonformer Interpretation als Steuerbefreiung unter Vorsteuerausschluss zu verstehen ist (vgl. ). |
Normen | 31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb; 31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs1; 31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs2; |
RS 3 | Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. Richtlinie des Rates vom , 77/388/EWG, (im Folgenden: RL), gilt als Steuerpflichtiger, wer wirtschaftliche Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Die Bestimmung sagt nichts darüber aus, ob die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen der Umsatzsteuer unterliegt oder die Umsätze nach Art. 13 Teil B lit. b RL von der Umsatzsteuer befreit sind. Ein "Anwendungsvorrang" des Art. 4 vor Art. 13 RL liegt daher nicht vor, vielmehr kommen nur wirtschaftliche Tätigkeiten iSd Art. 4 RL überhaupt als möglicher Anwendungsfall für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 RL in Betracht (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der B P in K, vertreten durch Mag. Johannes Rainer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 1/I, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100606/2011, betreffend Umsatzsteuer 2000 bis 2003, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin erwarb im Jahr 2000 eine zur Vermietung bestimmte Eigentumswohnung.
2 Bei der endgültigen Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2000 mit Bescheid vom versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass unter Berücksichtigung bisher nicht erfasster Zinsen der Jahre 2000 bis 2010 entgegen der im April 2008 eingereichten Prognoserechnung ein Gesamtverlust von rund 23.000 EUR angefallen sei. Berücksichtige man dazu die für 2009 und 2010 infolge Nichtvermietung der Wohnung seit November 2009 zu erwartenden weiteren Verluste könne innerhalb des maßgeblichen Zeitraumes von 23 Jahren keinesfalls der geforderte Einnahmenüberschuss erzielt werden.
3 In ihrer dagegen erhobenen Berufung wandte die Revisionswerberin ein, dass das Ergebnis einer wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 4 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie irrelevant sei. Es liege eine nachhaltige Erzielung von Einnahmen vor.
4 Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung für das Jahr 2000 sowie endgültige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003, in denen die erklärten Mieteinnahmen als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt wurden und der Vorsteuerabzug versagt wurde.
5 Auch gegen die genannten Bescheide erhob die Revisionswerberin die entsprechenden Rechtsmittel (Vorlageantrag, Berufung). Ein Zeitraum von sieben Jahren sei zu kurz, um über das Vorliegen eines Gesamtüberschusses zu befinden. Zudem bestünden gegen die umsatzsteuerlichen Bestimmungen unionsrechtliche Bedenken. Die "kleine Vermietung" werde in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise diskriminiert.
6 Nach weiteren Erhebungen zum Sachverhalt übermittelte das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine "adaptierte" Prognoserechnung. Dieser stellte der Vertreter der Revisionswerberin eine eigene Prognoserechnung gegenüber, nach der die Vermietung bereits im Jahr 2019 und damit innerhalb des absehbaren Zeitraumes iSd § 2 Abs. 4 LVO einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten ließe.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die als Beschwerden zu behandelnden Berufungen als unbegründet ab. Die Revisionswerberin habe die mit Krediten finanzierte Wohnung ab dem mit einer Unterbrechung (August bis Oktober 2006) bis einschließlich September 2009 an Dritte vermietet. Seit Oktober 2009 habe sie vergeblich über Inserate und einen Makler versucht, die Eigentumswohnung weiter zu vermieten, bis die Wohnung schließlich mangels Nachfrage mit Vertrag vom verkauft worden sei.
8 Die Prognoserechnung der Revisionswerberin sei hinsichtlich mehrerer Punkte korrekturbedürftig. So sei die von der Revisionswerberin angesetzte Indexanpassung von jährlich 2,15% wie das - näher geschilderte - tatsächliche Geschehen zeige, am Markt nicht erzielbar. Auch sei das Mietausfallsrisiko mit 4% zu gering angesetzt. Tatsächlich sei die Wohnung im Zeitraum September 2002 bis Dezember 2010 (100 Monate) nur 82 Monate hindurch vermietet gewesen. Die Revisionswerberin habe "trotz intensivster Bemühungen" keinen Mieter mehr gefunden, der bereit gewesen wäre, die Wohnung um den von der Revisionswerberin verlangten Betrag zu mieten. Mangels konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich ab dem Jahr 2011 die Vermietungsmöglichkeiten so positiv hätten gestalten können wie von der Revisionswerberin angenommen, betrage das aus den konkreten Erfahrungswerten gewonnene Mietausfallsrisiko (Leerstehungsrisiko) rund 14%. Um die von der Revisionswerberin angestrebten (hohen) Mietzinse erzielen zu können, wäre es weiters erforderlich gewesen, die Ausstattung regelmäßig auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen. Zudem entspreche es allgemeiner Lebenserfahrung, dass nach 15 bis 20 Jahren beispielsweise die Sanitäranlagen abgewohnt seien und erneuert werden müssten. Um den anfallenden Instandhaltungs- und Reparaturkosten ausreichend Rechnung zu tragen, erscheine eine Erhöhung des in der Prognoserechnung dafür angesetzten Wertes von 0,5% auf nunmehr 0,75% der Herstellungskosten angemessen. Trage man den gegen die Plausibilität der vorgelegten Prognoserechnung sprechenden Bedenken durch den Ansatz der aus den tatsächlichen Ergebnissen abgeleiteten realitätsnahen Berechnungsfaktoren Rechnung, spreche die solcherart adaptierte Prognoserechnung (die einen Gesamteinnahmenüberschuss erst für das Jahr 2025 ausweist) gegen die Ertragsfähigkeit der Vermietungstätigkeit innerhalb der Frist des § 2 Abs. 4 letzter Satz LVO.
9 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei unzulässig, weil die umsatzsteuerliche Frage der Vermietung einer Eigentumswohnung, für die die Liebhabereivermutung nicht habe widerlegt werden können, durch die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sei (zuletzt durch das Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0015). Die Frage, ob und wann eine konkrete Tätigkeit einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten lasse, sei hingegen für den Einzelfall über die Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung als Tatfrage zu lösen und stelle keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
10 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die im Wesentlichen geltend macht, das Bundesfinanzgericht habe bei Fällung seines Erkenntnisses Willkür geübt und in denkunmöglicher Anwendung der Gesetze eine Ermessensentscheidung gefällt, indem es die vorgelegten Prognoserechnungen der Revisionswerberin als nicht ausreichend erachtet und über einen viel zu kurzen Durchrechnungszeitraum von wenigen Jahren die Gewinnerzielungsabsicht der Revisionswerberin ohne sachliche Rechtfertigung ausgeschlossen habe. Auch habe das Bundesfinanzgericht einen Widerspruch zum Unionsrecht nicht aufgegriffen (Anwendungsvorrang des Art. 4 der 6. MwStRL).
11 Die vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revision ist nicht zulässig.
16 Bei der Frage, ob und wann eine Tätigkeit einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten lässt, handelt es sich um eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage, die der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof insofern zugänglich ist, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, sie somit den Denkgesetzen und dem allgemeinen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. ). Im Zulässigkeitsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass dem Bundesfinanzgericht ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre. Eine Ermessensentscheidung hatte das Bundesfinanzgericht nicht zu treffen. Dass die Revisionswerberin die Prognoserechnung für verfehlt erachtet, vermag für sich nicht zu bewirken, dass die Behandlung der Revision von Fragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.
17 Die hier in Rede stehende Vermietung einer Eigentumswohnung stellt eine Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 LVO 1993 idF BGBl. II Nr. 358/1997 dar, die nach den Feststellungen im angefochtenem Erkenntnis nicht in einem absehbaren Zeitraum von 20 Jahren ab Beginn der entgeltlichen Überlassung, höchstens 23 Jahren ab dem erstmaligen Anfallen von Aufwendungen, einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten ließ (§ 2 Abs. 4 LVO 1993).
18 Die verlustträchtige Vermietung von (objektiv) privat nutzbarem Wohnraum iSd § 1 Abs. 2 LVO 1993 ist umsatzsteuerlich als Liebhaberei zu qualifizieren (keine Umsatzsteuerpflicht, kein Vorsteuerabzug), was in richtlinienkonformer Interpretation als Steuerbefreiung unter Vorsteuerausschluss zu verstehen ist (vgl. zu den schon vom Bundesfinanzgericht angeführten Hinweisen ).
19 Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. Richtlinie des Rates vom , 77/388/EWG, (im Folgenden: RL), gilt als Steuerpflichtiger, wer wirtschaftliche Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Die Bestimmung sagt nichts darüber aus, ob die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen der Umsatzsteuer unterliegt oder die Umsätze - wie im Revisionsfall - nach Art. 13 Teil B lit. b RL von der Umsatzsteuer befreit sind. Ein "Anwendungsvorrang" des Art. 4 vor Art. 13 RL liegt daher nicht vor, vielmehr kommen nur wirtschaftliche Tätigkeiten iSd Art. 4 RL überhaupt als möglicher Anwendungsfall für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 RL in Betracht (vgl. ).
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | 31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb; 31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs1; 31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs2; B-VG Art133 Abs4; LiebhabereiV 1993 §1 Abs2 Z3; LiebhabereiV 1993 §2 Abs4; LiebhabereiV 1993 §6; VwGG §34 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015150073.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-48842